Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 02.12.2010

LSG Berlin und Brandenburg: heizung, wohnung, fahrkosten, behinderung, anerkennung, erwerbseinkommen, steuerrecht, niedersachsen, gerichtsverfahren, betrug

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 02.12.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 14 AS 1978/08
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 25 AS 759/10
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. März 2010 wird
zurückgewiesen. Die Beklagte hat den Klägern 1/12 der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu
erstatten. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts bleibt unberührt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. Januar 2007.
Der 1971 geborene Kläger zu 1. lebte im vorgenannten Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1972 geborenen
Ehefrau, der Klägerin zu 2., sowie mit den beiden gemeinsamen Kindern J-M geboren 1996 und B, geboren 2003, den
Klägerinnen zu 3. und 4 ... Der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. sind gehörlos; schwerbehindertenrechtlich sind bei
ihnen ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die
Merkzeichen RF und Gl festgestellt, bei dem Kläger zu 1. darüber hinaus das Vorliegen der gesundheitlichen
Voraussetzungen für das Merkzeichen G. Die Kläger bewohnen ein Eigenheim; die Gesamtfläche beträgt nach
eigenen Angaben 160 qm, die Wohnfläche 100 qm. Für das Grundstück hatten die Kläger im maßgeblichen Zeitraum
Grundsteuern in Höhe von jährlich 223,34 EUR, Wasser- und Abwassergebühren in Höhe von 675 EUR zuzüglich
einer Nachzahlung für das Jahr 2006 in Höhe von 104,20 EUR gemäß Gebührenbescheid des Wasser- und
Abwasserverbandes A vom (insgesamt 779,20 EUR), Abfallgebühren für das Jahr 2006 in Höhe von 112,56 EUR,
Schornsteinfegergebühren in Höhe von 48,36 EUR, Beiträge zur Wohngebäudeversicherung in Höhe von monatlich
13,56 EUR sowie Abschlagszahlungen in Höhe von monatlich 176,00 EUR für die Lieferung von Gas für Heizung und
Warmwasserbereitung zu entrichten.
Von Januar 2005 bis Juli 2008 sowie ab April 2009 bezogen die Kläger von der Beklagten Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 6. Oktober 2005 schloss der Kläger zu 1. mit der Beklagten eine
Eingliederungsvereinbarung, die durch die Eingliederungsvereinbarung vom 29. Juni 2006 und nachfolgend durch die
Eingliederungsvereinbarung vom 23. Februar 2007 ersetzt wurde. In der Eingliederungsvereinbarung vom 29. Juni
2006 verpflichtete sich die Beklagte zur Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten bzw. bei der Integration des Klägers
zu 1. in Ausbildung/Beschäftigung u. a. eine Fallmanagerin einzuschalten, auf Antrag Mobilitätshilfen zur Aufnahme
der Arbeit zu gewähren und dem Kläger zu 1. eine öffentlich geförderte Beschäftigung in einer
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) anzubieten. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung war der Kläger vom 1. Juli
2006 bis zum 31. Dezember 2006 im Rahmen einer ABM als "Mitarbeiter Archiv" beschäftigt; der vereinbarte
Bruttolohn betrug monatlich 1.100 EUR. Die Klägerin zu 2. stand seit 6. Oktober 2005 in einem fortlaufenden
Arbeitsverhältnis, der vereinbarte Bruttolohn betrug monatlich 910 EUR.
Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 7. September 2006 monatliche Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. Januar 2007 in Höhe von monatlich 77,20 EUR und
für den Zeitraum vom 1. bis 28. Februar 2007 in Höhe von 676,24 EUR. Hiergegen legte der Kläger zu 1. mit
Schreiben vom 12. September 2006 "für die "Bedarfsgemeinschaft" Widerspruch ein, mit dem er eine Anrechnung
höherer Fahrkosten zur Arbeitsstätte und die Anerkennung eines Mehrbedarfs für Behinderte geltend machte. Mit
Änderungsbescheid vom 11. Januar 2007 bewilligte die Beklagte nunmehr Leistungen für den Zeitraum vom 1.
September 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von 631,46 EUR und für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31.
Januar 2007 in Höhe von monatlich 146,84 EUR. Dabei berücksichtigte die Beklagte einen Bedarf an Regelleistungen
in Höhe von insgesamt 622 EUR bei den Klägern zu 1. und zu 2. sowie Sozialgeld in Höhe von jeweils 207 EUR bei
den Klägerinnen zu 3. und zu 4 ... Als Kosten der Unterkunft und Heizung setzte die Beklagte für den Zeitraum vom
1. bis 30. September 2006 einen Betrag in Höhe von 805,30 EUR an und berücksichtigte hierbei laufende Kosten in
Höhe von 320,68 EUR sowie darüber hinaus eine Nachzahlungsforderung aus der Heizkostenabrechnung vom 14.
