Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.02.2010

LSG Berlin und Brandenburg: behinderung, aufschiebende wirkung, dumping, erlass, klinik, anfechtungsklage, komplikationen, operation, gesundheitszustand, auskunft

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 18.02.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 17 B 173/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 11 SB 8/09
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die
Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des zu seinen Gunsten festgestellten Grades der Behinderung (GdB)
von 80 auf 30.
Der Kläger ist im Jahre 1942 geboren. Nachdem bei ihm im April 2000 ein Magenkarzinom festgestellt worden war,
musste er sich in der Folgezeit zunächst einer neoadjuvanten Chemotherapie sowie im August 2000 einer
Unterleibsoperation unterziehen. Bei dieser Operation wurden ihm der Magen und die Milz sowie mehrere
Lymphknoten entfernt; überdies wurde aus Teilen des Dünndarms ein Ersatzmagen gebildet.
Auf den vom Kläger bereits im Juni 2000 gestellten Antrag kam der Beklagte nach Auswertung der von ihm
beigezogenen ärztlichen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen einer Erkrankung des Magens im
Stadium der Heilungsbewährung behindert sei, und stellte mit seinem Bescheid vom 28. August 2000 wegen der
genannten Behinderung einen GdB von 80 fest. Zugleich wies er den Kläger darauf hin, dass er im 2. Halbjahr 2005
von Amts wegen prüfen werde, ob sich die für seine Feststellung maßgebenden Voraussetzungen geändert hätten.
Im Zuge des von ihm Ende Juni 2005 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens holte der Beklagte eine ärztliche
Auskunft der den Kläger behandelnden Internistin Dipl.-Med. B vom 12. August 2005 ein, in der die Ärztin u. a. darauf
hinwies, dass bei dem Kläger nunmehr auch eine psychovegetative Erschöpfung, eine von Durchfällen begleitete
Pankreasinsuffizienz sowie eine Neigung zur Extrasystolie bestehe. Der ärztlichen Auskunft beigefügt war eine
Epikrise des H-Klinikums B (RKlinik) vom 14. Juni 2005, in der es u. a. heißt, dass sich eine Tumormanifestation
nicht nachweisen lasse.
Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme von Dr. K vom 16. September 2005 teilte der Beklagte dem Kläger
mit, es sei beabsichtigt, den GdB für die Zukunft von 80 auf 30 herabzusetzen, weil hinsichtlich der festgestellten
Behinderung eine Heilungsbewährung eingetreten sei. Hierzu teilte der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. Oktober
2005 mit: Entgegen der Auffassung des Beklagten habe sich sein Gesundheitszustand nicht wesentlich verbessert.
Sein Immunsystem sei nach wie vor erheblich geschwächt, so dass insbesondere immer wieder fieberhafte Infekte
aufträten. Er müsse bis zu zehn kleine Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen und leide an Durchfällen sowie einem
Vitamin B 12-Mangel. Darüber hinaus habe er Angst vor einer Wiedererkrankung und sei vor diesem Hintergrund auch
in psychischer Hinsicht stark belastet.
Der Beklagte zog den Entlassungsbericht der Reha-Klinik O vom 11. Oktober 2002 über den dortigen Aufenthalt des
Klägers vom 20. August bis zum 17. September 2002 sowie eine weitere Epikrise der RKlinik vom 2. November 2005
über die dortige Vorstellung des Klägers vom 30. August 2005 bei, wonach für eine Turmormanifestation weiterhin
kein Anhalt bestehe.
Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W vom 6. März 2003 setzte der Beklagte den
festgestellten GdB mit seinem am 7. März 2006 abgesandten Bescheid vom 13. März 2006 für die Zeit ab
Bescheiddatum auf 30 herab und führte zur Begründung aus: Der Kläger sei wegen Verlusts des Magens behindert.
Da die Heilungsbewährung ohne Auftreten einer Rezidiverkrankung abgelaufen sei und auch keine Beeinträchtigung
des Kräfte- und Ernährungszustandes bestehe, könne dem Kläger ein GdB nur noch in der nunmehr festgestellten
Höhe zuerkannt werden. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte nach Einholung einer
erneuten gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W vom 15. Mai 2006 mit seinem Widerspruchsbescheid vom 13. Juli
2006 als unbegründet zurück.
