Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.07.2004
LSG Berlin-Brandenburg: verwaltungsakt, schutzwürdiges interesse, wider besseres wissen, aufschiebende wirkung, rechtswidrigkeit, feststellungsklage, anfechtungsklage, aussichtslosigkeit, meldung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 6 AL 60/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 309 SGB 3, § 39 Abs 2 SGB 10,
§ 54 Abs 1 S 2 SGG, § 55 Abs 1
Nr 1 SGG, § 78 SGG
Zulässigkeit der Anfechtungsklage bei Erlass eines
Widerspruchsbescheides trotz Erledigung der
Meldeaufforderung - Unzulässigkeit der (Fortsetzungs-
)Feststellungsklage
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2004
geändert und der Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2004 aufgehoben. Im Übrigen
wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Kläger hat keine Verschuldenskosten zu tragen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, den Kläger nach § 309 Drittes Buch des
Sozialgesetzbuchs (SGB III) aufzufordern, sich am 06. Mai 2003 bei der Beklagten
einzufinden, um seine Eigenbemühungen nachzuweisen und über seine berufliche
Situation zu sprechen.
Er ist im Jahre 1943 geboren und bezog zuletzt vom 17. November 2002 bis zum 31.
Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Seither erhält er Arbeitslosengeld II.
Im Januar 2003 händigte ihm die Beklagte ein auf den 17. Juni 2003 datiertes Schreiben
aus, das folgendermaßen überschrieben war: „Hinweise zu den erforderlichen
Eigenbemühungen (gilt nicht, wenn die Leistung unter den erleichterten
Voraussetzungen des § 428 SGB III oder Altersübergangsgeld bezogen wird)". Hiergegen
hat der Kläger durch Erhebung einer Klage und das Stellen eines einstweiligen
Rechtsschutzantrags vor dem Sozialgericht (SG) Berlin um Rechtsschutz nachgesucht
und zur Begründung geltend gemacht, es handele sich bei dem vorgenannten Schreiben
um einen rechtswidrigen, weil vordatierten und unterschriftslosen Verwaltungsakt. Die
Beklagte versuche ihn zu nötigen, den „§ 428 SGB III anzuerkennen und damit zum
frühestmöglichen Zeitpunkt Rente zu beantragen". Er könne dieser Nötigung keine Folge
leisten, da er sonst der Hansestadt L., zu der er noch in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis stünde und der er seine Arbeitskraft auch noch laufend anbiete, wegen
eines früheren Renteneintritts für einige Jahre Gehaltsnachzahlungen und die
Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen erspare. Sowohl über die Klage
(vormals S AL /03, nunmehr S AL /03) als auch über den einstweiligen
Rechtsschutzantrag (vormals S AL /03 ER, nunmehr S AL /03 ER) hat das SG noch nicht
befunden.
Mit Schreiben vom 23. April 2003 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf die
auf der Rückseite abgedruckte Rechtsfolgenbelehrung auf, hinsichtlich deren
Einzelheiten auf Bl d Rückseite der Gerichtsakte Bezug genommen wird, sich am 06. Mai
2003 bei ihr einzufinden, um seine Eigenbemühungen nachzuweisen und über seine
berufliche Situation zu sprechen. Der Kläger nahm diesen Termin wahr und legte
Nachweise seiner Bewerbungen vor; den zuvor gegen die Aufforderung eingelegten
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2003 als
unbegründet zurück.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte
habe mit der Meldeaufforderung vom 23. April 2003 dem Ausgang der bereits
anhängigen, bezeichneten Verfahren vor dem SG Berlin vorgreifen wollen. Den Nachweis
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anhängigen, bezeichneten Verfahren vor dem SG Berlin vorgreifen wollen. Den Nachweis
von Eigenbemühungen habe er statt - wie von ihm notiert - am 17. Juni 2003 nun bereits
am 6. Mai 2003 erbringen müssen. Im Übrigen hat er die Auffassung vertreten, dass
sämtliche Verwaltungsakte, die ihm die Beklagte im Zusammenhang mit den von ihm
geforderten Eigenbemühungen erteilt habe, reine Willkürakte seien. So gehe man mit
einem Arbeitslosen nicht um.
