Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 21.01.2008

LSG Berlin-Brandenburg: abstufung der beiträge, versteigerer, schutz der gläubiger, kreditinstitut, versteigerung, veranlagung, börse, unternehmensgruppe, geschäftstätigkeit, vermittler

1
2
3
4
5
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 3 U 247/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 159 Abs 1 SGB 7, § 157 Abs 2
SGB 7
Gesetzliche Unfallversicherung: Zuordnung eines Unternehmens
zu einer Gefahrentarifstelle; Sachdienlichkeit der Zuordnung von
Pfandleihhäusern zum Bereich der makelnden und
vermittelnden Unternehmen
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar
2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 15.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Veranlagung der Klägerin zu dem ab dem 01. Januar 2007 geltenden
Gefahrtarif der Beklagten.
Die Klägerin, die aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 16. Januar 1995
Mitglied der Beklagten ist (§ 664 Reichsversicherungsordnung – RVO –), betreibt in Nn
ein Pfandleihhaus. Sie gewährt ihren Kunden bar ausgezahlte Kredite gegen einen als
Sicherheit zu hinterlegenden Gegenstand als Pfand. Wird das Darlehen nebst Zinsen
nicht binnen der Laufzeit zurückgezahlt, wird das Pfand einer Verwertung in Form einer
öffentlichen Versteigerung zugeführt, die von einem von der Klägerin verschiedenen
Versteigerer vorgenommen wird.
Durch Bescheid vom 27. Juni 2007 über die Veranlagung der Gefahrenklassen gemäß §
159 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ordnete die Beklagte die Klägerin
für die Jahre ab 2007 der Gefahrtarifstelle 13 (Unternehmensart: „Makelndes und
vermittelndes Unternehmen“) mit der Gefahrklasse 1,09 zu. Ausweislich des
Beitragsbescheides für 2007 vom 21. April 2008 betrug der Gesamtbeitrag 2007 1.
319,64 Euro.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr
Pfandkreditbetrieb sei fehlerhaft in die Gefahrstelle 13 eingruppiert worden. Sie sei
vielmehr wie ein Kreditinstitut der Gefahrtarifstelle 01 („Kreditinstitut/
Finanzdienstleistungsinstitut/Börse“), Gefahrklasse 0,38, zuzuordnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Die Unternehmensart der Versteigerer und Pfandleiher weise keine
genügende Stabilität auf, um eine eigenständige Unternehmensart bilden zu können. So
seien sie in den Gefahrtarifen 1998 und 2001 gemeinsam mit anderen, ebenfalls nicht
tragfähigen Unternehmensarten der Gefahrtarifstelle 53 (1998) bzw. 55 (2001)
zugeordnet worden. Dies sei jedoch von der Rechtsprechung für rechtswidrig erklärt
worden, da die „Instabilität“ einer Gefahrengemeinschaft als Zuordnungskriterium dem
Gedanken des § 157 Abs. 2 SGB VII, Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken
zu bilden, widerspreche (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts
[LSG] vom 19. Juni 2002, L 8 U 125/01). Im Gefahrtarif ab 2007 habe sie daher für die in
den bisherigen Gefahrtarifstellen 53 bzw. 55 zusammengefassten „sonstigen
Unternehmensarten“ die technologischen Kriterien als Art und Gegenstand des
Unternehmens definiert (s. a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 28. November
2006, B 2 U 10/05 R, Rdn. 18). Insgesamt habe die Anzahl der Gefahrtarifstellen deutlich
verringert werden können, was zu einer besseren Übersichtlichkeit des neuen
Gefahrtarifs geführt habe. Die speziellen Unternehmensgegenstände der Versteigerer
6
7
Gefahrtarifs geführt habe. Die speziellen Unternehmensgegenstände der Versteigerer
und Pfandleiher ließen sich nicht ohne weiteres in einer größeren, tragfähigen
Unternehmensart im Gefahrtarif finden. Eine Verknüpfung beider Aufgaben sei jedoch
möglich, so dass es sinnvoll sei, die Versteigerer und Pfandleiher derselben
Gefahrtarifstelle zuzuordnen. Unternehmensgegenstand der Versteigerer sei es, im
Auftrag von Dritten Versteigerungen von Sachen verschiedener Art (Gegenstände,
Waren, Liegenschaften) durchzuführen, wobei sie die zu versteigernden Sachen aufgrund
ihrer Sachkunde häufig selbst taxierten. Unternehmensgegenstand der Pfandleiher sei
es, an Privatpersonen Gelddarlehen gegen ein Pfandrecht an einer beim Pfandleiher zu
hinterlegenden beweglichen Sache (Faustpfand) zu gewähren. Pfandleiher arbeiteten
eng mit den Auktionatoren zusammen. Bei Bedarf veranlasse der Pfandleiher die
Versteigerung des Pfandes und befriedige seine Forderung für das Darlehen aus dem
Erlös. Die Zuordnung der Pfandleiher und Versteigerer zur der Gefahrtarifstelle 13
(Unternehmensart: „Makelndes und vermittelndes Unternehmen“) sei aufgrund einer
gewissen sachlichen Nähe erfolgt. Eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 01
(„Kreditinstitut/Finanzdienstleistungsinstitut/Börse“) sei dagegen nicht sachgerecht.
Dieser Unternehmensart gehörten ausschließlich Unternehmen an, die Bankgeschäfte
gewerbsmäßig oder in einem Umfang betrieben, der einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere (§ 1 Abs. 1 Kreditwesengesetz [KWG]). Sie
bedürften einer Erlaubnis nach § 64 e oder § 32 KWG und unterlägen der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFiN). Ein Unternehmen dieser Art betreibe die
Klägerin aber nicht.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Beklagte habe ihr
Ermessen nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt und damit
rechtswidrig gehandelt (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtgesetz [SGG]). Die Eingruppierung in
die Gefahrtarifstelle 13 („Makelndes und vermittelndes Unternehmen“) sei falsch. Sie
gewähre ihren Kunden bar ausgezahlte Kredite, wobei als Sicherheit ein zu
hinterlegender Gegenstand diene. Dieses Pfand erhalte der Kunde bei Rückzahlung des
Kredits (zuzüglich Zinsen und Gebühren) wieder zurück. Sie trete nicht für einen Dritten
auf, indem sie für diesen einen Vertragsabschluss vorbereite oder aushandele und
hierfür ein Entgelt erhalte. Vielmehr tätige sie ihre Geschäfte im eigenen Namen und
stehe allein mit dem Pfandkreditnehmer in Geschäftsbeziehung. Nur wenn das Pfand
nicht binnen der Laufzeit des Kredits eingelöst werde, was aber bei allenfalls 6 - 7 %
sämtlicher Pfandkreditverträge so sei, werde es bei einer öffentlichen Versteigerung
durch einen von ihr verschiedenen Auktionator verwertet. Selbst wenn der Pfandleiher
eine Vermittlungsaufgabe für den Versteigerer wahrnehmen sollte, handele es sich bei
diesem um ein eigenständiges Unternehmen, so dass dies nicht die Zuordnung zur
Gefahrtarifstelle 13 rechtfertige.