Mit seiner daraufhin erhobenen Klage hat der Kläger auf sein Schreiben vom 31. Oktober 2005 Bezug genommen und
ergänzend darauf hingewiesen, dass die von ihm bereits geschilderten Angstzustände weiter zunähmen, eine
Behandlung jedoch nicht stattfinde; als späte Folge der Chemotherapie seien im Übrigen erhebliche Schäden am
Gebiss aufgetreten.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der RKlinik vom 7. Februar 2007 sowie der Internistin Dipl.-Med. B vom 28.
Februar 2007 eingeholt, denen weitere Epikrisen der RKlinik vom 31. März 2006 und 11. August 2006 über die
dortigen Vorstellungen des Klägers vom 6. März 2006 und 8. August 2006 beigefügt waren. In diesen Epikrisen wird
ausgeführt, dass eine tumorspezifische Symptomatik weiterhin nicht bestehe. Nach Durchführung eines
Erörterungstermins hat das Sozialgericht ergänzend einen Befundbericht der Zahnärztin Dipl.-Stom. S vom 2.
November 2007 eingeholt und sodann den Praktischen Arzt M mit der Erstattung eines medizinischen
Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 26. Februar 2008 eine
weitere Epikrise der RKlinik vom 6. Dezember 2007 über die dortige Vorstellung des Klägers vom 9. August 2007
sowie eine Epikrise der FKlinik vom 6. Februar 2008 über den dortigen stationären Aufenthalt des Klägers vom 1. bis
6. Februar 2008 berücksichtigt und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei wegen Verlusts des Magens und der
Milz mit Komplikationen (Dumping-Syndrom, Polyneuropathie der Füße) sowie wegen Bluthochdrucks und
Herzrhythmusstörungen behindert. Die erste Behinderung sei mit einem Einzel-GdB von maximal 40, die zweite
Behinderung mit einem Einzel-GdB von 10 zu bemessen. Der Gesamt-GdB, der allein auf der ersten Behinderung
beruhe, betrage seit September 2005 (Ablauf der Heilungsbewährung) 40. Hierbei sei nach der glaubhaften
Beschwerdeschilderung des Klägers sowie den Befunden der Internistin Dipl.-Med. B davon auszugehen, dass das
erstmals in der Epikrise der RKlinik vom 6. Dezember 2007 beschriebene Dumping-Syndrom bereits 2005 bestanden
habe, zumal das Auftreten eines Dumping-Syndroms erst 7 Jahre nach der Operation schulmedizinisch äußerst
unwahrscheinlich sei. Die zweite Behinderung sei jedoch erst ab Februar 2008 zu berücksichtigen. Sie ziehe eine
Erhöhung des Gesamt-GdB nicht nach sich. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juni 2008 hat der
Sachverständige seine Ausführungen nochmals bekräftigt.
Mit seinem Urteil vom 8. Dezember 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für ihn sei § 48 Abs. 1
des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Dessen Voraussetzungen lägen vor. Bezogen auf den
insoweit maßgeblichen Prüfungszeitpunkt (Erlass des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2006) sei eine
wesentliche – rechtserhebliche – Änderung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten. Wie sich aus dem
Gutachten des Sachverständigen Mergebe, sei der Kläger damals wegen des Verlusts des Magens und der Milz und
wegen Bluthochdrucks und Herzrhythmusstörungen behindert gewesen. Der Zahnverlust sei nicht von Bedeutung, weil
Anhaltspunkte dafür, dass eine prothetische Versorgung über längere Zeit nicht möglich gewesen sei, nicht
bestünden. Des Weiteren bestünden keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung von Relevanz. Die zuerst
genannte Behinderung sei zum maßgeblichen Prüfungszeitpunkt nach Ablauf der Heilungsbewährung mit einem
Einzel-GdB von 30 zu bewerten gewesen. Denn das von dem Sachverständigen Mfestgestellte Dumping-Syndrom
könne als Komplikation erst ab Dezember 2007 berücksichtigt werden und die Polyneuropathie der Füße sei nicht von
Bedeutung gewesen. Die zweite Behinderung habe einen Einzel-GdB von 10 nach sich gezogen, weil sie nur leicht
gewesen sei. Der Gesamt-GdB habe nur noch 30 betragen.
Gegen dieses ihm am 18. Dezember 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine
bisherigen Ausführungen weiter vertieft hat. Auf Nachfrage des Senats hat er erklärt, dass ihm der Bescheid des
Beklagten vom 13. März 2006 am 20. März 2006 bekannt gegeben worden sei.
