Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.10.2006

LSG Berlin-Brandenburg: wirtschaftliche tätigkeit, zugehörigkeit, leiter, urkunde, registerauszug, handelsregister, gründungsbericht, ingenieurschule, industrie, umwandlung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
17. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 17 R 240/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S
2 AAÜG, § 5 Abs 1 AAÜG, § 8
AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der
technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung -
Betriebsumwandlung eines VEB in eine GmbH - notarielle
Erklärung vor dem 30.6.1990 - Registereintrag nach dem
Stichtag
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Oktober
2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr.
1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG)
verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1958 bis 30. Juni
1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz
(AVItech) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.
Der 1936 geborene Kläger besuchte vom 1. September 1955 bis 30. Juni 1985 die
Ingenieurschule für Schiffstechnik E-T W und erwarb die Berechtigungen, die
Berufsbezeichnung „Schiffbauingenieur“ (Urkunde der Ingenieurschule vom 30. Juni
1958) und „Schweißingenieur“ (Urkunde der Ingenieurschule vom 9. Oktober 1962) zu
führen.
Der Kläger war vom 1. September 1958 bis 31. Januar 1960 beim VEB Y B als Ingenieur,
vom 8. Februar 1960 bis 31. Dezember 1986 beim VEB T “K L“ als Technologe (bis
1962), Gruppenleiter (bis 31. Dezember 1973) und Montageingenieur, vom 1. Januar
1987 bis 31. August 1987 beim VEB I I als Technischer Leiter und, vom 1. September
1987 bis 31. Dezember 1988 beim VEB S B als Direktor für Produktion beschäftigt. Nach
dem Überleitungsvertrag vom 13. Januar 1989 wurde der mit dem VEB S B bestehende
Arbeitsvertrag zum 31. Dezember 1988 aufgelöst und mit dem VEB IIB H-E (VEB IFA-I H-
E) ein Arbeitsvertrag geschlossen. Im Überleitungsvertrag war ab 1. Januar 1989 die
Tätigkeit als Hauptabteilungsleiter Beschaffung/Absatz und als Arbeitsort der BT
(Betriebsteil) III B vereinbart. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis war
der Kläger ab 1. Januar 1989 bei dem VEB IFA-I und ab 1. Januar 1990 bei der PAP P B
GmbH i.Gr. jeweils als „Abteilungsleiter“ beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers
mit der PAB P B GmbH endete zum 31. Dezember 1991 durch Kündigung. Der VEB IFA-I
H-E wurde mit notarieller Erklärung vom 27. Juni 1990 in die IIB IFA-I H-E GmbH
umgewandelt. Die Eintragung dieser GmbH in das Register erfolgte am 25. September
1990 (Amtsgericht - AG - C; HRB 869; vormals VEB Register 110-14-543). Der
Betriebsteil P B wurde rückwirkend zum 1. Juli 1990 durch Ausgliederung auf die neu
gegründete PAB P B GmbH in Gründung (i.Gr.) übertragen. Die PAB P B GmbH wurde am
12. September 1990 in das Handelsregister eingetragen (AG C, HRB 39701).
Der Kläger trat am 1. August 1978 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei. Eine
Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.
Dezember 2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 22. Mai 2000 (Eingang
23. Mai 2000) auf Feststellung der Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu
einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab mit der Begründung, dass
die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG
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die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der Kläger habe bei In-Kraft-Treten des AAÜG
am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft i.S. von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes
gehabt. Auch sei er weder in ein Versorgungssystem einbezogen worden noch habe er
einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt. Der Kläger sei zwar berechtigt, den
Titel eines Ingenieurs zu führen. Er sei jedoch nicht als Ingenieur, sondern als
Hauptabteilungsleiter Beschaffung/Absatz, Abteilungsleiter Ökonomie/Absatz beschäftigt
gewesen. Bei der Beschäftigung habe es sich nicht um eine ingenieurtechnische
Beschäftigung i.S. der Versorgungsordnung gehandelt.
Dagegen hat der Kläger am 6. Januar 2003 bei dem Sozialgericht (SG) P Klage erhoben
und zur Begründung ausgeführt: Zur Aufnahme der für ihn laut Arbeitsvertrag vom 13.