Ihre Tätigkeit sei vielmehr derjenigen von Kreditinstituten vergleichbar. Pfandleiher gäben
ebenso wie Kreditinstitute an Kunden einen Kredit gegen Sicherheit heraus. Ihr Auftreten
im Geschäftsverkehr ähnele demjenigen von Kreditinstituten, so unterhalte sie ein
vergleichbar ausgestattetes Geschäftslokal, in dem der Kundenverkehr stattfinde. Die
dort eingesetzte Technik entspreche weitestgehend derjenigen eines Kreditinstitutes
(Schalterbereich, Beratungstische, EDV-Arbeitsplätze, Tresorraum). Auch Kreditinstitute
verwerteten als Sicherheit hereingenommene Gegenstände regelmäßig durch
Versteigerung und übten insoweit auch eine Vermittlerfunktion aus. Das Kriterium der
Vermittlung sei für die Eingruppierung daher nicht tauglich. Außentermine, wie sie etwa
für Makler kennzeichnend seien, fänden in ihrem Geschäftsbetrieb nicht statt, die
Kunden brächten die Pfandgegenstände in das Geschäftslokal. Die Heranziehung von
Vorschriften des KWG für die Zuordnung von Kreditinstituten sei nicht sachgerecht. Das
KWG regele die Aufsicht über Kreditinstitute und stelle den Schutz der von den
Bankkunden gegebenen Einlagen sicher, wogegen der Gefahrtarif ein wesentliches
Element der berufsgenossenschaftlichen Beitragsgestaltung sei. Im Übrigen sei sie
ebenfalls als Kreditinstitut i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG anzusehen. Der hierfür
erforderliche Betrieb eines Bankgeschäfts ergebe sich im vorliegenden Fall aus § 1 Abs.
1 Satz 2 KWG. Insoweit greife auch nicht der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 5
KWG, da diese Regelung durch § 2 Abs. 3 KWG modifiziert werde. Ihre Zuordnung zur
Gefahrtarifstelle 01 rechtfertige sich auch daraus, dass ihre Geschäftstätigkeit ein sehr
geringes Gefahrenpotential berge, das ohne Weiteres mit demjenigen von
Kreditinstituten vergleichbar sei. Nahezu 99 % der beliehenen Pfandgegenstände seien
Schmuckstücke (Uhren, Ketten, Ringe usw.). Unter dem Gesichtspunkt des Unfallrisikos
mache es keinen Unterschied, ob Darlehen gegen Inpfandnahme von
Schmuckgegenständen oder gegen Sicherheiten in Form von Globalzessionen,
Grundschulden, Sicherungsübereignungen usw. ausgereicht würden. Demgegenüber
weise die Befassung mit Gegenständen wie Baumaschinen und sonstigem technischen
Gerät, wie es Verleiher täten, ein erheblich höheres Unfallrisiko auf.
8
9
10
Mit Urteil vom 21. Januar 2008 hat das Sozialgericht Berlin (SG) die auf Veranlagung zur
Gefahrtarifstelle 01 („Kreditinstitut/ Finanzdienstleistungsinstitut/Börse) gerichtete Klage
abgewiesen und ausgeführt, die Veranlagung der Klägerin zur Gefahrtarifstelle 13 sei
rechtlich nicht zu beanstanden. Nach wie vor gebe es keine ausreichende Anzahl von
Pfandleihhäusern und Versteigerern, um diese versicherungsmathematisch zuverlässig
als eigene Gefahrtarifstelle zu verselbständigen. Hiernach scheide auch die Bildung einer
eigenen Gefahrtarifstelle aus denjenigen Gewerbezweigen, welche sich nicht
versicherungsmathematisch verselbständigen ließen, aus. Aus diesem Grund sei die
Beklagte gezwungen, eine Gefahrtarifstelle mit solchen Gewerbezweigen zu bilden,
welche im weiteren Sinne vergleichbar seien, wobei ihr – mehr noch als bei der Erstellung
eines Gefahrtarifs ohnehin – ein weites Ermessen eingeräumt sei. Dieses Ermessen
habe die Beklagte nicht überschritten, indem sie aus Auktions- und Pfandleihhäusern
und anderen makelnden und vermittelnden Unternehmen eine gemeinsame
Gefahrtarifstelle 13 gebildet habe. Pfandleihhäuser und Versteigerer arbeiteten
traditionell eng zusammen, sie unterlägen zudem beide der (gewöhnlichen)
gewerberechtlichen Aufsicht nach § 34 bzw. § 34 b Gewerbeordnung (GewO). Beide
würden regelmäßig eine vergleichbare Unternehmensgröße aufweisen. Ihr Gewerbe
ähnele sich auch insoweit, als beide fremdes Eigentum für einen vorübergehenden
Zeitraum gegenständlich in Obhut nehmen würden. Beides unterscheide sie etwa von
den Banken, welche sich zwar ebenfalls regelmäßig Sicherheiten geben ließen, diese
jedoch in seltensten Fällen gegenständlich als Faustpfand. Versteigerer und
Pfandleihhäuser ähnelten sich auch insoweit, als sie regelmäßig einzelne, eingelieferte
Wertgegenstände zu bewerten hätten, und beide im weiteren Sinne der wirtschaftlichen
Verwertung der eingelieferten Gegenstände dienten. Zwar werde es bei einem
Pfandleihhaus häufig nur eine vorübergehende Verwertung sein, allerdings sei die
(endgültige) Verwertung durch Verkauf bzw. Versteigerung charakteristisch und
zwingender Bestandteil des Vertrages mit dem Verpfänder (§ 5 Pfandleiherverordnung).
Es sei auch nicht ersichtlich, dass den übrigen in der Gefahrtarifstelle 13 genannten
Gewerbezweigen eine erhebliche abweichende Unfallgefahr zu Eigen wäre, welche der
gemeinsamen Veranlagung als eine Gefahrtarifstelle entgegenstünde. Auch bewege sich
die Gefahrklasse mit 1,09 im mittleren Bereich.
Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, der Gefahrtarifstelle 01
(„Kreditinstitut/Finanzdienstleistungsinstitut/Börse“) zugeordnet zu werden. Auch wenn
Geschäftslokal und Geschäftsabläufe bei der Klägerin äußerlich denjenigen einer Bank
vergleichbar seien, komme es bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif
nicht in erster Linie darauf an, welche Tätigkeit die Angestellten ausübten. Insbesondere
im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, welcher vorwiegend von Dienstleistungen
geprägt sei, könnten die Gefahrtarifstellen kaum anhand des klassischen
Technologieprinzips, d. h. nach Herstellungsarten und –vorgängen, gebildet werden.
Insofern biete sich eine Unterscheidung nach den rechtlichen Rahmenbedingungen an.