Nachdem der Kläger im klageerhebenden Schriftsatz beantragt hatte „festzustellen, der
Verwaltungsakt vom 23.4.2003, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
8.10.2003 ist rechtswidrig und wird aufgehoben" und in der mündlichen Verhandlung
vom 12. Juli 2004 beantragt hatte, den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2003 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2003 aufzuheben und dessen
Rechtswidrigkeit festzustellen, hat der Vorsitzende die mündliche Verhandlung
unterbrochen und sich mit der Kammer zur Beratung zurückgezogen. Nach
Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung hat er folgende prozessualen Hinweise
erteilt:
Der Verwaltungsakt vom 23. April 2002 (gemeint war 2003) sei durch Zeitablauf und die
Wahrnehmung des Meldetermins erledigt. Die Aufhebung eines erledigten
Verwaltungsaktes könne vom Gericht mangels Rechtsschutzinteresse nicht begehrt
werden. Auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil die
Voraussetzungen für eine solche Klage nicht ersichtlich seien.
Überdies hat der Vorsitzende den Kläger im Namen der Kammer auf die Vorschrift des §
192 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und diese Vorschrift im Wortlaut
zitiert. Im Anschluss hat er den Kläger auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung
für seine Klagen ohne Rechtsschutzbedürfnis hingewiesen und den Beteiligten
Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Kläger hat daraufhin erklärt, er wolle sich dazu
nicht äußern. Die Vertreterin der Beklagten hat erklärt, die Auffassung des Gerichts zu
teilen.
Sodann hat das SG die Klage abgewiesen und den Kläger verurteilt, an die Staatskasse
150,- € zu erstatten. Sowohl die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 23. April
2003 als auch die Feststellungsklage seien unzulässig, letztere weil ein
Feststellungsinteresse fehle. Soweit der Kläger rüge, dass mit dem angefochtenen
Bescheid die Rechtswidrigkeit eines anderen Bescheides kaschiert werden solle, fehle es
bereits an einem anderen Verwaltungsakt. Das auf den 17. Juni 2003 vordatierte
Schreiben stelle keine Regelung dar, sondern beinhalte lediglich Hinweise auf die
Gesetzeslage. Darüber hinaus habe der Kläger gegen dieses Schreiben bereits
Rechtsschutzverfahren eingeleitet, die eine Klärung des Begehrens des Klägers
erlaubten. Zur Begründung der dem Kläger auferlegten Kosten hat das Gericht
ausgeführt, dass der Kläger die Kosten zu tragen habe, die dadurch verursacht seien,
dass er den Rechtsstreit fortgeführt habe, obwohl ihm vom Kammervorsitzenden die
Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden sei und er auf die Möglichkeit
der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sei. Unter
Abwägung aller Umstände, auch der finanziellen Situation des Klägers, habe die
Kammer den Mindestbetrag in Höhe von 150,- € festgesetzt (Urteil vom 12. Juli 2004).
Mit seiner gegen das Urteil gerichteten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein
bisheriges Vorbringen. Ergänzend legt er dar, dass er der Meldeaufforderung zum 6. Mai
2003 nur zur Vermeidung von Sanktionen nachgekommen sei, da er aufgrund der
beigefügten Rechtsmittelbelehrung gewusst habe, dass sein zuvor hiergegen eingelegter
Widerspruch keine aufschiebende Wirkung haben werde. Die Auferlegung von
Verschuldenskosten sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Klageabweisung
allein darauf beruhe, dass sein ursprünglich in der Klageschrift formulierten Antrag vom
Vorsitzenden des SG in der mündlichen Verhandlung in der aus dem Protokoll
ersichtlichen Weise geändert worden sei.
Der Kläger beantragt ausdrücklich,
1. die Entscheidung über die festgesetzte Missbrauchsgebühr in Höhe von 150 Euro wird
aufgehoben,
2. die mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts
Berlin wird aufgehoben,
3. der Verwaltungsakt vom 23. 4. 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
8. 10. 2003 ist rechtswidrig,
4. hilfsweise: die Bescheide werden aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die dem Senat vorliegenden
Auszüge aus der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber überwiegend nicht begründet.
Gegenstand der Klage ist die im Schreiben der Beklagten vom 23. April 2003 enthaltene
Meldeaufforderung. Hiergegen wehrt sich der Kläger von Anfang an im Hauptantrag mit
einer Anfechtungsklage, denn deren Streitgegenstand bildet die Behauptung des
Klägers, die Meldeaufforderung sei ein rechtswidriger Verwaltungsakt und verletzte ihn in
seinen Rechten (vgl BSGE 41, 100), hilfsweise mit einer Feststellungsklage.
