Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.05.2010
LSG Berlin-Brandenburg: wohnung, angemessenheit der kosten, zusicherung, heizung, umzug, wiederholungsgefahr, erlass, verwaltungsakt, rechtswidrigkeit, verfügung
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 AS 1576/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 131 Abs 1 S 3 SGG, § 22 Abs 1
S 1 SGB 2, § 22 Abs 2 SGB 2
Fortsetzungsfeststellungsklage - Feststellungsinteresse -
Wiederholungsgefahr - angemessene Kosten der Unterkunft und
Heizung - Umzug - Ablehnung der Zusicherung - anderweitige
Vermietung
Leitsatz
Es besteht grundsätzlich kein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit eines
ablehnenden Verwaltungsaktes, wenn ursprünglich die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II
für eine bestimmte Wohnung wegen unangemessen hoher Kosten der Unterkunft und
Heizung abgelehnt wurde und die Wohnung nicht mehr verfügbar ist.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 4.
August 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu
erstatten.
Den Klägern werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren (noch) die Feststellung, dass das beklagte JobCenter die
Zusicherung zur Übernahme der Kosten für eine in der Wstr. 4 in S gelegene Wohnung
zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Klägerin zu 1. ist die Mutter der 2001, 1993 und 1990 geborenen Kläger zu 2. bis 4..
Sie beziehen seit Januar 2005 gemeinsam Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) und bewohnen seit dem 1. April 2006 eine in der fünften Etage
des Hauses K in B gelegene Wohnung mit zentraler Warmwasseraufbereitung für eine
Warmmiete von 731,35 EUR. Für die Übernahme der Kosten dieser Wohnung hatte der
Beklagte eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II erteilt, nachdem die Klägerin zu 1.
ein Attest des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. H L vom 19. Januar 2006 vorgelegt
hatte. Ausweislich dieses Attestes litt die Klägerin zu 1. schon seit Jahren unter einem
chronischen und therapieresistenten Schmerzsyndrom der Wirbelsäule. Die Nutzung
eines Rollators sei dringend erforderlich, jedoch sei die Klägerin zu 1. nicht in der Lage,
den Rollator über mehr als ein Obergeschoss zu tragen. Dies sei jedoch häufig
erforderlich, da der Fahrstuhl regelmäßig defekt sei.
Am 14. April 2008 legte die Klägerin zu 1. beim beklagten JobCenter ein Angebot für eine
in der Wstr. 4 in S gelegene 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 79,38 qm für
eine Bruttowarmmiete von 680,12 EUR (Nettokaltmiete 437,12 EUR – Mietfreistellung in
Höhe von 3,80 EUR, Vorauszahlung Betriebskosten 143,- EUR, Kabel TV 5,30 EUR,
Aufzug 18,50 EUR, Heizkosten 80,00 EUR) vor und beantragte eine Zusicherung nach §
22 Abs. 2 SGB II. Mit Bescheid vom 14. April 2008 lehnte das beklagte JobCenter den
Antrag ab, da ein Umzug nicht erforderlich sei. Die Kläger bewohnten eine 3-Zimmer-
Wohnung mit einer Wohnfläche von 78,61 qm und seien so mit ausreichendem
Wohnraum versorgt. Die Kosten der neuen Wohnung betrügen zudem 680,12 EUR und
lägen über dem Richtwert der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener
Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II vom 7. Juni 2005 (AV-Wohnen) von 619,- EUR.
Hiergegen erhob der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger Widerspruch mit Schreiben
vom 13. Mai 2008, welches am Folgetag beim Beklagten einging. Die Kosten der neuen
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vom 13. Mai 2008, welches am Folgetag beim Beklagten einging. Die Kosten der neuen
Wohnung seien mit 659,23 EUR - entsprechend der tatsächlichen Warmmiete abzüglich
einer Warmwasserpauschale in Höhe von 20,89 EUR - noch angemessen. Gemäß Ziff. 4
Abs. 10 der AV Wohnen seien die Kosten zweckentsprechend genutzter
behindertengerechter Wohnungen in der Regel angemessen. Die Klägerin zu 1. sei
behindert und allein erziehend, so dass im Übrigen auch nach der AV-Wohnen der
Richtwert von 619,- EUR um 10 v. H. überschritten werden könne. Der Umzug sei
erforderlich, da die Klägerin zu 1. auf einen Rollator und damit auf einen barrierefreien
Zugang zur Wohnung angewiesen sei. Der Zugang zur bisherigen Wohnung sei nur über
acht Treppenstufen möglich. Die tägliche Bewältigung dieser Stufen stelle für sie eine
unzumutbare Belastung dar. Die neue Wohnung verfüge hingegen über einen
barrierefreien Zugang, zudem wohne der Bruder der Klägerin im Nachbarhaus und
könne ihr täglich Hilfe leisten. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom
28. August 2008 zurück. Zwar könne nach den vorliegenden Unterlagen einem Umzug
dem Grunde zugestimmt werden, allerdings nur bei Vorlage eines Wohnungsangebotes
zu angemessenen Kosten. Nach der AV-Wohnen gelte als Richtwert eine Brutto-
Warmmiete von 619,- EUR. Dieser Richtwert könne in begründeten Einzelfällen um bis zu
10 v. H. überschritten werden. Dies gelte nur für bestehenden, nicht aber für neu
anzumietenden Wohnraum.