Juni 2006 in Höhe von 484,62 EUR. Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Januar 2007 berücksichtigte die
Beklagte monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 320,68 EUR. Als Einkommen berücksichtigte
die Beklagte monatliches Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. in Höhe von 529,40 EUR und der Klägerin zu 2. in
Höhe von 372,44 EUR sowie Kindergeld in Höhe von insgesamt 308 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar
2007 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück und entschied, dass die Aufwendungen des
Widerspruchsverfahrens auf Antrag zu erstatten sind. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 16. Februar 2007
bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Januar 2007 – unter Berücksichtigung von
Beitragsänderungen bei den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen der Kläger zu 1. und 2. – Leistungen in Höhe von
nur noch 145,54 EUR und für den Zeitraum vom 1. Februar bis 28. Februar 2007 Leistungen in Höhe von 704,25 EUR.
Am 19. Februar 2007 hat der Kläger zu 1. bei dem Sozialgericht Cottbus Klage erhoben, mit der er einen Anspruch der
Kläger auf höhere monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. September
2006 bis zum 31. Januar 2007 geltend gemacht hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, ihm stehe ein Mehrbedarf
wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II zu; zudem habe die Beklagte von seinem Einkommen und dem der
Klägerin zu 2. eine zu niedrige Fahrkostenpauschale für die Fahrten zu den Arbeitsstätten abgesetzt; diese Kosten
seien nicht nur für einen Weg, sondern für den Hin- und Rückweg zu ermitteln.
Mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. Juni 2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Januar 2007 in Höhe von nunmehr 183,93 EUR und
berücksichtigte hierbei beim Kläger zu 1. ein geringeres Einkommen.
Nach Anhörung mit zwei Schreiben vom 12. Juni 2007 hob die Beklagte mit dem an den Kläger zu 1. adressierten
Bescheid vom 21. September 2007 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den
Zeitraum vom 1. bis 31. Oktober 2006 in Höhe eines Betrages von 25,67 EUR und für die Zeit vom 1. bis 31.
Dezember 2006 in Höhe von 13,07 EUR mit der Begründung auf, der Kläger zu 1. habe in dieser Höhe Leistungen zu
Unrecht bezogen, weil er im Oktober 2006 Krankengeld für den 25. September 2006 in Höhe von 25,67 EUR und im
Dezember 2006 Krankengeld für den 9. November 2006 in Höhe von 32,87 EUR erhalten habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. März 2010 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 7.
September 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 verurteilt, dem Kläger (zu 1.) für den Zeitraum vom 1. September 2006
bis 31. Dezember 2006 "unbeachtet der bereits bewilligten Leistungen noch einen monatlichen Mehrbedarf für
erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt werden, in Höhe
von jeweils 108,85 EUR zu bewilligen", und die darüber hinaus gehende Klage abgewiesen. Ferner hat das
Sozialgericht entschieden, dass die Beklagte dem Kläger (zu 1.) seine außergerichtlichen Kosten zu 5/12 zu erstatten
hat. Das Sozialgericht hat die Klage als ausschließlich im Namen des Klägers zu 1. erhoben angesehen und zur
Begründung der Entscheidung ausgeführt, dieser habe für den Zeitraum der von ihm absolvierten ABM-Maßnahme
einen Anspruch auf Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II. Soweit er im Januar 2007 Leistungen der Beratung und
Unterstützung erhalten habe, handele es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 21
Abs. 4 SGB II. Der Kläger (zu 1.) habe keinen Anspruch auf Anrechnung von Fahrkosten unter Berücksichtigung der
Streckenkilometer. Die Berücksichtigung der Entfernungskilometer erfolge in Anlehnung an das Steuerrecht und sei
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gegen den dem Kläger zu 1. am 29. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser (jedenfalls mit der
unterschriebenen Berufungsschrift) am 27. April 2010 Berufung eingelegt und in der mündlichen Verhandlung des
Senats – unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht – klargestellt, dass er das gesamte Verwaltungs- und
Gerichtsverfahren von Anfang an für alle vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geführt habe, da sämtliche im
Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergangenen Entscheidungen alle vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
beträfen. Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, die Nichtberücksichtigung der vollen Fahrkosten verstoße
gegen das Gleichheitsgebot. § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sehe die Anrechnungsfähigkeit
der Wegstrecke für Hin- und Rückfahrt vor. Durch die angewandte Regelung werde das soziokulturelle
Existenzminimum der Bedarfsgemeinschaft verletzt.
