Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.05.2010

LSG Berlin und Brandenburg: wohnung, eltern, unterbringung, berufsausbildung, umzug, wohnsitznahme, verfügung, unterhalt, freibetrag, arbeitsmarkt

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 20.05.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt (Oder) S 2 AL 282/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 30 AL 61/07
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2006 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird
nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006.
Der 1981 geborene Kläger wuchs nach der Scheidung seiner Eltern zunächst bei seiner Mutter in B und sodann wegen
schulischer Schwierigkeiten seit Ende der achtziger Jahre in einer Pflegeeinrichtung in B, die sich in der Folgezeit
auch um seinen beruflichen Werdegang kümmerte, auf. Die Betreuung endete mit dem 21. Lebensjahr. Seit der Zeit in
der Pflegeeinrichtung hatte der Kläger zu seiner Mutter keinen Kontakt mehr. Seinen in der Ustraße in S wohnhaften
Vater besuchte er alle vier Wochen an den Wochenenden. Der Kläger begann am 01. September 1999 eine
Ausbildung zum Elektroinstallateur, die er nicht erfolgreich abschloss. Nach Ableistung seines Wehrdienstes vom 01.
Januar 2003 bis 30. September 2003 war der Kläger in der Zeit vom 16. Oktober 2003 bis 20. Dezember 2003 als
Kraftfahrer beschäftigt; vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 war er arbeitslos. Am 30. August 2004 nahm der
Kläger eine Berufsausbildung zum Schornsteinfeger bei dem Bezirksschornsteinfegermeister A T in E auf
(Berufsausbildungsvertrag vom 16. August 2004), die er 2007 erfolgreich abschloss. In diesem Beruf ist er noch heute
tätig und strebt darin eine Meisterausbildung an. Seit dem 22. November 2002 bis 19. April 2004 wohnte der Kläger
bei einer von zwei Schwestern in der E Straße in B (Anmeldebestätigung vom 22. November 2002) und vom 20. April
2004 bis 30. August 2004 bei der anderen Schwester in der Petersburger Straße 74b in Berlin (Melderegisterauskunft
vom 19. Mai 2010). Ab 30. August 2004 wohnte er im R-S-Ring in F (Anmeldebestätigung vom 02. September 2004).
In Anbetracht der Berufsausbildung zum Schornsteinfeger beantragte der Kläger am 26. August 2004 bei der
Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe. In dem Antrag gab er an, dass sein Vater in der Ustraße in
S wohnhaft, der Aufenthalt seiner Mutter nicht bekannt sei und er während der Ausbildung nicht bei seinen Eltern,
sondern bei seiner Schwester in der P Straße in B wohne.
Am 07. Dezember 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, er wohne derzeit bei seinem Bruder im R in F und werde
ab dem 31. Dezember 2004 einen neuen Mietvertrag abschließen.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB vom 30. August 2004 bis 28. Februar
2006 in Höhe von monatlich 116,00 EUR.
Mit Veränderungsmitteilung vom 01. Februar 2005 teilte der Kläger der Beklagten unter Beibringung einer Bestätigung
der F Wohnungsbaugenossenschaft e. G. mit, er sei ab 01. Februar 2005 in die D Straße in F verzogen.
Mit Änderungsbescheid vom 21. März 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger BAB für die Zeit vom 30. August 2004
bis 31. Januar 2005 wie bisher unverändert in Höhe von 116,00 EUR monatlich, für die Zeit ab 01. Februar 2005 bis
28. Februar 2006 in Höhe von 180,00 EUR monatlich. Bei der Berechnung der Höhe der BAB berücksichtigte die
Beklagte jeweils das Einkommen des Vaters des Klägers in Höhe von 99,58 EUR, das sie auf den Gesamtbedarf des
Klägers anrechnete.
Seinen bei der Beklagten am 13. April 2005 eingegangenen Widerspruch, mit dem der Kläger höhere BAB aufgrund
des Entstehens von Internatskosten aufgrund des Besuchs der Berufsschule in der Stadt B sowie höhere Fahrkosten
geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2005 zurück.