Am 28. Mai 2008 beantragten die Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung
gerichtet auf Zusicherung für die Aufwendungen für “die 79,38 qm große
behindertengerechte (barrierefreie) Unterkunft in der 5. Etage des Hauses Wstr. 4, B in
Höhe von monatlich € 659,23“ (Az.: S 103 AS 17155/08 ER). Nachdem die Wohnung
anderweitig vergeben worden war und der Beklagte die Notwendigkeit eines Umzugs
anerkannt hatte, erklärten die Kläger dieses Verfahren für erledigt.
Am 8. September 2008 beantragten die Kläger beim Sozialgericht erneut den Erlass
einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf die Zusicherung für die Aufwendungen der
Wohnung in der Wstr. 4, hilfsweise auf die Feststellung, dass ein Umzug erforderlich sei.
Die Wohnung stehe nunmehr wieder zur Verfügung. Außerdem legte die Klägerin zu 1.
einen Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. August 2008 vor, wonach ihr ein Grad der
Behinderung (GdB) von 30 aufgrund einer operierten Bandscheibe,
Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule sowie einer
Schilddrüsenfunktionsstörung zuerkannt worden war. Ferner reichte der
Verfahrensbevollmächtigte ein Attest von Dr. med. K K vom 3. April 2008 ein, nach dem
die Klägerin zu 1. seit 2004 dort kontinuierlich in hausärztlicher Betreuung war. Aus
hausärztlicher Sicht sei der geplante Umzug in eine Wohnung, in der der Aufzug
barrierefrei zu erreichen sei, anzuraten. Da die Klägerin zu 1. allein erziehend sei und
aufgrund ihrer Erkrankung häufiger stationär behandelt werden müsse, sollte sich die
Wohnung in der Nähe ihrer Familie befinden. Außerdem reichte die Klägerin zu 1. ein
weiteres Attest von Dipl.-Med. H L ein, wonach sie an degenerativen
Wirbelsäulenveränderungen mit entsprechendem Schmerzsyndrom, einem Prolaps der
Bandscheibe L5/S1 sowie adipositas per magna leide.
Durch Beschluss vom 16. September 2008 (S 107 AS 27302/08 ER) wies das
Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück. Die Kläger
hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner habe
vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass die Wohnung in der Wstr. 4 die im Rahmen
von § 22 SGB II zu berücksichtigenden Angemessenheitskriterien überschreite. Für die
Antragsteller sei eine Warmmiete von maximal 607,75 EUR angemessen im Sinne von §
22 SGB II. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen
von Ziff. 4 Abs. 10 AV Wohnen erfüllt seien. Allein der Umstand, dass die Wohnung mit
einem Rollator zugänglich sei, führe nicht dazu, dass die Wohnung als
behindertengerecht anzusehen sei. Wohnungen, welche mit einem Rollator zugänglich
seien, seien für angemessene Warmmieten in der näheren Umgebung des Wohnorts der
Klägerin erhältlich. Zudem bestünden erhebliche Zweifel daran, dass die Wohnung in der
Wstraße barrierefrei sei. Vielmehr seien am Eingang ebenfalls drei Stufen zu überwinden,
wovon sich das Gericht durch Augenscheinnahme überzeugt habe.
Gegen den am 25. September 2008 zugestellten Beschluss legten die Kläger am 22.
Oktober 2008 Beschwerde ein mit dem Antrag festzustellen, dass sie einen Anspruch
auf eine Zusicherung für eine der Behinderung der Klägerin zu 1. entsprechenden
Unterkunft mit einer maximalen Bruttowarmmiete inklusive der Kosten für Warmwasser
in Höhe von 747,28 EUR hätten. Die Wohnung sei inzwischen anderweitig vermietet. Die
Feststellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei erforderlich, da die
Kläger ihre Wohnung bereits gekündigt hätten und nur noch geduldet würden. Die
Feststellung der höchstens zulässigen Miete verhindere Streit in der Zukunft und
beschleunige die weitere Wohnungssuche erheblich.
