Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.06.2007
LSG Berlin und Brandenburg: zugehörigkeit, familie, ungarisch, gesetzliche frist, muttersprache, hinterbliebenenrente, glaubhaftmachung, wahrscheinlichkeit, wartezeit, anerkennung
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 15.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 15 RA 6630/01
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 RA 129/04
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Hinterbliebenenrente und insoweit insbesondere um die Zugehörigkeit
des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK).
Die 1923 in V geborene Klägerin ist die Witwe des 1912 in S N B (heutige Slowakei) geborenen und 1997 in B/N Y C
verstorbenen J R. Die Klägerin und J R der jüdischer Abstammung war, waren seit Februar 1946 verheiratet. Im
Oktober 1968 verließen sie ihre Heimat und lebten nach kurzzeitigem Aufenthalt in Österreich seit Dezember 1968 in
den USA. Seit Dezember 1974 waren beide amerikanische Staatsangehörige.
J R beantragte in den 70er Jahren in seiner Heimat die Gewährung einer Rente. Die Bewilligung lehnte der
slowakische Sozialversicherungsträger mit Bescheid vom 28. Februar 1977 mit der Begründung ab, dass der
Antragsteller bei Vollendung des 60. Lebensjahres nicht die erforderlichen 25 Beschäftigungsjahre erworben habe. Die
hiergegen gerichtete Klage wies das Kreisgericht in B mit Beschluss vom 02. März 1979 zurück. Zur Begründung
führte es im Wesentlichen aus, dass J R nach seinen Aussagen sowie denen einiger Zeugen und nach vorhandenen
Unterlagen bis 1941 bei seinem Vater als Fleischergehilfe gearbeitet, nach dem Krieg eine private Fleischerei
betrieben und nach der Verstaatlichung bei der Verbrauchergenossenschaft "J" als Fleischer und Verkaufsstellenleiter
gearbeitet habe. Dass es sich bei der Tätigkeit im väterlichen Betrieb um eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung gehandelt habe, stehe nicht fest. Im Übrigen sei seit Ende der letzten Beschäftigung im Jahre 1968 in
der CSSR bis zum 60. Lebensjahr mehr als die gesetzliche Frist von zwei Jahren verstrichen. Im Rahmen des
damaligen Verfahrens hatte J R u.a. erklärt, von 1931 bis 1941 bei seinem Vater gearbeitet zu haben, von 1941 bis
1945 im Arbeitslager gewesen zu sein und von 1946 bis 1948 als Fleischer selbständig gewesen zu sein.
Die Klägerin beantragte nach dem Tod ihres Mannes, der keinen Antrag nach dem Bundesentschädigungsgesetz
gestellt hatte, dem allerdings im März 1982 im Rahmen der Richtlinien der Bundesregierung (Härtefonds-Programm)
eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00 DM zugesprochen worden war, in ihrer Heimat eine Witwenrente. Nachdem
ihrem Antrag auf Erteilung einer Ausnahme für den Anspruch auf Witwenrente aus Gründen der Nichterfüllung der
Bedingung des ständigen Aufenthaltes auf dem Gebiet der Slowakischen Republik stattgegeben worden war, erhält
sie die begehrte Rente seit dem 22. September 1997 durch die Sozialversicherungsanstalt B. Im April 1998
beantragte ein Rechtsanwalt für den – seinerzeit bereits verstorbenen - J R die Anerkennung von Fremdbeitragszeiten
nach § 17a Fremdrentengesetz (FRG), die Anerkennung von Ersatzzeiten nach § 250 Abs. 1 Nrn. 4 und 6 des
Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen nach § 7a SGB VI, die
Nachentrichtung von Beiträgen in höchstmöglicher Anzahl gemäß Art. 1 Nr. 11a Schlussprotokoll des deutsch-
israelischen Sozialversicherungsabkommens (DISVA), Art. 8 Nr. 8a Schlussprotokoll des deutsch-amerikanischen
Sozialversicherungsabkommens (DASVA), in der Fassung der jeweiligen Ergänzungsabkommen, sowie die
Gewährung einer Rente (Altersruhegeld, Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, Hinterbliebenenrente).