Am 05. August 2005 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben, mit der er den Anspruch
auf höhere BAB nunmehr allein unter Berücksichtigung eines weiteren Freibetrages weiterverfolgt hat. Bei der
Anrechnung des Einkommens seines Vaters sei ein zusätzlicher Freibetrag für die notwendige Unterbringung
außerhalb des Haushalts der Eltern von 510,00 EUR zu berücksichtigen. Die Ausbildungsstätte sei von der Wohnung
des Vaters nicht in zumutbarer Zeit zu erreichen, so dass er sich eine Wohnung in F gesucht habe. Zuvor habe er
übergangsweise bei seiner Schwester in B gewohnt, weil er sich dort bessere Chancen für eine Arbeitsuche
ausgerechnet habe. Da er sich für den Beruf des Schornsteinfegers interessiert habe, habe er über den Computer der
Agentur in B Ausbildungsmöglichkeiten gesucht und eine solche in E gefunden. Hätte eine Möglichkeit bestanden, die
Tätigkeit vom Wohnort seines Vaters aus zu erlernen, hätte er diese wahrgenommen, um Kosten zu sparen.
Der Kläger hat beantragt,
den Änderungsbescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28.
Februar 2006 jeweils unter Berücksichtigung eines Freibetrages gemäß § 71 Abs. 2 Ziffer 2 SGB III zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend vorgetragen, der Kläger habe
bereits vor seinem Umzug nach F in B und somit nicht mehr bei den Eltern gewohnt, weshalb die Bewilligung von
BAB auch durch die örtlich zuständige Agentur für Arbeit B erfolgt sei. Da der Ausbildungsbetrieb in E, d. h. im B
Nahverkehrsbereich, liege, sei ein Umzug nach F nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe sich von vornherein für
eine Arbeitsvermittlung bzw. Berufsausbildung außerhalb des Haushalts der Eltern entschieden. Das
Berufsausbildungsverhältnis sei auch nicht von der Beklagten vermittelt worden.
Mit bei der Beklagten am 25. Januar 2006 eingegangenem Antrag hat der Kläger die Fortzahlung der BAB beantragt.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2006 hat die Beklagte den Antrag auf BAB abgelehnt, da dem Kläger die für seinen
Lebensunterhalt und für seine Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden. Dagegen
erhob der Kläger am 21. Februar 2006 (Eingangsdatum) Widerspruch, der in Anbetracht des vorliegenden
sozialgerichtlichen Verfahrens (Sozialgericht Frankfurt [Oder] S 2 AL 282/05) zum Ruhen gebracht worden ist.
Laut Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes E vom 06. Januar 2006 hat der Vater des Klägers im Jahr 2004
über Einkünfte in Höhe von 36 128,00 EUR, laut Einkommenssteuerbescheid vom 08. Dezember 2005 im Jahr 2003
über Einkünfte in Höhe von 47.587,00 EUR verfügt.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2006 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen. Der Kläger
berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei
Unterbringung außerhalb des Haushalts seines Vaters möglich gewesen sei. Zuzugeben sei dem Kläger, dass zwar
ein tägliches Pendeln zwischen dem Wohnort des Vaters in S und der Ausbildungsstätte in E aus Gründen der
Entfernung nicht zumutbar gewesen sei. Darauf komme es aber vorliegend nicht an. Denn nach dem Gesetzeszweck
diene die Regelung der Förderung der Berufsmobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung und
stärke die Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebotes. Dies setze insoweit zunächst
die Prüfung der Ausbildungsmöglichkeiten im Wohnortbereich der Eltern des Ausbildungssuchenden voraus, und zwar
durch die örtlich zuständige Arbeitsagentur (Arbeitsagentur B). An diese für den Wohnort des Vaters zuständige
Arbeitsagentur habe sich der Kläger mit dem Ansinnen der Vermittlung eines geeigneten Ausbildungsplatzes jedoch
offenbar nicht gewandt, so dass von dort auch nicht in ein wohnortfernes Ausbildungsverhältnis vermittelt worden sein
könne. Auch habe eine Vermittlung durch die hier beklagte Arbeitsagentur B nicht stattgefunden. Schließlich sei
davon auszugehen, dass sich der Kläger in der Zeit vor Aufnahme des in Rede stehenden
Berufsausbildungsverhältnisses bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw. der Wohnung des Vaters gelöst
habe. So lasse die Meldebestätigung des Bezirksamtes L erkennen, dass der Kläger bereits seit dem 22. November
2002 in B gewohnt habe und seither auch nicht mehr zum Wohnort des Vaters in die väterliche Wohnung
zurückgekehrt sei. Der Kläger sei nach der Wohnsitznahme in B zwischenzeitlich auch versicherungspflichtig
beschäftigt gewesen (vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003) und habe die Zeit der Arbeitslosigkeit (vom 20.