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Durch Beschluss vom 16. Januar 2009 (L 5 B 2097/08 AS ER) wies das
Landessozialgericht die Beschwerde zurück. Das auf die Zusicherung gerichtete
Begehren habe sich erledigt, da die ursprünglich begehrte Wohnung nicht mehr
verfügbar sei. Der nunmehr gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, da er im
Ergebnis auf ein Rechtsgutachten zur Höhe der maximal als angemessen anzusehenden
Kosten der Unterkunft und Heizung hinausliefe. Dazu seien die Gerichte nicht berufen.
Zudem würden die Kläger verkennen, dass die Angemessenheit der Kosten der
Unterkunft und Heizung stets einzelfallbezogen zu beurteilen seien.
Die Kläger hatten bereits am 5. September 2008 Klage erhoben. Nachdem die begehrte
Wohnung anderweitig vergeben war, hat das Sozialgericht angekündigt, durch
Gerichtsbescheid zu entscheiden. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei für eine etwaige
Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zu erkennen. Die Kläger beantragten daraufhin, die
Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Durch Beschluss vom 15. Juli
2009 hat das Landessozialgericht das Gesuch der Kläger abgelehnt. Hinweise, wie sie die
Richterin im vorliegenden Verfahren erteilt habe, sprächen nicht gegen deren
Unvoreingenommenheit und Objektivität. Solche Hinweise lägen vielmehr im
wohlverstandenen Interesse der Beteiligten, da sie Gelegenheit erhielten, ihre eigene
Argumentation an die eventuell abweichende Auffassung des Richters anzupassen und
dabei zusätzliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte stärker hervorzuheben.
Durch Gerichtsbescheid vom 4. August 2009 hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen. Die Kläger hätten zwar keinen bestimmten Klageantrag gestellt, ihrem
Vorbringen lasse sich jedoch entnehmen, dass sie sich gegen den Bescheid vom 14.
April 2008 wendeten, mit welchem der Beklagte eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB
II abgelehnt habe. Das ursprünglich verfolgte Begehren einer Zusicherung habe sich
erledigt, da die Wohnung nicht mehr verfügbar sei. Entgegen ihrer Ankündigung hätten
die Kläger auch keinen neuen Antrag gestellt, sondern lediglich eine
Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG angekündigt. Die bloße
Ankündigung sei jedoch noch kein Antrag. Selbst wenn sie einen bestimmten Antrag
gestellt hätten, wären aber sowohl eine Feststellungsklage wie auch eine
Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Die besonderen Voraussetzungen, unter
denen eine so genannte Elementenfeststellungsklage ausnahmsweise zulässig sei,
lägen nicht vor. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehle es an dem besonderen
Feststellungsinteresse nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Insbesondere bestehe keine
Wiederholungsgefahr, da die Wohnung zwischenzeitig nicht mehr zur Verfügung stehe.
Allein die Behauptung, dass der Beklagte in Zukunft auch andere Angebote ablehnen
werde, deren Bruttowarmmiete über 619,- EUR liege, begründe ebenfalls kein
Feststellungsinteresse.
Gegen den ihnen am 16. August 2009 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger
am 15. September 2009 Berufung eingelegt. Das Verfahren vor dem Sozialgericht leide
an schweren Verfahrensfehlern. Die Kläger hätten auf das Anhörungsschreiben zum
Gerichtsbescheid mitgeteilt, dass sie den Sachverhalt nicht für geklärt hielten.
Außerdem hätten sie angekündigt, eventuell noch einen
Fortsetzungsfeststellungsantrag stellen und weiter vortragen zu wollen. Gleichwohl habe
das Sozialgericht nur zwei Wochen nach dem Beschluss vom 15. Juli 2009 durch
Gerichtsbescheid entschieden. Die Kläger hätten ein berechtigtes Interesse an der
Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Beklagten. Für die weitere
Wohnungssuche sei die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 14. April
2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 bedeutsam. Die
Feststellung, dass in ihrem Fall grundsätzlich eine Wohnung auch mit Kosten oberhalb
der Richtwerte der AV-Wohnen als angemessen anzusehen sei, diene der
Beschleunigung der zukünftigen Bearbeitung ihrer Anträge auf Zusicherung. Die Kosten
der neuen Wohnung lägen nach Abzug der Warmwasserpauschale nur 39,95 EUR
monatlich über den Richtwerten. Gemäß Ziff. 3.2.4. Abs. 3 der AV-Wohnen sei
insbesondere bei Rollstuhlbenutzern die Angemessenheit individuell zu prüfen. Die
Klägerin zu 1. sei behindert und daher auf eine barrierefreie Wohnung angewiesen.