Auf einem – im März 1999 zu den Akten gereichten - Vordruck erklärte die Klägerin, dass ihr verstorbener Mann dem
dSK angehört habe. Er habe Deutsch, Ungarisch sowie Slowakisch in Wort und Schrift beherrscht, im persönlichen
Lebensbereich (in der Familie) überwiegend deutsch, außerhalb der Familie sowie im Berufsleben jedoch überwiegend
ungarisch und slowakisch gesprochen. Eine deutsche Schule oder Schulen mit deutscher Unterrichtssprache habe er
nicht besucht. Seine Eltern hätten beide die deutsche Sprache beherrscht; im Elternhaus sei überwiegend deutsch
gesprochen worden. Auch seien dort deutschsprachige Bücher, Zeitungen und Zeitschriften vorhanden gewesen, die
er gelesen habe. Nach dem Besuch der Volksschule von 1919 bis 1926 und einer Ausbildung zum Fleischer habe er
von 1930 bis 1931 bei G G und von 1932 bis 1938 im Betrieb seines Vaters M R jeweils als Metzgergeselle
gearbeitet. Nach einer Zeit der Verfolgung und der Arbeit im Zwangsarbeitslager habe er von 1946 bis 1968 eine
Beschäftigung als Metzgermeister und Verwalter bei J N P in S N Bausgeübt. Wie zuvor habe es sich um eine
Vollzeittätigkeit gehandelt. Zeugen für die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse seien nicht bekannt.
Mit Bescheid vom 23. September 1999 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Hinterbliebenenrente mit der
Begründung ab, dass die Wartezeit nicht erfüllt sei. Zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge sei die Klägerin nicht
berechtigt. Die dazu erforderlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Es fehlten jegliche Beweismittel dafür, dass J R
bei Mehrsprachigkeit die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Umfeld
überwiegend verwendet habe.
Mit ihrem hiergegen gerichteten, am 11. Oktober 1999 eingegangenen Widerspruch verfolgte die Klägerin ihr Begehren
weiter. Sie legte eine Erklärung des im März 1917 geborenen I B vom 25. Oktober 1999 vor, derzufolge der
Versicherte der deutschen Kultur angehört habe und sich einwandfrei in Deutsch habe verständigen können. Weiter
reichte die Klägerin jeweils nicht datierte eidesstattliche Versicherungen des im Februar 1918 geborenen S F sowie
der im Mai 1922 geborenen E G ein, in denen jeweils dargelegt wird, dass zwischen ihnen und dem Verstorbenen ein
enges freundschaftliches Verhältnis bestanden habe, sie in dessen Elternhaus ("im Hause R") ein- und ausgegangen
wären und dort – namentlich von seiner Mutter - deutsch gesprochen worden sei. Hinsichtlich der jeweiligen
Einzelheiten wird auf die Erklärungen Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte
sie aus, dass die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt sei. Ein Recht zur Nachentrichtung freiwilliger
Beiträge nach Nr. 8 des Schlussprotokolls zum DASVA bestehe nicht, weil es nicht glaubhaft sei, dass der Mann der
Klägerin zum Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe –
also am 14. März 1939 – dem dSK angehört habe. Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung seien
nicht zurückgelegt worden. Eine Berücksichtigung der in der Slowakei zurückgelegten Beitrags- und
Beschäftigungszeiten wäre in der deutschen Rentenversicherung nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 1
FRG i.V.m. § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der
Sozialversicherung (WGSVG) oder des § 17a FRG erfüllt wären. Der Verstorbene habe weder dem Personenkreis des
§ 1 FRG angehört, noch seien die Voraussetzungen des § 20 WGSVG erfüllt. Er habe nicht dem dSK angehört. Eine
Sprachprüfung sei nicht durchgeführt worden. Im Rentenverfahren hätte die Klägerin, die ihren Mann erst 1946
geheiratet habe, angegeben, dass der Verstorbene die deutsche, ungarische und slowakische Sprache in Wort und
Schrift beherrscht habe, im persönlichen Lebensbereich die deutsche Sprache und außerhalb der Familie alle drei
Sprachen benutzt habe; seine Muttersprache sei Deutsch gewesen. Im Berufsleben habe er überwiegend ungarisch
und slowakisch gesprochen. Daran, ob er deutschsprachige Lektüre gelesen habe, habe sie sich nicht erinnern