Januar 2004 bis 29. August 2004) offenbar auch in B verbracht. Ausgehend von seinem Lebensmittelpunkt in B sei es
durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen sei und eben nicht eine
Vermittlung in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen habe. Selbst wenn zugunsten des Klägers
unterstellt würde, dass auch die für den Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine
wohnortferne Ausbildungsstätte hätte vermitteln können, wäre diese Vermittlung nicht kausal gewesen für die
Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Im Übrigen sei ein Umzug des seit dem 22.
November 2002 in B wohnhaften Klägers aus Gründen der Aufnahme des Ausbildungsverhältnisses in E nach F nicht
notwendig gewesen, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar
gewesen wäre, denn die Ausbildungsstätte in E befinde sich im Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und sei mit
öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen gewesen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04. Mai 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger
am 01. Juni 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei
insoweit abzuändern, als das Sozialgericht davon abgesehen habe, einen Freibetrag von 510,00 EUR bei dem
Einkommen seines Vaters zu berücksichtigen. Das Sozialgericht habe zu Unrecht von Ermittlungen dazu abgesehen,
ob in der Nähe der väterlichen Wohnung ein Ausbildungsplatz für den Beruf des Schornsteinfegers zur Verfügung
gestanden habe, was nicht der Fall gewesen sei. Ein Kausalitätserfordernis lasse sich weder dem Gesetz noch der
Gesetzesbegründung entnehmen. Dagegen stehe auch Art. 3 Grundgesetz. Personen, die auch aus beruflichen und
persönlichen Gründen auswärts untergebracht seien, seien nicht anders zu behandeln als Personen, die nur aus
beruflichen Gründen auswärts wohnten. Der Zweck der auswärtigen Unterbringung, Stärkung der Mobilität, werde bei
beiden Personengruppen erreicht. Eine Beziehung zum Risikobereich der Beklagten bestehe bei beiden
Personengruppen. Weiter spreche dagegen auch § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Der Gesetzgeber
habe hier eine Pflicht zur telelogischen und bürgerfreundlichen Interpretation sämtlicher Normen des
Sozialgesetzbuchs angeordnet. Diese werde bei Einführung eines im Gesetz nicht vorgesehenen einschränkenden
Kausalitätserfordernisses nicht beachtet. Selbst wenn von einem Kausalitätserfordernis auszugehen sei, sei von einer
solchen zwischen Ausbildung und auswärtiger Unterbringung jedenfalls auszugehen. Er habe seinen Wohnsitz bei
seinem Vater zum Zwecke der Ausbildung verlassen. Hiergegen spreche auch nicht die Ummeldung nach B. Er habe
vor Ausbildungsbeginn am Wochenende bei seinem Vater gewohnt. In der Woche habe er sich behelfsmäßig
abwechselnd bei seinen zwei Schwestern aufgehalten. Die Anmeldung in B sei zur Suche nach einem
Ausbildungsplatz erforderlich gewesen. Ein Pendeln zwischen der Wohnung in B und der Ausbildungsstätte sei in
Anbetracht der nur behelfsmäßigen Unterbringung bei den Schwestern nicht möglich gewesen. Auch dürfe er nicht
durch Aberkennung von Freibeträgen bestraft werden, wenn er sich eigeninitiativ eine Berufsausbildung suche. Im
Übrigen habe er auch keinen Unterhaltsanspruch gegenüber seinem Vater gehabt. Darauf, ob darüber ein Titel
vorliege, komme es nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. April 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der
Beklagten vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu ändern und die
Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 höhere
Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die ihrer Auffassung nach überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen
Gerichtsbescheid. Ergänzend verweist sie auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen vom 19. April
2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER. Danach setze die besondere Förderung der auswärtigen Unterbringung des
Auszubildenden voraus, dass der Auszubildende wegen der beabsichtigten Ausbildung gezwungen sei, außerhalb des
zumutbaren Tagespendelbereichs der elterlichen Wohnung eine Unterkunft zu nehmen. Sei der Auszubildende bereits
geraume Zeit vor dem Beginn der zu fördernden Ausbildung und ohne Bezug zu ihr umgezogen, habe er grundsätzlich
