Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.05.2005

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
29. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 29 B 121/05 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b Abs 1 SGG, § 16 Abs 1
SGB 2, § 31 SGB 2
Einstweiliger Rechtsschutz - Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen das Angebot
einer Eingliederungsmaßnahme
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam
vom 13. Mai 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag abgelehnt und
der hilfsweise gestellte Antrag zurückgewiesen wird.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines
Widerspruchs gegen die Aufforderung an ihn, an einer beruflichen Erwachsenenbildung
teil zu nehmen. Hilfsweise begehrt er, der Antragsgegnerin zu untersagen, ihm
Anordnungen zur Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen zu erteilen.
Der Antragsteller erhält gegenwärtig Regelleistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2.
Buch (SGB II), sowie die Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung seines
Einkommens aus einer Unfall- und Erwerbsminderungsrente. Darüber hinaus bewilligte
die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen befristeten Zuschlag nach der Zahlung von
Arbeitslosengeld (Bescheid vom 17. Juni 2005 für die mit Frau B. bestehende
Bedarfsgemeinschaft).
Mit Schreiben vom 15. März 2005 schlug die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine
Maßnahme der beruflichen Erwachsenenbildung als Sozialhelfer ab 01. April 2005 vor.
Das Schreiben trug auf Seite 2 den als „Rechtsfolgenbelehrung" formulierten Hinweis auf
die rechtlichen Folgen der Nichtannahme angebotener Arbeit (§ 31 SGB II). Der
Antragsteller sandte die Rückseite des Schreibens mit dem Hinweis, er sei ab dem 01.
April 2005 als Sozialhelfer eingestellt an die Antragsgegnerin zurück. Tatsächlich übt er
die Tätigkeit nicht aus.
Am 13. April 2005 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Potsdam, die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen „den Bescheid der Antragsgegnerin
vom 15. März 2005" wieder herzustellen, hilfsweise der Antragsgegnerin zu untersagen,
ihm Anordnungen zur Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen zu erteilen. Er sei
erwerbsunfähig. Hinsichtlich dieser Frage sei das Verfahren S 14 R 217/05 bei dem
Sozialgericht Potsdam anhängig. Dort gehe es um die Frage, ob ihm Rente wegen voller
oder - wie von der dortigen Beklagten behauptet - nur Rente wegen teilweiser
Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei.
Mit Beschluss vom 13. Mai 2005 hat das Sozialgericht Potsdam den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des
Antragstellers stelle das Schreiben vom 15. März 2005 keinen Verwaltungsakt dar. Die
Rechtsfolgenbelehrung des Schreibens setze keine verbindliche Rechtsfolge. Hinsichtlich
des hilfsweise gestellten Antrages sei ein Anordnungsanspruch zu verneinen. Die vom
Antragsteller behauptete Erwerbsunfähigkeit lasse sich gegenwärtig nicht feststellen.
Der hiergegen am 20. Juni 2005 eingelegten Beschwerde hat das Sozialgericht nicht
abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt auch der Verwaltungsakten der
Antragsgegnerin sowie die Verfahrensakten zum Verfahren S 14 R 217/05 bei dem
Sozialgericht Potsdam nebst der dortigen Verwaltungsakten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs ist
unzulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts zu Arbeitsangeboten im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) zu folgen ist, wonach ein Beschäftigungsangebot
nach der vorgenannten Regelung keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. BSG, Beschluss
vom 21. Oktober 2003, Az. B 7 AL 82/03 B; Urteil vom 19. Januar 2005, Az. B 11 a/11 AL
39/04 R). Eicher (in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 16 Rz. 212) sieht dementsprechend in der
Aufforderung nach § 16 SGB II an den Hilfsbedürftigen, eine bestimmte angebotene
Arbeit aufzunehmen, noch keine Regelung eines Einzelfalls, sondern nur das Angebot
zum Vertragsabschluss mit dem Leistungsträger oder einem Dritten.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen
das Schreiben der Antragsgegnerin vom 15. März 2005 ist jedoch auch dann unzulässig,
wenn man das Arbeitsangebot als Verwaltungsakt ansieht (so das BVerwG zur
Heranziehung zur Arbeit nach § 19 Bundessozialhilfegesetz –BSHG-; vgl. Urteil vom 13.
Oktober 1983, -5 C 66.82-, FEVS 33, 45). Es handelt sich dann nämlich, da hier noch
keine negativen Rechtsfolgen durch die Antragsgegnerin ausgesprochen worden sind,
um einen begünstigenden, die Arbeitsbedingungen festlegenden Verwaltungsakt, gegen
den nur Widerspruch und Verpflichtungsklage statthaft wären (vgl. zu § 19 BSHG: OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. März 1999, 24 B 1378/98, info also 1999, 137).
Nur in den Fällen der späteren Anfechtungsklage greift jedoch das Rechtschutzsystem
des § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Androhung der Folgen der § 31 SGB II
hindert nicht die spätere, entsprechend gesonderte Prüfung, ob tatsächlich eine
Arbeitsverweigerung vorgelegen hat und welche Maßnahmen nach den besagten
Vorschriften adäquat sind. Diese Überprüfung findet jedoch erst im Rahmen, der nach
den vorgenannten Vorschriften ergangenen Bescheide statt. Solche sind hier bisher – für
den Senat nicht nachvollziehbar - nicht erlassen worden.
Damit hat der Antragsteller mit seinem Hauptantrag keinen Erfolg. Der Tenor des
sozialgerichtlichen Beschlusses war insoweit jedoch klarzustellen, da das Sozialgericht
die Prüfung im Rahmen des § 86 b Abs. 2 SGG durchgeführt hat.
Auch der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Ein Rechtsschutzbedürfnis für das Unterlassen
von Anordnungen zur Teilnahme an Eingliederungsmaßnahmen für die Dauer des
sozialgerichtlichen Verfahrens über die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente,
mithin einen vorbeugenden Unterlassungsantrag, ist nicht ersichtlich. Das für einen
vorbeugenden Unterlassungsantrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verlangt, dass
dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsangebot
entgegenzunehmen und – bei dessen Ablehnung - die Entscheidung der
Antragsgegnerin über das Verhängen von Maßnahmen nach § 31 SGB II abzuwarten,
weil schon eine nur kurzzeitige Hinnahme der befürchteten Maßnahmen geeignet wäre,
ihn in besonders schwerwiegender Weise in seinen Rechten zu beeinträchtigen. Diese
Zulässigkeitsvoraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).
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