können. Die Eltern ihres Mannes hätten überwiegend ungarisch miteinander gesprochen. Eine deutsche Schule habe
ihr Mann nie besucht. Auch mit den im Widerspruchsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen könne die
Zugehörigkeit zum dSK nicht glaubhaft gemacht werden, zumal die Zeugin E G bestätigt habe, dass die Kinder sich
überwiegend in Slowakisch oder Ungarisch unterhalten hätten. Es würden jegliche Beweismittel dafür fehlen, dass der
Verstorbene bei Mehrsprachigkeit die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht habe und sie in seinem
persönlichen Bereich überwiegend verwendet habe. Eine Anrechnung der in der Slowakei zurückgelegten Beitrags-
und Beschäftigungszeiten könne daher auch nicht nach § 17a FRG erfolgen. Dagegen hat die Klägerin am 12.
November 2001 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie meint, dass die
Zugehörigkeit ihres verstorbenen Mannes zum dSK nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass er dreisprachig
aufgewachsen sei und alle drei Sprachen auch benutzt habe. Entscheidend sei allein, dass er die deutsche Sprache
im privaten Bereich überwiegend wie eine Muttersprache benutzt habe, was – auch unter Würdigung der im
Widerspruchsverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen - der Fall gewesen sei.
Das Sozialgericht hat die Vernehmung der Zeugen E G, I B sowie S F vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik
Deutschland in N Y angeordnet, von denen letztlich lediglich I B am 11. Dezember 2002 ausgesagt hat. S F hat
hingegen erklären lassen, aus Altersgründen nicht zu einer Aussage in der Lage zu sein; die Zeugin E G soll
"telefonisch glaubhaft gemacht haben, nicht als Zeugin aussagen zu können". Hinsichtlich des Inhalts der Aussage
des Zeugen I B wird auf das Vernehmungsprotokoll Bezug genommen. Schließlich lag dem Gericht eine als
Zeugenerklärung bezeichnete schriftliche Stellungnahme der Klägerin vom 27. März 2003 vor. Auf diese Erklärung
wird verwiesen.
Mit Urteil vom 09. November 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung, auf deren
Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine
Hinterbliebenenrente habe. Sie erfülle die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren nicht. Insbesondere komme die
Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nicht in Betracht. Die hierfür nach § 17a FRG erforderlichen Voraussetzungen
lägen nicht vor. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Verstorbene zu dem Zeitpunkt, in dem sich der
nationalsozialistische Einflussbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe, dem dSK angehört habe. Dass der
Verstorbene die deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrscht und sie in seinem persönlichen Bereich
überwiegend gebraucht habe, sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Zeuge B habe ausgesagt, nie im Elternhaus
des Verstorbenen gewesen zu sein. Zu dem Sprachverhalten der Eltern und des Verstorbenen im Elternhaus habe er
lediglich Vermutungen angestellt. Dass dort deutsch gesprochen worden sei, habe er nur daraus geschlossen, dass
Deutsch seiner Meinung nach als Ausdruck eines hohen sozialen Status galt und er diesen Status bei der Familie des
Verstorbenen als gegeben ansah. Zum Sprachverhalten des Vaters des Verstorbenen habe er keinerlei Angaben
gemacht. Die eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen G und F seien ebenfalls nicht zur Glaubhaftmachung der
Zugehörigkeit zum dSK geeignet. Beide hätten nicht angegeben, in welchem Umfang der Versicherte und zu welchen
Anlässen er welche Sprache benutzt habe. Zudem widersprächen die Angaben der beiden auch den Angaben der
Klägerin über das Sprachverhalten der Eltern des Versicherten, denn die Klägerin habe angegeben, dass beide
Elternteile ungarisch gesprochen hätten. Gegen dieses ihr am 23. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die
am 30. Dezember 2004 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie im Wesentlichen auf ihren
bisherigen Vortrag Bezug nimmt. Die Beweiswürdigung des Sozialgerichts Berlin überzeuge nicht. Für die dSK -
Zugehörigkeit seien das Elternhaus, die Arbeitswelt sowie das außerhäusliche Privatleben entscheidend. Zum
Sprachverhalten im Elternhaus habe der Zeuge B keinerlei Aussagen machen können. Hierzu lägen jedoch die
eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen G und F vor. Bei einer Gesamtbetrachtung werde deutlich, dass der
Verstorbene im Elternhaus sowie im sonstigen Privatleben deutsch gesprochen habe. Allein zum Sprachgebrauch im
Beruf lägen keine Anhaltspunkte durch Zeugenerklärungen vor. Da aber in seinem Heimatgebiet Deutsch eine nicht
unbedeutende Rolle gespielt habe, könne vermutet werde, dass auch im Beruf zumindest teilweise die deutsche
Sprache benutzt worden sei. Im Übrigen habe das Sozialgericht zu hohe Anforderungen an eine Glaubhaftmachung
gestellt. Es genüge die "gute Möglichkeit", eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sei nicht erforderlich.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2004 und des Bescheides der Beklagten
vom 23. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 2001 die Beklagte zu
verurteilen, ihr unter Zulassung der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Nr. 8 SP/DASVA eine
Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann J R zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass auch die Glaubhaftmachung
von Versicherungszeiten aufgrund der Beschäftigung im elterlichen Betrieb bzw. während der Zwangsarbeit nicht
gelungen sei. Im Falle des Vorliegens der übrigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen – insbesondere der
Zugehörigkeit zu einem der im Gesetz vorgesehenen bestimmten Personenkreise - wäre sie bereit, die Zeiten vom 20.
Oktober 1930 bis zum 01. Oktober 1931 sowie vom 26. Februar 1951 bis zum 31. Oktober 1968 als Beitrags- und
Beschäftigungszeiten anzuerkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegen¬stand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung
gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und Rechtslage in
seinem angefochtenen Urteil zutreffend.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober
2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer
Hinterbliebenenrente und auf Zulassung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge.
Nach § 46 SGB VI setzt die Gewährung einer Witwenrente u.a. voraus, dass der versicherte Ehegatte die allgemeine
Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) erfüllt hatte. Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß
§ 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten angerechnet. Beitragszeiten
sind nach § 55 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind
bzw. nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Pflichtbeiträge nach Bundesrecht sind für J R unstreitig nicht
gezahlt worden. Auch greift keine Fiktion im Sinne der Norm ein. Schließlich sind zu Gunsten der Klägerin für ihn
keine ausländischen Versicherungszeiten, die deutschen Beitragszeiten gleichstehen könnten, zu berücksichtigen.
Insbesondere hat sie keinen Anspruch auf Anerkennung von Fremdbeitragszeiten nach § 17a FRG i.V.m. §§ 15, 16
FRG.
Nach § 17a FRG finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgebenden Vorschriften des
Fremdrentengesetzes Anwendung auch auf Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische
Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört
haben, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem
deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben und sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum
deutschen Volkstum bekannt hatten, sowie die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des
Bundesvertriebenengesetzes verlassen haben. Zu Recht sind die Beklagte und das Sozialgericht Berlin davon
ausgegangen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllte, nämlich
insbesondere weder glaubhaft noch nachgewiesen ist, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt – dem 14. März 1939 –
dem dSK angehörte.