keinen Anspruch auf die erhöhte Förderung. In Anbetracht der vorliegenden Anmeldebestätigungen sei der Kläger
bereits seit dem 22. November 2002 nicht mehr in der elterlichen Wohnung gemeldet. Er sei damit lange Zeit vor
Beginn der Ausbildung umgezogen. Die auswärtige Unterbringung stehe damit nicht kausal im Zusammenhang mit der
Ausbildung, wodurch die Gewährung des zusätzlichen Freibetrags ausgeschlossen sei. Da vorliegend nicht belegt sei,
dass ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegenüber seinem Vater nicht bestehe, sei das Einkommen des Vaters
auch anzurechnen gewesen. Überdies treffe die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung des OLG
Karlsruhe nicht auf den Fall des Klägers zu. Dieser Entscheidung liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger
dort habe eine Berufsausbildung zum Bauzeichner abgeschlossen und habe im Anschluss daran, nach Erwerb des
Fachabiturs, Architektur oder Bauingenieurwesen studieren wollen. Dieser Kläger habe damit eine Ausbildung
abgeschlossen, die ihn zur Berufsausübung befähigt habe. Darauf aufbauend habe er eine Weiterbildung absolvieren
wollen. Vorliegend habe der Kläger die Ausbildung zum Elektroinstallateur 2001 abgebrochen und habe in diesem
Beruf keine abgeschlossene Befähigung zur Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum
Schornsteinfeger ab 01. August 2007 habe der Kläger erst einen Berufsabschluss angestrebt, der ihn zur Ausübung
eines Berufs befähige und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Es sei mithin
keine Weiterbildung nach einer ersten abgeschlossenen Berufsausbildung. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die
Drucksache des Deutschen Bundestages 14/4731 Seite 44.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger
betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer ) Bezug genommen. Die Akten haben dem Gericht
vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes - zur Zeit der Berufungseinlegung
im Jahre 2006 - 500,00 Euro übersteigt.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) die Klage
gegen den Bescheid vom 21. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 abgewiesen,
da die Bescheide rechtmäßig sind.
Nicht zu entscheiden war, ob dem Kläger auch für die Zeit ab 01. März 2006 bis 29. August 2007 BAB zusteht. Denn
der Bescheid vom 10. Februar 2006 ist nicht gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens S 2 AL 282/05 bei
dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) geworden. In der Erklärung des Prozessbevollmächtigten vom 25. April 2006, das
Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10. Februar 2006 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des
sozialgerichtlichen Verfahrens ruhen zu lassen, ist eine Beschränkung der Anfechtung auf den Bescheid vom 21.
März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juli 2005 zu sehen. Eine solche Beschränkung ist im
Rahmen der Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand zulässig (Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer,
Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage, § 96 Rn. 11 a). Dieses Ergebnis entspricht auch aktuell noch dem
ersichtlichen Interesse der Beteiligten, wenn diese in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2010 übereinstimmend
erklären, der Bescheid vom 10. Februar 2006 bzw. das dazu anhängige Widerspruchsverfahren solle das gleiche
Schicksal teilen wie das vorliegende Verfahren.
Der Senat zollt dem Kläger in Anbetracht seiner nicht einfachen Kindheit großen Respekt vor seiner beruflichen
Leistung. Höhere BAB für die Zeit vom 30. August 2004 bis 28. Februar 2006 ist ihm aber nicht zuzuerkennen. Die
Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Berechnung der BAB einen Freibetrag von 510,00 EUR bezüglich des
Einkommens des Vaters des Klägers zu berücksichtigen.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von BAB nach den §§ 59, 63 Abs. 1 Nr. 1 und 64 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2
i. V. m. Satz 2 Nr. 1 SGB III in der Fassung von Art. 1 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes - AFRG vom 24. März
1997 (BGBl. I S. 594) sind unstreitig erfüllt. Die Ausbildung des Klägers zum Schornsteinfeger ist förderungsfähig, er
ist Deutscher, hat das 18. Lebensjahr vollendet und wohnt außerhalb des Haushalts seiner Eltern.