Allerdings hat der Kläger nicht nur in seiner Klageschrift, sondern auch im
Berufungsverfahren das Verhältnis zwischen Haupt- und Hilfsantrag in entgegen
gesetzter Weise bestimmt, folgt man dem nunmehr schriftsätzlich formulierten Antrag.
Indessen ist der Senat an die Fassung des Antrags nicht gebunden, da dieser dass
Verhältnis der vom Kläger erhobenen Ansprüche, über die allein zu entscheiden ist, nicht
richtig wiedergibt (vgl § 123 SGG). Entgegen der Auffassung des Klägers erfasst der von
ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem SG offenbar auf Anraten des Vorsitzenden
gestellte Antrag sein Klageziel zutreffend. Denn, vorausgesetzt die Meldeaufforderung
ist im Sinne von § 31 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X)
ein Verwaltungsakt (str; vgl ausführlich zum Meinungsstand: Bundessozialgericht (BSG),
Urteil vom 19. Januar 2005, B 11a/11 AL 39/04 R), ist der Anfechtungsantrag in jedem
Falle gegenüber dem Feststellungsantrag logisch vorrangig, eine
Fortsetzungsfeststellungsklage ist dagegen erst in Betracht zu ziehen, wenn ein
ursprünglich anfechtbarer Verwaltungsakt vorliegt und hinzukommt, dass dieser
Verwaltungsakt sich erledigt hat, wobei die Erledigung zugleich dazu führt, dass der
Anfechtungsantrag unzulässig wird. Insoweit irrt der Kläger, wenn er meint, die
Abweisung seiner Klage durch das SG beruhe darauf, dass das Gericht das Verhältnis
zwischen Haupt- und Hilfsantrag verkannt habe.
Die mit dem klägerischen Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage ist teilweise
unzulässig, teilweise unbegründet.
Soweit sich der Antrag gegen die im Schreiben vom 23. April 2003 enthaltene
Meldeaufforderung richtet, ist die Klage unzulässig, wobei auch in diesem
Zusammenhang dahinstehen kann, ob - wovon die Beteiligten und auch das SG
ausgegangen sind - sie als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann. Denn von der
Meldeaufforderung gingen für den Kläger bereits nach dem 6. Mai 2003 keine
belastenden Wirkungen mehr aus, sie hat sich mithin erledigt, so dass selbst wenn sie
ein Verwaltungsakt wäre, dieser seine Wirksamkeit verloren hätte (§ 39 Abs 2 SGB X).
Der Umstand, dass für die Erfüllung der Meldeobliegenheit ein genau bestimmter
Zeitpunkt festgelegt wurde, war eben gerade nicht als zeitlich unbegrenzte
Verhaltensaufforderung zu verstehen, sondern stellte eine zeitliche Beschränkung des
Geltungsanspruchs der Meldeaufforderung dar, so dass die hieraus folgende Beschwer
mit Ablauf des hierfür vorgesehenen Zeitpunktes entfallen ist. Ferner ist die Beschwer
auch deshalb entfallen, weil der Kläger der Meldeaufforderung auch tatsächlich
nachgekommen ist und diese Handlung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Soweit sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2003 wendet
(bei dem es sich immer um einen Verwaltungsakt handelt), ist die Klage begründet.
Sollte die Meldeaufforderung nicht einen Verwaltungsakt darstellen, wäre der
Widerspruch als förmlicher Rechtsbehelf nicht zulässig gewesen und die Beklagte schon
aus diesem Grunde nicht zum Erlass des Widerspruchsbescheides berechtigt gewesen
(§§ 78, 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Falls es sich aber um einen Verwaltungsakt handelt, wäre
dieser - wie dargelegt - erledigt, so dass eine Widerspruchsentscheidung in der Sache
nicht mehr hätte ergehen dürfen. Das Widerspruchsverfahren hätte vielmehr eingestellt
werden müssen. Durch den dennoch ergangenen Widerspruchsbescheid wäre der Kläger
beschwert; denn durch die Zurückweisung seines Widerspruchs wird der Eindruck
erweckt, die (erledigte) Meldeaufforderung sei bestandskräftig geworden. Der
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erweckt, die (erledigte) Meldeaufforderung sei bestandskräftig geworden. Der
Widerspruchsbescheid ist daher aufzuheben. (vgl BVerwGE 81, 226, 227).
