Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.04.2002
LSG Berlin-Brandenburg: vergütung, verfassungsbeschwerde, verfassungsrecht, gestaltungsspielraum, quelle, sammlung, gesundheitswesen, link, verfassungskonform, bezirk
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 7 KA 77/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, Art 3
Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG
Vergütung psychotherapeutischer Leistungen
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. April
2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten des gesamten
Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Honorierung psychotherapeutischer Leistungen für die
Quartale I/99 und III/99.
Die Klägerin, die Diplompsychologin ist, nahm zumindest in den hier streitbefangenen
Quartalen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt an der Erbringung
psychotherapeutischer Leistungen im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung
teil.
Mit Bescheid vom 5. August 1999 setzte die Beklagte das Honorar der Klägerin für das
Quartal I/99 auf 23.429,24 DM fest und honorierte die von der Klägerin für insgesamt 62
Behandlungsfälle angeforderten 416.583 Punkte mit Punktwerten von 4,20 DPf im
Bereich der Primärkassen und von 6,00 DPf im Bereich der Ersatzkassen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend: Der abgerechnete
Punktwert sei erheblich zu niedrig. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zu der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die
Zeit bis Ende 1998 sei er mit 10,00 DPf in Ansatz zu bringen. Diesen Widerspruch wies
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2000 zurück und führte zur
Begründung im Wesentlichen aus: Die von der Klägerin genannte Rechtsprechung des
BSG beziehe sich ausdrücklich nicht auf die Vergütung ab dem Quartal I/99. Der
Honorarbescheid halte sich nicht nur an die Vorgaben des einheitlichen
Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä), sondern vor allem auch
an diejenigen ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM), der seinerseits den Vorgaben
des Art. 11 des Einführungsgesetzes zum Psychotherapeutengesetz (EinfG-PsychThG)
entspreche. Nachvergütungen in Höhe von 2.409,58 DM bzw. 2.792,40 DM erfolgten mit
Bescheiden vom 31. Januar 2001 und vom 24. Januar 2002.
Für das weiterhin streitbefangene Quartal III/99 setzte die Beklagte das Honorar der
Klägerin für die von ihr geltend gemachten 63 Behandlungsfälle unter Zugrundelegung
von 405.767 Punkten und eines Punktwertes von 3,20 DPf im Primärkassenbereich und
eines Punktwerts von 6,00 DPf im Ersatzkassenbereich mit Bescheid vom 7. Februar
2000 auf 19.794,54 DM fest, wogegen die Klägerin wiederum unter Bezugnahme auf die
Rechtsprechung des BSG zu der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die
Zeit bis Ende 1998 Widerspruch erhob. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens vergütete
die Beklagte mit Bescheiden vom 21. März 2000 und 31. Januar 2001 Beträge in Höhe
von 118,40 DM bzw. 2.188,08 DM nach. Den Widerspruch wies sie mit
Widerspruchsbescheid vom 19. April 2001 wiederum unter Hinweis auf die
Bestimmungen des EBM-Ä und ihres HVM zurück und vergütete schließlich mit Bescheid
vom 24. Januar 2002 nochmals einen Betrag in Höhe von 2.338,90 DM nach.
Nach Verbindung der die Honorierung der psychotherapeutischen Leistungen der
Klägerin in den Quartalen III/98, IV/98, I/99 und III/99 betreffenden Klageverfahren
(Quartal III/98: S 1 KA 109/00; Quartal IV/98: S 1 KA 149/00; Quartal I/99: S 1 KA 222/00
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(Quartal III/98: S 1 KA 109/00; Quartal IV/98: S 1 KA 149/00; Quartal I/99: S 1 KA 222/00
und Quartal III/99: S 1 KA 86/01) unter dem Aktenzeichen S 1 KA 109/00 hat das
Sozialgericht Potsdam die von der Klägerin angefochtenen Honorarbescheide in Gestalt
der jeweiligen Widerspruchsbescheide für die Quartale III/98 und IV/98 aufgehoben und
die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, die Vergütungsansprüche der Klägerin für die
von ihr in den vorgenannten Quartalen erbrachten Leistungen unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die auf eine höhere Vergütung der
psychotherapeutischen Leistungen für die Quartale I/99 und III/99 gerichteten Klagen hat
es abgewiesen und zur Begründung dieser Abweisung im Wesentlichen ausgeführt: Die
Vergütungsansprüche für die Quartale I/99 und III/99 seien nach dem HVM der Beklagten
richtig berechnet worden. § 5 Abs. 7 HVM entspreche den rechtlichen Vorgaben des Art.
11 EinfG-PsychThG. Danach habe im Jahre 1999 ein gesetzliches Budget gegolten, das
keinen Raum für eine Punktwertstützung gelassen habe. Die Verpflichtung nach Art. 11
Abs. 2 EinfG-PsychThG, geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Punktwertdifferenz
zu treffen, obliege den Vertragspartnern des Gesamtvertrages und nicht der Beklagten
allein. Einzelne Verträge seien auch schon zustande gekommen.