Diese seien jedoch zwischen einem Pfandleihhaus und einem regulären Geldinstitut
unterschiedlich. Reguläre Geldinstitute benötigten eine Genehmigung nach dem KWG (§
6 KWG), unterlägen im Hinblick auf ihr Kreditgeschäft und ihrer Finanzausstattung einer
ausgesprochen strengen Aufsicht durch das KWG und müssten in erheblichem Umfang
über Eigenmittel verfügen (§§ 10 ff KWG). Auch seien die von der Gefahrtarifstelle 01
erfassten Unternehmen regelmäßig erheblich größer. Demgegenüber bedürfe der
Betreiber eines Pfandleihhauses lediglich einer gewerberechtlichen Genehmigung nach §
34 GewO und unterliege der ungleich weniger strengen Aufsicht nach der GewO bzw. der
Pfandleiherverordnung (s. § 34 Abs. 2 GewO). Zudem seien auch die Geschäfte, welche
ein Pfandleiher betreibe, für den Verpfänder regelmäßig weit weniger einschneidend als
solche mit einer gewöhnlichen Bank. Das Leihhaus müsse (zwingend) vereinbaren, dass
es seine Forderung ausschließlich aus dem hingegebenen Pfand befriedigen und insoweit
nicht in das übrige Vermögen des Verpfänders vollstrecken dürfe (§ 5 Abs. 1 Nr. 1
Pfandleiherverordnung). Bei den Pfandleihhäusern handele es sich daher um einen durch
Größe und berufsrechtliche Rahmenbedingungen vom Bankgewerbe zu
unterscheidenden Gewerbezweig, welchen die Beklagte einer anderen Gefahrtarifstelle
zuordnen durfte.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hat die Klägerin vorgetragen, dass sowohl das
Bundeswirtschaftsministerium wie auch die Deutsche Bundesbank die Pfandleihhäuser
dem Finanzdienstleistungssektor zuwiesen und sie, unabhängig von einer Genehmigung
nach § 32 oder § 64 KWG, wie ein Kreditinstitut behandelten (s. das vorgelegte Schreiben
der Deutschen Bundesbank vom 14. März 2008). Die fehlende Erlaubnispflicht nach § 32
KWG hinge damit zusammen, dass Pfandleiher bereits anderweitig staatlicher Aufsicht
unterlägen. Die Beklagte habe im Gefahrtarif 2007 auch
Finanzdienstleistungsunternehmen der Gefahrtarifstelle 01 zugeordnet, auch wenn es
sich bei ihnen gerade nicht um Kreditinstitute nach dem KWG handele. Ihr Argument,
11
12
13
14
15
sich bei ihnen gerade nicht um Kreditinstitute nach dem KWG handele. Ihr Argument,
Pfandleihhäuser unterlägen nicht der Genehmigungspflicht nach dem KWG, erweise sich
damit als willkürlich, denn auf die Genehmigung nach § 32 bzw. § 64 KWG komme es
nicht an. Zdemmleriehe man indes das KWG für eine Einordnung und Abgrenzung heran,
müsse dies jedenfalls über diejenigen Vorschriften des KWG erfolgen, die etwas über die
Art der Geschäftstätigkeit und die damit einhergehenden typischen Unfallgefahren
aussagten. Die Beklagte habe jedoch dem Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 2
Grundgesetz [GG]) zuwider nicht die mit dem Gewerbe der Pfandleiher einhergehende
typische Unfallgefahr geprüft, so dass die tatsächliche Risikosituation nicht
berücksichtigt worden sei (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 2 U 2/05 R, Abs. 21 und
23).
Nachdem der Senat die Sache zur weiteren Aufklärung vertagt und den Beteiligten eine
Kopie eines Auszuges der Homepage des Verbandes des Deutschen
Pfandkreditgewerbes e. V. betreffend „Akzeptierte Wertgegenstände“ sowie eines
Artikels der Berliner Zeitung vom 16. Februar 2010 „Schnelles Geld“ überreicht hatte,
hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, für ihre Zuordnung komme es entscheidend auf
die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden Arbeitsbedingungen an (vgl. BSG,
Urteil vom 21. März 2006, a.a.O.). Die Kreditvergabe durch die Pfandleiher unterscheide
sich nicht von derjenigen durch die Banken und Kreditinstitute. Der Umgang mit den
Pfandgegenständen weise kein besonderes Gefährdungsrisiko auf, da sie fast
ausschließlich Schmuckgegenstände, Uhren, Brillianten, Edelsteine und Goldmünzen
beleihe (ca. 99,8 bis 99,9%) und andere Gegenstände wie Hifi-, Fernseh- und
Haushaltsgeräte überhaupt nicht und Laptops, Digitalcameras, Porzellane und
Sammlerstücke nur in seltenen Ausnahmefällen als Pfand entgegennehme. Ihre
Beschäftigten kämen daher so gut wie gar nicht mit größeren Gegenständen in
Berührung, die eine größere Unfallgefahr als die durch die Begutachtung und
Verwahrung von Schmuck und Edelsteinen entstehende, darstellten. Soweit Pfandleiher
auch andere Gegenstände, etwa Laptops oder Kraftfahrzeuge, als Pfand akzeptieren
würden, handele es sich in der Regel um Spezialisten. Im Übrigen hätten auch Banken
und Kreditinstitute Schließfächer und Tresorräume, in denen Wertgegenstände in
erheblichem Umfang verwahrt würden und handelten mit Goldmünzen, Geschenk- und
Sammlerstücken. Demzufolge hätten die Mitarbeiter von Kreditinstituten mit derartigen
Gegenständen Kontakt und ein entsprechendes Unfallrisiko.
Die Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 13 sei demgegenüber willkürlich, denn sie
berücksichtige nicht das sich aus der Außen- und Reisetätigkeit ergebende höhere
Unfallrisiko der makelnden und vermittelnden Unternehmen, wogegen die Mitarbeiter
der Klägerin keine Außentätigkeit leisteten. Außerdem würden Heiratsvermittler,
Flugbörsen, Taxiunternehmen, Arbeitsvermittlungen u. s. w. keine Pfandgegenstände
entgegennehmen, wodurch sie sich deutlich von Pfandleihunternehmen unterschieden.
Auch diejenigen Pfandleihunternehmen, die einen eigenen Verkaufsbereich hätten,
unterlägen keiner eigenen Unfallgefahr. Über 90 % der Pfänder würden wieder eingelöst,
so dass in den Verkaufsbereich nur die Pfandgegenstände gelangten, die auch bei der
Versteigerung nicht an Dritte hätten veräußert werden können.
Auch wenn Pfandleiher überwiegend mit kleinen Auktionaren zusammenarbeiteten, die
keine Arbeitnehmer beschäftigten, dürften sie nicht mit diesen zusammengefasst
werden. Die Pfandleiher seien versicherungsmathematisch gar nicht erfasst, sondern auf
Grund bisheriger traditioneller Vorgehensweise der Gruppe der Versteigerer zugeordnet
worden. Es existiere keine für die Pfandleiher relevante Datengrundlage, es sei kein
eigenständiges und spezifisches Unfallrisiko für die Pfandleiher ermittelt worden. Die
Einordnung der Pfandleiher zur Tarifstelle des makelnden und vermittelnden Gewerbes
widerspreche mithin sowohl dem Technologieprinzip als auch dem
Risikobelastungsprinzip. Ob und inwieweit Auktionshäuser und Versteigerer den
makelnden und vermittelnden Gewerbe zuzuordnen seien, sei nicht Gegenstand dieses
Verfahrens.
Zum Streitwert sei vorzutragen, dass der Beitrag ausweislich des Beitragsbescheides für
das Jahr 2007 auf Grundlage einer Gefahrklasse von 1,09 insgesamt 1.161,18 Euro
betrage. Bei der begehrten Einordnung zur Gefahrtarifstelle 01 mit einer Gefahrklasse
von 0,38 würde der Beitrag lediglich 404,82 Euro betragen, so dass die Differenz in Höhe
von 660,49 Euro, multipliziert mit der 6jährigen Laufzeit des Gefahrtarifes, einen
Streitwert in Höhe von 3.962,94 Euro ergebe.
Die Klägerin hat Ablichtungen aus der Zeitschrift VBG Offiziell „Tritt am 01. Januar 2007
in Kraft: der neue Gefahrtarif: Die Änderungen im Detail“ und ein Schreiben der
Deutschen Bundesbank vom 14. März 2008 an die Geschäftsleitung der FW KG
vorgelegt.
