Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 31.12.1988
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
21. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 21 RA 67/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 256a Abs 2 S 1 SGB 6, § 256a
Abs 3 S 1 SGB 6, § 1 AAÜG, § 5
AAÜG, § 8 AAÜG
Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für
hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates - sachliche
Voraussetzung - ADN Redaktionsleiter - Ausschluss -
Beitragserstattung vor 30.6.1990
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Neufeststellung seiner Altersrente unter Zugrundelegung der in
der Zeit vom 21. Mai 1973 bis zum 31. Dezember 1988 tatsächlich erzielten Verdienste.
Der 1942 geborene Kläger, ein Journalist, war vom 21. Mai 1973 bis zum 15. Januar 1988
als Redakteur bzw. stellvertretender Redaktionsleiter beim A. D. N. (ADN) und vom 16.
Januar 1988 bis zum 31. Dezember 1989 beim F. der DDR beschäftigt.
Im Ergebnis eines Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9.
August 2000 die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegenden Daten fest; am selben
Tag erteilte sie dem Antragsteller eine Rentenauskunft. Mit Bescheid vom 12. Februar
2001 hob die Beklagte den Bescheid vom 9. August 2000 auf und stellte die länger als
sechs Kalenderjahre zurückliegenden Daten neu fest.
Im Februar 2002 erkundigte sich der Kläger nach der voraussichtlichen Höhe seiner
Altersrente bei einem beabsichtigten Rentenbeginn mit Vollendung des sechzigsten
Lebensjahres und erhielt die Auskunft, er könne mit etwa 400 Euro rechnen. Daraufhin
teilte er der Beklagten mit, er werde voraussichtlich Klage einreichen, denn seiner
Auffassung nach sei er bei der Rentenberechnung erheblich benachteiligt worden. Er
habe nun erfahren, dass seine voraussichtliche Rente nach 418 Monaten Beitragszeit
und 35 Monaten Anrechnungszeit noch unter dem Niveau eines Sozialhilfeempfängers
bleiben werde. Er werde mit einem „Verdienst" von monatlich 600 DM eingestuft, obwohl
er als Journalist tatsächlich das Doppelte bzw. das Dreifache verdient habe und in der
DDR ein sogenannter Besserverdiener gewesen sei. Zur Begründung habe die Beklagte
in einem Schreiben vom 25. Oktober 2000 Ausführungen zu Überentgelten nach § 256 a
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gemacht. Das Wort Überentgelte indessen sei
in dem genannten Paragraphen gar nicht enthalten, weder mit noch ohne
Anführungszeichen. Fragwürdig sei auch die Bemerkung der Beklagten, er habe von der
Möglichkeit des Beitritts zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) keinen
Gebrauch gemacht. Dazu sei festzustellen, dass er am 1. Oktober 1972 dem
„Sonderversorgungssystem hauptamtlicher Mitarbeiter des Staatsapparates,
gesellschaftlicher Organisationen, Altersversorgung der Intelligenz … u. a." beigetreten
sei und damit nicht dem Bereich der FZR angehört habe. Nach seiner Kündigung beim
„Organ der B. der SED N." sei ihm 1973 mitgeteilt worden, dass das für einen
„Nomenklaturkader der SED" ein ungeheuerlicher Vorgang sei, der unter anderem zur
Folge habe, dass er aus dem Sonderversorgungssystem ausgeschlossen werde - bei
Rückzahlung der bereits eingezahlten Beiträge. Unter Hinweis darauf sei ihm bei der
Nachrichtenagentur ADN die Aufnahme in das Sonderversorgungssystem verweigert
worden. Erst 1989 - nach einem beruflichen Wechsel zum DDR-Fernsehen - habe er
wieder die Möglichkeit, einem Zusatzversorgungssystem beizutreten, gehabt und davon
auch - zum zweiten Mal - Gebrauch gemacht. Auch wenn die Beklagte meine, die
Vorschriften hätten einen Austritt aus der Zusatzrentenversicherung nicht vorgesehen,
sei ein solcher doch praktiziert worden. Die Tatsache, dass eingezahlte Beiträge nach
erfolgtem Austritt zurückgezahlt worden seien, bestätige dies. Somit habe er
beitragsfähige Arbeitsverdienste oder Einkünfte glaubhaft gemacht, für die nach den im
Beitrittsgebiet jeweils geltenden Vorschriften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur freiwilligen
Zusatzrentenversicherung nicht hätten gezahlt werden können. Diese Verdienste seien
daher zu fünf Sechstel zu berücksichtigen. Unverständlich sei ihm weiter, warum ihm für
das Jahr 1974 ganze 0,3492 Entgeltpunkte berechnet worden seien, obwohl er bei einem
Jahresbruttoverdienst von 9.900 DM 12 Monate Pflichtbeiträge gezahlt habe.