In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Beklagte den Bescheid vom 13. März 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2006 aufgehoben, soweit damit der GdB bereits für Zeiten vor dem 20. März
2006 auf 30 abgesenkt worden ist.
Der Kläger hat das in dieser Erklärung liegende Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 8. Dezember 2008 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 13.
März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2006 in der Fassung der Erklärung des Beklagten
vom 18. Februar 2010 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze
der Beteiligten, sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung, mit der sich der Kläger nach der Annahme des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung des
Senats abgegebenen Teilanerkenntnisses nur noch gegen die Herabsetzung des GdB von 80 auf 30 für die Zeit ab
dem 20. März 2006 wendet, ist zulässig, aber unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im angegriffenen Umfang
zutreffend.
Wie das Sozialgericht mit Recht entschieden hat, ist die der Berufung zugrunde liegende Klage zulässig. Richtige
Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. des Sozialgerichtsgesetzes
(SGG). Sie betrifft den Bescheid des Beklagten vom 13. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
13. Juli 2006, der durch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats abgegebene Erklärung neu
gefasst worden ist. Da sich dieser Bescheid in der (teilweisen) Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung
(hier des Bescheides vom 28. August 2000) – nunmehr – für die Zeit ab dem 20. Juni 2006 erschöpft, kann der Kläger
mit der isolierten Anfechtungsklage sein in der Aufrechterhaltung des GdB von 80 liegendes Klageziel erreichen. Denn
würde der angefochtene Bescheid aufgehoben, lebte der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 28. August 2000,
mit dem der Beklagte zugunsten des Klägers einen GdB von 80 festgestellt hatte, wieder auf.
Die Anfechtungsklage, die auch im Übrigen zulässig ist, ist jedoch unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist maßgeblicher Prüfungszeitpunkt insoweit der Zeitpunkt des
Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, hier also der Zeitpunkt, zu dem der Beklagte den Widerspruchsbescheid
vom 13. Juli 2006 erlassen hat. Dass der Beklagte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, der Klage und der
Berufung sowie die Regelung des § 116 Abs. 1 2. Halbsatz des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX)
beachtet hat, wonach die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen noch bis zum Ende des 3.
Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Herabsetzung des GdB feststellenden Bescheides
anzuwenden sind, ändert hieran nichts (vgl. hierzu z. B. Bundessozialgericht, Urteil vom 11. November 1996 – 9 RVs
5/95 –, zitiert nach juris).
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid, gegen den formelle Bedenken nicht bestehen, ist § 48 Abs. 1 SGB
X. Danach ist ein – wie hier von Anfang an rechtmäßiger – Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Wege einer
gebundenen Entscheidung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Letzteres ist hier der Fall.
Denn entgegen der Auffassung des Klägers hat sich sein Gesundheitszustand bezogen auf den hier maßgeblichen
Prüfungszeitpunkt dergestalt verbessert, dass nunmehr nur noch ein GdB von 30 festzustellen war. Maßgebliche
Bestimmung für die Feststellung des GdB ist § 69 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX). Nach Abs. 1
Satz 1 der genannten Bestimmung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)
zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Bei der Prüfung, ob diese
Voraussetzungen vorliegen, sind für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die vom Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (vormals Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) herausgegebenen AHP in ihrer jeweils
geltenden Fassung zu beachten, wobei es hier entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auf die zum
maßgeblichen Prüfungszeitpunkt geltende Ausgabe 2005 (AHP 2005) ankommt. Die AHP sind zwar kein Gesetz und
sind auch nicht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen worden. Es handelt sich jedoch bei ihnen um eine
auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhende Ausarbeitung im Sinne von antizipierten
Sachverständigengutachten, die die möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im
gesamten Bundesgebiet zum Ziel hat. Die AHP engen das Ermessen der Verwaltung ein, führen zur
Gleichbehandlung und sind deshalb auch geeignet, gerichtlichen Entscheidungen zugrunde gelegt zu werden. Gibt es
solche anerkannten Bewertungsmaßstäbe, so ist grundsätzlich von diesen auszugehen (vgl. z. B.
Bundessozialgericht – BSG –, BSGE 91, 205), weshalb sich auch der Senat im vorliegenden Fall auf die genannten
AHP stützt.
Einzel-GdB sind entsprechend diesen Grundsätzen als Grad der Behinderung in Zehnergraden entsprechend den
Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG zu bestimmen. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer
Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB IX die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer
Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Teil
A Nr. 19 der hier einschlägigen AHP 2005 die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen,
ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene
Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen
überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von einer Funktionsbeeinträchtigung auszugehen,
die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen,
ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren
Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung
insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Leichte
Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des
Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es
vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr.