In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Beklagte dem Kläger zu 1. einen Mehrbedarfszuschlag in Höhe
von 108,85 EUR für den Zeitraum vom 1. bis 31. Januar 2007 gewährt und den Bescheid vom 21. September 2007
aufgehoben. Die Kläger haben die in den Erklärungen der Beklagten liegenden Teilanerkenntnisse angenommen.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. März 2010 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung
des Bescheides vom 7. September 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2007 in der
Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2007, geändert durch die Änderungsbescheide vom 16. Februar
2007 und 12. Juni 2007, zu verurteilen, den Klägern zu 1. bis 4. zusätzliche Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. bis zum 30.
September 2006 bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 968,31 EUR und für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum
31. Januar 2007 bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 483,69 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch nach ihrer Auffassung betreffen sämtliche im Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren ergangenen
Entscheidungen alle vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. In der Sache hält sie den von den Klägern noch geltend
gemachten Anspruch für unbegründet und stützt sich zur Begründung auf die Gründe des angegriffenen
Gerichtsbescheides, welchen sie insoweit für zutreffend hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der
Beklagten (4 Bände) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Aktivrubrum war von Amts wegen um die Klägerinnen zu 2., 3. und 4. zu ergänzen, da der Kläger zu 1. das
Anspruchsbegehren sinngemäß auch in deren Namen geltend gemacht und damit sinngemäß auch die Klage und die
Berufung zugleich in deren Namen erhoben hat.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage – soweit nunmehr noch
streitgegenständlich – zu Recht abgewiesen. Sie ist zulässig aber – (jedenfalls) nachdem die Beklagte dem Kläger zu
1. einen Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 108,85 EUR auch für den Zeitraum vom 1. bis 31. Januar 2007 zuerkannt
und den Bescheid vom 21. September 2007 aufgehoben hat – unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 7.
September 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des
Widerspruchbescheides vom 17. Januar 2007, geändert durch die Änderungsbescheide vom 16. Februar 2007 und 12.
Juni 2007, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II, die über 740,31 EUR (631,46 EUR + 108,85 EUR) für den Zeitraum vom 1.
September bis 30. September 2006, monatlich 255,69 EUR (146,84 EUR + 108,85 EUR) für den Zeitraum vom 1.
Oktober 2006 bis 31. Dezember 2006 und 292,78 EUR (183,93 EUR + 108,85 EUR) für den Zeitraum vom 1. Januar
bis zum 31. Januar 2007 hinausgehen.
Die Kläger erfüllen zunächst die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; insbesondere waren sie
im maßgeblichen Zeitraum hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II, weil sie nicht in der
Lage waren, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten.
Als Regelbedarf hat die Beklagte zutreffend für den Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. monatliche Leistungen nach §
20 Abs. 3 SGB II in Höhe von insgesamt 622,00 EUR sowie für die im maßgeblichen Zeitraum noch nicht 14-jährigen
Klägerinnen zu 3. und 4. monatliche Leistungen nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von jeweils 207 EUR
berücksichtigt und hieraus einen Bedarf in Höhe von insgesamt 1.036,00 EUR ermittelt. Die Berücksichtigung der
vorgenannten Regelsätze ist rechtlich nicht zu beanstanden. Keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung gibt
insoweit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. – (zitiert nach juris). Zwar
hat das Bundesverfassungsgericht mit der genannten Entscheidung u. a. § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II und § 28
Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I S. 558) in Verbindung mit § 20 Abs. 1 SGB II in
der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S.
1706) sowie die Bekanntmachungen über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vom 20. Juli
2006 (BGBl. I S. 1702) mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel
20 Abs. 1 GG für unvereinbar erklärt. Jedoch hat es zugleich entschieden, dass die mit dem GG für unvereinbar
erklärten Vorschriften bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen
hat, weiterhin anwendbar sind. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht in den Urteilsgründen u. a. ausgeführt, der
Gesetzgeber sei nicht – insbesondere auch nicht rückwirkend – unmittelbar von Verfassungs wegen verpflichtet,
höhere Leistungen festzusetzen, weil eine evidente Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht
feststellbar sei und die Verfassungswidrigkeit der mit dem GG für unvereinbar erklärten Normen des SGB II allein
darauf beruhe, dass diesen ein nicht realitätsgerechtes Verfahren der Ermittlung des Existenzminimums zugrunde
liege. Demnach bleiben die bisherigen Regelungen auf den hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. September 2006 bis
