Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.02.2009

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
25. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 25 AS 569/09 B PKH
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 73a Abs 1 SGG, § 114 S 1
ZPO, § 11 Abs 3 Nr 1a SGB 2
Prozesskostenhilfe - hinreichende Erfolgsaussicht -
klärungsbedürftige Tat- und Rechtslage - Einkommen -
zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage -
Vereinbarung über die Zweckbestimmung
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts
Berlin vom 10. Februar 2009 aufgehoben. Dem Kläger wird für das
Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und
aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung von
Rechtsanwältin BSZ Rstraße, B bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 10. Februar 2009 ist
zulässig und begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Satz 1
Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe,
wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die
beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht
mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg
zukommt, gebietet Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem in Art 20 Abs. 3 GG
allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Art 19 Abs. 4 GG
verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende
Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des
Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht
überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der
Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht
(ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06. Mai 2009
– 1 BvR 439/08 – zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02 – in NJW 2003,
2976; vom 07. April 2000 – 1 BvR 81/00 – in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des
Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann
zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die
hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt
des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der
Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der
Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls
Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, § 73a Rn 7a, b, m. w. N.).
In diesem Sinne hatte die Klage von Anfang an sowie auch heute noch hinreichende
Erfolgsaussicht, denn die Rechtsfrage, ob es sich bei den Zahlungen des Vaters des
Klägers in Höhe von dreimal 200,- Euro im März und April 2006 um zweckbestimmte
Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II handelte oder ob sie zur Deckung der
laufenden Kosten des Lebensunterhalts dienten, ist noch klärungsbedürftig.
Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind nicht als
Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen
… einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des
Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch
nicht gerechtfertigt wären.
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Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (- BSG -; vgl. Urteil vom 01. Juni
2010 – B 4 AS 89/09 R -, m. w. N., zitiert nach juris ) ergeben sich die an den Begriff der
zweckbestimmten Einnahmen zu stellenden Anforderungen aus der Systematik des § 11
SGB II und dem Sinn und Zweck der Regelung. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II enthält den
Grundsatz, dass als Einkommen alle eingehenden geldwerten Leistungen unabhängig
von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu berücksichtigen sind. Die
Nichtberücksichtigung von Einnahmen erfolgt unabhängig davon, ob diese steuerfrei
sind, nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch den Zweck der weiteren
Einnahmen gerechtfertigt sein müssen. Es war die Intention des Gesetzgebers des SGB
II, die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie bisher in der Sozialhilfe zu
regeln BT-Drucks 15/1516S 53 zu § 11, nicht jedoch an das Recht der Arbeitslosenhilfe
anzuknüpfen. Nach sozialhilferechtlichen Vorschriften sollte es bei der
Einkommensberücksichtigung verbleiben, wenn eine Zweckidentität mit
Sozialhilfeleistungen festgestellt oder die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung
eines Zwecks „zweckneutral“ gewährt wurde. Sinn des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst a SGB II
ist es vor diesem Hintergrund zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung
einer Leistung durch ihre Berücksichtigung als Einkommen im Rahmen des SGB II
verfehlt wird bzw. für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden
Die Zweckbestimmung wird sich regelmäßig aus einer öffentlich-rechtlichen Norm
ergeben, jedoch können auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher
Grundlage – wie hier - hierunter fallen (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juni 2010, a. a. O.). Die
für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG
haben zu zweckbestimmten Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage bereits im
Zusammenhang mit Abfindungszahlungen wegen Verlust des Arbeitsplatzes gefordert,
dass eine Vereinbarung vorhanden sein muss, aus der sich objektiv erkennbar ergibt,
dass die Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck (privatrechtlicher
Verwendungszweck) verwendet werden soll, ihm also ein bestimmter Verwendungszweck
„auferlegt“ wird BSG, Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R– in SozR 4-4200 § 11 Nr.
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Das Sozialgericht wird unter Berücksichtigung dieser Vorgaben das Vorhandensein einer
Vereinbarung über die Zweckbestimmung der Leistungen festzustellen haben. Dazu hat
es den Kläger und insbesondere seinen Vater zu befragen. Nach dessen schriftlicher
Erklärung vom 13. Februar 2008 ist nicht ausgeschlossen, dass der Zweck in der
Vermeidung von – weiteren - Überziehungszinsen und einer beginnenden
Schuldenspirale bestand.
Die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.
Insbesondere ist der Kläger seit der Antragstellung nicht in der Lage, sich auch nur
teilweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Die Beiordnung der von ihm
benannten Rechtsanwältin ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 Satz 1
ZPO erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar, § 177 SGG.
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