Die Beklagte hat den Bedarf des Klägers gemäß § 65 Abs. 1 SGB III i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in der vom 1. Juli 2001 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung des
Ausbildungsförderungsreformgesetzes (AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl. I Seite 930) für die Zeit vom 30. August
2004 bis 31. Januar 2005 zutreffend auf 506,20 EUR und für die Zeit vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
zutreffend auf 570,20 EUR festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
506,20 EUR Bedarf
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
310,00 EUR Bedarf gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 BAföG
+ 133,00 EUR höherer Bedarf bei Wohnen außerhalb des elterlichen Haushalts gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG
+ 64,00 EUR Erhöhungsbetrag gemäß § 13 Abs. 3 BAföG
+ 52,20 EUR Fahrtkosten gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
+ 11,00 EUR Arbeitskleidung gemäß § 68 Abs. 3 SGB III
570,20 EUR Bedarf
Die Beklagte hat auch die Einkommensanrechnung gemäß § 71 SGB III i. V. m. den §§ 21 ff. BAföG zutreffend
vorgenommen. Gemäß § 23 Abs. 3 BAföG ist die Ausbildungsvergütung aus einem Ausbildungsverhältnis voll
anzurechnen. Es ergibt sich folgende Berechnung:
4 261,08 EUR Ausbildungsvergütung von 355,09 EUR monatlich x 12
+ 2 414,64 EUR Ausbildungsvergütung von 402,44 EUR monatlich x 6
6 675,72 EUR Zwischensumme
- 1 435,13 EUR Sozialpauschale (21,5 % von 6 675,00 EUR) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 20 Abs. 3 BAföG
5 240,59 EUR: 18 = 291,14 EUR monatlich
Auch das anzurechnende Einkommen des Vaters des Klägers hat die Beklagte - bis auf einen Zahlendreher -
überwiegend zutreffend festgelegt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
35 813,00 EUR Einkünfte entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid für 2002
- 214,80 EUR vermögenswirksame Leistungen gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG i. V. m. Ziffer 21.4.8 a der
Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Berufsausbildungs- förderungsgesetz vom 15. Oktober 1991 (GMBl. Seite
770) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung vom 22. Juli 1999 (GMBl. Seite 459), errechnet 17,90
EUR monatlich x 12
35 598,20 EUR Zwischensumme
- 3 734,35 EUR (nicht 3 743,35 EUR) Steuern und Solidaritätszuschlag
31 863,85 EUR Zwischensumme
- 12 459,37 EUR Sozialpauschale gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG (35 % von 35 598,20 EUR)
19 404,48 EUR: 12 = 1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
Von dem monatlichen Einkommen des Vaters hat die Beklagte auch zutreffend die Freibeträge abgesetzt. Es ergibt
sich folgende Berechnung:
1 617,04 EUR monatliches Einkommen des Vaters
- 960,00 EUR Grundfreibetrag (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 BAföG)
- 435,00 EUR Freibetrag für ein weiteres Kind (§ 35 Abs. 3 Nr. 2 BAföG)
222,04 EUR zwischensumme
- 122,12 EUR anrechnungsfreier Betrag gemäß § 25 Abs. 4 Nr. 1 und 2 BAföG (55 % von 222,04 EUR)
99,92 EUR monatliches anzurechnendes Einkommen des Vaters
Die zu zahlende BAB ergibt sich wie folgt:
Zeitraum vom 30. August 2004 bis 31. Januar 2005:
506,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
115,14 EUR aufgerundet (116,- EUR) monatlich
Zeitraum vom 01. Februar 2005 bis 28. Februar 2006
570,20 EUR Bedarf
- 291,14 EUR anzurechnendes Einkommen des Klägers
- 99,92 EUR anzurechnendes Einkommen des Vaters
178,94 EUR monatlich
Das Einkommen des Vaters hatte - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht etwa gemäß § 71 Abs. 5 SGB
III außer Betracht zu bleiben.
