Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.07.2001
LSG Berlin-Brandenburg: nationale sicherheit, besoldung, ddr, vergleich, rente, qualifikation, staatssicherheit, zugehörigkeit, gehalt, bestandteil
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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 1 R 1467/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7 Abs 1 S 1 AAÜG vom
27.07.2001, Anl 2 Nr 4 AAÜG,
Anl 6 AAÜG, Art 1 Nr 3
AAÜGÄndG 2, Art 3 GG
(Sonderversorgungssystem des ehemaligen MfS/AfNS -
Begrenzung der Entgelte nach § 7 AAÜG -
Verfassungsmäßigkeit)
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 1927 geborene Klägerin gehörte vom 1. Februar 1965 bis zum 28. Februar 1987
dem Sonderversorgungssystem Nr. 4 nach der Anlage 2 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG - an (Sonderversorgung der Angehörigen des
ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit, eingeführt
mit Wirkung vom 1. Januar 1953). Danach bezog sie eine Rente aus diesem
Sonderversorgungssystem.
Mit Überführungsbescheid vom 8. Juni 1993 stellte das Bundesverwaltungsamt als
Sonderversorgungsträger die Zeit vom 1. Februar 1965 bis zum 28. Februar 1987 als
solche der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr. 4 fest und begrenzte die
Entgelte nach der damaligen Fassung des § 7 AAÜG auf 70 v. H. des
Durchschnittsentgelts der Versicherten des Beitrittsgebiets. Den Widerspruch der
Klägerin hiergegen wies es mit Widerspruchsbescheid vom 13. August 1993 zurück.
Hiergegen hat sich die am 23. August 1993 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage
gerichtet, mit der eine Berücksichtigung der Entgelte bis zur allgemeinen
Beitragsbemessungsgrenze begehrt wurde. Die entgegenstehende Regelung des
damaligen § 7 AAÜG widerspräche dem Einigungsvertrag und dem Grundgesetz.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. April 1994 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1
Satz 1 AAÜG in der damals geltenden Fassung unter Bezugnahme auf die Begrenzung
der Anlage 6 zum AAÜG abgewiesen: Diese Vorschriften begegneten keinen
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Juni 1994 zugestellte
Urteil hat sich die Berufung vom 1. Juli 1994 gerichtet. Die Vermutung des Gesetzgebers
in Bezug auf eine Besserstellung der Angehörigen des Sonderversorgungssystems Nr. 4
gegenüber anderen Arbeitnehmern der DDR träfe nicht zu, so dass die entsprechende
Regelung, die davon entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehe, mit dem
Grundgesetz nicht vereinbar sei.
Auf einen entsprechenden Antrag der Beteiligten hin hat der Senat mit Beschluss vom
25. Oktober 1994 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 (1 BvL
11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97) hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 1.
Oktober 1999 den Ausgangsbescheid dahingehend abgeändert, dass die Zugehörigkeit
zum Sonderversorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für
Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/ANS) nunmehr bis zur Höhe des
jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet berücksichtigt wird.
Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt, das Verfahren
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Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt, das Verfahren
weiter ruhen zu lassen, bis feststehe, ob der Gesetzgeber nach der ihm vom BVerfG
aufgetragenen Änderung des AAÜG von der Möglichkeit einer günstigeren Regelung des
§ 7 AAÜG Gebrauch mache.
Nachdem sich die Beklagte dem angeschlossen hat, hat der Senat mit Beschluss vom
24. Januar 2000 das weitere Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Am 31. Oktober 2001 hat die Klägerin das Verfahren mit dem Begehren wieder
aufgenommen, nunmehr 80 v. H. des tatsächlich erzielten Jahresbruttoeinkommens, bis
höchstens 150 v. H. des jeweiligen Durchschnittseinkommens im Beitrittsgebiet zu
berücksichtigen und eine Rente zu zahlen, die einer Rentenleistung aus bis zu 128 v. H.
des im gleichen Zeitraum im Beitrittsgebiet erzielten Durchschnittseinkommens
entspreche.