Januar 1989 vorgesehenen Tätigkeit als Hauptabteilungsleiter Beschaffung/Absatz sei es
überhaupt nicht mehr gekommen. Vielmehr sei die Vereinbarung aus dem
Einstellungsgespräch vom 2. November 1988 wirksam geblieben, wonach er als
Auftragsleiter des Komplexes W fungiert habe. Hierbei habe es sich um die Entwicklung,
Konstruktion, Herstellung und Montage von mehreren Motorenprüfständen größten
Ausmaßes für das Motoreninstandsetzungswerk in Wurzen gehandelt. Der vorgesehene
Zeitpunkt für die Funktionsübernahme sei nicht eingehalten worden, weil der nun
Rentner gewordene ursprüngliche Stelleninhaber und Leiter Ökonomie und Absatz, Herr
B, dort weiter gearbeitet habe und er weiter für das Objekt W benötigt worden sei. Herr W
sei sein letzter Vorgesetzter gewesen und habe mit ihm rückwirkend zum 1. April 1991
einen Änderungsvertrag geschlossen.
Der Kläger hat u.a. den Überleitungsvertrag vom 13. Januar 1989, die Niederschrift über
das Einstellungsgespräch vom 2. November 1988 sowie den Änderungsvertrag vom 24.
Juni 1991 (Änderung des Arbeitsvertrages vom 1. Januar 1989 mit Wirkung ab 1. April
1991) und das Kündigungsschreiben vom 25. September 1991 der PAB P B GmbH i.Gr.
vorgelegt.
Das SG hat u.a. Auskünfte des AG C (dort sind keine Altunterlagen zu dem VEB IFA-I H-E
vorhanden) und des AG Charlottenburg (u.a. Registerauszug HRB 39701 zur PAP P B
GmbH) und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) vom 23.
November 2004 eingeholt. Die BvS hat u.a. Registerauszug HRC 750 (VEB S B,
Registerauszug 543 Bezirksvertragsgericht K-M-Stadt [VEB IFA-I]), Bericht über die
Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 der IIB IFA-I H-E GmbH vom 9.
November 1990, Geschäftsbericht des VEB IFA-I H-E vom 19. Februar 1990 nebst
Ergänzung vom 6. Juni 1990 und Bericht vom 22. Mai 1991 über die Prüfung der
Eröffnungsbilanz auf den 1. Juli 1990 der PAP P GmbH i.Gr. vorgelegt.
Weiter hat das SG eine Auskunft des Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz vom 1.
Dezember 2004 (Statut und Gründungsanweisung des VEB IFA-I nicht zu ermitteln) und
schriftliche Zeugenaussagen des W S vom 4. Oktober 2005 (Direktor des Betriebsteils P
B im VEB IFA-I bis 31. Juli 1989) sowie des W G vom 15. Dezember 2005
(Verantwortlicher für die technischen Abteilungen im A Betrieb von 1956 bis 31.
Dezember 1991) eingeholt.
Mit Urteil vom 18. Oktober 2006 hat das SG P die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch
auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem der technischen
Intelligenz vom 1. September 1958 bis 30. Juni 1990 sowie auf Feststellung der in diesem
Zeitraum erzielten Entgelte nach §§ 5 bis 8 AAÜG. Zwar führe der Kläger den Titel eines
Ingenieurs nach der Verordnung über die Führung der Berufsbezeichnung vom 12. April
1962 (GBl. II S. 278) und hätte damit grundsätzlich in das Versorgungssystem der
technischen Intelligenz aufgenommen werden können. Es sei aber schon fraglich, ob er
seine Tätigkeit in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder diesem gleichgestellten
Betrieb ausgeübt habe. Nach den vorliegenden Unterlagen sei jedoch bereits zum 30.
April 1990 das Vermögen der bisherigen Fondsinhaberschaft aus dem VEB auf die
GmbH i.Gr. übertragen worden. Die PAB P B GmbH sei durch Ausgliederung aus der IIB
IFA-I H-E GmbH zum 1. Juli 1990 entstanden. Damit sei schon fraglich, ob tatsächlich
noch ein Betrieb in Volkseigentum vorgelegen oder es sich schon um eine Vor-GmbH
gehandelt habe. Unabhängig von dieser Frage sei der Kläger in der PAB P GmbH am 30.
Juni 1990 nicht als Ingenieur im Sinne der Versorgungsordnung tätig gewesen, sondern
als Abteilungsleiter Beschaffung und Absatz bzw. Abteilungsleiter Ökonomie und Absatz.