Zusätzlich müsse die Wohnung aufgrund der Verhältnisse des vorliegenden Einzelfalls in
der Nähe der Wohnungen der Geschwister liegen, was die Wohnungssuche weiter
erschwere. Die Kläger hätten nach wie vor keine barrierefreie Wohnung gefunden.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Berlin vom 4. August
2009 gemäß § 131 Abs. 1 S. 3 SGG festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom
14. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 rechtswidrig
war.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Verwaltungsvorgang des Beklagten (2 Bde, Bl. 248 und Bl. 277) sowie die
Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin zu den Verfahren S 107 AS 27302/08 ER/L5B
2097/08 AS ER und S 103 AS 17155708 ER haben vorgelegen und sind Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen sowie
den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zwar nach § 143 SGG zulässig und innerhalb der Frist des § 151 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das
Sozialgericht hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 4. August
2009 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Die Kläger hatten ursprünglich eine Vornahmeklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG erhoben.
Diese war auf Aufhebung der ablehnenden Bescheide und die Erteilung einer
Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die
Wohnung in der Wstr. 4 in S gerichtet. Nachdem diese Wohnung anderweitig vergeben
worden war, haben die Kläger ihre Klage auf die Feststellung gerichtet, dass der die
Erteilung der Zusicherung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 14. April 2008
rechtswidrig sei. Nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil
aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich dieser vorher erledigt und der
Kläger ein berechtigtes Interesse hieran hat. Die Umstellung auf eine
Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht nur bei einer Anfechtungsklage, sondern auch
bei einer Verpflichtungs- bzw. Vornahmeklage zulässig (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig /
Keller / Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 131 Rn. 7 c). Der Bescheid vom 14.
April 2008 hat sich erledigt, indem der Vermieter die Wohnung anderweitig vergeben hat.
Denn eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II und dementsprechend auch deren
Ablehnung bezieht sich regelmäßig auf ein bestimmtes Wohnungsangebot. Auch im
vorliegenden Fall bezog sich der ablehnende Verwaltungsakt auf die Wohnung in der W. 4
in S. Mit der Vergabe der Wohnung an Dritte ist der ablehnende Verwaltungsakt
gegenstandslos geworden. Nach Angaben der Kläger geschah dies auch erst nach der
Klageerhebung. Vor dem erledigenden Ereignis war die Vornahmeklage nach § 54 Abs. 1
SGG zulässig, insbesondere ist das Widerspruchsverfahren durchgeführt und die Klage
innerhalb der Frist von § 87 SGG erhoben worden.
Es fehlt den Klägern jedoch an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, um das
Verfahren als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen. Dieses ist für folgende
Konstellationen anerkannt:
- Wiederholungsgefahr,
- Präjudizialität für andere Rechtsverhältnisse, etwa für weitere Leistungen bzw.
Genehmigungen, vor allem aber zur Durchsetzung von Folgeansprüchen, insbesondere
Schadensersatzansprüche, und bei
- Rehabilitationsinteresse, insbesondere bei schweren Verstößen gegen die
Menschenwürde oder schwerer Verletzung von Persönlichkeitsrechten (vgl. zum
Vorstehenden: Keller in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Aufl.
2008, § 131 Rn. 10 a).
Es ist nicht zu ersehen, dass ein Feststellungsinteresse wegen Präjudizialität oder ein
Rehabilitationsinteresse gegeben ist. Allenfalls käme ein Feststellungsinteresse wegen
Wiederholungsgefahr in Betracht, indes liegt auch dieses nicht vor.
Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten
Verwaltungsaktes im Sinne von § 131 Abs. 1 S. 3 SGG unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr voraus, dass
unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein
gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 16.
Mai 2007 – B 7b 40/06 R, juris). Ob eine Wiederholungsgefahr im Falle der Zusicherung
nach § 22 Abs. 2 SGB II bejaht werden kann, wenn die Zusicherung (allein) unter Verweis
auf die fehlende Notwendigkeit eines Umzug abgelehnt wird, kann dahinstehen (dies in
einem Ausnahmefall bejahend: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.