Nach dieser Vorschrift bleibt Einkommen der Eltern außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie
rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten (§ 71 Abs. 5 Satz 1 SGB III). Dass der Vater
des Klägers rechtlich oder tatsächlich gehindert ist, dem Kläger nach den §§ 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.
V. m. § 1610 BGB (angemessenen) Unterhalt zu leisten, ist nicht ersichtlich.
Nach Satz 2 der Vorschrift ist Einkommen ferner nicht anzurechnen, soweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht oder
dieser verwirkt ist. Dass ein Unterhaltsanspruch des volljährigen Klägers gegenüber seinem Vater nicht besteht oder
gar verwirkt ist, ist ebenso nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Aufnahme der
Ausbildung zum Schornsteinfeger bereits 23 Jahre alt war, d. h. das Erwachsenenalter überschritten hatte, bedeutet
nicht, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht. Gemäß § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie grundsätzlich
verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Gemäß § 1601 Abs. 1 BGB bestimmt sich das Maß des zu
gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Letztere Vorschrift
betrifft insbesondere den Erwachsenenunterhalt. Zwar hat ein Kind gemäß der seitens des Klägers zitierten
Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30. November 1998 (20 UF 55/98, zitiert nach juris) grundsätzlich nur einen
Anspruch auf Finanzierung einer Ausbildung. Eine Pflicht der Eltern, eine Zweitausbildung oder Weiterbildung zu
finanzieren, kann nur ausnahmsweise angenommen werden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Seine erste
Ausbildung zum Elektroinstallateur hat der Kläger 2001 abgebrochen und damit keine abgeschlossene Befähigung zur
Berufsausübung erlangt. Mit der Aufnahme der Ausbildung zum Schornsteinfeger ab 01. August 2007 strebte er erst
einen Berufsabschluss an, der ihn zur Ausübung eines Berufs befähigt und ihm einen Einstieg ins Berufsleben auf
dem Arbeitsmarkt ermöglichen sollte. Im Übrigen betrifft Satz 2 des § 71 Abs. 5 SGB III die Konstellationen, in denen
die Berechnung nach dem SGB III zwar ein anzurechnendes Einkommen ergibt, von dem Unterhaltsverpflichteten
jedoch belegt wird, dass z. B. durch Urteil entschieden ist, dass ein Unterhaltsanspruch nicht besteht (vgl.
Bundestagsdrucksache 14/4731). Einen derartigen Titel hat der Kläger nicht vorgelegt.
Zusätzliche Freibeträge nach § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung
des Job AQTIV Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I 3443) sind nicht zu berücksichtigen. § 71 Abs. 2 Satz 1
und Satz 2 Nr. 2 SGB III lauten:
"Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen gelten §
11 Abs. 4 sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Bundesausbildungsförderungsgesetzes mit den hierzu
ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleiben 52,00 EUR der Ausbildungsvergütung und abweichend von § 25 Abs.
1 des Bundes-ausbildungsförderungsgesetzes zusätzlich 510,00 EUR anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer
geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der
Eltern oder eines Elternteils möglich ist."
Der Senat geht - wie auch in seiner Entscheidung vom 10. Mai 2007 mit dem Az.: L 30 AL 1288/05, veröffentlicht in
juris - davon aus, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nur erfüllt sind, wenn der
Auszubildende aufgrund der Tatsache, dass eine geeignete Ausbildungsstelle am Wohnort der Eltern nicht vermittelt
werden kann, also aus Gründen, die in den Risikobereich der Beklagten fallen (z. B. Mangel an Ausbildungsplätzen),
außerhalb des Haushalts der Eltern untergebracht werden muss (so auch Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 Rn. 111).
In der Entscheidung heißt es:
"Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III. Mit dieser sollten, wie sich
aus der Bundestagsdrucksache 13/4941 zu § 71 (Seite 167) ergibt, nach dem Willen des Gesetzgebers aus
arbeitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Gründen im Wesentlichen die Regelungen des geltenden
Anordnungsrechts zur Förderung der beruflichen Mobilität von Auszubildenden in der betrieblichen Berufsausbildung
und zur stärkeren Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatz-angebotes übernommen werden.