Die Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig, da der Kläger mangels berechtigten
Interesses keinen prozessualen Anspruch darauf hat, dass der Senat über die
Rechtswidrigkeit der in dem hier in Rede stehenden Schreiben vom 23. April 2003
enthaltenen Meldeaufforderung befindet.
Keiner Entscheidung bedarf, ob für die Durchsetzung dieses Begehren die so genannte
Fortsetzungsfeststellungsklage, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines
erledigten Verwaltungsaktes erreicht werden kann, in analoger Anwendung des § 131
Abs 1 Satz 3 SGG die richtige und - abgesehen von weiteren Voraussetzungen – die
geeignete Klageart ist. Dies würde gelten, wenn man die Meldeaufforderung als
Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Abs 1 Satz 1 SGB X qualifizieren würde und man im
Weiteren - der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 113 Abs 1
Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung folgend - trotz Erledigung der Meldeaufforderung vor
Klageerhebung § 131 Abs 1 Satz 3 SGG anwenden wollte (vgl BVerwGE 81, 226, 227).
Selbst wenn man stattdessen die allgemeine Feststellungsklage des § 55 Abs 1 Nr 1
SGG für die richtige Klageart hielte, der jedenfalls nicht entgegenstünde, dass es sich bei
der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes - so denn man die Meldeaufforderung für
einen solchen hielte - nicht um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handeln würde
(BVerwGE 109, 203), müsste ein Feststellungsinteresse unter den gleichen
Voraussetzungen verneint werden, wie sie für § 131 Abs 1 Satz 3 SGG gelten (BVerwG
aaO und BSG SozR 3-4100 § 116 Nr 4). Ein solches Feststellungsinteresse fehlt hier
jedoch, was auch nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Grundgesetz
(BVerwG NVwZ 1990, 360, 361) verstößt, da Rechtsschutz nicht als Selbstzweck gewährt
wird, sondern immer ein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung verlangt. Ein
solches schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller
Natur sein (BSG SozR 4100 § 91 Nr 5 mwN; SozR 3-7815 Art 1 § 3 Nr 4 mwN) und muss
am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz vorliegen
(BVerwGE 106, 295). Weder ist dem Vortrag des Klägers ein solches berechtigtes
Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeaufforderung zu entnehmen
noch ist für den Senat ein solches ersichtlich, weshalb unerörtert bleiben kann, ob
überhaupt nur die Erwägungen, die der Kläger selbst geltend macht, ein berechtigtes
Interesse zu begründen vermögen.
Soweit der Kläger hierzu anführt, die Meldeaufforderung vom 23. April 2003 habe
ausschließlich dazu gedient, „Fakten zu schaffen, damit der rechtswidrige,
unterschriftslose und auf den 17.6.2003 vordatierte Verwaltungsakt als gegenstandslos
betrachtet werden" könne, bietet diese Vortrag keinerlei Anhaltspunkte für ein beim
Kläger bestehendes berechtigtes Interesse. Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen,
dass von einer Erledigung auch dann auszugehen ist, wenn zu einem Verwaltungsakt ein
weiterer „überholender" Verwaltungsakt hinzukommt und unanfechtbar wird, der zur
Folge hat, dass die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes für den Kläger
keine Bedeutung mehr hätte. Der Kläger verkennt aber die rechtlichen
Zusammenhänge, wenn er glaubt, hieraus ein berechtigtes Interesse für die hier
erhobene Feststellungsklage herleiten zu können. Denn da die Erledigung, - wenn
überhaupt - schon eingetreten ist, kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Meldeaufforderung die Erledigung nicht rückgängig machen.
Ein berechtigtes Interesse ist auch nicht wegen Wiederholungsgefahr zu bejahen. Zwar
ist die Beklagte in keiner ihrer Äußerungen davon abgerückt, dass sie dazu berechtigt
war, den Kläger zu der hier umstrittenen Meldung aufzufordern, so dass es zumindest
noch im Zeitpunkt des Erlasses des hier angefochtenen Urteils nahe gelegen haben
mag, dass der Kläger damit rechnen musste, dass es in einer zukünftigen
vergleichbaren Situation wieder zu einer Meldeaufforderung durch die Beklagte kommen
würde. Dies ist indes mit Blick auf den bereits dargelegten maßgeblichen Zeitpunkt für
die Beurteilung des berechtigten Interesses nunmehr ohne Belang. Denn derzeit bezieht
der Kläger Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II)
aufgrund eines Bewilligungsbescheides einer Arbeitsgemeinschaft der Bundesagentur
für Arbeit und des Landes Berlin. Der Fall, dass die Beklagte ihn noch einmal zu einer
Meldung nach § 309 SGB III auffordert, kann nicht mehr eintreten, wenngleich diese
Vorschrift nach § 59 SGB II entsprechend anwendbar ist.
