Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.09.2008

LSG Berlin-Brandenburg: rechtliches gehör, rüge, beruf, bindungswirkung, sammlung, link, quelle, weiterbildung, wasser, wiederholung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
20. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 20 AS 1711/10 B RG
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 178a SGG, § 103 Abs 1 GG
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit der Anhörungsrüge
im Verfahren gegen die Ablehnung eines PKH-Antrags
Tenor
Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 08. Juni 2010 im Verfahren L
20 AS 561/10 B PKH wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Anhörungsrüge ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Senat gibt seine
Rechtsauffassung (Beschluss vom 29. September 2008, L 20 B 1606/08 AS PKH [nicht
veröffentlicht]; vom 12. Mai 2009, L 20 AS 550/09 B RG [nicht veröffentlicht]), dass eine
Anhörungsrüge gegen eine Entscheidung über einer Beschwerde gegen den die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren ablehnenden
Beschluss nicht statthaft ist, weil es sich dabei um eine der Endentscheidung
vorausgehende Entscheidung im Sinne des § 178 a Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - handelt, auf. Zwar ist bei Zurückweisung der Beschwerde die Ablehnung des
Prozesskostenhilfeantrages nicht mehr mit Rechtsmitteln angreifbar, weil die
Entscheidung des Landessozialgerichts nicht mit der Beschwerde zum
Bundessozialgericht angefochten werden kann (§ 177 SGG). Der Betroffene ist auch
nicht gehindert, das Verfahren weiterzuführen, welches vor den Sozialgerichten
gerichtskostenfrei ist (§ 183 Satz 1 SGG) und es besteht kein Anwaltszwang. Auch ist der
die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss nicht der Rechtskraft fähig,
eine Wiederholung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe deshalb jederzeit
- nicht nur wenn neue Tatsachen vorliegen oder sich die Rechtslage geändert hat -
möglich (vgl. Beschluss des Senats vom 29. September 2008, L 20 B 1606/08 AS PKH
mit weiteren Nachweisen).
Das Gebot des wirkungsvollen Rechtsschutzes welches der Gehörsrüge zugrunde liegt
erfordert es jedoch dennoch, eine Rüge der Gehörsverletzung auch in
Zwischenverfahren zu ermöglichen, wenn in diesen Verfahren abschließend entschieden
wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert
werden kann (BVerfG v. 06. Mai 2010, 1 BvR 96/10, juris, Orientierungssatz 2a). So liegt
es bei der der Entscheidung über die Beschwerde gegen die Ablehnung von
Prozesskostenhilfe. In einer Endentscheidung ist die Entscheidung im
Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu überprüfen. Zwar ist es dem Kläger möglich, für
das weitere erstinstanzliche Verfahren vor dem Sozialgericht erneut Prozesskostenhilfe
zu beantragen. Die den Erstantrag ablehnende Entscheidung entfaltet für den
Zweitantrag auch keine Bindungswirkung. Hinsichtlich des Verfahrens zuvor und die
durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten findet aber
keine Prüfung mehr statt. Prozesskostenhilfe ist frühestens ab Antragstellung, dann also
ab der wiederholten Antragstellung möglich, so dass hinsichtlich des früheren Zeitraums
des Verfahrens eine Entscheidung mit Bindungswirkung vorliegt, die nicht in einem
Rechtsmittelverfahren überprüft und auch nicht später im Rahmen einer Inzidentprüfung
korrigiert werden kann (zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch: BVerfG v. 06. Mai
2010, 1 BvR 96/10).
Die Rüge ist unbegründet.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Antragstellers durch den Beschluss vom 08.
Juni 2010ist nicht festzustellen.
Der Kläger trägt mit der Rüge vor, der Senat habe bei seiner Entscheidung vom 08. Juni
2010 übersehen, dass er, der Kläger, seinem ursprünglichen Beruf als Gas-Wasser-
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2010 übersehen, dass er, der Kläger, seinem ursprünglichen Beruf als Gas-Wasser-
Installateur über vier Jahre „entfremdet“ gewesen sei und insoweit die Beklagte eine
Weiterbildung hätte anerkennen müssen. Insoweit hätte die Klage anfänglich Aussicht
auf Erfolg gehabt. Richtigerweise hätte über den PKH-Antrag zeitnah nach
Klageerhebung entschieden werden müssen.
Mit dem Vortrag begehrt der Kläger im Kern die Fortführung des Rechtsstreits unter
Berücksichtigung eines weiteren Vortrages. Dies entspricht jedoch nicht dem Zweck der
Anhörungsrüge. Sie dient nicht der Fortführung des Verfahrens, sondern der
Überprüfung des verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruchs auf rechtliches Gehör
(vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 08. November 2006 - B 2 U 5/06 C
-, juris). Der Kläger behauptet, der Senat habe bei der Entscheidungsfindung etwas
„übersehen“. Der Kläger macht nicht geltend, dass er im Verfahren - hier das Verfahren
über die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe - vorgetragen hat,
dass er sich seinem ursprünglichen Beruf „entfremdet“ habe. Ein solcher Vortrag ist
nicht erfolgt. Mit den Ausführungen, der Senat habe „übersehen“ macht er damit
geltend, dass der Senat diesen Gesichtspunkt, der sich aus dem Sachverhalt ergeben
soll, der dem Klageverfahren zugrunde gelegen hat, nicht bei der Entscheidungsfindung
gewürdigt hat.
Eine - vermeintlich - unzureichende Würdigung eines Sachverhalts oder eines Vortrages
im Verfahren kann jedoch nicht zur Begründetheit der Anhörungsrüge führen, denn
diese dient nicht der bloßen Fortführung des Verfahrens unter Berücksichtigung weiterer
Wertungen und Gesichtspunkte.
Das Gebot rechtlichen Gehörs erfordert es, dass das entscheidende Gericht die
Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in
Erwägung zieht. Dagegen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) das Gericht
nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch
zu folgen. Im Rahmen der Verpflichtung zur Erwägung des Vortrages von Beteiligten ist
das Gericht ferner nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den
Entscheidungsgründen zu befassen. Es muss nur auf das für das Verfahren wesentliche
und nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Vorbringen eingehen. Je
umfangreicher das Vorbringen ist, desto stärker besteht die Notwendigkeit, im Rahmen
der Entscheidungsbegründung nur die wesentlichen Fragen abzuhandeln und auf die
ausdrückliche Auseinandersetzung mit weniger wichtigen oder gar abwegigen Fragen zu
verzichten (Beschluss des BSG vom 28.09.2006 - B 3 P 1/06 C-, SozR-4 1500 § 178a Nr.
5 m.w.N.).
Danach ist hier nicht erkennbar, in welcher Weise der Senat bei der Entscheidung über
die Beschwerde des Klägers das rechtliche Gehör verletzt haben soll. Der Kläger hatte
Gelegenheit, zu seiner Beschwerde vorzutragen und hatte die Beschwerde mit
Schriftsatz vom 31. März 2010 auch begründet. Auf das Vorbringen, dass nach
Auffassung des Klägers hinsichtlich der zu beurteilenden Erfolgsaussichten auf die Sach-
und Rechtslage zum Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen gewesen sei (Vortrag im
Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 31. März 2010), ist der Senat mit der
Entscheidung vom 08. Juni 2010 eingegangen (Gründe Seite 3 ab dem 3. Absatz bis
Seite 4), jedoch nicht mit dem vom Kläger für allein zutreffend erachteten Ergebnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 178 a Abs. 4 Satz 3 SGG und § 177 SGG nicht anfechtbar.
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