Gegen dieses ihr am 1. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin bezüglich der hier
allein streitbefangenen Quartale I/99 und III/99 am 16. Juli 2002 Berufung zum
Landessozialgericht eingelegt und zu deren Begründung ausgeführt: Die Vorschrift des
Art. 11 EinfG-PsychThG sei verfassungswidrig, auch wenn das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) mit seinem Beschluss vom 30. April 2003 (1 BvR 664/03) eine diesbezügliche
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe. Die Vorschrift sei
unverhältnismäßig, weil sie keine Mindestvergütung garantiere, und verletze das aus Art.
12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgende Gebot der
Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. April 2002 aufzuheben sowie den
Bescheid der Beklagten vom 5. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11. Mai 2000 in der Fassung der Bescheide vom 31. Januar 2001 und 24. Januar
2002 sowie den Bescheid vom 7. Februar 2000 in der Fassung der Bescheide vom 21.
März 2000 und 31. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April
2001 in der Fassung des Bescheides vom 24. Januar 2002 zu ändern und die Beklagte zu
verpflichten, die Klägerin hinsichtlich ihrer Honoraransprüche für die Quartale I/99 und
III/99 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und das angewendete Recht für
verfassungskonform.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen
auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten
der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und
Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung war zurückzuweisen. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen bezüglich
der hier allein streitbefangenen Quartale I/99 und III/99 abgewiesen, denn die insoweit
angefochtenen Honorarbescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin, der kein höherer Honoraranspruch für die vorgenannten Quartale zusteht, nicht
in ihren Rechten.
Die Beklagte hat die Honorierung der vertragspsychotherapeutischen Leistungen der
Klägerin in den hier streitbefangenen Quartalen auf der Grundlage des EBM-Ä sowie vor
allem ihres jeweils geltenden HVM vorgenommen. Verstöße gegen die Anwendung der
darin enthaltenen Bestimmungen hat die Klägerin nicht geltend gemacht, sie sind auch
sonst nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin indessen rügt, ihre Leistungen seien mit zu
niedrigen Punktwerten vergütet worden, weil das maßgebliche Honorarkontingent zu
knapp bemessen gewesen sei, steht dem die Vorschrift des Art. 11 EinfG-PsychThG
entgegen, die unter anderem in ihrem Absatz 1 eine Ausgabenobergrenze für die
Honorierung psychotherapeutischer Leistungen und damit auch eine maximale Größe
für das maßgebliche Honorarkontingent festlegte. Verstöße hinsichtlich der Umsetzung
dieser Vorschrift durch die Beklagte hat die Klägerin nicht gerügt, sie sind auch von Amts
wegen nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist die Vorschrift auch verfassungsgemäß.
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wegen nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist die Vorschrift auch verfassungsgemäß.
Prüfungsmaßstab sind Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG, wobei insbesondere das
Vorliegen einer Übergangsregelung zu beachten ist (BSG, Urteil vom 6. November 2002,
B 6 KA 21/02 R, SozR 3-2500 § 85 Nr. 39).
Vergütungsregelungen stellen Berufsausübungsregelungen dar, die gemäß Art. 12 Abs.
1 Satz 2 GG durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes möglich und dann rechtmäßig
sind, wenn ihnen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls zu Grunde liegen und sie
auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen (BSG a. a. O.). Diesen
Voraussetzungen entsprach die Regelung des Art. 11 EinfG-PsychThG, weil sie mit der
Ausgabenobergrenze und einer Vergütungsuntergrenze eine vernünftige und
ausgewogene Regelung darstellte. Außerdem war sie eine Übergangsregelung lediglich
für ein Jahr, die der Vorbeugung gegen eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen im
Zusammenhang mit der Neuordnung eines Berufsfeldes diente; gerade in einem
solchen Falle steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG a. a. O.
mit weiteren Nachweisen).
Darüber hinaus verstößt die Vorschrift auch nicht gegen das aus Art. 12 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 3 Absatz 1 GG folgende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Insbesondere war der Gesetzgeber nicht gehalten, die vom BSG in Auslegung des
damals geltenden Rechts u. a. auch für das Jahr 1998 ausgesprochene Vergütung zu
einem Mindestpunktwert von ca. 10 DPf für das Jahr 1999 fortzuschreiben. Zwar bindet
das auf Verfassungsrecht beruhende Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit auch
den Gesetzgeber, allerdings nur insoweit, dass Gleiches entsprechend seiner Eigenart
gleich behandelt werden muss (BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen). Hat indessen der
Gesetzgeber aus sachlich gerechtfertigtem Grund für einen bestimmten Bereich
übergangsweise eine Sonderregelung geschaffen, wie dies bei Art. 11 EinfG-PsychThG
der Fall war, so ist insoweit kein gleicher und gleich zu behandelnder Sachverhalt
gegeben (BSG a. a. O.). Die seinerzeit gegen das vorstehend zitierte Urteil des BSG vom
6. November 2002 eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG mit seinem
Beschluss vom 30. April 2003 mit der Begründung nicht zur Entscheidung angenommen,
dass der Beschwerde keine verfassungsrechtliche Bedeutung zukomme und für eine
Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten nichts ersichtlich sei
(BVerfG, 1 BvR 664/03).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG) in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht
vor.
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