16
17
18
19
20
21
22
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2008 und den Bescheid vom
27. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, sie zur Gefahrtarifstelle 01
„Kreditinstitut/Finanzdienstleistungsinstitut/Börse“ des Gefahrtarifs 2007 zu veranlagen,
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, sie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung
des Gerichtes neu zu den Gefahrklassen gem. § 159 SGB VII zu veranlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und trägt ergänzend vor, dass die Pfandleihhäuser mit den Kreditinstituten zwar die
Gemeinsamkeit der Kreditvergabe habe, wogegen die Unternehmensstruktur aber
wesentlich durch den Umgang mit den beliehenen Pfandgegenständen geprägt sei. So
handele es sich bei der Klägerin – wie auch der Internetauftritt der F-W KG Pfandbetriebe,
zu der die Klägerin als Tochterunternehmen gehöre, zeige - um ein Fachunternehmen
für die Beleihung von Schmuck, Brillanten, Juwelen und Nobeluhren; auch hochwertige
technische Geräte wie Spiegelreflex-, Digitalkameras und Cam-Corder sowie in
Einzelfällen aktuelle EDV-Komplett-Systeme und Laptops würden beliehen, ebenso
ausgewähltes Markenporzellan und werthaltige Sammelartikel wie z. B. Markenpuppen,
elektronische Modelleisenbahnen und Münzen. Einzelne Pfandhäuser spezialisierten sich
auf bestimmte Sicherheiten wie z. B. Schmuck, Elektronik, Automobile etc. Diese
Gegenstände müssten fachgerecht gelagert und gesichert werden, Versteigerungen
müssten veranlasst und vorbereitet werden, indem die zu versteigernden Gegenstände
am Versteigerungsort bereitgestellt würden. Auch seien in den Geschäftsräumen
ständig interessante Angebote für Kaufinteressenten vorhanden. Soweit der Pfandleiher
einen Gegenstand einem Auktionator zuführe, würden Vorbereitung und Organisation
der Versteigerungen durch die Leihhäuser vorgenommen. Es würden in der Regel
größere Räumlichkeiten gemietet, die Versteigerungstermine würden auch von den
Pfandleihern bekannt gemacht. Auch gebe es Pfandleiher, die in ihren Geschäftsräumen
einen eigenen Auktionsraum hätten. Aufgrund dieser Verbindung zwischen Leihhäusern
und Versteigerern sei die Zusammenfassung dieser beiden
Unternehmensgruppierungen gerechtfertigt.
Eine Zuordnung zu der Gefahrtarifstelle 01 („Kreditinstitut/
Finanzdienstleistungsinstitut/Börse)“ komme nicht in Betracht, denn die Kreditvergabe
sei nur ein Teil des Geschäftsbetriebes der dort erfassten Kreditinstitute, die deutlich
mehr Aufgaben zu bewältigen hätten. Auch bestünden zwischen einem Pfandkredit und
einem „normalen Kredit“ wesentliche Unterschiede. Ein Pfandkredit werde gegen
Sicherheiten in Form von Faustpfändern gegeben, wogegen Banken Sicherheiten wie
Gehaltsabrechnungen, Hypotheken, Schufa-Auskunft usw. verlangen würden. Daher sei
für die Zusammenstellung der Gefahrtarifstelle 01 die Regelung in § 1 Abs. 1 b KWG
übernommen worden, wonach Institute im Sinne des Gesetzes Kreditinstitute und
Finanzdienstleistungsinstitute (erlaubnispflichtige Unternehmen) seien. Nur die in den
erlaubnispflichtigen Unternehmen entstandenen Entschädigungsleistungen hätten der
Berechnung der Belastungsziffer des Gefahrtarifs 2007 zugrunde gelegen. Schließlich sei
anzumerken, dass auch Unternehmen des Finanzsektors verschiedensten
Gefahrtarifstellen nach dem jeweiligen Schwerpunkt ihres Unternehmens zugeordnet
würden (z. B. Verwaltungs- und Beteiligungsunternehmen, Inkassounternehmen,
Leasingunternehmen, Finanzmakler usw.).
Ein Verstoß gegen das Technologieprinzip liege nicht vor, weil die Struktur der
Unternehmensgruppe der Versteigerer und Pfandleiher bei ihrer Zuordnung
berücksichtigt worden sei. Die nunmehr in der Gefahrtarifstelle 13 („Makelnde und
vermittelnde Unternehmen“) zusammengefassten Unternehmensarten bzw. –gruppen
wiesen ein bereits annähernd vergleichbares Gefährdungsrisiko auf. Bei der Berechnung
der Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 13 seien die Entgelte, Versicherungssummen und
Entschädigungsleistungen der Pfandleiher miteinbezogen worden (s. die für die
Berechnung der Gefahrklassen zugrunde liegenden Daten in der Darstellung über die
rechnerischen Gefahrklassen für Unternehmensarten/–gruppen und die Auszüge der
Unfallverzeichnisse). Die Beklagte sei nicht verpflichtet, für die Pfandleiher als Teil der
ohnehin schon kleinen Unternehmensgruppe „Versteigerer, Pfandleiher“ eine
gesonderte Belastungsziffer zu berechnen, wenn offensichtlich sei, dass diese Teilgruppe
mit hoher Wahrscheinlichkeit hinsichtlich ihrer Größe versicherungsmathematisch nicht
tragfähig sei (s. die Genehmigungsvorlage für den Gefahrtarif 2007, Seite 56). Die
Gefahrklasse liege mit 1,09 ab 2007 deutlich unter der bisherigen Gefahrklasse 1,5 der
23
24
25
26
27
28
29
30
Gefahrklasse liege mit 1,09 ab 2007 deutlich unter der bisherigen Gefahrklasse 1,5 der
Gefahrtarifstelle 55 des Gefahrtarifs 2001, so dass ab 2007 auch eine niedrigere
Beitragsbelastung als bis 2006 zu erwarten sei.
Der Streitwert beziffere sich nach der Rechtsprechung des BSG bei
Veranlagungsstreitigkeiten auf den doppelten Betrag der strittigen Beitragsdifferenz für
ein Jahr, mindestens jedoch in Höhe des dreifachen Auffangstreitwerts. Für 2008 habe
sich der reine BG-Beitrag auf 1.276,96 Euro belaufen, so dass als Streitwert der
dreifache Auffangstreitwert zugrunde zu legen sei.
Die Beklagte hat die „Hinweise zur Branchenzuordnung – Abgrenzung der
Gefahrengemeinschaften, Gefahrtarif 2007“, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 19. Juni 2002 (L 8 U 125/01), die Gefahrtarife vom 01. Januar
1998 und vom 01. Januar 2001 sowie einen internen Vermerk vom 31. Oktober 2007
betreffend die Veranlagung der Pfandleiher nach dem seit dem 01. Januar 2007 gültigen
Gefahrtarif sowie Genehmigungsunterlagen zur Beschlussfassung betreffend die
Gefahrtarife 2001 und 2007 vorgelegt, die der Klägerin jeweils in Kopie überreicht
wurden.
Die Klägerin (Schriftsatz vom 02. März 2010) und die Beklagte (Schriftsatz vom 22. April
2010) haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt
(§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte
sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (BG-AB: ), die bei Entscheidungsfindung
vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber
unbegründet. Die Veranlagung der Klägerin in die Gefahrtarifstelle 13 des ab dem 01.
Januar 2007 geltenden Gefahrtarifs der Beklagten war rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, nach
dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem
Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.
Die von den Unternehmern allein aufzubringenden Beiträge berechnen sich nach dem
Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften, den Arbeitsentgelten der Versicherten und
dem in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommenden Grad der Unfallgefahr in den
Unternehmen (§§ 153 Abs. 1, 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Um eine Abstufung der
Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, muss jede
Berufsgenossenschaft einen Gefahrtarif aufstellen. Dieser Gefahrtarif ist vom
Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen, und in ihm sind zur
Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII).
Er ist nach Tarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten
Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den
Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs
Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereiche mit gleichen oder ähnlichen
Gefährdungsrisiken zu Gefahrengemeinschaften zusammenzufassen (§ 157 Abs. 1 bis 3
SGB VII).