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Jahresbruttoverdienst von 9.900 DM 12 Monate Pflichtbeiträge gezahlt habe.
Unabhängig von diesen Feststellungen beanstande er, dass offensichtlich seitens der
Beklagten grundsätzlich vorausgesetzt werde, dass Verdienste oberhalb von monatlich
600 DM ganz einfach unter den Tisch fielen, wenn er nicht der freiwilligen Zusatzrente
beigetreten sei, obwohl er dies - nach Ansicht der Beklagten - hätte tun können.
Derartiges könne er weder § 256 a SGB VI, noch der diesbezüglichen Kommentierung
entnehmen. Er behalte sich vor, ggf. in höchster Instanz klären zu lassen, warum ein
pflichtbeitragszahlender Ostdeutscher erst dann einem pflichtbeitragszahlenden
Westdeutschen annähernd gleichgestellt werde, wenn er (der Ostdeutsche) einer
Zusatzrente beigetreten sei, die zudem auch noch freiwillig gewesen sei. Zu klären sei
also, wie diese Praxis mit dem Gleichstellungsgebot des Grundgesetzes zu vereinbaren
sei. Hierbei erscheine eine Einbeziehung der Medien angebracht.
Mit Bescheid vom 6. Juni 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei nach § 44
Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet, einen rechtswidrigen Bescheid
zurückzunehmen, wenn sich herausstelle, dass das Recht unrichtig angewandt oder von
einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei und deshalb Leistungen zu
Unrecht nicht erbracht worden seien. Die Überprüfung der Rentenauskunft vom 9.
August 2000 habe ergeben, dass Derartiges nicht der Fall gewesen sei. Vielmehr sei die
Rente in zutreffender Höhe festgestellt worden. Auf das Schreiben vom 25. Oktober
2000 werde Bezug genommen. Im Übrigen handele es sich bei der erteilten
Rentenauskunft nicht um einen Verwaltungsakt.
Nachdem der Kläger am 15. Juni 2002 Klage erhoben hatte, gewährte die Beklagte ihm
mit Bescheid vom 21. November 2002 ab dem 1. September 2002 Altersrente für
schwerbehinderte Menschen, die mit Bescheid vom 27. Mai 2003 von Beginn an und mit
Bescheid vom 23. Februar 2004 vom 1. Februar 2004 an neu berechnet wurde.
Der Kläger hat ergänzend vorgetragen, möglicherweise sei er deshalb aus der
Sonderversorgung ausgegrenzt worden, weil er sich einer inoffiziellen Zusammenarbeit
mit dem Ministerium für Staatssicherheit verweigert habe. Er hat dazu die Ablichtung
eines Vermerks vom 7. Oktober 1979 zu den Akten gereicht.
Das Sozialgericht hat dem Vorbringen des Klägers den Antrag entnommen,
die Beklagte zu verurteilen, seine Rente unter Berücksichtigung des
Durchschnittsverdienstes der letzten 20 Jahre und Beitragszahlung zur freiwilligen
Zusatzrente im Zeitraum von 1990 bis 1991 zu berücksichtigen, hilfsweise die
Rentenberechnung so vorzunehmen, als seien Beiträge zur Sonderversorgung gezahlt
worden.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 29. Januar 2004 hat das Sozialgericht Potsdam die Klage abgewiesen und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Anfechtungsklage gegen die
Rentenauskunft sei unzulässig, weil mit ihr nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes
begehrt werde. Im Übrigen sei die Klage auch deshalb unzulässig, weil das Vorverfahren
mangels Erteilung eines Widerspruchsbescheides noch nicht beendet sei.
Gegen das ihm am 13. Februar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. März 2004
Berufung eingelegt, um sein Begehren weiterzuverfolgen. Er trägt ergänzend vor, beim
ehemaligen ADN seien alle Redakteure der zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter
des Staatsapparates zugehörig gewesen, wie ihm inzwischen von der DDP-
Nachrichtenagentur mitgeteilt worden sei. Bezüglich seiner Person lägen keine
entsprechenden Unterlagen mehr vor; sie seien möglicherweise durch die Umzüge des
Unternehmens abhanden gekommen. Seiner Auffassung nach sollten ihm durch das
Abhandenkommen von Unterlagen keine Nachteile entstehen, da grundsätzlich alle
Redakteure des ADN der Zusatzversorgung angehört hätten.
Mit Bescheid vom 9. August 2005 lehnte der Versorgungsträger für die
Zusatzversorgungssysteme den Antrag des Klägers auf Feststellung der
Beschäftigungszeit vom 1. Mai 1973 bis zum 31. Dezember 1988 als Zeit der
Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 19 (freiwillige zusätzliche
Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates) der Anlage 1 zum
Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, weil ein Beitritt nicht
nachgewiesen sei. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, der noch nicht
beschieden ist.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Januar 2004 ganz sowie die Bescheide
der Beklagten vom 27. Mai 2003 und vom 23. Februar 2004 teilweise aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, der Berechnung seiner Rente die in der Zeit vom 21. Mai
1973 bis zum 31. Dezember 1988 tatsächlich erzielten Verdienste zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf
den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie zu dem auf die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren L 21 RA 381/04 ER (L 21 R 146/05)
und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR ) verwiesen, der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, sie ist aber nicht begründet, denn
das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf eine Neufeststellung seiner Altersrente unter Zugrundelegung der sich aus der
Entgeltbescheinigung des ADN ergebenden tatsächlichen Verdienste in der Zeit vom 21.
Mai 1973 bis zum 31. Dezember 1988; zutreffend hat die Beklagte die vom Kläger
erzielten Verdienste lediglich in der Höhe berücksichtigt, in der sie
sozialversicherungspflichtig waren.
Nach § 256 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI zählen als Verdienst für die Ermittlung von
Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 der
tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils
Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur freiwilligen
Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind. Nach § 256 a Abs. 3 Satz 1 SGB VI
zählen als Verdienst auch die nachgewiesenen beitragspflichtigen Arbeitsverdienste und
Einkünfte vor dem 1. Juli 1990, für die wegen der im Beitrittsgebiet jeweils geltenden
Beitragsbemessungsgrenzen oder wegen in einem Sonderversorgungssystem
erworbener Anwartschaften Pflichtbeiträge oder Beiträge zur freiwilligen
Zusatzrentenversicherung nicht gezahlt werden konnten.
Unstreitig hat der Kläger Pflichtbeiträge entrichtet. Für die Ermittlung von Entgeltpunkten
hat die Beklagte seine Einkünfte und Verdienste in der Höhe berücksichtigt, in welcher
für sie solche Beiträge gezahlt worden sind. Zur FZR hat der Kläger in dem hier
streitgegenständlichen Zeitraum keine Beiträge gezahlt, so dass die bei der Berechnung
zu berücksichtigenden Entgelte sich dadurch nicht erhöhen. Er hat auch nicht deshalb
keine Beiträge zur FZR entrichtet, weil er insoweit eine Beitragsbemessungsgrenze
erreicht oder in einem Sonderversorgungssystem Anwartschaften erworben gehabt
hätte. Auch war der Kläger zwischen dem 21. Mai 1973 und dem 31. Dezember 1988
nicht der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates
zugehörig. Soweit er vorträgt, ihm sei die Entrichtung von Beiträgen zur freiwilligen
Zusatzrentenversicherung wegen seiner Weigerung, bei der Staatssicherheit
mitzuarbeiten, verwehrt worden, gab es dementsprechende Vorschriften nicht. Auch ist
keine Vorschrift erkennbar, nach welcher es ihm verwehrt gewesen wäre, nach der
Beendigung der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem Beiträge zur FZR zu
entrichten. Ob er es während der Zugehörigkeit konnte, ist hier nicht von Bedeutung,
denn dieser Zeitraum ist nicht streitig. Für das Begehren des Klägers ist eine gesetzliche
Grundlage nach alledem nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 160 Abs. 1 Nr 1 und 2 SGG
genannten Gründe vorliegt.
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