Dezember 2006 – L 5 B 1147/06 AS ER, ablehnend: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 25. Juni 2008 – L 5 B 1156/08 AS ER). Denn der Beklagte hat in dem
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vom 25. Juni 2008 – L 5 B 1156/08 AS ER). Denn der Beklagte hat in dem
Widerspruchsbescheid ausdrücklich anerkannt, dass er einen Umzug für erforderlich hält
und die Erteilung der Zustimmung ausschließlich wegen unangemessen hoher Kosten
der Unterkunft und Heizung der neuen Wohnung ablehne.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist damit allein darauf gerichtet festzustellen, welche
Kosten der Unterkunft und Heizung im Falle der Kläger abstrakt als angemessen im
Sinne von § 22 SGB II anzusehen sind. Abstrakt deshalb, weil an einer Feststellung, ob
die konkreten Kosten der Wohnung in der Wstr. 4 in S angemessen sind, kein Interesse
mehr bestehen kann, da diese Wohnung nicht mehr zur Verfügung steht. Die
Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung sind jedoch stets im konkreten
Einzelfall zu beurteilen (vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 7. November 2007 – B 7b 18/06
R, juris). Bereits aufgrund der notwendig auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung der
Angemessenheit kommt eine allgemeine Feststellung der als angemessen geltenden
Kosten der Unterkunft und Heizung nicht in Betracht. Der nunmehr geänderte Antrag
läuft im Ergebnis auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens zur Höhe der maximal als
angemessen anzusehenden Kosten der Unterkunft und Heizung der Kläger hinaus;
hierzu sind die Gerichte allerdings nicht berufen (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg,
Beschl. v. 16. Januar 2009 – L 5 B 2097/08 AS ER). Im vorliegenden Fall macht die
Klägerin außerdem geltend, das sie auf einen Rollator und damit auf eine barrierefreie
und speziell geschnittene Wohnung angewiesen sei. Die Wohnung müsse sich zudem in
der Nähe ihrer Geschwister befinden. Schon aufgrund dieser Anforderungen lässt sich
die Geeignetheit der Wohnung und damit auch der Angemessenheit deren Kosten nur
im Einzelfall beurteilen. Hinsichtlich der Eignung der Wohnung in der Wstr. 4 bestanden
zudem erhebliche Zweifel, da nach den Feststellungen des Sozialgerichts und des
beklagten JobCenters die Wohnung keinesfalls barrierefrei, sondern nur über mehrere
Stufen zu erreichen war. Schon wegen dieser Besonderheiten der Wohnung dürfte eine
Wiederholungsgefahr nicht bestehen. Ergänzend sei angemerkt, dass Klägerin zu 1.
bereits im Jahr 2006 unter Verweis auf ihre Behinderung eine barrierefreie Wohnung
gesucht und damals die Wohnung in der Kstr. gefunden hatte, für welche das beklagte
JobCenter eine Zusicherung nach § 22 SGB II erteilt hatte.
Es ist auch nicht zu ersehen, das das Sozialgericht Verfahrensfehler begangen hätte.
Vielmehr hat es ordnungsgemäß vor Erlass des Gerichtsbescheids mit Schreiben vom
12. Mai 2009 die Kläger angehört, auf die wesentlichen rechtlichen Aspekte des Falls
hingewiesen und zur Stellungnahme eine Frist von einem Monat gesetzt. Dieses
Schreiben ist dem Verfahrensbevollmächtigen am 18. Mai 2009 durch
Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Auf sein Schreiben vom 17. Juni 2009, in
welchem er weiteren Vortrag angekündigt hat, hat das Sozialgericht ihm am 19. Juni
2009 per Fax eine neue Frist bis zum 23. Juni 2009 gesetzt und schließlich erst am 4.
August 2009 durch Gerichtsbescheid entschieden. Irgendwelche Verfahrensfehler sind so
nicht zu erkennen, zumal auch der Verfahrensbevollmächtigte bis heute nicht
vorgetragen hat, was dem Erlass eines Gerichtsbescheids jedenfalls nach Erledigung des
ursprünglich gestellten Klageantrags entgegengestanden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der
Hauptsache.
Durch die missbräuchliche Fortführung des Rechtsstreits und die notwendig gewordene
Entscheidung des Senats sind dem Gericht und damit der Staatskasse vermeidbare
Kosten, etwa in Form allgemeiner Gerichtshaltungskosten und Personalkosten,
ursächlich entstanden. Angesichts der Hilfebedürftigkeit der Kläger erscheint es dem
Senat ausreichend und angemessen, Verschuldenskosten lediglich in Höhe des
Mindestbetrags von 225,- EUR zu verhängen.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG
genannten Gründe vorliegt.
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