19 Abs. 1, 3 und 4 AHP 2005, Seite 24 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der GdB im Fall des Klägers zum hier maßgeblichen Prüfungszeitpunkt im
Sommer 2006 nur noch 30 betragen, was sich für den Senat aus einer Gesamtschau der vorhandenen ärztlichen
Unterlagen, insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen M in seinem Gutachten vom 26. Februar 2008
nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. Juli 2008 sowie den Epikrisen der RKlinik vom 2. November 2005, 31.
März 2006, 11. August 2006 und 6. Dezember 2007 ergibt.
Danach ist zunächst das bei dem Kläger als Totalentfernung des Magens zu berücksichtigende Magenleiden nach
Teil A Nr. 26.10 AHP 2005, Seite 78, mit einem Einzel-GdB von 30 zu bemessen. Denn es ist insoweit davon
auszugehen, dass die im Fall des Klägers nach der Entfernung des Magentumors im August 2000 abzuwartende
Heilungsbewährung von fünf Jahren seit dem Spätsommer 2005 abgelaufen ist, ohne dass sich ein Anhalt für eine
Tumormanifestation ergeben hätte. Auch eine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustands des Klägers
lässt sich nicht feststellen, was sich vor allem aus den oben genannten Epikrisen der RKlinik über die dortigen
Vorstellungen des Klägers am 30. August 2005, 6. März 2006, 8. August 2006 und 9. August 2007 ergibt. Danach hat
das Gewicht des Klägers bei einer Körpergröße von etwa 190 cm weitgehend konstant bei etwa 94 kg gelegen, wobei
zugleich von einem guten Appetit die Rede gewesen ist.
Komplikationen, die nach Teil A Nr. 26.10 AHP 2005, Seite 78, einen höheren Einzel-GdB als 30 nach sich ziehen
könnten, sind im Fall des Klägers nicht zu berücksichtigen. Denn sie sind frühestens im Herbst 2006 und damit erst
nach Erlass des Widerspruchsbescheides aufgetreten. Dies gilt insbesondere für das von dem Sachverständigen M in
den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gerückte Dumping-Syndrom mit Übelkeit und Völlegefühl nach dem Essen, weil
dieses Syndrom erstmals in der Epikrise der RKlinik vom 6. Dezember 2007 über die dortige Vorstellung des Klägers
vom 9. August 2007 beschrieben worden ist. Dass es bereits früher vorgelegen haben könnte, ist nicht nachgewiesen.
Der Sachverständige Mhat insoweit zwar dargelegt, dass das Syndrom nach der glaubhaften Beschwerdeschilderung
des Klägers sowie den Befunden von Dipl.-Med. B bereits 2005 bestanden haben müsse, zumal das Auftreten einer
derartigen Komplikation erst 7 Jahre nach der Operation schulmedizinisch äußerst unwahrscheinlich sei. Diesen
Darlegungen ist jedoch nicht zu folgen. Denn sie werden durch die der Begutachtung vorausgegangenen
Untersuchungsergebnisse der RKlinik nicht gestützt und finden auch in dem Befundbericht dieser Klinik vom 7.
Februar 2007 keine Grundlage. Ob das Dumping-Syndrom nach den AHP zwingend zu einem Einzel-GdB von 40
führen müsste, wie das Sozialgericht für die Zeit ab Erstellung der Epikrise der RKlinik im Dezember 2007 gemeint
hat, oder ob es für die Feststellung eines Einzel-GdB von 40 maßgeblich auf die hiervon ausgehenden Störungen
ankommt, an deren Relevanz mit Blick auf das Fehlen einer Resorptionsstörung und das Fehlen einer Anämie im Fall
des Klägers Zweifel bestehen könnten, kann damit dahinstehen.
Entgegen der Auffassung des Sachverständigen M kann auch die von ihm festgestellte Polyneuropathie der Füße
nicht als Komplikation des Magenleidens berücksichtigt werden und zu einem Einzel-GdB von 40 führen. Denn
abgesehen davon, dass der Sachverständige die in Rede stehende Polyneuropathie nur als leicht beschrieben und
hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigungen nicht aufgezeigt hat, fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen
Nachweis dafür, dass sie bereits zum hier maßgeblichen Prüfungszeitpunkt im Sommer 2006 vorgelegen haben
könnte.
Auch der bei dem Kläger unstreitig vorliegende Verlust der Milz ist entgegen der Auffassung des Sachverständigen M
nicht als Komplikation der Magenerkrankung zu berücksichtigen. Vielmehr handelt es sich insoweit nach Teil A Nr.
26.16 AHP 2005, Seite 102, um eine eigenständige Gesundheitsstörung, die mit einem separaten Einzel-GdB zu
bemessen ist und sich lediglich auf die Bildung des Gesamt-GdB auswirken kann. Auf das Bestehen dieser
Gesundheitsstörung ist der Beklagte nach Lage der Akten erstmals auf der Grundlage der von ihm in den Rechtsstreit
eingeführten versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 10. April 2008 und 1./5. August 2008 aufmerksam geworden.
Wie die Versorgungsärztin Dr. H darin zutreffend ausgeführt hat, ist diese Gesundheitsstörung nach Teil A Nr. 26.16
AHP 2005, Seite 102, mit einem Einzel-GdB von 10 zu bemessen, weil nach den Ausführungen des
Sachverständigen in seinem Gutachten vom 26. Februar 2008 keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass insoweit
Komplikationen aufgetreten sein könnten.
Auf die von dem Sachverständigen Mdes Weiteren festgestellten Herzrhythmusstörungen sowie den Bluthochdruck
kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht an. Denn diese Gesundheitsstörungen haben zwar
bereits in dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik O vom 11. Oktober 2002 Erwähnung gefunden. Nach den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen haben sie ein relevantes Ausmaß aber erst nach 2006 erlangt.
Im Übrigen könnten sie nach Teil A Nr. 26.09 AHP 2005, Seite 71, ohnehin nur mit einem Einzel-GdB von 10
bemessen werden, weil wesentliche Leistungsbeeinträchtigungen insoweit nicht feststellbar sind, und würden sich im
Ergebnis jedenfalls auf die Bildung des Gesamt-GdB nicht auswirken.
Weitere Behinderungen sind im Fall des Klägers nicht zu berücksichtigen. Bezogen auf den maßgeblichen
Prüfungszeitpunkt im Sommer 2006 hat insbesondere eine psychische Erkrankung beachtlichen Ausmaßes nicht
vorgelegen. Denn nach seinen eigenen Angaben ist der Kläger zu keiner Zeit in nervenärztlicher/psychiatrischer
Behandlung gewesen und hat nach Auffassung des Sachverständigen M in seinem Gutachten vom 26. Februar 2008,
dem insoweit Aussagekraft auch für die Vergangenheit zukommt, seine schwere Grunderkrankung sogar "exzellent
bewältigt". Des Weiteren bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass im Sommer 2006 eine relevante Erkrankung
der Mundhöhle bestanden haben könnte. Vor allem lässt sich nach dem Befundbericht der behandelnden Zahnärztin
Dipl.-Stom. S vom 2. November 2007 nicht feststellen, dass der Kläger an einem Zahnverlust gelitten haben könnte,
der – wie es Teil A Nr. 26.07 AHP 2005, Seite 63, verlangt – über ein halbes Jahr prothetisch nicht mehr hätte
ausreichend versorgt werden können.
Für die Bildung des Gesamt-GdB sind nach den vorstehenden Ausführungen lediglich die Totalentfernung des Magens
(nach Ablauf einer Heilungsbewährung) sowie der Verlust der Milz von Bedeutung. Die für diese Behinderungen zu
berücksichtigenden Einzel-GdB von 30 und 10 sind nach Teil A Nr. 19 AHP 2005, Seite 24 ff., zu einem Gesamt-GdB
von 30 zusammenzufassen, weil sich aus der zweiten Behinderung angesichts ihrer nur mäßigen Ausprägung eine
wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung insgesamt nicht herleiten lässt.
Der Beklagte ist damit verpflichtet gewesen, den bislang festgestellten GdB von 80 auf 30 herabzusetzen. Da der
Herabsetzungsbescheid vom 13. März 2006 dem Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 20.
März 2006 bekannt gegeben worden ist, bestehen gegen die Absenkung des GdB ab diesem Tag keine Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache selbst. Dem Umstand, dass der
Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats ein Teilanerkenntnis abgegeben hat, kommt in kostenrechtlicher
Hinsicht keine Bedeutung zu, weil sich dieses Teilanerkenntnis lediglich auf sieben Tage bezieht.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.