Dies ergebe sich zunächst aus den Angaben des Klägers selbst, der noch in seinem
schriftlichen Widerspruch mitgeteilt habe, dass er am 30. Juni 1990 in der Funktion eines
Abteilungsleiters Beschaffung und Vertrieb tätig gewesen sei. Auch ergebe sich das aus
dem Überleitungsvertrag und dem Schreiben des VEB IFA-I vom 3. Mai 1990. Danach sei
der Kläger ab 1. Mai 1990 gemäß seiner Arbeitsaufgabe als Hauptabteilungsleiter
Beschaffung und Absatz und Abteilungsleiter Ökonomie und Absatz in der
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Beschaffung und Absatz und Abteilungsleiter Ökonomie und Absatz in der
Gehaltsgruppe G12 entlohnt worden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der
Kläger - wie er selbst vorträgt - nicht mehr als Abteilungsleiter Beschaffung und Absatz
tätig geworden sei. Aus den Angaben des Zeugen S sei nur zu entnehmen, dass der
Kläger mit der Absicht eingestellt worden sei, die Nachfolge des Leiters der Abteilung
Ökonomie, Beschaffung und Absatz nach dessen Berentung zu übernehmen und daher
keinen fest umrissenen Aufgabenkreis erhalten habe, sondern operativ eingesetzt
worden sei. Der Zeuge habe mitgeteilt, dass er sich noch im I. Quartal 1990 mit dem
Kläger in der ehemaligen Volksrepublik Ungarn zu Vertragsschlüssen aufgehalten und
der Kläger einen entsprechenden Vertrag geschlossen habe. Diese Angabe spreche für
eine Tätigkeit im Bereich der Beschaffung. Der Zeuge G habe in seiner Auskunft nichts
über die Aufgaben und Pflichten des Klägers mitteilen können. Für die Angabe des
Klägers, er sei nicht als Abteilungsleiter Beschaffung und Absatz bzw. Absatzleiter
Ökonomie am 30. Juni 1990 tätig gewesen, seien keine aussagkräftigen Beweismittel
vorhanden. Die Nichterweislichkeit gehe nach den Regeln der Beweislast zu Lasten des
Klägers
Gegen das ihm am 5. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.
Dezember 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft er sein bisheriges
Vorbringen. Er sei am 30. Juni 1990 als Ingenieur iS der Versorgungsordnung tätig
gewesen. Der Zeuge S habe zutreffend darauf hingewiesen, dass er keine fest
umrissenen Aufgaben zu erfüllen gehabt habe, sondern operativ zur Lösung akuter
betrieblicher Schwerpunktaufgaben eingesetzt worden sei. Mit der sich abzeichnenden
Gründung einer GmbH sei im PAB auch an der Veränderung der personellen und
funktionellen Strukturen gearbeitet worden. Ergebnis dieser Veränderung sei die Bildung
einer speziellen Vertriebsabteilung gewesen, deren Leiter er mit Änderungsvertrag vom
24. Juni 1991 rückwirkend zum 1. April 1991 geworden sei. Im Urteil sei nicht auf seine
tatsächlich ausgeübte Tätigkeit bis zum 30. Juni 1990 eingegangen worden. Die Beklagte
gehe nunmehr offensichtlich selbst davon aus, dass in seiner Person die sachliche
Voraussetzung vorliege. Dies ergebe sich auch aus der nun eingeholten Aussage des
Herrn W. Auch sei er in einem volkseigenen Betrieb tätig gewesen. Der Betriebsteil P sei
unstreitig dem VEB IFA I zugehörig gewesen. Die Umwandlung mit notariellem Vertrag
vom 27. Juni 1990 in eine GmbH i.Gr. sei unerheblich. Die Eintragung der GmbH sei erst
nach dem 30. Juni 1990 erfolgt. Vor Eintragung sei die GmbH noch keine
Kapitalgesellschaft gewesen. Der Betriebsteil sei ausweislich der Eröffnungsbilanz der IIB
IFA-I rückwirkend ausgegliedert und in die PAB P GmbH i.Gr. überführt worden. Diese
GmbH sei erst am 12. September 1990 gegründet worden. Die Rechtsprechung des LSG
Thüringen zur „leeren Hülle“ sei nicht einschlägig.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts P vom 18. Oktober 2006 und den Bescheid der
Beklagten vom 8. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.
Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom 1.
September 1958 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungssystems Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die vom Kläger ausgeübte ökonomisch-verwaltende Tätigkeit rechtfertige keine
Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz. Es bestehe
aus ihrer Sicht keine Veranlassung, ihre Rechtsauffassung aufgrund des Urteils des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. September 2006 (B 4 RA 47/05 R) zu ändern. Sie
habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS
2/07 R) und vom 18. Oktober 2007 (B 4 RS 17/07 R) festgestellt, dass nach den nunmehr
vorliegenden Unterlagen bereits die betrieblichen Voraussetzungen am 30. Juni 1990
nicht erfüllt seien. Für die Anwendung des AAÜG sei entscheidend, ob ein VEB noch am
30. Juni 1990 aktiv eine industrielle Herstellung von Sachgütern betrieben habe.
Unabhängig von der Eintragung in das Handelsregister sei zu prüfen, ob der VEB nach
Gründung der Kapitalgesellschaft - nicht notwendig vor deren Eintragung in das
Handelsregister - noch selbst für eigene Rechnung produziert und damit aktiv am
Wirtschaftsleben teilgenommen habe. Laut Umwandlungserklärung vom 27. Juni 1990
sei die gesamte Fondsinhaberschaft des VEB IFA I bereits zum 1. Mai 1990 auf die
Nachfolgegesellschaft (IIB IFA-I GmbH) übergegangen.
Der Senat hat vom AG Chemnitz den Registerauszug HRB 869 (D I GmbH) beigezogen
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Der Senat hat vom AG Chemnitz den Registerauszug HRB 869 (D I GmbH) beigezogen
und eine schriftliche Aussage des Herrn G W vom 11. August 2008 eingeholt. Auf den
Inhalt der schriftlichen Aussage wird Bezug genommen.
Die Beklagte hat die notarielle Umwandlungserklärung vom 27. Juni 1990 des VEB IFA H-
E sowie den Gesellschaftsvertrag und den Gründungsbericht der IIB IFA-I H-E GmbH vom
27. Juni 1990 vorgelegt.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand
der Beratung gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung durch Urteil nach § 124 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden
erklärt.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht
begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54
Abs. 1 SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf
Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der
Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG
für die Zeiträume vom 1. September 1958 bis 30. Juni 1990.
Der Kläger erfüllt die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände
nicht. Er war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer
Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO), noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (=
Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem
einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO). Der
Kläger war auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer
Rehabilitierungsentscheidung in das Versorgungssystem einbezogen worden. Ihm war
keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines „Dokumentes über die zusätzliche
Altersversorgung“ erteilt worden.
Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten
Versorgungsanwartschaft (vgl. st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B
4 RA 39/05 R - veröffentlicht in juris -, und B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11). Der
fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVItech gemäß § 1 der
Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950
(GBl S 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30.
Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA
41/05 R, aaO, mwN): 1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu
führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit
(sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem
volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs.
1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche
Voraussetzung).
Zwar erfüllt der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er war
berechtigt, die ihm durch staatliche Zuerkennungsakte verliehenen
Berufsbezeichnungen „Schiffbauingenieur“ (Urkunde vom 30. Juni 1958) und
„Schweißingenieur“ (Urkunde vom 9. Oktober 1962) zu führen.
Auch war er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt. Hierfür ist
ausreichend, dass der Kläger als „Abteilungsleiter“ im Rahmen seines Berufsbildes
beschäftigt und nicht berufsfremd eingesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September
2006, B 4 RA 47/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 12). Zur Überzeugung des Senats war der
Kläger am Stichtag tatsächlich als Abteilungsleiter für den Großauftrag M W beschäftigt.