Daraus ergibt sich, dass Zweck der Vorschrift sein soll, einen Anreiz zur Aufnahme einer Ausbildung in größerer
Entfernung vom Elternhaus (Förderung der beruflichen Mobilität) bei schlechtem Ausbildungsangebot in der Region
(Ausschöpfung des regional unterschiedlichen Ausbildungsplatzangebots) zu schaffen (so auch Sächsisches LSG,
Beschluss vom 19. April 2006, Az.: L 1 B 142/05 AL ER, juris -Ausdruck Rn. 37, 38).
Wie sich aus der zitierten Bundestagsdrucksache ergibt, wollte der Gesetzgeber das früher geltende Recht (§ 16 Abs.
4 der vom Verwaltungsrat der Beklagten erlassenen "Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen
Ausbildung" A Ausbildung ) "im Wesentlichen" übernehmen. Zu der genannten Vorschrift hatte das
Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 28. November 1985 (Az.: 11 b/7 RAr 103/84 - dokumentiert in juris - weitere
Fundstellen: SozR 4440 § 16 Nr. 4 sowie MDR 1986, 699) entschieden, dass, wenn die Ausbildung in generell
geeigneter Weise überhaupt am Wohnort der Eltern erfolgen kann, der Gesamtfreibetrag nicht erhöht wird, selbst wenn
eine auswärtige Unterbringung des Auszubildenden aus sonstigen Gründen geboten wäre. Die auswärtige
Unterbringung muss aus Gründen erfolgen, die in den Risiko- und Aufgabenbereich der Bundesanstalt für Arbeit (jetzt
Bundesagentur für Arbeit) fallen."
Nach Auffassung des Senats ergibt sich daher aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
SGB III, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: 1. muss die Ausbildung außerhalb des
Tagespendelbereichs des Wohnorts der Eltern oder eines Elternteils notwendig sein, weil innerhalb des
Tagespendelbereiches geeignete Ausbildungsstellen nicht zur Verfügung stehen; 2. muss die Aufnahme der zu
fördernden Ausbildung kausal sein für den Auszug, da sonst der Zweck der Vorschrift, nämlich die Schaffung eines
Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, nicht erfüllt wird.
Da sich der Kläger an die für den Wohnort des Vaters zuständige Arbeitsagentur B mit dem Ansinnen der Vermittlung
eines geeigneten Ausbildungsplatzes offenbar gar nicht gewandt hat, konnte von dort auch nicht in ein wohnortfernes
Ausbildungsverhältnis vermittelt werden. Der Kläger hatte seinen Lebensmittelpunkt in B eingerichtet. Es ist insoweit
durchaus nachvollziehbar, dass er von dort aus auf Ausbildungssuche gegangen ist und eben nicht eine Vermittlung
in Ausbildung am Wohnort des Vaters in Angriff genommen hat. Seit Ende der achtziger Jahre bis zu seinem 21.
Lebensjahr hat sich der Kläger in einer Pflegeeinrichtung aufgehalten und bereits zu diesem Zeitpunkt zu seiner
Mutter keinen und zu seinem Vater nur noch alle vier Wochen an den Wochenenden Kontakt gehabt, wie er in der
mündlichen Verhandlung vorträgt. Selbst wenn der Kläger nach seinem Auszug aus der Pflegeeinrichtung mit Eintritt
des 21. Lebensjahres (1. Mai 2002) zunächst kurzfristig wieder zu seinem Vater nach S gezogen sein sollte, hatte er
seinen Wohnsitz ausweislich der Meldebestätigungen zum 22. November 2002 in der E Sin B, Stadtteil und zum 20.
April 2004 in der P Sin B, Stadtteil F, jeweils bei seinen Schwestern, angemeldet, folglich dort gewohnt. Seither ist er
offensichtlich auch nicht mehr zum Wohnort seines Vaters zurückgekehrt. Denn nach der Wohnsitznahme in B war
der Kläger zwischenzeitlich versicherungspflichtig beschäftigt, nämlich vom 16. Januar 2003 bis 20. Dezember 2003.
