Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.02.2010

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
27. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 27 P 9 /10 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b SGG, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1
SGB 11, § 15 Abs 3 S 1 Nr 1
SGB 11, § 37 Abs 1 SGB 11, § 14
Abs 1 SGB 11
Gesetzliche Pflegeversicherung - Pflegeleistungen der
Pflegestufe I im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes -
Voraussetzungen des Anspruches auf Pflegeleistungen der
Pflegestufe I - Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
1. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Pflegeleistungen
der Pflegestufe I.
Am 28. Mai 2009 beantragte die Antragstellerin, die eine vollstationäre Pflegeeinrichtung
bewohnt, Leistungen der Pflegeversicherung. In dem von der Antragsgegnerin
eingeholten MDK-Gutachten vom 24. Juli 2009 ermittelte die Pflegefachkraft W einen
Zeitaufwand für die Grundpflege von 28 Minuten täglich und einen Zeitaufwand für die
Hauswirtschaft von 63 Minuten täglich. Dem Gutachten folgend lehnte die
Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 27/28. Juli 2009 ab. Hiergegen erhob die
Antragstellerin Widerspruch. Nach Einholung des MDK-Gutachtens vom 14. Oktober
2009, in welchem die Pflegefachkraft H einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 36
Minuten täglich und für die Hauswirtschaft von 45 Minuten täglich feststellte, wies die
Antragsgegnerin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2009,
zugestellt am 15. Dezember 2009, zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin am 14.
Januar 2010 Klage erhoben.
Ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss
vom 1. Februar 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt,
der Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft, da die Antragstellerin ihre Einkommens- und
Vermögensverhältnisse nicht dargelegt habe, so dass nicht zu erkennen sei, ob sie bis
zur Entscheidung in der Hauptsache selbst in der Lage sei, den behaupteten
Pflegebedarf sicher zu stellen.
Mit ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin u.a. den Bescheid über die
Rentenanpassung zum 1. Juli 2009 vorgelegt. Sie bringt vor, es sei nicht sachgerecht,
dass die Begutachtung sich auf ihre konkrete Lebenssituation in der Pflegeeinrichtung
bezogen hätte und nicht auf die Verhältnisse im häuslichen Umfeld.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist zulässig, aber
unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht
abgelehnt.
Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung liegen nicht vor. Nach § 86b Abs. 2
Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile notwendig erscheint. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsverfolgung in der Sache
erhebliche Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der Interessen
der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen
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der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung diejenigen
der anderen Beteiligten überwiegen und ohne die Regelung für ihre Realisierung
erhebliche Gefahren oder wesentliche Nachteile drohen (Anordnungsgrund).
Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch, d.h.
der geltend gemachte Anspruch auf Pflegeleistungen nach der Pflegestufe I, zusteht.
Voraussetzung ist nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) u. a., dass
der Anspruchsteller pflegebedürftig ist und mindestens der Pflegestufe I zugeordnet
werden kann. Pflegebedürftigkeit liegt hierbei nach § 14 Abs. 1 SGB XI vor, wenn der
Betroffene wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder
Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in
erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf, die nach § 14 Abs. 3 SGB XI in der
Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens oder in der Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der
eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen besteht. Als gewöhnliche und
regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im vorgenannten Sinne gelten nach § 14 Abs.
4 SGB XI im Bereich der Körperpflege, der neben den Bereichen der Ernährung und der
Mobilität zur Grundpflege gehört, das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das
Kämmen, Rasieren und die Darm- oder Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung das
mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung, im Bereich der Mobilität das
selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen,
Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich
der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung,
Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen.
Die Zuordnung zur Pflegestufe I setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
SGB XI voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der
Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen
mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen
bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein
Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für
die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung
benötigt, hat hierbei wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten zu
betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.
Anhand der vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass der
Grundpflegebedarf der Antragstellerin wöchentlich im Tagesdurchschnitt mehr als 45
Minuten betrug. In den MDK-Gutachten vom 24. Juli 2009 und vom 14. Oktober 2009
ermittelten die Sachverständigen einen Zeitaufwand für die Grundpflege von lediglich 28
bzw. 36 Minuten täglich. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht zu
beanstanden, dass die Gutachten auf die konkreten Rahmenbedingungen, hier der
Pflegeeinrichtung, abstellten. Eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes seit
der Gutachtenerstellung hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Das Vorliegen des
Anordnungsanspruchs kann jedoch offen bleiben.
Denn die Antragstellerin hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zutreffend
hat das Sozialgericht darauf abgestellt, dass es mangels Darlegung der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse nicht zu erkennen sei, ob die Antragstellerin bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache den geltend gemachten Pflegebedarf nicht selbst
sicherstellen könne. Auch im Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin keine
Angaben über ihr Vermögen gemacht. Angesichts dessen verbietet sich auch eine
Folgenabwägung.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 und
Abs. 4 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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