Die Klägerin sei im Bereich des Ministeriums für Staatssicherheit - MfS - als
Chemieingenieurin im operativ-technischen Sektor tätig gewesen und dabei zur
leitenden Spezialistin aufgestiegen. Bei Aufnahme ihrer Tätigkeit habe ihr Einkommen
156 v. H. des Durchschnittseinkommens erreicht und sich dann bis auf 215 v. H. erhöht.
Dies entspräche einer Lebensarbeitsleistung, die auch ohne Tätigkeit im Bereich des MfS
erzielt worden wäre. Zum Beweis dessen wurde auf ein Gutachten des Prof. Dr. M K und
des Dr. E N Bezug genommen, aus dem sich ergäbe, dass das Einkommensniveau im
MfS lediglich durchschnittlich um 24 v. H. über dem durchschnittlichen
Einkommensniveau in der gesamten Volkswirtschaft der DDR gelegen habe.
Parallel zu dem Verfahren gegen den Sonderversorgungsträger hat sich die Klägerin
auch gegen die Rentenbescheide der Beklagten vom 31. Oktober 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2004 und vom 17. Januar 2007 gewandt, mit
denen die Rente unter Beachtung der besonderen Beitragsbemessungsgrenze
festgesetzt wurde. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage hiergegen mit Gerichtsbescheid
vom 8. September 2003 - S 27 RA 2303/03 - abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hiergegen vom 22. September 2003 - L 16 RA 115/03 - hat der Senat mit Beschluss vom
3. März 2004 mit dem hier anhängigen Verfahren verbunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2006 hat der Senat erneut das Ruhen des
Verfahrens angeordnet, nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin dargelegt
haben, es werde an einem neuen Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte zum
Einkommensniveau des MfS gearbeitet. In diesem Termin hat die Klägerin die Klage
gegen den Sonderversorgungsträger zurückgenommen, der somit aus dem Verfahren
ausgeschieden ist.
Am 21. Juli 2008 hat die Klägerin das Verfahren wieder aufgenommen und dargelegt, aus
dem eingereichten Gutachten des Prof. Dr. W und des Dr. Horst M von Juni 2008 ergäbe
sich, dass der Gesetzgeber und das BVerfG bei der Begrenzung der Entgelte der
Angehörigen des MfS auf das Durchschnittseinkommen der Versicherten im
Beitrittsgebiet von unrichtigen Tatsachen ausgegangen seien. Tatsächlich seien die
Entgelte, wie sich aus dem Gutachten ergebe, nicht überhöht gewesen, sondern hätten
der Qualifikation der Mitarbeiter in diesem Bereich entsprochen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 8. September 2003 zu
ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. Januar 2002 zu
verpflichten, für die Feststellung der Rente der Klägerin für Versicherungszeiten vom 1.
Februar 1965 bis zum 28. Februar 1987 die vom Versorgungsträger ausgewiesenen
Jahresbruttoarbeitsentgelte nach Vervielfältigung mit den Werten der Anlage 10 zum
SGB VI bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze aus § 216 SGB VI zugrunde zu
legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das 2. AAÜG-ÄndG entspreche den Maßgaben der
Rechtsprechung des BVerfG.
Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 5. Januar 2009 Dr. J G vom Zentrum für
Zeithistorische Forschung Potsdam, Abteilung I, Kommunismus und Gesellschaft, zum
Sachverständigen darüber ernannt, wie die Gehaltsstruktur beim MfS im Verhältnis zu
anderen Beschäftigten gewesen sei, insbesondere ob diese überhöht gewesen sei.
