Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 02.03.2006
LSG Berlin und Brandenburg: hauptsache, rechtsschutz, zivilprozessordnung, abschlag, berechtigter, auflage, wahrscheinlichkeit, menschenwürde
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 02.03.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 78 AY 327/05 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 15 B 4/06 AY ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2005 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde, die sich der Sache nach sowohl gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes als auch gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch den
angefochtenen Beschluss richtet, hat keinen Erfolg, auch wenn davon ausgegangen wird, dass der mit Schriftsatz
vom 1. März 2006 übersandte Telefax-Sendebericht vom 13. Januar 2006 die fristgerechte Einlegung der Beschwerde
nachweist.
Da die Antragstellerin eine Veränderung des bisher – im von ihr gewünschten Umfang - "leistungslosen" Zustands
erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter der Voraussetzung des § 86b Abs. 2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser
Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach
materiellem Recht besteht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung –
ZPO -; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit
§§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in
Handkommentar SGG, 2. Auflage 2006, § 86b Randnummer 33 ff.).
Jedenfalls ein Anordnungsrund ist nicht glaubhaft gemacht. Auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 6 des
angefochtenen Beschlusses, zu 2., wird Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden (§ 153 Abs. 2 SGG).
Mit der Beschwerde trägt die Antragstellerin nichts vor, was eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage
rechtfertigen könnte. Ein Anordnungsgrund ist, wie das Sozialgericht bereits dargelegt hat, nicht bereits deshalb
glaubhaft gemacht, weil ein Anordnungsanspruch überwiegend wahrscheinlich ist; darauf läuft die Argumentation der
Antragstellerin aber letztlich hinaus. Zudem steht das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache einer
weitergehenderen Leistungsverpflichtung des Antragstellers entgegen: Die Antragstellerin erhält bereits Leistungen
nach § 3 AsylbLG. Sogar dann, wenn die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes von Verfassungs wegen geboten
ist, um Grundrechte und im besonderen die Menschenwürde zu schützen (und damit ein Anordnungsgrund "dem
Grunde nach" vorliegt), ist das aber nicht gleichbedeutend damit, dass ein Berechtigter bereits im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes die begehrten Leistungen in vollem Umfang beanspruchen kann. Das Gericht kann dem
Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes auch in diesen Fällen dadurch Rechnung tragen, dass es Leistungen nur
mit einem Abschlag zuspricht (s. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, Abs. 26, zitiert nach Juris).
Folglich wäre besonders zu begründen, warum ihr – wenigstens teilweise – auch die weitergehenderen Leistungen
nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren sein
sollten. Ungeachtet der Begründung der Antragstellerin ergibt sich dafür nach Aktenlage für das Gericht kein
Anhaltspunkt.
In der Folge hat das Sozialgericht zu Recht auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender
Erfolgsaussicht abgelehnt (§ 73a SGG i. V. mit §§ 114 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht bezüglich des Beschwerdeverfahrens auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe auf § 73a SGG i. V. mit § 127 Abs. 4 ZPO, im Übrigen auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).