Die Gefahrtarife sind durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unbeschadet der
Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (vgl. § 158 Abs. 1 SGB VII) überprüfbar, als
autonom gesetztes objektives Recht (vgl. § 157 SGB VII, §§ 33 ff Viertes Buch
Sozialgesetzbuch [SGB IV]) allerdings nur daraufhin, ob sie mit dem Gesetz, das die
Ermächtigungsgrundlage beinhaltet und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar
sind. Den Unfallversicherungsträgern ist als ihre Angelegenheiten selbst regelnden
öffentlich-rechtlichen Körperschaften ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum
eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht
setzen (BSG SozR 4-2700 § 157 Nr. 1, RdNr. 12 m. w. N.). Die Prüfung, ob der Gefahrtarif
die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der
Gerichte; die Abwägung zwischen mehreren, jeweils für die eine oder andere Regelung
bei der Gestaltung des Gefahrtarifs wesentlichen Gesichtspunkte und die daraus
folgende Entscheidung obliegt vielmehr den Unfallversicherungsträgern. Bei komplexen
und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist ihnen ein zeitlicher
Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu
gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen (BSG a. a. O.). Die Bildung des
Gefahrtarifs muss allerdings auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und
versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und
31
32
33
34
35
versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und
Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren
rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG a. a. O.).
Die Beklagte, deren Mitgliedsunternehmen zu einem großen Teil keinem klassischen
Gewerbe i. S. d. Gewerbeordnung nachgehen, hat diese gesetzlichen Vorgaben in ihrem
am 01. Januar 2007 in Kraft getretenen Gefahrtarif in der Weise umgesetzt, dass sie als
Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen entsprechend den
Gewerbezweigen die Unternehmensarten gewählt hat. Ein solcher Tarif basiert auf der
Erkenntnis, dass technologisch artverwandte Unternehmen gleiche oder ähnliche
Unfallrisiken aufweisen und die Unternehmensart deshalb eine geeignete Grundlage für
die Bildung möglichst homogener Gefahrgemeinschaften darstellt. Die Risikobewertung
nach diesem Prinzip ist damit im Grundsatz mit den Zielvorstellungen und
Wertentscheidungen des Gesetzes und der Verfassung vereinbar, wie das BSG für den
dem Begriff der Unternehmensart vergleichbaren Terminus des Gewerbezweigs in
zahlreichen Entscheidungen bekräftigt hat (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 157 Nr. 2;
Urteil vom 21. März 2006, B 2 U 2/05 R, zitiert nach juris).
Die Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr ist Ausdruck des
Versicherungsprinzips, das im Beitragsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung
konsequenter als in anderen Zweigen der Sozialversicherung verwirklicht ist. Die
Veranlagung nach Gefahrklassen soll eine möglichst gerechte Verteilung der Unfalllast
auf die Beitragspflichtigen gewährleisten (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] in SozR
2200 § 734 Nr. 2).
Anknüpfungspunkt für die Definition und den Zuschnitt von Unternehmensarten bzw.
Gewerbezweigen sind Art und Gegenstand der zu veranlagenden Unternehmen (BSG in
SozR 4-2700 § 157 Nr. 1). Da ein unternehmensart/gewerbezweigorientierter Gefahrtarif
seine Rechtfertigung aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und
Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben bezieht, kommt es für
die Bildung der Unternehmensarten bzw. Gewerbezweige und die Zuordnung zu ihnen
entscheidend auf die in der jeweiligen Unternehmensart anzutreffenden
Arbeitsbedingungen an, die ihrerseits durch die hergestellten Erzeugnisse, die
Produktionsweise, die verwendeten Werkstoffe, die eingesetzten Maschinen und
sonstigen Betriebseinrichtungen sowie die gesamte Arbeitsumgebung geprägt werden.
Dabei darf sich die Betrachtung nicht auf einzelne für oder gegen eine Vergleichbarkeit
sprechende Gesichtspunkte beschränken, sondern muss alle das Gefährdungsrisiko
beeinflussende Faktoren einbeziehen.
Da die Gliederung der Unternehmensarten/Gewerbezweige nach dem klassischen
Technologieprinzip, also in Anknüpfung an die Art der erzeugten Güter und die Art und
Weise ihrer Herstellung oder Bearbeitung, in der modernen Dienstleistungsgesellschaft
zunehmend an Bedeutung verliert, können für eine sachgerechte Abgrenzung auch
andere Merkmale wie einschlägige berufsrechtliche Regelungen oder bestehende
verbandsorganisatorische Strukturen herangezogen werden (BSG, in SozR 4-2700 § 157
Nr. 1). Dennoch bleiben auch unter den veränderten Bedingungen der heutigen Berufs-
und Arbeitswelt für den Zuschnitt der Unternehmensarten bzw. Gewerbezweige in erster
Linie Art und Gegenstand des Unternehmens maßgebend, da sie den zuverlässigsten
Aufschluss über die Unfallgefahren in den Unternehmen geben. Namentlich bei
heterogen zusammengesetzten Unternehmensarten/Gewerbezweigen muss aber
geprüft werden, ob die nach technologischen Gesichtspunkten vorgenommene
Zuordnung und die daran geknüpfte Vermutung einer gemeinsamen
„gewerbetypischen“ Unfallgefahr die tatsächliche Risikosituation in den betroffenen
Unternehmen zutreffend widerspiegelt. Ergibt sich, dass bei einer bestimmten Art von
Unternehmen ein vom Durchschnitt der Unternehmensart bzw. des Gewerbezweigs
erheblich abweichendes Gefährdungsrisiko besteht, kann daraus ein Anspruch auf
Verselbständigung als eigene Unternehmensart bzw. eigener Gewerbezweig oder auf
Zuteilung zu einer anderen, „passenderen“ Unternehmensart bzw. Gewerbezweig folgen
(BSG in SozR 4-2700 § 157 Nr. 2; Urteil vom 21. März 2006 a. a. O.).
Bestrebungen nach Differenzierung und Berücksichtigung des individuellen
Gefährdungsrisikos bei der Bildung von Unternehmensarten/Gewerbezweigen sind
jedoch Grenzen gesetzt, die sich aus der Funktion und der Systematik eines Gefahrtarifs
ergeben. Eine Unternehmensart kann nur dann als eigenständige(r)
Unternehmensart/Gewerbezweig geführt werden, wenn die zugehörigen Betriebe und
Einrichtungen zusammengenommen eine Größenordnung erreichen, bei der sich eine
gewerbetypische Unfalllast nach versicherungsmathematischen Grundsätzen (vgl. § 157
Abs. 2 Satz 1 SGB VII) berechnen lässt. Ist das nicht der Fall, müssen die in Rede
stehenden Unternehmen einer der im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft
36
37
38
39
stehenden Unternehmen einer der im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft
ausgewiesenen Unternehmensarten zugeordnet werden. Nach der einem solchen Tarif
innewohnenden Logik kommen dafür aber nur solche
Unternehmensarten/Gewerbezweige in Betracht, die technologisch verwandte
Unternehmensarten beherbergen. Eine Zuordnung zu einer Unternehmensart bzw.
einem Gewerbezweig ohne Berücksichtigung technologischer Zusammenhänge allein
nach der Größe des Unfallrisikos scheidet dagegen aus, weil damit das
Unternehmensart/Gewerbezweigprinzip aufgegeben und die Systementscheidung für
einen Unternehmensart/Gewerbezweigtarif konterkariert würde. Insofern unterscheiden
sich die Vorgaben für die Zusammenstellung von Unternehmensarten/Gewerbezweigen
von denjenigen bei der Bildung der Gefahrtarifstellen, in denen durchaus auch
technologisch nicht verwandte Unternehmensarten/Gewerbezweige nach dem
Belastungsprinzip zu einer Gefahrengemeinschaft zusammengefasst werden können.