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In dem am 11. März 2009 erstatteten Gutachten gelangt der Sachverständige zu der
Auffassung, bereits die gesetzlichen Bestimmungen zur Besoldung ließen eine
Besserstellung des MfS gegenüber den anderen bewaffneten Organen der DDR
erkennen. Darüber hinaus habe insgesamt eine Besserstellung der bewaffneten Organe
gegenüber dem zivilen Sektor bestanden, wobei das MfS eine signifikante Sonderrolle
gehabt habe. Aus den objektiv vorhandenen Spielräumen zur Ausgestaltung sowie aus
den dokumentierten Intentionen der MfS - Führung ergäben sich deutliche Hinweise auf
eine Strategie der Selbstprivilegierung. Das Entlohnungssystem sei formal starr
gewesen, habe aber durch die geheime und nicht kontrollierte Zuordnung konkreter
Tätigkeiten erhebliche Spielräume eröffnet. Die in den frühen Jahren besonders
ausgeprägte Privilegierung des MfS unterstreiche den Charakter dieser Privilegierung als
systembedingt politisch gewollt. Dieser Vorsprung habe sich bis 1970 zwar gemindert,
sei dann aber unter den Bedingungen einer insgesamt erheblichen Steigerung des
Einkommensniveaus relativ konstant erhalten geblieben.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen, insbesondere des Inhalts des eingereichten
Privatgutachten und des Sachverständigengutachtens des Dr. G, wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand ist die Frage, ob die in § 7 AAÜG i. d. F. des 2. AAÜG-ÄndG
angeordnete Begrenzung der Entgelte, die für Angehörige des
Sonderversorgungssystems MfS der Rentenzahlung zugrunde zu legen sind, auf das
Durchschnittseinkommen aller Arbeitnehmer des Beitrittsgebietes verfassungsgemäß
ist. Wäre der Senat davon überzeugt, dass dies nicht der Fall ist, hätte er das Verfahren
gemäß Art. 100 des Grundgesetzes - GG - auszusetzen und die Frage dem BVerfG zur
erneuten Entscheidung vorzulegen. Das 2. AAÜG-ÄndG Gesetz ordnet in Ausführung des
Urteils des BVerfG vom 22. Juni 2004 an, dass die Beitragsbemessungsgrenze dem
Durchschnittsentgelt aller Beschäftigten des Beitrittsgebiets entspricht. Das BVerfG hat
in dem Nichtannahmebeschluss vom 22. Juni 2004 - 1 BvR 1070/02 - Orientierungssatz 2
a festgestellt, eine erneute Überprüfung eines bereits in einem früheren Verfahren zur
verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Sachverhalts sei zulässig, sofern neue
rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragenden Feststellungen des BVerfG vorliegen,
die eine andere Entscheidung rechtfertigen können (Hinweis auf BVerfGE 33, 199, 204).
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind
und § 7 AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG verfassungswidrig ist. Dies könnte dann
der Fall sein, wenn das BverfG und in der Folge der Gesetzgeber von unrichtigen
Voraussetzungen ausgegangen wären. Dies ist zu Überzeugung des Senats aber nicht
der Fall, so dass eine Vorlage gemäß Art. 100 GG nicht erfolgen kann und die Berufung
zurückzuweisen war.
Dr. G hat ausführt, das Privatgutachten von Dr. M und Prof. Dr. W sei nicht dazu
geeignet, die Frage nach der Selbstprivilegierung des MfS zu beantworten. Die
Annahmen in diesem Privatgutachten beruhten im Wesentlichen auf einem
quantifizierenden Vergleich wie der Zusammenstellung der rechtlichen Regelungen zur
Besoldung in den verschiedenen bewaffneten Organen der DDR. Zutreffend werde
festgestellt, dass gleiche Dienstrange bzw. sonstige Qualifikationsgruppen des MfS im
Wesentlichen vergleichbare Gehälter mit Angehörigen in anderen bewaffneten Organen
der DDR, insbesondere der NVA, erhielten, diese insgesamt allerdings bereits höhere
Entgelte gegenüber gleich qualifizierten Mitarbeitern des zivilen Sektors. Unbeantwortet
jedoch bleibe die Frage nach der Struktur der Dienstgrade innerhalb des MfS, mithin
also, ob die Dienstgrade, die dort verliehen worden und die Grundlage der Besoldung
gewesen seien, im Wesentlichen auf der Qualifikation der Mitarbeiter beruhten oder
gegenüber den anderen bewaffneten Organen und gegenüber gleich qualifizierten
Beschäftigten im zivilen Sektor überhöht waren, was bereits eine Selbstprivilegierung
bedeutete. Tatsächlich sei eine deutliche Privilegierung des MfS gegenüber dem zivilen
Sektor der DDR zu konstatieren, die auf dessen hohen Stellenwert im Ordnungsdenken
der Partei und Staatsführung beruht habe. Dies entspräche der elementaren Bedeutung
der bewaffneten Organe für die Aufrechterhaltung der nicht auf demokratischer
Legitimation beruhenden Gesellschaftsordnung der DDR. Darüber hinaus sei eine
weitere Abweichung der Besoldung der Angehörigen des MfS von denen der anderen
bewaffneten Organe nach oben hin festzustellen. Diese Privilegierung stehe
insbesondere im Kontrast zu dem deutlich höheren Qualifikationsniveau der
Angehörigen der NVA, die bei der parallelen Besoldungssystematik eigentlich zu
höheren Einkommen in der NVA hätte führen müssen. Dies habe auf zwei Ursachen
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höheren Einkommen in der NVA hätte führen müssen. Dies habe auf zwei Ursachen
beruht. Zum einen habe das MfS auch unter den bewaffneten Organen ein
herausgehobenes Ansehen in den Augen der Partei- und Staatsführung genossen, zum
anderen habe die weitgehende Abschottung des Innenlebens des MfS gegenüber
externen Kontrollmechanismen eine derartige Verzerrung ermöglicht. Der
entscheidende Mechanismus zur Privilegierung der MfS-Mitarbeiter unter formal
ähnlichen Besoldungsbedingungen wie in der NVA habe darin bestanden, erheblich
niedriger qualifizierte Mitarbeiter mit im Vergleich höheren Dienstgraden, insbesondere
in den unteren Offiziersdienstgraden (Unterleutnant bis Hauptmann) und mit höheren
Dienststellungen auszustatten. Darüber hinaus hätten markante Bevorzugungen des
MfS im Bereich der Dienstalterszulagen bestanden. Der Sachverständige legt dar, das
Privatgutachten habe beim Vergleich zwischen Beschäftigten des MfS und denjenigen
des Ministeriums des Inneren- MdI - im Falle des MdI lediglich die Mitarbeiter des
Zentralen Ministeriums, nicht aber diejenigen der Volkspolizei insgesamt berücksichtigt.
Da jedoch der Stellenkegel und mithin das Besoldungsniveau im Ministerium selbst
deutlich höher sei als in den nachgeordneten Einrichtungen, seien die Differenzen
zwischen MfS und MdI im Privatgutachten praktisch nicht aussagefähig, und es sei mithin
unerheblich, dass das Einkommensniveau des gesamten MfS ähnlich dem der
Mitarbeiter im Zentralen Bereich des MdI gewesen sei.