Der Kläger hat auch kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, weil er
durch die Meldeaufforderung - ihre Rechtswidrigkeit unterstellt - in einer nur durch diese
gerichtliche Feststellung ausgleichbaren Weise diskriminiert worden wäre. Zwar weist
sein Vorbringen, sämtliche Verwaltungsakte, die die Beklagte im Zusammenhang mit
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sein Vorbringen, sämtliche Verwaltungsakte, die die Beklagte im Zusammenhang mit
den von ihm geforderten Eigenbemühungen erlassen habe, seien Willkürakte, in die
Richtung, dass er selbst meint mit diesem Vorbringen ein berechtigtes Interesse
begründen zu können. Indessen ist nicht ansatzweise zu erkennen, warum der Kläger
durch die im Gesetz vorgesehene Meldeaufforderung in seinem Persönlichkeitsrecht
beeinträchtigt sein könnte.
Schließlich hat der Kläger auch kein berechtigtes Interesse an der verlangten
Feststellung, weil er in tief greifender Weise in seinen Grundrechten verletzt wäre. Zwar
gebietet es das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, dass der Betroffene
Gelegenheit erhält, in Fällen tief greifender, tatsächlich jedoch nicht fortwirkender
Grundrechtseingriffe auch dann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich klären zu
lassen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich - so wie hier
- nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der
Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl BVerwG NVwZ 1999,
991 mwN). Für eine Grundrechtsverletzung, gar eine tief greifende ist hier jedoch nichts
ersichtlich.
Nicht zu bestätigen ist die Verhängung von Verschuldenskosten durch das SG. Nach §
192 Abs 1 Nr 2 SGG kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die
Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit
fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der
Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei
Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Ein Unterfall des
Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung ist die offensichtliche Aussichtslosigkeit einer
Rechtsverfolgung. Mit § 192 Abs 1 Nr 2 SGG soll verhindert werden, dass wegen des
nicht vorhandenen Kostenrisikos völlig aussichtslose Verfahren durchgeführt werden.
Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung liegt vor, wenn ein verständiger Dritter die
offensichtliche Aussichtslosigkeit erkannt hätte. Insoweit ist im Gegensatz zu § 192 SGG
in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung nunmehr kein Handeln des Beteiligten
wider besseres Wissen und damit Einsichtsfähigkeit des Beteiligten mehr erforderlich
(Hennig, SGG, § 192 Rdnr 12). Als verursachter Kostenbetrag gilt gemäß §§ 192 Abs 3
iVm 184 Abs 2 SGG für das Verfahren vor den Sozialgerichten mindestens ein Betrag
von 150,- EUR.
Die weitere Rechtsverfolgung durch den Kläger war - jedenfalls soweit es die Anfechtung
des Widerspruchsbescheides betrifft - nicht rechtsmissbräuchlich. Keiner Vertiefung
bedarf daher, ob die Rechtsmissbräuchlichkeit auch hinsichtlich des hilfsweise verfolgten
Feststellungsantrages mit der Begründung zu verneinen wäre, dass zum Zeitpunkt der
Entscheidung des SG jedenfalls noch ein Feststellungsinteresse unter dem
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr nahe lag, so dass der Antrag zum damaligen
Zeitpunkt zumindest nicht als unzulässig hätte abgewiesen werden dürfen. Denn ist ein
Klagebegehren zumindest teilweise begründet, darf der Kläger nicht durch einen
pauschalen und damit unzutreffenden Hinweis auf die Missbräuchlichkeit der
Rechtsverfolgung an der Weiterverfolgung seines immerhin teilweise begründet
erhobenen Anspruches gehindert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; das geringfügige Obsiegen des Klägers
rechtfertigt es nicht, die Beklagte auch nur zum Teil mit den außergerichtlichen Kosten
des Klägers zu belasten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1und 2 SGG).
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