Darüber hinaus verbrachte er die Zeit einer Arbeitslosigkeit vom 20. Januar 2004 bis 29. August 2004 offensichtlich in
B.
Dem Vortrag des Klägers, das Gericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob in der Nähe der väterlichen
Wohnung Ausbildungsplätze für den Beruf eines Schornsteinfegers zur Verfügung gestanden haben, kommt keine
entscheidende Bedeutung zu. Denn selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass auch die für den
Wohnsitz des Vaters örtlich zuständige Arbeitsagentur keine bzw. nur in eine wohnortferne Ausbildungsstätte hätte
vermitteln können, fehlt es insoweit an dem Vorliegen der zweiten Voraussetzung für die Berücksichtigung der
genannten Freibeträge. Diese Vermittlung wäre - wie auch das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - nicht
kausal gewesen für die Wohnsitznahme des Klägers außerhalb der väterlichen Wohnung. Auch insoweit hätten nicht
arbeitsmarktbezogene Gründe die auswärtige Unterbringung des Klägers bedingt, sondern allein dessen bereits im
November 2002 vollzogener Umzug in eine eigene Wohnung. Der Zweck des § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III,
nämlich die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um überhaupt eine
Ausbildung zu ermöglichen, konnte gar nicht mehr erreicht werden. Selbst wenn er vor Ausbildungsbeginn noch an
den Wochenenden bei seinem Vater gewohnt haben will, wie der Kläger schriftsätzlich vorträgt, hat er damit keine
dauerhafte Rückkehr zur väterlichen Wohnung angestrebt, wie letztlich die Meldebescheinigungen bestätigen. Der
zum maßgeblichen Zeitpunkt 23 jährige Kläger hatte sich folglich bereits seit geraumer Zeit aus dem Elternhaus bzw.
der Wohnung des Vaters gelöst.
Auch die Berücksichtigung der Argumentation in dem von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug
genommenen Urteil des 10. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2004 (Az.: L 10 AL 55/03), zitiert
nach juris, ändert nichts an dem gefundenen Ergebnis. In dem dort entschiedenen Fall lagen besondere Umstände in
der Person des Klägers vor (Möglichkeit der Gewährleistung des Erfolgs einer beruflichen Bildung nicht ohne
gleichzeitige Stabilisierung der Persönlichkeit). Der 10. Senat des LSG Berlin hatte angenommen, dass es im
Risikobereich der Beklagten liege, dass ein entsprechender Ausbildungsplatz für den Kläger, der diesem gleichzeitig
Stabilisierung gewährleistete, am Wohnort der Eltern des dortigen Klägers nicht vorhanden war. Das LSG Berlin folgte
damit der oben zitierten Rechtsprechung des BSG, eine Divergenz zwischen dem 10. Senat des LSG Berlin und dem
erkennenden Senat in der vorliegenden Sache ist damit bezüglich der o. g. ersten Voraussetzung für die
Berücksichtigung des Freibetrages nicht gegeben. Allerdings folgt der erkennende Senat dem 10. Senat des
Landessozialgerichts Berlin insoweit nicht, als dieser angenommen hat, dass es nicht relevant sei, dass sich der
dortige Kläger schon seit längerer Zeit vor Aufnahme der Ausbildung am Ort der Ausbildungsstelle aufgehalten hat.
Entgegen der dort genannten Auffassung geht es bei § 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III nicht um die Deckung des
durch die auswärtige Unterbringung verursachten erhöhten Bedarfs. Dieser ist, wie oben bereits erläutert, bereits
berücksichtigt worden (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Zweck des § 71 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 SGB III ist die Schaffung eines zusätzlichen Anreizes zum Verlassen des elterlichen Haushalts, um
überhaupt eine Ausbildung zu ermöglichen.
Ein Umzug des seit dem 22. November 2002 in B wohnhaften Klägers nach F aus Gründen der Aufnahme des
Ausbildungsverhältnisses in E war im Übrigen auch nicht notwendig, da ein Pendeln zwischen der Wohnung in Berlin
und der Ausbildungsstätte durchaus zumutbar gewesen wäre. Denn die Ausbildungsstätte in E befindet sich im
Nahbereich (S Bahn Bereich) von B und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.