Für die Zugehörigkeit zum dSK kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. BSG,
Urteile vom 19.04.1990 – 1 RA 105/88 - und 26.09.1991 – 4 RA 89/90 -, BSG SozR 3-5070 § 20 Nrn. 1 und 2) dem
Gebrauch der deutschen Sprache "im Regelfall" ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn wer eine Sprache im
persönlichen Bereich ständig gebrauche, gehöre nicht nur diesem Sprachkreis, sondern auch dem durch die Sprache
vermittelten Kulturkreis an, weil sie ihm den Zugang zu dessen Weltbild und Denkwelt erschließe. Die Zugehörigkeit
zum dSK ergebe sich daher "im Regelfall" aus dem zumindest überwiegenden Gebrauch der deutschen Muttersprache
im persönlichen Lebensbereich, der in erster Linie die Sphäre von Ehe und Familie, aber auch den Freundeskreis
umfasse. Eine Mehrsprachigkeit stehe der Zugehörigkeit zum dSK dann nicht entgegen, wenn der Betroffene die
deutsche Sprache wie eine Muttersprache beherrsche und sie in seinem persönlichen Bereich überwiegend gebraucht
habe. Beide Merkmale, also Sprachbeherrschung und Sprachgebrauch, seien unter Berücksichtigung der
Verhältnisses des Einzelfalls zu beurteilen. Bei der Feststellung eines überwiegenden Sprachgebrauchs sei die
Gesamtheit der individuellen Kommunikation des Betroffenen im persönlichen Lebensbereich in Betracht zu ziehen
(BSG, Urteil vom 14.03.2002 – B 13 RJ 15/01 R – zitiert nach juris).
Ein Nachweis über die Zugehörigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zum dSK wurde insbesondere
mangels eines Tests über die Sprachbeherrschung unstreitig nicht geführt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist
ihr jedoch auch eine nach § 4 Abs. 1 FRG für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen
genügende Glaubhaftmachung zur Überzeugung des Senats nicht gelungen.
Zutreffend ist bereits das Sozialgericht davon ausgegangen, dass eine Tatsache dann glaubhaft gemacht ist, wenn ihr
Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen,
überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das
Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es
genügt vielmehr die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie
behauptet wird, während gewisse noch verbleibende Zweifel unbeachtlich sind. Gleichzeitig muss mehr für als gegen
den behaupteten Sachverhalt sprechen. Ist weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen einer Tatsache überwiegend
wahrscheinlich, ist nicht etwa zugunsten des Anspruchstellers zu entscheiden. Ein solcher Grundsatz wäre dem
Sozialversicherungsrecht fremd [BSG, Urteil vom 17.12.1980 – 12 RK 42/80 -, SozR 5070 § 3 Nr. 1; Beschluss vom
04.06.1975 – 11 BA 4/75 -, BSGE 40, 40 ff. (42)].
Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der Bekundungen
der Klägerin und des Zeugen B sowie der eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen G und F nicht glaubhaft
gemacht, dass J R im März 1939 dem dSK angehörte.
Den Angaben der Klägerin zur Zugehörigkeit ihres verstorbenen Mannes zum dSK vermag der Senat keine
wesentliche Aussagekraft beizumessen. Denn ganz abgesehen davon, dass diese bereits im Hinblick auf das mit der
entsprechenden Annahme verknüpfte ganz wesentliche Eigeninteresse der Klägerin kritisch zu würdigen sind,
begegnen sie auch inhaltlich erheblichen Bedenken. Die Klägerin, die ihren Mann erst sieben Jahre nach dem hier
maßgeblichen Zeitpunkt und etwa zwei Jahre nach dem Tod seiner Eltern geheiratet hat, kann zu seinem
Sprachgebrauch im persönlichen Bereich und im maßgeblichen Zeitraum aus eigener Anschauung so gut wie nichts
bekunden, sich im Gegenteil im Wesentlichen nur auf angeblich Gehörtes berufen. So behauptet sie in ihrer Aussage
vom 27. März 2003 zwar, die Eltern ihres Mannes vor dem Kriege kennen gelernt zu haben. Indes liegen keinerlei
Anhaltspunkte dafür vor, dass sie noch zu Lebzeiten ihrer Schwiegereltern im Elternhaus ihres Mannes verkehrt hat.
Im Gegenteil will sie ihren späteren Mann im Alter von 16 Jahren – also etwa 1939 – im Hause einer anderen Familie
kennen gelernt haben, die auch J R mit seinen Eltern besucht habe. Danach will sie ihn erst nach dem Krieg wieder
getroffen haben. Unmittelbare Kenntnis über den Sprachgebrauch in J Rs Elternhaus hat sie mithin nicht. Soweit sie
im Übrigen angibt, dessen Mutter sei in W geboren und dort aufgewachsen, ist dies nach den vorliegenden Unterlagen
aller Wahrscheinlichkeit nach falsch. Denn nach den im Jahre 1993 von ihrem Ehemann gegenüber dem Claims
Conference – Hardship Fund – getätigten Angaben ist seine Mutter im Jahre 1876 in C geboren. Und auch die Klägerin
selbst hat auf einem von ihr unterzeichneten, an die Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg
gesandten, nicht datierten Vordruck angegeben, dass ihre Schwiegermutter "1864 in der CSR" geboren sei. Insgesamt
mag ihrer Aussage daher zu entnehmen sein, dass ihr verstorbener Mann im Hause der Familie, die sie beide im
Jahre 1939 besuchten, deutsch sprach. Dass dies aber die in seinem Elternhaus und in seinem sonstigen privaten
Bereich seinerzeit überwiegend genutzte Sprache war, folgt daraus keinesfalls.
Ebenso wenig ergibt sich dies aus der Aussage des Zeugen I B. Dieser hat zwar behauptet, dass J R – ebenso wie
dessen Mutter – sehr gut deutsch gesprochen und dem dSK angehört habe, insbesondere letzteres aber – wie das
Sozialgericht zutreffend angeführt hat – im Wesentlichen damit begründet, dass nach seiner Einschätzung seinerzeit
die Nutzung der deutschen Sprache Ausdruck eines hohen sozialen Status war und er der Familie des Verstorbenen
einen entsprechenden Status zugesprochen hat. Hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung der deutschen Sprache des
Verstorbenen hat er jedoch letztlich nur Vermutungen anstellen können. Denn er hat selbst bekundet, J R nie in
seinem Elternhaus besucht zu haben. Weiter hat er angegeben nicht zu wissen, ob dieser überhaupt Geschwister
hatte und wie sie sich ggfs. mitereinander unterhalten hätten, welche Sprache die Familie R z.B. während der
Mahlzeiten gesprochen hätte, welche Sprachen der Vater des Verstorbenen beherrscht und ob die Familie kulturelle,
in deutscher Sprache abgehaltene Veranstaltungen besucht hätte. Insgesamt kann seinen Angaben daher allenfalls
entnommen werden, dass der Verstorbene die deutsche Sprache gut beherrschte und im Gespräch mit dem Zeugen
ausschließlich nutzte. Dass er dies aber im privaten Bereich überwiegend tat, folgt daraus – insbesondere angesichts
des von dem Zeugen geschilderten – nur sehr sporadischen Kontakts zwischen den beiden nicht.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich dies auch nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit aus den im
Verwaltungsverfahren übersandten eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen G und F, die beide im Laufe des
gerichtlichen Verfahrens auf entsprechende Vorladung durch das deutsche Generalkonsulat in den USA keine
Zeugenaussagen getätigt haben. Ihre schriftlichen Angaben sind aus Sicht des Senats zur Glaubhaftmachung nicht
ausreichend. In ihren Erklärungen beschränken sich beide im Wesentlichen darauf, den ausschließlichen Gebrauch
der deutschen Sprache in J R Elternhaus zu bestätigen. Der Senat hat allerdings bereits erhebliche Bedenken, ob die