Dies ergibt sich aus dem Gesamtbild des Verfahrens und insbesondere der schriftlichen
Aussage des Zeugen W vom 11. August 2008. Der Zeuge übte am Stichtag die Tätigkeit
des amtierenden Direktors P im VEB IFA I aus. Später war der Zeuge Vorgesetzter des
Klägers in der PAB P B GmbH. Nach Aussage des Zeugen lag der Schwerpunkt der
Tätigkeiten des Klägers am 30. Juni 1990 „eindeutig im produktionsbezogenen
ingenieurtechnischen Bereich“. Zwar sollte der Kläger nach dem Überleitungsvertrag
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ingenieurtechnischen Bereich“. Zwar sollte der Kläger nach dem Überleitungsvertrag
vom 13. Januar 1998 ursprünglich eine Tätigkeit als Hauptabteilungsleiter
Beschaffung/Absatz aufnehmen. Zu dieser Art der Tätigkeit kam es offensichtlich jedoch
nie. Aus der Niederschrift über das Einstellungsgespräch vom 2. November 1988 ergibt
sich, dass der Kläger die Funktion als Leiter der Hauptabteilung Beschaffung/Absatz
nach Eintritt des Rentenalters des bisherigen Stelleninhabers Leiter Ökonomie und
Absatz voraussichtlich mit Wirkung zum 1. August 1989 übernehmen und bis zu diesem
Zeitpunkt als Auftragsleiter zum Komplex W eingesetzt werden sollte. Hierzu kam es
nicht. Der Zeuge S bestätigt in seiner schriftlichen Aussage vom 4. Oktober 2008, dass
der Kläger zunächst keine fest umrissene Aufgabe erhielt, sondern operativ zur Lösung
akuter betrieblicher Schwerpunktaufgaben eingesetzt wurde. Nach der schriftlichen
Aussage des Zeugen W pendelte der Kläger in der Zeit von Januar 1989 bis Juni 1990
und darüber hinaus bis März 1991 zwischen B A und W (Standort des M). Nach seiner
Aussage wurden unter der Verantwortung des Klägers Motorenprüfstände, welche im P
produziert wurden, in W aufgebaut und funktionstüchtig dem Kunden übergeben.
Obgleich die schriftliche Aussage des Zeugen W hinsichtlich der konkret vom Kläger
ausgeübten Tätigkeiten wenig detailliert ist und sich die Schilderung von Inhalten auf den
gesamten Produktionsprozess beziehen, bestehen dennoch keinerlei Zweifel, dass der
Kläger am Stichtag im Rahmen seines Berufsbildes beschäftigt war, denn die Errichtung
und Einrichtung der Motorenprüfstände bis zur Kundenübergabe stellt eine klassische
ingenieurtechnische Aufgabe dar.
Die dritte (betriebliche) Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Denn der Kläger war
am Stichtag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. DB beschäftigt.
Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am
maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Abzustellen ist hierbei auf
die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7.
September 2006, B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R, aaO).
Es bedarf keiner abschließenden Beurteilung, ob Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen
Sinn noch der VEB IFA-I H-E oder schon die IIB IFA-I H-E GmbH i.Gr. war.
Entscheidungserheblich ist indes, dass der VEB nach der notariellen Erklärung vom 27.
Juni 1990 bereits an diesem Tag in die GmbH i.Gr. umgewandelt worden war. Die GmbH
wurde erst am 25. September 1990 in das Register des AG C (HRB 869) eingetragen.
Die notarielle Umwandlungserklärung enthält keine ausdrückliche Regelung zum
Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die GmbH i.Gr. (eine dem § 613a Bürgerliches
Gesetzbuch entsprechende Regelung enthielt das Arbeitsgesetzbuch der DDR nicht). Die
Vorgesellschaft wird als notwendige Vorstufe zu der mit der Eintragung entstehenden
juristischen Person als ein bereits eigenständiges, von ihren Gründern und
Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes "Rechtsgebilde" mit
eigenen Rechten und Pflichten begriffen (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1997, V ZR
178/96 = NJW 1998, 1079-1081). Sie kommt daher als Arbeitgeber in Betracht.
Arbeitgeber im rechtlichen Sinn am Stichtag kann dagegen nicht die PAB P B GmbH i.Gr.
gewesen sein. Auch diese wurde erst am 25. September 1990 in das Register des AG C
(HRB 39701) eingetragen. Die Ausgliederung des Betriebsteils III in B - im
Überleitungsvertrag vom 13. Januar 1989 war dieser Betriebsteil als Arbeitsort vereinbart
- erfolgte rückwirkend zum 1. Juli 1990 auf die PAB P B GmbH. Diese wurde somit
Funktions- und Rechtsnachfolgerin des Direktionsbereiches P (siehe S. 3 Bericht über die
Prüfung der Eröffnungsbilanz der PAB auf den 1. Juli 1990). Hierdurch erklärt sich
zwanglos, dass im Sozialversicherungsausweis des Klägers für die Jahre 1990 und 1991
die PAB P B GmbH als Beschäftigungsbetrieb eingetragen ist.