Die Forderung eines Unternehmens, wegen eines erheblich abweichenden Grades der
Unfallgefahr einer anderen Unternehmensart zugeteilt zu werden, kann danach
überhaupt nur mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden, wenn der Gefahrtarif der
Berufsgenossenschaft mehrere für die betreffende Unternehmensart in Betracht
kommende Unternehmensarten ausweist und unklar ist, welchem von ihnen sie nach Art
und Gegenstand zuzurechnen ist. Steht dagegen die nach technologischen Kriterien
richtige Zuordnung fest, kann die Zugehörigkeit zu der Unternehmensart nicht mit dem
Hinweis auf eine unterschiedliche Belastungssituation in Frage gestellt werden. Die
Bildung von Gefahrklassen nach dem Unternehmensart/Gewerbezweigprinzip hat zur
zwangsläufigen Folge, dass es innerhalb der Unternehmensarten/Gewerbezweige nicht
nur gewerbetypische, sondern auch vom Durchschnitt der Gruppe mehr oder weniger
deutlich abweichende Unternehmen und Unternehmensarten gibt. Dass alle
gewerbezugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher
Gefährdungslagen zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen
stärker mit Beiträgen belastet werden als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko
entsprechen würde, ist als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung
hinzunehmen. Zudem ist der Solidarausgleich innerhalb des gesamten Systems der
gewerblichen Berufsgenossenschaften auf den verschiedenen Ebenen zu beachten, der
vom Ausgleich innerhalb der Gefahrtarifstellen bis zum Ausgleich zwischen den
Berufsgenossenschaften reicht (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 157 Nr. 2; Urteil vom 21.
März 2006 a. a. O.).
Unter Berücksichtigung dieser vom BSG entwickelten Grundsätze ist weder die Bildung
der Gefahrtarifstelle 13 noch die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin dieser
Gefahrtarifstelle zuzuordnen, zu beanstanden.
Es ist zunächst unstreitig, dass die Schaffung einer eigenen Gefahrtarifstelle für
Pfandleihunternehmen nicht in Betracht kommt. Eine solche setzt nach der
Rechtsprechung des BSG voraus, dass diese Unternehmen aufgrund ihrer Lohnsummen
das versicherungsrechtliche Risiko in ihrer Tarifstelle auszugleichen in der Lage wären.
Dies ist weder für den Senat ersichtlich noch behauptet dies die Klägerin. Im Gegenteil
kann es insbesondere innerhalb kleiner Tarifstellen zu sehr großen Schwankungen,
bedingt durch einige wenige Versicherungsfälle, kommen. Dies zu vermeiden und die
Anzahl der Gefahrtarifstellen durch Zusammenfassung und Verringerung der
Gefahrgemeinschaften übersichtlich zu halten, ist ein sachgerechtes Anliegen, das
letztlich den Versicherten zugute kommt.
Die Zuordnung der Pfandleihhäuser zur Gefahrtarifstelle 13 („Makelnde und vermittelnde
Unternehmen“) begegnet keinen Bedenken. Die Gefahrtarifstelle 13 erfasst nach dem
ab dem 01. Januar 2007 geltenden Gefahrtarif der Beklagten unter Berücksichtigung der
technologischen Kriterien „Art und Gegenstand des Unternehmens“ (s. a. BSG, Urteil
vom 28. November 2006, B 2 U 10/05 R, Rdn. 18) nunmehr im Wesentlichen
Unternehmen, deren Gegenstand die Durchführung von Vermittlungsgeschäften
beinhaltet, also die Makler und Vermittler (vormals Tarifstelle 18 des Gefahrtarifs 2001)
und die Handelsvertretungen (vormals Tarifstelle 31). Die Gruppe der Versteigerer und
Pfandleiher, die auch früher schon einer gemeinsamen Gefahrtarifstelle zugeordnet
waren (so bereits in den Gefahrtarifen 1995, 1998 und 2001), wurde aus der vormaligen
Tarifstelle 55 herausgelöst und den makelnden und vermittelnden Unternehmen
zugeordnet. In den Gefahrtarifen 1998 und 2001 waren in den (Auffang)Tarifstellen 53
(1998) bzw. 55 (2001) u. a. noch die Unternehmensarten zusammengefasst, die – wie
die Gruppe der Versteigerer und Pfandleiher - für sich allein nicht
versicherungsmathematisch tragfähig waren. Prägende Gemeinsamkeit der
Unternehmensarten war, dass die für die einzelnen Unternehmensarten jeweils
individuell berechneten Belastungsziffern starken Zufallsschwankungen unterlagen und
somit keine für die Bildung einer eigenen Gefahrtarifstelle ausreichende Stabilität
40
41
42
somit keine für die Bildung einer eigenen Gefahrtarifstelle ausreichende Stabilität
auswiesen. Die Bildung dieser Tarifstellen aus den Gefahrtarifen 1998 und 2001 ist in der
Rechtsprechung mehrfach für rechtswidrig erklärt worden, da die „Instabilität“ einer
Gefahrengemeinschaft als Zuordnungskriterium dem Gedanken des § 157 Abs. 2 SGB
VII, Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken zu bilden, widerspreche (so Urteil
des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Juni 2002, L 8 U 125/01). Zur
Lösung des Problems sind die Unternehmensarten einer Überprüfung unterzogen
worden. Bei einigen nicht tragfähigen Unternehmensarten ist die Beklagte zu dem
Schluss gelangt, dass sie keine selbständigen Unternehmensarten darstellten,
deswegen nunmehr als Bestandteil einer bereits existierenden, tragfähigen
Unternehmensart anzusehen und namentlich nicht mehr im Gefahrtarif aufzuführen
seien. Dies betrifft – wie erwähnt - die Pfandleihunternehmen und auch die Versteigerer.
Als zugehörig zur Tarifstelle 13 des Gefahrtarif ab 2007 sieht die Beklagte nunmehr die
Arbeitsvermittlungen, Flugbörsen, Handelsagenturen, –makler, -vertreter,
Immobilienmakler, Industrie- und Medienvertretungen, Mitfahr-, Mitwohnzentralen,
Partnervermittler, Taxizentralen und die Auktionshäuser, Leihhäuser und Pfandleiher an.
Die Unternehmen der Tarifstelle 13 („Makelnde und vermittelnde Unternehmen“) sind
geprägt durch die Wahrnehmung fremder Interessen und die Vermittlung bzw.
Herstellung eines Kontaktes privater oder geschäftlicher Art bis hin zum
Geschäftsabschluss. Makler kaufen, verkaufen und vermitteln Waren und
Dienstleistungen aller Art, wobei sie Beziehungen zu Dritten herstellen und
Vertragsabschlüsse zustande bringen und eine dafür prozentual bemessene Provision
erhalten. Vermittler stellen Beziehungen privater oder geschäftlicher Art her und
unterstützen damit andere Personen oder Unternehmen. Die Tätigkeit eines Maklers
oder Vermittlers ist hiernach klar abgrenzbar von der Herstellung von Waren einerseits
oder der Erbringung von Dienstleistungen an Endkunden andererseits.
Die Beklagte hat zulässigerweise die Unternehmensgruppe der
Versteigerer/Auktionatoren und der Pfandleiher wegen der sachlichen Nähe der Gruppe
der Makler/Vermittler zugeordnet. Für die Auktionshäuser ergibt sich die Verknüpfung
ohne weiteres aus der Art ihrer Geschäftstätigkeit. Sie führen Versteigerungen von
Sachen verschiedener Art für dritte Personen durch, wobei sie die zu versteigernden
Sachen entweder selbst oder durch externe Gutachter schätzen oder taxieren. Bei der
Auktion werden von potentiellen Käufern und/oder Verkäufern Gebote abgegeben. Der
Versteigerer vermittelt also zwischen Verkäufer und Käufer Angebot und Annahme mit
dem Ziel eines Verkaufes der Ware zum aktuellen Marktpreis.