Der Sachverständige Dr. G legte weiter dar, dass im Privatgutachten die Auffassung
vertreten werde, das Einkommen im Bereich des MfS sei 1988 ca. 59 v. H. höher
gewesen als im zivilen Sektor. Nach der internen Statistik des MfS hingegen, die aber
nicht mehr zu überprüfen sei, betrage diese Differenz sogar 67 v. H. bis 79 v. H.. Auch
sei der Einkommensunterschied nach der internen MfS- Statistik so gewesen, dass
dieser um ca. 244 Mark pro Monat höher als im Privatgutachten angenommen gewesen
sei. Dr. G weist darauf hin, dass ein Abbau der Selbstprivilegierung nach diesen Tabellen
nur bis 1970 stattgefunden habe und die Selbstprivilegierung dann bis 1988 relativ stabil
geblieben sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass das MfS im Untersuchungszeitraum bis
1983 etwa alle zehn Jahre seine Personalstärke verdoppelt habe, wodurch der Anteil
dienstjunger Mitarbeiter überproportional angestiegen sei, was wiederum das
Durchschnittseinkommen gesenkt habe. Insofern sei auch der Vergleich zur NVA nur
teilweise schlüssig, da diese über eine insgesamt stabile Personalausstattung verfügt
habe (1963: 174.000 Mann, 1987: 156.000 Mann). Dennoch habe auch in diesem
Zeitraum ein deutlich höheres Durchschnittseinkommen im Bereich des MfS bestanden.
Entscheidend sei letztlich, dass im MfS in großem Umfang Dienstgrade verliehen worden
seien, die zu vergleichbaren Qualifikationen im zivilen Sektor, aber auch zur NVA
überhöht gewesen seien, was zu einer deutlich überhöhten Besoldung, mithin also zu
einer Privilegierung geführt hätte. Die Aussage in dem Privatgutachten, dass die
einzelnen Dienstgrade gleich besoldet worden seien, sei daher nicht valide. Bei der NVA
sei für Offiziere ein Hochschulabschluss regelmäßig notwendig gewesen, während im MfS
auch Fachschulabsolventen und sogar länger gedienten Mitarbeitern ohne
Fachschulabschluss Offiziersdienstgrade in breitem Maße offen gestanden hätten.
Entsprechend sei bei der NVA für den Offiziersnachwuchs das Abitur regelmäßig
Voraussetzung für diese Laufbahn gewesen, während beim MfS der Abschluss der 10.
Klasse der polytechnischen Oberschule - der rechtlich in beiden Bereichen als Ausnahme
zugelassen gewesen sei - faktisch die Regel gewesen sei. Daraus ergebe sich bei
gleichem Qualifikationsniveau der Mitarbeiter im Dienstgradgefüge eine deutliche
Einkommensabweichung der MfS-Mitarbeiter nach oben.
Neben den Dienstgraden seien auch die Dienststellungen für das Besoldungsniveau
bedeutend gewesen. Auch zur Erlangung höherer Dienststellungen seien in der NVA
grundsätzlich höhere Qualifikationen erforderlich gewesen. Beim MfS seien
Hochschulabschlüsse regelmäßig erst für Dienststellungen ab stellvertretendem
Referatsleiter (Major) verlangt worden, während bei der NVA praktisch alle Offiziere über
Abitur und Hochschulabschluss verfügt hätten. Dies habe dazu geführt, dass bei
gleichem Qualifikationsniveau die Eingruppierungen in Dienststellen im MfS erheblich
höher als in der NVA vorgenommen worden seien.
Schließlich sei Bestandteil der Einkommen die Dienstaltersvergütung gewesen. Diese sei
im Bereich des MfS gegenüber dem MdI und der NVA durchgängig um 5 v. H. höher -
bezogen auf das sich aus Dienstgrad und Dienststellung ergebende Gehalt - in den
jeweiligen Dienstaltersstufen gewesen.
Weitere Besoldungsanteile seien Zuschläge und Zulagen gewesen. 40 v. H. der
Mitarbeiter des MfS, aber nur 30 v. H. der NVA-Angehörigen hätten solche zusätzlichen
Einkommensbestandteile erhalten. Einige Zulagen, etwa die für Mitarbeiter, die
informelle Mitarbeiter - IM - des MfS anleiteten, habe es in der NVA und im MdI nicht
geben können. Allein in den Genuss dieser Zulage seien über 12.000 Mitarbeiter, vor
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geben können. Allein in den Genuss dieser Zulage seien über 12.000 Mitarbeiter, vor
allem operative Mitarbeiter und Leistungskader, gekommen.
Daraus ergebe sich ein Gesamtbefund dahingehend, dass die Mitarbeiter des MfS durch
die höheren Dienstgrade und Dienststellungsvergütungen bei vergleichbarem
Qualifikationsniveau, durch eine um 5 v. H. höhere Dienstalterszulage und durch die um
ein Drittel häufigere Vergabe von Zuschlägen und Zulagen privilegiert worden seien.
Diese Einkommensdisparitäten seien, da das Qualifikationsniveau im MfS, wie dargelegt,
deutlich niedriger als in der NVA gelegen hätte, lediglich mit politischen
Grundsatzentscheidungen über die besondere Bedeutung des MfS zu erklären. Die
höhere Offiziersquote des MfS (1988 habe das MfS aus 63,2 v. H. Offizieren und die NVA
lediglich aus 29,4 v. H. Offizieren bestanden) habe mithin keine Grundlage in der
Qualifikation der Mitarbeiter oder der Qualität der Arbeit gehabt. Im MfS seien gegenüber
der Qualifikation überhöhte Dienstgrade und Dienststellen vergeben worden, was zu
einer überhöhten Besoldung, mithin zu einer Privilegierung geführt habe.
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und durch umfangreiches Zahlenmaterial
gestützten Darlegungen des Sachverständigen an und gibt ihnen den Vorzug gegenüber
dem Parteivorbringen der Klägerin, auch wenn dieses auf ein Privatgutachten gestützt
ist, zumal dieses Privatgutachten, wie der Sachverständige wiederum überzeugend
dargelegt hat, teilweise auf unbrauchbaren Annahmen beruht. Auch die später
eingereichte „kommentierte Fassung“ des Privatgutachtens vom Juli 2009 und die
Darlegungen des Bevollmächtigten der Klägerin hierzu vermögen daran nichts zu
ändern. Die wesentlichen Kernaussagen des Sachverständigen Dr. G werden dadurch
nicht berührt. Diese sind dahingehend zusammenzufassen, dass im Bereich des MfS bei
im wesentlichen gleichen Vorschriften über Besoldung, Beförderung und Zulagen, die
Selbstprivilegierung darin bestanden habe, dass dort, anders als schon in der NVA von
Ausnahmeregelungen zugunsten der Mitarbeiter in einem Umfang Gebrauch gemacht
worden sei, dass die Ausnahmen tatsächlich zur Regel geworden seien, während dies
außerhalb des MfS nicht der Fall gewesen sei. Dort seien die Regelungen, so wie es
ihrem Wortlaut entspreche, tatsächlich als Ausnahmeregelungen angewandt worden.
Dies habe zu einer deutlichen Erhöhung der Bezüge gegenüber vergleichbar
qualifizierten Beschäftigten außerhalb des MfS führen müssen. Gegenüber diesen
Feststellungen kann die Darlegung im wesentlich gleicher Regelungen im Bereich des
MfS durch die Bevollmächtigten der Klägerin keinen Erfolg haben.
Daher sind als Ergebnis der Beweisaufnahme die Annahmen des BVerfG und des
Gesetzgebers zur Überzeugung des Senats nicht widerlegt, sondern bestätigt. Daher ist
auch die Differenzierung der zugrunde zu legenden Entgelte nach § 7 AAÜG in der
Fassung des 2. AAÜG-ÄndG mit Art. 3 GG vereinbar: Es werden nicht, wie die Klägerin
annimmt, gleiche Gruppen ungleich behandelt, sondern es werden ungleiche Gruppen
ungleich behandelt. Dies ist nach dem Grundgesetz nicht nur gestattet, sondern sogar
geboten.
Die Berufung war mithin mit der Kostenentscheidung aus § 193 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) zurückzuweisen.
Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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