31. Januar 2007 weiterhin anwendbar, solange der Gesetzgeber nicht eine anderweitige Regelung treffen sollte.
Soweit die Beklagte dem Kläger zu 1. entsprechend dem insoweit rechtskräftig gewordenen Gerichtsbescheid vom
18. März 2010 einen monatlichen Mehrbedarf wegen Behinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II in Höhe von 108,85 EUR
für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2006 und darüber hinaus nunmehr auch für den Zeitraum
vom 1. Januar bis 31. Januar 2007 zuerkannt hat, ist dies rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Darüber hinaus
steht den Klägern kein weiterer Mehrbedarf zu. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die vom
Bundesverfassungsgericht mit dem vorgenannten Urteil vom 9. Februar 2010 geschaffene Härtefallregelung bei
Bestehen eines unabweisbaren, laufenden besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums zwingend zu decken ist. Denn diese Härtefallregelung gilt nur für die Zeit ab der Verkündung des
Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010. Damit fehlt es in dem hier
streitgegenständlichen Zeitraum bereits an einer rechtlichen Grundlage für einen etwaigen Anspruch der Kläger auf
Anerkennung eines laufenden atypischen Mehrbedarfs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 – 1 BvR 395/09 –,
zitiert nach juris).
Ebenso wenig ist es rechtlich zu beanstanden, dass die Beklagte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach §
22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Zeitraum vom 1. bis 30. September 2006 in Höhe von 805,30 EUR und für den
Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis zum 31. Januar 2007 in Höhe von monatlich 320,68 EUR berücksichtigt hat;
hiergegen haben die Kläger auch keine Einwendungen erhoben.
Die Anrechnung des Einkommens der Kläger auf ihren Bedarf entspricht den Vorschriften der §§ 11 und 30 SGB II
sowie den Vorschriften der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld - Verordnung (AlG II-V) vom 20. Oktober 2004 in der hier
maßgeblichen Fassung der Änderungsverordnung vom 22. August 2005 (a. F.) und ist rechtlich ebenfalls nicht zu
beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte zutreffend von dem Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. eine
Entfernungspauschale in Höhe von 95 EUR bei einer einfachen Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von
25 km und 19 Fahrtagen und vom Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2. in Höhe von 133 EUR bei einer einfachen
Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 35 km und 19 Fahrtagen abgesetzt. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 b)
AlG II-V a. F. sind als Pauschbetrag von dem Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit bei Benutzung eines
Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der
Erwerbstätigkeit 0,20 EUR für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung abzusetzen, soweit der
erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Der Begriff des Entfernungskilometers
stellt in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 2 EStG auf die einfache Entfernung ab und nicht auf die
gesamte zurückgelegte Kilometerzahl der Hin- und Rückfahrt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3.
Dezember 2009 – L 13/6 AS 8/06 – m. w. N., zitiert nach juris). Dass § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) AlG II – V eine
Entfernungspauschale in Höhe von lediglich 0,20 EUR und nicht wie § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in Höhe von 0,30
EUR vorsieht, beruht darauf, dass mit Letzterer alle mit der Haltung eines Kraftfahrzeuges verbundenen
Aufwendungen abgegolten werden sollen (arg. ex § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG), während etwa die Aufwendungen für die
Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung im Grundsicherungsrecht zusätzlich (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) in Abzug
gebracht werden können und darüber hinaus bestimmte Aufwendungen für das Halten eines Kraftfahrzeuges, wie z. B.
Aufwendungen für die Anmietung einer Garage, zwar im Steuerrecht, nicht aber im Grundsicherungsrecht
Anerkennung finden können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.). Die verfassungsrechtlichen Einwendungen
der Kläger insbesondere unter Hinweis auf § 9 Abs. 2 EStG greifen demgegenüber nicht durch. Soweit diese
Vorschrift u. a. Behinderten mit einem GdB von mindestens 70 das Recht einräumt, anstelle der
Entfernungspauschalen die tatsächlichen Aufwendungen anzusetzen, besteht diese Möglichkeit gemäß § 3 Abs. 1 Nr.
3 b) AlG II – V auch im Rahmen des Grundsicherungsrechts. Dieses Recht kann jedoch nur zu einem höheren
Erstattungsanspruch je Entfernungskilometer führen, nicht aber zur Erstattung der Kosten für den Hin- und Rückweg.
Unabhängig davon haben die Kläger zu 1. und 2. nicht vorgetragen, dass ihnen tatsächlich höhere Fahrkosten als
0,20 EUR je Entfernungskilometer entstanden seien bzw. ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
behinderungsbedingt mit einem Mehraufwand verbunden seien; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Die von der
Beklagten zugrunde gelegten Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätten und Fahrtage sind rechtlich
ebenfalls nicht zu beanstanden; hiergegen haben die Kläger auch keine Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Der Senat hat die
Revision nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.