Die betriebliche Voraussetzung ist jedoch bereits deshalb nicht gegeben, weil der VEB
IFA-I H-E - unter der Annahme seiner rechtlichen Existenz noch am 30. Juni 1990 - am
Stichtag jedenfalls hinsichtlich seiner sächlichen Betriebsmittel vermögenslos war und
daher nur noch als „leere Hülle“ betrachtet werden konnte (vgl. Thüringer LSG, Urteil
vom 29. Januar 2006, L 6 R 509/05; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. September
2008, L 4 R 346/05 = anhängig BSG, B 13 RS 2/08 R; und Urteil vom 16. September
2009, L 4 R 519/08, alle veröffentlicht in juris). Die betrieblichen Sachaufgaben und damit
die wirtschaftliche Tätigkeit am Gütermarkt wurden am Stichtag bereits von der IIB IFA-I
H-E GmbH i.Gr. wahrgenommen (zur nach außen unbeschränkt handlungsfähigen
Vorgesellschaft vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 4/04 R, veröffentlicht in juris).
Die notarielle Umwandlungserklärung vom 27. Juni 1990 des VEB IFA I H-E, der
Gesellschaftsvertrag und der Gründungsbericht der IIB IFA-I H-E GmbH vom 27. Juni 1990
und der Bericht über die Prüfung der DM-Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 der IIB IFA-I H-
E GmbH vom 9. November 1990 beweisen, dass der VEB am Stichtag mangels eigener
oder zur Nutzung übertragener Betriebs- und Sachmittel nicht mehr in der Lage
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oder zur Nutzung übertragener Betriebs- und Sachmittel nicht mehr in der Lage
gewesen sein konnte, eine ihm als Rechtssubjekt zurechenbare Produktion zu betreiben.
Nach dem notariellen Vertrag wurde zur Durchführung der Umwandlung mit Stichtag
vom 1. Mai 1990 das Vermögen aus der bisherigen Fondsinhaberschaft - mit Ausnahme
von Grund und Boden - des VEB auf die GmbH (i.Gr.) übertragen. Von der IIB IFA-I H-E
GmbH wurden alle bestehenden Verträge mit Partnern des In- und Auslandes
übernommen. Von der Treuhand als Alleingesellschafter wurden mit Wirkung vom 1. Mai
1990 vorläufig ein Geschäftsführer und Mitglieder der Geschäftsführung bestellt (siehe
Gründungsbericht vom 27. Juni 1990). Am Stichtag war der VEB IFA I H-E mangels ihm
verfügbarer Betriebs- und Sachmittel kein Produktionsbetrieb mehr und kann daher nur
noch als „leere Hülle“ betrachtet werden.
Es bedarf deswegen keiner Beurteilung, ob der VEB IFA-I H-E überhaupt ein
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens i.S. der Rechtsprechung des BSG
war. Dies würde voraussetzen, dass Hauptzweck des Betriebes die industrielle
(serienmäßig wiederkehrende) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation von
Sachgütern bzw. die Errichtung (Massenproduktion) von baulichen Anlagen iS des
fordistischen Produktionsmodells gewesen war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember
2003, B 4 RA 14/03 R, veröffentlicht in juris; Urteil vom 8. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R,
veröffentlicht in juris). Für die Bestimmung des Hauptzwecks des VEB käme es nicht auf
die Verhältnisse in dem Betriebsteil P B an, sondern auf den Hauptzweck des gesamten
VEB.
Der VEB IFA-I H-E war nach seinen Unternehmens- und Betriebszweck kein
gleichgestellter Betrieb. Eine der im § 1 Abs. 2 2. DB genannte Betriebsarten kommt
insoweit nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Rechtsfrage,
ob in Umwandlungsfällen bei der Prüfung der betrieblichen Voraussetzungen für die
Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz auf den
Zeitpunkt der Übertragung der Produktionsmittel nach dem Umwandlungsvertrag
abzustellen ist, hat wegen der Vielzahl der davon betroffenen Verfahren grundsätzliche
Bedeutung. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu liegt noch nicht vor.
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