Zeugen tatsächlich so eng mit J R befreundet waren und so intensiv in seinem Elternhaus verkehrten, wie sie glauben
machen wollen. Bei dem bekundeten engen Kontakt wäre es jedenfalls kaum nachvollziehbar, warum die Zeugen
erstmals im Widerspruchsverfahren benannt wurden, nachdem die Klägerin noch in ihrem Antrag angegeben hatte,
dass es keine Zeugen bzgl. der Beschäftigungsverhältnisse ihres verstorbenen Mannes zwischen 1930 und 1968
gebe. Von engen Freunden wäre indes zu erwarten, dass sie auch einen gewissen Einblick in das Berufsleben des
jeweils anderen haben. Insbesondere aber weisen ihre Angaben und die der Klägerin zu den Sprachkenntnissen der
Familienmitglieder auch Differenzen auf. Während die Klägerin auf einem von ihr unterzeichneten, an die
Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg gesandten, nicht datierten Vordruck angegeben hatte,
dass ihre Schwiegereltern beide die deutsche, ungarische und slowakische Sprache beherrscht hätten, behauptet der
Zeuge F, dass sie ungarisch und slowakisch nur sehr gebrochen gesprochen hätten. Dies erscheint insbesondere
bzgl. des Vaters des Klägers nur schwerlich nachvollziehbar, ist er doch offenbar in der Region aufgewachsen und als
Metzgermeister im eigenen Laden sicher nicht nur mit deutschsprachiger Kundschaft in Kontakt gekommen. Insofern
ist es schon eher nachvollziehbar, wenn die Zeugin G bekundet, dass nur die Mutter des Verstorbenen gebrochen
Slowakisch und Ungarisch gesprochen habe. Insgesamt bleiben hier jedoch deutliche Zweifel an den
Sprachkenntnissen der einzelnen Personen. Im Übrigen ist aus Sicht des Senats anzunehmen, dass J R der keine
deutsche Schule oder eine Schule, in der deutschsprachig unterrichtet wurde, besucht hat, jedenfalls außerhalb seiner
Familie z.B. mit Schulfreunden und im Beruf aller Wahrscheinlichkeit nach überwiegend ungarisch und slowakisch
gesprochen hat. Dies entspricht den Angaben der Klägerin auf ihrem Antragsvordruck und erscheint durchaus
glaubhaft. Weiter steht dies mit den Bekundungen der Zeugin G in Einklang, die – wenn auch wohl hauptsächlich auf
ihre eigene Familie bezogen – geschildert hat, dass unter den Kindern überwiegend Slowakisch oder Ungarisch
gesprochen worden sei. Dass dies bei J R anders gewesen sein soll, erscheint dem Senat nicht überwiegend
wahrscheinlich. Insgesamt spricht hier einiges dafür, dass dessen Mutter mit ihm und vermutlich ihren anderen
Kindern deutsch gesprochen hat. Daran aber, dass die deutsche Sprache die von dem Verstorbenen ansonsten – d.h.
insbesondere mit seinen Geschwistern und Freunden - überwiegend genutzte Sprache war, bleiben beim Senat ganz
erhebliche Zweifel, die hier zu Lasten der Klägerin gehen.
Ist damit die Zugehörigkeit zum dSK nicht glaubhaft gemacht, scheidet nicht nur eine Berücksichtigung von
Beitragszeiten über § 17a FRG aus, sondern auch über § 1 FRG i.V.m. § 20 WGSVG. Auch kann die Klägerin mit
ihrem Begehren, zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Nr. 8 SP/DASVA zugelassen zu werden, keinen Erfolg
haben. Auch diese Vorschrift setzt die Zugehörigkeit zum dSK voraus.
Da schließlich nicht ersichtlich ist, dass Ersatzzeiten zurückgelegt worden wären, scheidet eine Rentengewährung
aus, so dass die Berufung keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.