Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.07.2007

LSG Berlin und Brandenburg: erfüllung, verfahrensmangel, unterhaltspflicht, rechtseinheit, minderung, erhaltung, bevollmächtigung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 11.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 99 AS 2555/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 B 1043/07 AS NZB
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
6. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Das Aktivrubrum war zu ändern. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind bei sachgerechter Auslegung des
erstinstanzlich geltend gemachten Begehrens die Anträge der in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller auf
Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - des Sozialgesetzbuches
(SGB II) für den Bewilligungsabschnitt vom 18. Juli 2005 bis zum 31. Juli 2005 (13 Tage). Der Antragsteller zu 1)
kann als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft neben seinem Anspruch nicht auch den Anspruch der weiteren
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im eigenen Namen mit einer Klage verfolgen, sondern jedes Mitglied muss seine
Ansprüche im eigenen Namen geltend machen (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - L 7b
AS 8/06 R - und - L 7b AS 10/06 - sowie bereits Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2006 -
L 10 AS 102/06 -). Die Bevollmächtigung des Antragstellers zu 1) für das vorliegende Verfahren konnte dabei
unterstellt werden (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
6. Juni 2007 ist gemäß § 145 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Denn weder ist die
Berufung gegen das Urteil bereits kraft Gesetzes zulässig, noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3
SGG gegeben.
Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes ausgeschlossen und bedürfte daher
nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes der vorliegenden Klage
den Beschwerdewert von 500,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Denn die
Bedarfsgemeinschaft hat nach Aktenlage für August 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe
von insgesamt 487,09 EUR (Bewilligungsbescheid vom 19. August 2005) erhalten. Umgerechnet auf den hier
streitbefangenen Zeitraum von 13 Tagen ergibt dies einen Betrag in Höhe von 211,07 EUR (487,09 EUR: 30 Tage x 13
Tage), der auch unter Berücksichtigung einer Neuberechnung der Ansprüche wegen einer Minderung des
anrechenbaren Einkommens der Antragstellerin zu 2) um 21,32 EUR (vgl. Teilanerkenntnis des Beklagten vom 6.
Juni2006) den Beschwerdewert nicht erreicht.
Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe bestehen. Die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine Rechtssache hat
grundsätzliche Bedeutung, wenn von ihrer Entscheidung erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung
der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Das ist der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um
eine klärungsbedürftige und klärungsfähige (entscheidungserhebliche) konkrete Rechtsfrage geht, deren Entscheidung
über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die
Antwort nicht zweifelhaft ist, weil sie sich unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (Kummer NZS 1993,
S. 337 ff. [341]).
Eine diese Voraussetzungen erfüllende Frage hat der Kläger indes nicht aufgeworfen. Der Antragsteller zu 1) wendet
sich im Kern gegen die Nichtberücksichtigung seiner Unterhaltsverpflichtung für sein nichteheliches Kind in dem
streitbefangenen Zeitraum, einem Zeitraum, in dem nicht er, sondern ausschließlich seine Ehefrau, die Antragstellerin
zu 2) Einkommen erzielt hat. Er meint, dies könne bei einer Bedarfsgemeinschaft keinen Unterschied machen.
Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort aus dem Gesetz ergibt. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1
Nr. 7 SGB II in der Fassung des mit Wirkung zum 1. August 2006 in Kraft getretenen Gesetzes zur Fortentwicklung
der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind vom Einkommen abzusetzen, Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher
Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in dem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten
Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag. Diese Regelung wurde von der Beklagten auch insoweit schon vor dem 1.
August 2006 zugunsten der Anspruchssteller angewandt (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, (Std.:12. EL/Juni
2007), § 11 RdNr. 201g). § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II privilegiert seinem Wortlaut nach aber nicht die rechtliche
Unterhaltsverpflichtung als solche, sondern nur die zu deren Erfüllung tatsächlich getätigten Aufwendungen
(Hengelhaupt, a. a. O., RdNr. 201f). Diese Aufwendungen können von dem Unterhaltsverpflichteten aber nur geleistet
werden, wenn er über eigenes Einkommen verfügt. Verfügt er über kein eigenes Einkommen können von ihm auch
keine Zahlungen auf seine Unterhaltsverpflichtung geleistet werden, die im Rahmen der Berechnung der Ansprüche
nach dem SGB II zu berücksichtigen wären. Soweit der Antragsteller meint, dass der Unterhalt von dem Einkommen
seiner Ehefrau abzusetzen sei, verkennt er, dass seine Ehefrau rechtlich nicht verpflichtet ist, von ihrem Einkommen
seine Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen. Dem Antragsteller zu 1) bleibt lediglich die Möglichkeit, sich in Zeiten, in
denen er über kein Einkommen verfügt, um eine Absenkung seiner Unterhaltspflicht zu bemühen.
Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (Abweichung von einer obergerichtlichen Entscheidung) oder nach §
144 Abs. 2 Nr. 3 SGG (Verfahrensmangel, der der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt und auf dem die
Entscheidung beruhen kann) sind nicht gegeben. Der Kläger hat weder solche Gründe geltend gemacht noch sind
Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Zulassungsgründe ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Nach
§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das
Landessozialgericht rechtskräftig.