Die hierdurch gegebene sachliche Nähe zu den vermittelnden Unternehmen bestreitet
die Klägerin auch nicht, sondern wendet sich vor allem gegen die Zusammenfassung der
Pfandleihunternehmen und der Auktionare. Hierfür gibt es jedoch sachliche Gründe, die
die diesbezügliche Entscheidung der Beklagten als nicht ermessenswidrig erscheinen
lassen. Pfandleihhäuser arbeiten grundsätzlich mit Auktionshäusern zusammen. Der
Pfandleiher gewährt Gelddarlehen gegen ein Pfandrecht an beweglichen Sachen (§ 1204
BGB). Wird das Pfand nicht eingelöst, beauftragt er einen externen Versteigerer, der
seinerseits eine Vermittlungsaufgabe für den Pfandleiher wahrnimmt. Soweit der
Pfandleiher einen Gegenstand einem Auktionator zur Versteigerung zuführt, werden
Vorbereitung und Organisation der Versteigerungen durch die Leihhäuser
vorgenommen. So werden etwa größere Räumlichkeiten gemietet, die
Versteigerungstermine werden auch von den Pfandleihern bekannt gemacht, manche
Pfandleiher haben in ihren Geschäftsräumen einen eigenen Auktionsraum. Damit
besteht eine - im Rahmen des Technologieprinzips zu beachtende - sachliche Nähe in
der Geschäftstätigkeit der Pfandleihhäuser zu derjenigen der Versteigerer. Eine weitere
Gemeinsamkeit liegt darin, dass die Tätigkeit beider Unternehmensarten vom Umgang
mit den Pfandgegenständen geprägt ist. Pfandleihunternehmen beleihen Schmuck,
Edelsteine, Nobeluhren und andere marktgängige, hochwertige technische Geräte
(Kameras, Cam-Corder, Laptops, Markenporzellan, Münzen etc.). Zunehmend
verpfänden Unternehmer, die schnell und unkompliziert einen Kredit benötigen, auch
Autos, Nutzfahrzeuge, Boote, Bau- oder Landmaschinen (s. a. der der Klägerin in
Ablichtung überreichte Artikel „Schnelles Geld“, Berliner Zeitung vom 16. Februar 2010).
Die Verwahrung, Lagerung und Sicherung derartiger Gegenstände findet nicht im Büro
des Pfandleihunternehmens statt, sondern es müssen Transportmittel, weitere Räume,
Park- oder Liegeplätze, Lagerhallen etc. angemietet und besondere Versicherungen
abgeschlossen werden. Ebenso stellt die Durchführung der Versteigerung oder die
Veräußerung nicht eingelöster Pfänder besondere Anforderungen an die Örtlichkeit und
die Ausgestaltung der Aktionen, die von den Pfandleihern und den Versteigerern
gemeinsam bewältigt werden müssen. Die Verknüpfung der beiderseitigen
Aufgabenbereiche ist damit grundsätzlich gegeben, auch wenn eine Versteigerung nach
den, auch von der Kommentarliteratur gestützten Angaben der Klägerin allenfalls bei 6
43
44
45
46
den, auch von der Kommentarliteratur gestützten Angaben der Klägerin allenfalls bei 6
bis 7 % sämtlicher Pfandkreditverträge vorkommt (etwa 90 % der versetzten
Gegenstände werden wieder eingelöst, vgl. Boos/Frischer/Schulte-Nattler, KWG, a.a.O., §
2 Rdn. 17).
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, ihre Zuordnung zur Gefahrtarifstelle 13
sei deshalb willkürlich, weil sie nicht das sich aus der Außen- und Reisetätigkeit
ergebende höhere Unfallrisiko der Makler und Handelsvertreter berücksichtige. Das
spezifische Unfallrisiko bei den Pfandleihhäusern mag zwar dann relativ gering sein,
wenn – wie im Fall der Klägerin - überwiegend in ortsfesten Büroräumen Schmuckstücke,
von denen ein geringes Gefahrenpotential ausgeht, beliehen werden. Allerdings ist bei
der Würdigung nicht auf den spezifischen Geschäftsbetrieb der Klägerin abzustellen. Wie
dargelegt, werden auch Pfänder wie Autos, Computeranlagen, Boote, Maschinen etc.
beliehen, was notwendige Außendienste, etwa zwecks Schätzung von andernorts
lagernden Gegenständen, mit sich bringt, hinzu kommen fachgerechter Transport,
Lagerung und Sicherung außer Haus. Eine Untergliederung nach solchen Pfandleihern,
die wie die Klägerin ausschließlich in ortsfesten Räumen Schmuck beleihen und solchen,
die sich auf andere, schwerer zu verwahrende Pfänder spezialisiert haben, kommt nicht
in Betracht. Wie oben dargelegt muss bei grundsätzlich zutreffender Zuordnung zu einer
Unternehmensgruppe eine möglicherweise unterschiedliche Belastungssituation in den
einzelnen Unternehmen aus Gründen des Technologieprinzips hingenommen werden.
Eine Vielzahl der in der Gefahrtarifstelle 13 erfassten Unternehmen führt zudem seine
Tätigkeit nach wie vor überwiegend büromäßig aus (z. B. die Arbeitsvermittlungen,
Handelsagenturen, Industrie- und Medienvertretungen, Partnervermittlungen etc.).
Soweit einige makelnde/vermittelnde Unternehmen neben der büromäßigen Tätigkeit zu
einem größeren Anteil auch Außendienste, etwa im Rahmen der Besichtigung von
Vermittlungsobjekten oder erweiterter Kontaktpflege, wahrnehmen, leitet sich daraus
keine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung ab. Zum einen sind in die Tarifstelle
13 nicht überwiegend Unternehmen eingeordnet, deren Tätigkeit nicht ausschließlich
büromäßig, sondern auch durch Außendienste verrichtet wird und die daher ein erhöhtes
Gefährdungsrisiko bergen. Zum anderen sind die Außendienste zwar ein Bestandteil der
Tätigkeit dieser Unternehmen, aber nicht das wesentlich prägende Element. So vollzieht
sich die Akquisition, Vorbereitung, Begleitung und Abwicklung von Verträgen regelmäßig
in büromäßiger Arbeit. Eine Ausrichtung der Tarifstellen alleine nach dem Kriterium der
Büro- oder der Außendienstarbeit und nach der Größe des Unfallrisikos ohne
Berücksichtigung der technologischen Zusammenhänge scheidet aber aus, weil damit
das Gewerbezweigprinzip aufgegeben würde (BSG, Urteil vom 21. März 2006, a. a. O.).
Bei der Mitgliederstruktur der Beklagten würde eine derartige Zuordnung einen
Gefahrtarif nach Gefahrklassen weitgehend überflüssig machen, da die bei ihr
veranlagten Unternehmen vorwiegend büromäßige Tätigkeiten verrichten.
Schließlich weisen die im Gefahrtarif 2007 in der Gefahrtarifstelle 13 nunmehr
zusammengefassten Unternehmensarten - betrachtet man die vormaligen
Gefahrklassen im Gefahrtarif 2001 (von 1,31 [Makler, Vermittler] über 1,40
[Handelsvertretung] bis 1,50 [Versteigerer, Pfandleiher]) - ein annähernd vergleichbares
Gefährdungsrisiko auf (vgl. die Genehmigungsvorlage für den Gefahrtarif 2007). Aus
diesen Zahlen folgt auch, dass die Zuordnung der Pfandleihunternehmen zur
Unternehmensgruppe der makelnden und vermittelnden Unternehmen im Gefahrtarif
2007 im Vergleich zur vorherigen Zuordnung vorteilhaft war. Denn für die –
vergleichsweise kleine - Unternehmensgruppe der Versteigerer und Pfandleiher (Entgelt-
und Versicherungssummen in den Jahren 2003 – 2005: 122.140.395 Euro, Entgelt- und
Versicherungssummen der Gesamttarifstelle 13: 9.020.800.788,00 Euro
[Genehmigungsvorlage für den Gefahrtarif 2007, Seite 56]) wies der Gefahrtarif 2001 mit
1,50 die höchste Gefahrklasse aus, wogegen die Makler und Vermittler eine
Gefahrklasse von 1,31 und die Handelsvertreter eine Gefahrklasse von 1,40 aufwiesen.
Die neu gebildete Gefahrklasse mit 1,09 liegt somit deutlich unter der alten Gefahrklasse
nach dem Gefahrtarif 2001.
Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass die Zuordnung der Pfandleihunternehmen zur
Gefahrtarifstelle 01 („Kreditinstitute, Börsen und – neu – Finanzdienstleistungsinstitute“)
sachgerechter wäre. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob bei der
Abgrenzung der in der Gefahrtarifstelle 01 zu erfassenden Unternehmen maßgeblich auf
die Vorschriften des KWG abzustellen ist. Das KWG dient seinem Sinn und Zweck nach
vor allem der Sicherung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft und
dem Schutz der Gläubiger von Kreditinstituten vor Verlust ihrer Einlagen, nicht aber der
Regelung unfallversicherungsrechtlicher Fragen. Gleichwohl mögen diese Überlegungen
als ein Argument neben anderen durchaus zulässig sein, denn bei Unternehmen der
modernen Dienstleistungsgesellschaft, bei der das klassische Technologieprinzip
47
48
49
50
51
52
53
54
modernen Dienstleistungsgesellschaft, bei der das klassische Technologieprinzip
zunehmend an Bedeutung verliert, können für eine sachgerechte Abgrenzung auch
andere Merkmale wie einschlägige berufsrechtliche Regelungen oder bestehende
verbandsorganisatorische Strukturen herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.
Juni 2003, a. a. O.). Diese Erwägungen der Beklagten, die auch dazu geführt haben, die
Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1 b KWG) der Gefahrtarifstelle 01 zuzuordnen,
sind indes für diesen Rechtsstreit unerheblich, da die Pfandleihunternehmen - wie gleich
darzulegen sein wird - wegen wesensmäßiger Unterschiede nicht der Gefahrtarifstelle 01
zuzuordnen sind.
Zwar gewähren die Pfandleiher Barkredite und werden damit insoweit ähnlich wie ein
Kreditinstitut tätig. Auch mag ihr Geschäftslokal mit Schalterbereich, Beratungstischen,
EDV-Arbeitsplätze, Tresorraum demjenigen von Kreditinstituten ähneln. Schließlich
verwerten auch Kreditinstitute ab und an als Sicherheit für die Kreditgewährung
hereingenommene Gegenstände durch Versteigerung. Zum Erhalt von Bankkrediten ist
die Gewährung von Sicherheiten durch Belastung von Grundstücken,
Gehaltsabtretungen etc., also in Papierform, allerdings wesentlich verbreiteter als durch
Hingabe eines Faustpfandes. Erhebliche Unterschiede zwischen Kreditinstituten (hierzu
gehören die Banken, Girozentralen, Sparkassen, Kreditgenossenschaften,
Bausparkassen) und Pfandleihern bestehen vor allem in Art und Umfang der getätigten
Geschäfte und der bewegten Kredit- und Anlagemittel. Zu den Bankgeschäften gehören
z. B. die Einlagen-, Kredit-, Effekten-, Depot-, Investment-, Girogeschäfte. Im
Aktivgeschäft, etwa bei der Kreditvergabe (z. B. Kontokorrent-, Diskont-, Lombard-, Aval-
, langfristiger Kredit evtl. gesichert durch Grundpfandrechte), liegt die Entscheidung über
das Zustandekommen des Kreditvertrages bei den Banken, sie sind der gebende
Partner. Die Kreditvergabe macht jedoch nur einen Teil des Geschäftsbetriebes der
Kreditinstitute aus. Daneben führen diese auch sog. Passivgeschäfte aus, bei denen sie
der kreditnehmende Partner sind. Hierzu zählen z. B. die Annahme von Termin-, Spar-
und kurzfristigen Einlagen, die Ausgabe von Pfand- und Sparbriefen, Obligationen, die
Wertpapier-, Depot-, Emissions- und Geldwechselgeschäfte. Banken sind auch zuständig
für die Durchführung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und die Kontoführung für
Dritte. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der umfangreichen Beratungstätigkeit in Anlage-
und Finanzierungsfragen, die ein großes Spezialwissen voraussetzt, etwa bei der
Vermittlung von Geldanlagen, und auch in der Wahrnehmung von Treuhänderaufgaben.
Aus alledem folgt, dass in der Geschäftstätigkeit von Kreditinstituten und
Pfandleihunternehmen zwar einige Gemeinsamkeiten, andererseits aber auch erhebliche
wesensmäßige Unterschiede in Art und Umfang der abgewickelten Geschäfte bestehen.
Eine andere Entscheidung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Einwand der
Klägerin, das Bundeswirtschaftsministerium und die Deutsche Bundesbank würden die
Pfandleihhäuser dem Finanzdienstleistungssektor zuweisen und diese wie ein
Kreditinstitut behandeln. Die Vorlage des Schreibens der Deutschen Bundesbank vom
14. März 2008, dass „gemäß den neuesten Bestimmungen Leihhäuser innerhalb des
Europäischen Zentralbankensystems dem finanziellen Sektor zugeordnet“ würden, ist
nicht geeignet, eine anderweitige Zuordnung der Klägerin zu begründen. Es ist unklar, in
welchem näheren Zusammenhang dieses Schreiben steht und welche Kriterien für die
Deutsche Bundesbank zur Zuordnung der Leihhäuser zum „finanziellen Sektor“
ausschlaggebend waren. Etwaige wirtschafts- und finanzpolitische Erwägungen sind im
Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unbedingt maßgeblich; einen
entscheidungserheblichen Gesichtspunkt hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Die Veranlagung der Klägerin in die Gefahrtarifstelle 13 erweist sich nach alledem als
rechtmäßig.
Für das hilfsweise Begehren der Klägerin, die Beklagte zu verpflichten, sie unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu den Gefahrklassen gem. §
159 SGB VII zu veranlagen, ist schon wegen der ermessensgerechten Zuordnung zur
Gefahrtarifstelle 13 kein Raum. Dass sie neben der Gefahrtarifstelle 01 einer konkreten
anderen Gefahrtarifstelle unterfiele, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Der Streitwert beziffert sich bei Veranlagungsstreitigkeiten auf den doppelten Betrag der
strittigen Beitragsdifferenz für ein Jahr, mindestens jedoch in Höhe des dreifachen
Auffangstreitwerts (= 15.000,00 Euro; vgl. BSG, Urteil vom 03. Mai 2006, B 2 U 415/05 B;
Auffangstreitwerts (= 15.000,00 Euro; vgl. BSG, Urteil vom 03. Mai 2006, B 2 U 415/05 B;
Beschluss vom 30. November 2006, B 2 U 410/05 B, zitiert nach juris). Für 2008 beträgt
der reine BG-Beitrag für die Klägerin 1.276,96 Euro, so dass als Streitwert der dreifache
Auffangstreitwert i. H. v. 15.000 Euro angesetzt worden ist (§ 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.
V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG)
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum