Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.07.2006

LSG Berlin-Brandenburg: baustelle, geschäftsführer, erscheinen des zeugen, unternehmen, überwiegendes interesse, versicherungsschutz, firma, freiwillige versicherung, arbeitsunfall, provision

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
22. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 22 U 132/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 8 Abs 1 SGB 7
Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - sachlicher
Zusammenhang - Handlungstendenz - Gefälligkeit - keine
arbeitsvertragliche Pflicht - Kundenakquisition - Besichtigung
der Baustelle - Auslobung einer Provision bei Vermittlung von
Kundenadressen
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 04. Juli 2006
wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungs-verfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung; zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers am 26.
Oktober 2002 als Arbeitsunfall zu beurteilen ist.
Der 1968 geborene Kläger war als Dachdecker (Vorarbeiter) bei der C Dachbau- und
Meisterbetrieb GmbH & Co. KG (im Folgenden: C Dachbau) beschäftigt. Am Unfalltag,
einem Samstag, war der Kläger mit seinem PKW auf der Rückfahrt von einem Bekannten
zu seinem Wohnort in C. In L hielt er zu einer nicht sicher feststellbaren Uhrzeit im
Zeitraum zwischen 14.30 bis 15.30 h und begab sich auf das Anwesen des Zeugen R R
in der K-Straße . Zu diesem Zeitpunkt wurden im Gebäude hinter dem Hauptgebäude
Abbrucharbeiten, insbesondere auch Sägearbeiten im Dachgeschoss durchgeführt. In
diesem Gebäude befanden sich beim Eintreffen des Klägers wie auch zum
Unfallzeitpunkt die Zeugen R, L und S. Der Kläger besichtigte auf Wunsch des Zeugen
das Dach des Hauptgebäudes, da der Zeuge beabsichtigte, das Dach neu eindecken zu
lassen. Nach Beendigung seiner Besichtigung setzte der Kläger den Zeugen über das
Ergebnis seiner Besichtigung in Kenntnis. Dabei standen der Kläger, der Zeuge … und
der Zeuge … zusammen auf der Zwischendecke des Nebengebäudes, als diese
zusammen mit der Dachkonstruktion gegen 15.50 h teilweise einstürzte, so dass alle
drei Personen aus ca. 6 m Höhe auf den Boden fielen. Der Kläger erlitt dabei eine
instabile Lendenwirbelsäulenfraktur II sowie Talus- und Fibulamehrfachfrakturen links.
Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten teilte der Dachdeckermeister und
Geschäftsführer der C Dachbau, der Zeuge T N in seiner Unfallanzeige vom 18.
November 2002 mit, dass er am Unfalltag von der Ehefrau des Klägers um 19.30 Uhr
angerufen und ihm mitgeteilt worden sei, dass der Kläger verunglückt sei auf der
Baustelle eines Freundes des Klägers in L. Auf seine Frage, was er dort zu suchen
gehabt habe, er – der Zeuge N – habe für diesen Sonnabend keine Arbeit angeordnet
und dem Kläger auch keinen Auftrag erteilt, irgendwelche Baustellen zu besichtigen,
habe die Ehefrau des Klägers geantwortet, dass der Kläger dort „ nur so vorbeigefahren“
sei und dann „nur kurz mit angefasst“ hätte. Dabei sei es dann passiert, dass der
Dachstuhl eingebrochen sei und drei Personen mit abstürzten, die alle schwer verletzt
worden seien. Diese Angaben seien durch die Ehefrau des Klägers und den Kläger an ihn
weitergegeben worden. Es habe sich bei dieser Angelegenheit um einen Verstoß gegen
den Arbeitsvertrag gehandelt (unerlaubte Nebentätigkeit). Selbst wenn es stimmen
würde, dass der Kläger, wie er behaupte, dort ein Aufmaß habe tätigen wollen - dies wäre
das erste Mal gewesen, dass der Kläger ein Aufmaß zur Erstellung eines Angebotes
selbständig durchgeführt hätte -, hätte sich der Kläger bei ihm rückversichern müssen.
Aufmaße in der Sanierung seien sehr genau durchzuführen, so dass er solche Aufgaben
nie delegiert habe. In diesem Falle wäre er selbst mit vor Ort gewesen, wenn der Kläger
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nie delegiert habe. In diesem Falle wäre er selbst mit vor Ort gewesen, wenn der Kläger
ihn vorher angerufen hätte. Seine Erreichbarkeit sei gegeben gewesen.
Nach einer Telefonnotiz in den Akten der Beklagten vom 25. November 2002 hat der
den Kläger ab dem 21. November 2002 behandelnde Chirurg Dr. med. B der Beklagten
mitgeteilt, dass er Zweifel daran habe, dass ein Arbeitsunfall vorliege: Der Kläger habe
ihm gegenüber geäußert, dass er aus eigener Neugier bei dem Objekt mit zwei weiteren
Leuten auf dem Dach gewesen sei, das dann eingestürzt sei. Ein Auftrag oder eine Bitte
seines Arbeitgebers habe nicht vorgelegen.
Die Beklagte stellte daraufhin die Heilbehandlung des Klägers zu ihren Lasten ein.
In einem Fragebogen der Beklagten teilte der Kläger zum Unfallhergang mit: „auf
Interesse des Bekannten (Bauherr) schaute ich mir die Baustelle (Dach) an, um später
einen Auftrag für die Firma erteilen zu lassen. Beim Besichtigen stürzte die Decke ein“.
Auf eine Sachstandsanfrage des Klägers teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das
Ereignis vom 26. Oktober 2002 als Arbeitsunfall abgelehnt worden sei, weil die „Firma“
die Angaben des Klägers nicht bestätigt habe. Anschließend führte der Kläger mit
Schreiben vom 15. November 2004 unter anderem aus, die Behauptung seines
ehemaligen Arbeitgebers, dass er ein Aufmaß hätte tätigen wollen, treffe nicht zu. Er
habe lediglich die Baustelle besichtigt, um einen eventuellen Auftrag für die Firma zu
erhalten. Dies sei nicht die einzige Baustelle gewesen, die er selbständig besichtigt
habe. Wenn der Geschäftsführer im Urlaub gewesen sei, habe er von ihm für diese Zeit
Weisungs- und Befugnisberechtigungen erhalten. Aufgrund der jahrelangen guten
Zusammenarbeit sei es für ihn selbstverständlich gewesen, eigenverantwortlich im
Sinne der Firma zu handeln, da dies auch von ihm als Vorarbeiter verlangt worden sei.
Es seien nicht immer telefonische Rücksprachen, speziell wenn Samstag-Arbeit anstand,
getätigt worden, da der Geschäftsführers großes Vertrauen in seine Arbeit und sein
Handeln gesetzt habe. Speziell auf auswärtigen Baustellen sei er gezwungen gewesen,
selbständig ohne Rücksprachen zu handeln und zu arbeiten, da der Geschäftsführer
nicht immer erreichbar und vor Ort gewesen sei. Seinem Schreiben fügte der Kläger ein
Schreiben des R R vom 11. Februar 2003 bei, worin es – u. a. - heißt, dass der Kläger und
er einander bekannt seien und bei diesen Treffen über Dachinstandsetzungsarbeiten am
Bauobjekt K-Straße gesprochen worden sei, die die Firma, in der der Kläger beschäftigt
gewesen sei, eventuell ausführen sollte.
Auf weitere Nachfrage der Beklagten bestätigte Herr N mit Schreiben vom 18. Januar
2005 seine bereits vorher gemachten Angaben: Er habe bis zum Zeitpunkt der
Information durch die Ehefrau des Klägers nichts davon gewusst, dass der Kläger einen
Baustellenbesuch bei einem Freund machen würde, der zur Auftragserteilung führen
sollte. Hätte er ihm das vorab mitgeteilt, hätte er auf ein persönliches Treffen mit dem
Bauherrn bestanden, um alle Aufmaße und Eventualitäten, die der Kläger nicht
besprechen dürfe, zu erläutern, bis hin zur Preisbildung.
Mit Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 wurde die Gewährung einer
Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 26. Oktober 2002 abgelehnt. Ein
Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Unfall verursachende Tätigkeit stehe nicht im inneren
Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, da diese wesentlich allein privaten
Interessen gedient habe.
Mit Widerspruch vom 19. März 2005 trug der Kläger weiter vor: Er habe - vier näher
bezeichnete - Baustellen allein besichtigt. Meist seien Anfragen von Bekannten und von
Nachbarn von Baustellen, auf denen er gearbeitet habe, gekommen. Gegebenenfalls
habe er Aufmaße an den Geschäftsführer weitergeleitet, damit dieser ein Angebot
erstellen konnte. Preise habe immer der Geschäftsführer erstellt. In einem Fall sei
aufgrund seiner Empfehlung ein Angebot vom Geschäftsführer eingeholt worden.
Danach habe er - der Kläger - mehrmals nach Feierabend versucht, ohne Anweisung des
Geschäftsführers den Angebotsempfänger von den Qualitäten seiner damaligen Firma
zu überzeugen, damit es zum Auftrag komme. Wenn der Geschäftsführer im Urlaub
gewesen sei, habe auch die Sekretärin Anfragen zwecks Besichtigung von Baustellen an
ihn weitergeleitet. Gegebenenfalls habe er diese besichtigt und kleinere Reparaturen
seien von ihm sofort ausgeführt worden. Er habe auf dem Rückweg die Baustelle des
Zeugen besichtigen wollen, um den Zeugen R zu überzeugen, von der C Dachbau ein
Angebot einzuholen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005 wurde der Widerspruch des Klägers
zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 30. Mai 2005 beim Sozialgericht Cottbus (SG) Klage
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Hiergegen hat der Kläger am 30. Mai 2005 beim Sozialgericht Cottbus (SG) Klage
erhoben. Zur Begründung ist vorgetragen worden, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als
Vorarbeiter sowohl auf den Baustellen als auch bei der Auftragsbeschaffung den
Geschäftsführer regelmäßig vertreten habe. Darüber hinaus habe sein Arbeitgeber die
Beschäftigten mehr oder minder selbst darauf hingewiesen, dass es ratsamer sei, im
Freundes- und Bekanntenkreis so genannte Feierabendtätigkeiten nicht selbst
durchzuführen, sondern diese als entsprechende Aufträge an den Arbeitgeber zu
vermitteln. Hierfür sei auch eine Provision/Prämie versprochen worden, wobei der Kläger
in der Vergangenheit trotz Vermittlung von Aufträgen für das Unternehmen eine solche
zusätzliche Prämie/Provision aber von seinem Arbeitgeber nicht erhalten habe.
Insbesondere sei auch Grund für die verstärkte Akquise gewesen, dass das
Unternehmen sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe und überwiegend in
B tätig gewesen sei. Da deshalb doch erhebliche Anfahrtszeiten für die Arbeitnehmer
anfielen, seien diese daran interessiert gewesen, möglichst Aufträge in Firmensitz-
/Wohnortnähe zu erhalten. Dementsprechend sei der Kläger regelmäßig nicht nur auf
Baustellen von Freunden und Bekannten, sondern auch von Dritten erschienen, um eine
entsprechende Aquisetätigkeit für den Arbeitgeber durchzuführen, die auch regelmäßig
zu entsprechenden geschäftlichen Aufträgen des Arbeitgebers geführt hätten.
Deswegen habe sich der Kläger auch am 26. Oktober 2002 auf die Baustelle des Herrn R
begeben, von dem er wusste, dass Umbaumaßnahmen auch das Dach betreffen
würden. Der Kläger habe durch Inaugenscheinnahme des Bautenstandes prüfen wollen,
ob schon jetzt ein entsprechendes Angebot erstellt werden könne, da vor Beginn der
Umbaumaßnahme noch nicht klar gewesen sei, ob nur die Dach- oder auch
entsprechende Balkenkonstruktionen hätten erneuert werden müssen. Bei dieser
Inaugenscheinnahme seien plötzlich Teile des Hauses eingestürzt.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 in der Form des
Widerspruchsbescheides vom 29. April 2005 aufzuheben und festzustellen, dass die
beim Kläger erlittene Verletzung durch Fraktur der Lendenwirbelsäule, des Fuß-,
Unterschenkels Folge des Arbeitsunfalls vom 26. Oktober 2002 sei, sowie die Beklagte
zu verurteilen, dem Kläger infolge des Unfalls in festzustellender Höhe Leistungen zu
zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Vom Kläger als Zeugen seiner „Aquisetätigkeit“ benannte Personen haben sich auf
schriftliche Nachfrage des SG geäußert; wegen der Antworten wird auf den
Telefonvermerk vom 23. August 2005 (Bl. 24 der Gerichtsakten, betreffend den Zeugen
T) sowie die Schreiben des Zeugen B F vom 29. August 2005 (Bl. 25 der Gerichtsakten)
bzw. des Zeugen M E vom 09. September 2005 (Bl. 29 der Gerichtsakten) Bezug
genommen.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T N. Wegen des
Inhalts dieser Aussage wird auf die Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 04. Juli 2006
(Bl. 80 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Durch Urteil des SG vom 04. Juli 2006 wurde die Klage abgewiesen: Da der Kläger am
Unfalltag zur Überzeugung der Kammer nicht für seinen Arbeitgeber tätig gewesen sei,
sondern aus eigenem Antrieb einem Bekannten habe behilflich sein wollen, habe
Unfallversicherungsschutz nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB VII) nicht bestanden.
Gegen das der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. November 2006 zugestellte
Urteil wurde am 11. Dezember 2006 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg eingelegt.
Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, der Kläger habe sich nach Erledigung
einer privaten Angelegenheit in R auf dem Rückweg nach S auf die Baustelle des Zeugen
R begeben, um ihm anzubieten, doch auch seitens seines Arbeitgebers ein Angebot
über die Neueindeckung des Daches machen zu lassen Der Kläger habe die Baustelle
betreten, um dem Zeugen zu erklären, dass auch die Firma seines Arbeitgebers
entsprechende Dachdeckerarbeiten ausführt und ob man nicht vereinbaren könne, dass
die Firma seines Arbeitgebers einen Auftrag erhalte. Nur aus diesem Grund habe er sich
auf die Baustelle begeben. Der Kläger meint, dass in dem Versprechen einer Provision
durch den Zeugen der mündlich erteilte Auftrag zu sehen sei, dass außerhalb der
regulären Arbeitszeit jeder Arbeitnehmer selbständig bei entsprechenden Interessenten
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regulären Arbeitszeit jeder Arbeitnehmer selbständig bei entsprechenden Interessenten
vorsprechen dürfe. Insoweit habe der Kläger, als er sich auf die Baustelle des Zeugen R
begeben habe, mit Zustimmung des Arbeitgebers gehandelt.
Soweit der Zeuge N bekundet habe, dass ihm die Ehefrau des Klägers telefonisch
mitgeteilt habe, dass der Kläger bei Herrn R gewesen sei, um seinem Kumpel zu helfen,
werde dies bestritten. Die Ehefrau habe nicht gewusst, ob und warum der Kläger sich
überhaupt auf dieser Baustelle aufgehalten habe. Der Kläger habe auch nie behauptet,
dass er die Baustelle des Herrn R besucht habe, um ein Aufmaß aufzunehmen. Es sei
bei seinem Besuch am Unfalltag lediglich darum gegangen festzustellen, was denn der
potentielle Kunde R konkret alles an Arbeiten im Dachbereich vorgehabt habe. Im
Übrigen habe keiner der im Berufungsverfahren gehörten Zeugen erklärt, dass der
Kläger selbst Sägearbeiten auf Baustelle des Herrn R verrichtet habe.
Es helfe auch nicht weiter zu unterstellen, dass der Zeuge mit dem Kläger befreundet
sei. Auch dieser Umstand treffe nicht zu (Schriftsatz vom 08. August 2007).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 04. Juli 2006 sowie den Bescheid der
Beklagten vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.
April 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente aus der
gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Kläger sich an den Dacharbeiten beteiligt habe, so
dass Unfallversicherungsschutz nicht gegeben gewesen sei. Dies ergebe sich aus
zeitnah zum Unfallzeitpunkt erstellten schriftlichen Unterlagen von den den Kläger
behandelt habenden Ärzten.
Auf Anfrage des Berichterstatters hat das C-Klinikum C den Notaufnahmefallbericht über
den Kläger vom 26. Oktober 2002 übersandt. Dort heißt es in der Rubrik „Unfallhergang,
Beschäftigung während des Unfalls (genaue Beschreibung)“: „JA: Z. n. Sturz aus 6 m
Höhe (Beteiligung an Dacharbeiten auf einem alten Fabrikgebäude, welches
zusammenstürzte ...)“.
Auf Nachfrage hat der Facharzt für Chirurgie Dr. med. B (Schreiben vom 03. Mai 2007)
im Wesentlichen mitgeteilt, dass der in seinem H-Arzt-Bericht vom 22. November
vermerkte Unfallhergang („Bei Abrissarbeiten stürzte der Patient vom Dach! Höhe ca. 6
m“) aus dem Durchgangsarztbericht der Unfallchirurgie C vom 29. November 2002,
Chefarzt Dr. D, übernommen worden sei.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes sind die Zeugen R und S und die Zeugin K V
vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahmen wird auf die Anlagen
zu den Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakten, der zum Verfahren bei gezogenen Akten der Unteren
Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Oberspreewald-Lausitz zum
Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Zeugen R (Az.: …) sowie der Verwaltungsakte
der Beklagten (Az.: …), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis
zu Recht die Klage, die bei sachgerechter Auslegung des erstinstanzlich gestellten
Antrags schon erstinstanzlich auf Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen
Unfallversicherung gerichtet war, abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.
Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2005 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen
Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 56 Abs. 1 S. 1
Sozialgesetzbuch VII (SGB VII), wonach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines
Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um
wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente haben. Versicherungsfälle im
Sinne dieser Vorschrift sind, was hier allein in Betracht kommt, Arbeitsunfälle (§ 7 Abs. 1
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Sinne dieser Vorschrift sind, was hier allein in Betracht kommt, Arbeitsunfälle (§ 7 Abs. 1
SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten
infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden
Tätigkeit.
Der streitgegenständliche Unfall ist nicht als Arbeitsunfall zu beurteilen.
Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten
zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher
Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den
Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und das
Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden verursacht hat (haftungsbegründende
Kausalität; vgl. nur Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 11/04 R,
zitiert nach juris).
Der Kläger war zwar Versicherter, denn er war zu Unfallzeit Beschäftigter der C Dachbau
gemäß § 2 Abs.1 Nr. 1 SGB VII. Allerdings vermag der Senat nach dem Gesamtergebnis
des Verfahrens (§ 128 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) nicht fest zu stellen, dass eine
Verrichtung des Klägers im Unfallzeitpunkt in einem inneren oder sachlichen
Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden hat.
Für die Beurteilung, ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, im inneren,
sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist entscheidend, ob sie
innerhalb der Grenze liegt, bis zu der der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung
reicht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- vgl. nur BSGE 94, 262,
263). Bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten ist dabei
maßgebend, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende
Tätigkeit ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände
des Einzelfalls bestätigt wird. Handelt der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus
seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung, ist dies unmittelbar zu bejahen (BSG,
Urteil vom 30. Juni 2009, B 2 U 22/08 R, zitiert nach juris).
Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der
Kläger am Unfalltag seinen Rückweg zu seinem Wohnort unterbrochen und sich in L zu
einer nicht sicher feststellbaren Uhrzeit im Zeitraum zwischen 14.30 bis 15.30 h auf das
Anwesen des Zeugen R R in der K-Straße begeben hatte. Er begrüßte den Zeugen der
zu diesem Zeitpunkt mit den und im Gebäude hinter dem Hauptgebäude Arbeiten,
insbesondere auch Sägearbeiten im Dachgeschoss durchführte und besichtigte
anschließend auf Wunsch des Zeugen das Dach des Hauptgebäudes. Nach Beendigung
der Besichtigung stand er anschließend mit dem Zeugen … und dem Zeugen …
zusammen, während er mit dem Zeugen R. über das neu zu deckende Dach in dem von
ihm besichtigten Gebäude sprach. So teilte er dem Zeugen mit, ob das Holz noch gut
war, was mit dem Schornstein sei, ob etwas erneuert werden könnte. Im Verlauf dieses
Gesprächs ereignete sich der Unfall mit dem Einsturz nach dem Inhalt der bei
gezogenen Akten der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Oberspreewald-
Lausitz etwa gegen 15 Uhr 50.
Der Kläger handelte bei diesem Geschehen zur Überzeugung des Senats im Rahmen
eines Hilfsdienstes aufgrund freundschaftlicher Beziehungen zu dem Zeugen in Erfüllung
gesellschaftlicher- nicht rechtlicher Verpflichtungen- dieses möglicherweise verbunden
mit einem eigenen privaten Interesse am Zustandekommen eines Auftrags für seinen
damaligen Beschäftigungsbetrieb zum Erhalt einer für ihn ortsnahen Baustelle.
Dies folgt aus den Bekundungen der Zeugen … und …. Nach der Aussage des Zeugen
hatte sich der Kläger nach seinem Eintreffen und einem nur kurzen Gespräch mit dem
Zeugen Rauf das Dach des Hauptgebäudes, das er über den Anbau erkletterte,
begeben, um auf dessen Wunsch das Dach zu besichtigen. Diese Besichtigung erfolgte
nach seinen Bekundungen bei seiner Vernehmung vom 12. November 2009 innerhalb
einer halben Stunde. Nach seiner Rückkehr des Klägers seien ca.10 Minuten geredet
worden. In dieser Zeit habe der Kläger dem Zeugen bis zum Zeitpunkt des Einsturzes
unter anderem mitgeteilt, ob das Holz noch gut war, was mit dem Schornstein sei, ob
etwas erneuert werden könnte.
Diese Angaben sind glaubhaft, sie lassen sich in Übereinstimmung bringen mit den
Bekundungen des Zeugen S der in dem Nebengebäude auch mit Arbeiten beschäftigt
war. Der Zeuge S hat die Zeugen R und L sowie den Kläger drei bis vier Minuten im
Gespräch zusammen stehend gesehen, bevor er sich wieder an seinen Arbeitsort, von
dem aus kein Sichtkontakt zu dem Standort der drei genannten Personen bestand,
zurück begeben hatte. Als er nach einer halben Stunde wieder auf die Zwischendecke
zurückgekehrt war, hat er die Personen aus ca. 5 bis 6 m Entfernung „noch oder erneut“
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zurückgekehrt war, hat er die Personen aus ca. 5 bis 6 m Entfernung „noch oder erneut“
(Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 12. November 2009) zusammen stehen und
miteinander sprechen sehen, bevor die Zwischendecke einbrach. Soweit der Zeuge S in
seinem Schreiben vom 26. Juni 2007 bekundet hatte, dass in dem Zeitraum von der
Ankunft des Klägers bis zum Unfall sich dieser „unmittelbar am Ort des Geschehens
(Zersägen des Balkens)“ aufgehalten habe, hat er dies bei seiner mündlichen
Vernehmung nicht mehr aufrechterhalten. Er hat ausdrücklich erklärt, dass er nicht
sagen könne, was der Kläger in dieser Zeit gemacht habe (vgl. Anlage 1 zur
Sitzungsniederschrift vom 12. November 2009). Er hat bekräftigt, dass die genannten
drei Personen im Unfallzeitpunkt im Gespräch zusammen gestanden hatten, hat (vgl.
Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 12. November 2009).
Es lässt sich nicht zur Überzeugung des Senates feststellen, dass der Kläger zum
Unfallzeitpunkt mit Abrissarbeiten, insbesondere Sägearbeiten beschäftigt war, wie dies
die Beklagte insbesondere unter Bezugnahme auf den Notaufnahmebericht des Dr.
med. D vom 26. Oktober 2009 annimmt. Zwar heißt es in diesem bei der Notaufnahme
des Klägers in das C-T-Klinikum C am Unfalltag erstellten Bericht unter der
„Jetztanamnese“, dass es sich um einen „Zustand nach Sturz aus 6 m Höhe
(Beteiligung an Dacharbeiten auf einem alten Fabrikgebäude, welches
zusammenstürzte)“ gehandelt habe, aber der verwendete Ausdruck der „Beteiligung an
Dacharbeiten“ lässt bereits offen, ob es sich um einen aktiven Beitrag des Klägers
gehandelt hat und was mit „Dacharbeiten“ konkret gemeint ist.
Soweit Dr. med. D (in seinem Durchgangsarztbericht vom 29. Oktober 2002) und ihm
folgend Dr. med. B (in seinem H-Arzt-Bericht vom 22. November 2009) zum
Unfallhergang “Bei Abrissarbeiten mit dem Dach zusammengestürzt“ vermerkt haben,
lässt sich daraus bereits nicht zwingend schließen, dass der Kläger solche Arbeiten
selbst ausgeführt hat. Denn die Bezeichnung „bei Anrissarbeiten“ lässt sich auch
verstehen als „gelegentlich der Arbeiten Dritten“. Entscheidend fällt ins Gewicht, dass
keiner der glaubwürdigen Zeugen, die sich zum Zeitpunkt des Unfalls unmittelbar am
Unfallort befunden haben und die deshalb aus eigener Anschauung Angaben zur
Tätigkeit des Klägers in diesem Zeitpunkt machen konnten, etwas von einer Beteiligung
des Klägers an den Abrissarbeiten, z.B. durch Sägen, berichteten.
Der Zeuge R hat ausdrücklich verneint, dass der Kläger selbst mit Hand angelegt habe
(vgl. Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 04. April 2007). Soweit sich Hinweise auf die
Durchführung von Abrissarbeiten durch den Kläger aus der Aussage des Zeugen N
ergeben, der bekundet hat, dass die Ehefrau des Klägers ihm bei ihrem Anruf am
Unfalltag gesagt habe, dass der Kläger auf der Baustelle gewesen sei und seinem
Kumpel geholfen habe (Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 04. Juli 2006), hat dem
die Zeugin K V widersprochen (vgl. Anlage 2 zur Sitzungsniederschrift vom 04. April
2007). Möglicherweise liegt ein Missverständnis vor, da unter der „Hilfe“ für einen
„Kumpel“ auch durchaus die Tätigkeit des Klägers in Gestalt der Besichtigung des
Dachstuhls des Zeugen R und dessen Unterrichtung über den notwendigen Umfang der
diesbezüglichen Rekonstruktionsarbeiten verstanden werden kann.
Der Zeuge L war nach dem Inhalt der bei gezogenen Akte der Unteren
Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Oberspreewald-Lausitz am Unfalltag und auch
später nicht befragt worden. Von ihm liegt auch sonst keine Aussage zum Unfalltag vor.
Von seiner Vernehmung hat der Senat abgesehen, da sich der Zeuge nach dem
vorliegenden ärztlichen Attest in Verbindung mit den Angaben seiner Ehefrau wegen
einer zwischenzeitlich eingetretenen Erkrankung nicht erinnern kann.
Die gesamte oben genannte Tätigkeit des Klägers seit Betreten des Anwesens des
Zeugen steht nach den oben genannten Maßstäben des BSG in keinem inneren oder
sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Beschäftigter der C
Dachbau.
Der Arbeitsvertrag gibt hierfür keine Grundlage. Der Kläger hatte nicht die Aufgabe, zur
Vorbereitung eines Auftrags, Gebäude zu besichtigen. Eine konkrete Weisung des
Zeugen N, die potenzielle Baustelle des Zeugen R zu besichtigen und diesen vom
Ergebnis der Besichtigung zu unterrichten, hat auch nach Vortrag des Klägers nicht
bestanden.
Die am Unfalltag verrichtete Tätigkeit des Klägers unterschied sich in Form und Art
deutlich von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten als Dachdecker/Vorarbeiter im
Unternehmen der C Dachbau GmbH und Co.KG.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senates aus den überzeugenden Angaben des
Zeugen N, des damaligen Geschäftsführers der C Dachbau. Nach den glaubhaften
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Zeugen N, des damaligen Geschäftsführers der C Dachbau. Nach den glaubhaften
Angaben des Zeugen N war der Kläger im Rahmen seiner Funktion als Vorarbeiter
lediglich berechtigt, während der Arbeitszeit zu einer Bauberatung zu gehen, zusätzliche
Wünsche der Kunden zur Kenntnis zu nehmen und diese als Hinweise an den
Geschäftsführer weiterzugeben (vgl. Schreiben vom 18. Januar 2005). Der Zeuge N war
als Geschäftsführer vielmehr selbst derjenige, der die Objekte besichtigte, die Maße
aufgenommen und den Preis mit dem Kunden festgelegt hat. Eine Delegierung dieser
Aufgaben hat nicht stattgefunden. Er hatte bis zum Zeitpunkt der Information durch die
Ehefrau des Klägers nichts davon gewusst, dass der Kläger den Baustellenbesuch
machen würde. Der Zeuge führte aus, dass er auf ein persönliches Treffen mit dem
Bauherrn bestanden hätte, um alle Aufmaße und Eventualitäten, die der Kläger nicht
besprechen dürfe, zu erläutern, bis hin zur Preisbildung, wenn ihm das vorab mitgeteilt
worden wäre.
Der Kläger hat zwar vorgetragen, er habe den Geschäftsführer „bei der
Auftragsbeschaffung regelmäßig vertreten“, er habe regelmäßig auf den Baustellen die
notwendigen Absprachen mit den Auftraggebern führen dürfen, ohne dass er nochmals
Rücksprache mit dem Arbeitgeber habe führen müssen, er sei auch ausreichend
bevollmächtigt gewesen, für den Arbeitgeber zu handeln. Diesbezüglich hat der Zeuge N
aber klar gestellt, dass sich diese Befugnisse immer nur auf die vorbereitete Baustelle
bezogen haben, die in der Abwesenheit des Geschäftsführers bearbeitet worden sei;
dabei ist es um Materialbeschaffung bis hin zur Arbeitseinteilung gegangen (vgl.
Schreiben vom 18. Januar 2005). Verantwortlich für das Beschaffen von Aufträgen war
allein der Geschäftsführer der C Dachbau.
Soweit nach den Bekundungen des Zeugen N auf einer Betriebsversammlung der
Belegschaft der C Dachbau von dem Zeugen eine Provision für den Fall ausgelobt
worden ist, dass ein Mitarbeiter Arbeit beschafft durch die Vermittlung von Adressen von
Interessenten, wobei die Provision beim Abschluss des Auftrages ausgezahlt werden
sollte, ergibt sich hieraus kein Auftrag zur Besichtigung von Baustellen zur
Kundenwerbung. Die Mitarbeiter wurden lediglich motiviert, Interessenten namhaft zu
machen. Nach der Aussage des Zeugen N war für den Fall, dass ein Bauherr an einem
Auftrag Interesse gezeigt hätte, er selbst einzuschalten, um dann selbst auf die
Baustelle zu fahren und sich diese anzusehen. Eine Erweiterung des Arbeitsvertrags,
etwa eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Klägers zur eigenständigen Besichtigung
von (Dach-)Baustellen mit anschließender Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der
Besichtigung folgt aus der Erklärung des Zeugen nicht.
Es lassen sich auch sonst keine Umstände feststellen, dass der Kläger am Unfalltag
durch seine Besichtigung und die anschließende Unterrichtung des Zeugen R eine der C
Dachbau objektiv nützliche Tätigkeit verrichtet hat und dass seine Handlungstendenz
auch darauf gerichtet war. Soweit der Kläger vorträgt, er habe sich nach Erledigung einer
privaten Angelegenheit in R auf dem Rückweg nach S auf die Baustelle des Zeugen
begeben, um diesem anzubieten, seitens seines Arbeitgebers ein Angebot über die
Neueindeckung des Daches machen zu lassen, ist dies behauptete Motiv weder
bewiesen noch dem Unternehmen der C Dachbau dienlich. Denn nach der auch insoweit
glaubhaften Aussage des Zeugen R vom 12. November 2009 war dieser schon vor dem
Besuch des Klägers am Unfalltag entschlossen, einen Kostenvoranschlag von der
Arbeitgeberin des Klägers einzuholen. Insoweit hatte es der Tätigkeit des Klägers am
Unfalltag objektiv gar nicht mehr bedurft, um seinem Beschäftigungsbetrieb insoweit zu
dienen.
Unter Berücksichtigung der bereits angeführten Angaben des Zeugen N zum weiteren
Ablauf nach Nennung eines potentiellen neuen Auftraggebers wäre vielmehr der nächste
Schritt der gewesen, dass der Geschäftsführer selbst, nachdem er - z.B. auch vom
Kläger - vom Wunsch des Zeugen R nach einem Kostenvoranschlag in Kenntnis gesetzt
worden wäre, sich die Baustelle angeschaut hätte, um das Aufmaß zu machen und
gegebenenfalls Preise für die Instandsetzung des Dachstuhls des Hauptgebäudes zu
benennen.
Lässt sich wie hier nicht feststellen, dass die Unfall bringende Verrichtung dem
Unternehmen objektiv genützt hat, schließt dieses Fehlen objektiver Nützlichkeit zwar
den Versicherungsschutz jedenfalls dann nicht aus, wenn der Versicherte von seinem
Standpunkt aus aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein durfte, seine
Tätigkeit sei geeignet, den Interessen des Unternehmens zu dienen (vgl. BSG, Urteil
vom 27. Juni 1991, 2 RU 17/90, zitiert nach juris). Allerdings vermag der Senat solche
objektiven Anhaltspunkte nicht zu erkennen.
Der Kläger konnte jedenfalls nicht aufgrund des Provisionsversprechens und auch nicht
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Der Kläger konnte jedenfalls nicht aufgrund des Provisionsversprechens und auch nicht
aufgrund früherer Erfahrungen davon ausgehen, durch eine Tätigkeit wie seine am
Unfalltag den Interessen des Unternehmens zu dienen und beispielsweise einen Beitrag
zum Zustandekommen eines Werkvertrages zwischen seinem Arbeitgeber und dem
Zeugen R zu leisten. Er selbst wie auch der Zeuge gingen davon aus, dass ein
Erscheinen des Zeugen auf der Baustelle erforderlich war, damit das Angebot vom
Zeugen erstellt werden könnte.
Selbst wenn unterstellt würde, dass die Unfall bringende Tätigkeit des Klägers am
Unfalltag dem Unternehmen der dienlich gewesen ist und die Handlungstendenz des
Klägers hierauf gerichtet gewesen wäre, so läge unter Berücksichtigung der sonstigen
vom Kläger genannten, privaten Motive (Arbeitsplatzerhaltung, kürzerer Weg zur
Arbeitsstätte bei Baustellen im näheren Betriebsstätten- und Wohnumfeld, Verdienen
einer Provision) eine sog. „gemischte Motivationslage“ vor, bei der für die Bejahung des
inneren Zusammenhangs zwischen Verrichtung und versicherter Tätigkeit entscheidend
wäre, ob die Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die
private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12. September
2009, B 2 U 12/08 R, zitiert nach juris). Dies ließe sich nicht zur Überzeugung des
Senates feststellen. Der Kläger hat sein überwiegendes Interesse zum Ausdruck
gebracht, Baustellen in unmittelbarer Nähe zu erhalten, um auch die für die
Arbeitnehmer sehr langen Fahrzeiten nach Berlin zu ersparen, wo das Unternehmen zu
diesem Zeitpunkt überwiegend tätig war und seinen Arbeitsplatz zu erhalten. In seinem
Schreiben an die Beklagte vom 15. November 2004 hat der Kläger die Sorge um den
Erhalt seines Arbeitsplatzes angesichts von Lohnrückständen von bis zu drei Monaten
und Außenständen bei den Lieferanten als Motiv seines Handelns zum Ausdruck
gebracht.
Hingegen stellt sich das Handeln des Klägers vom Betreten der Baustelle an bis zum
Unfallzeitpunkt aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen als geradezu
selbstverständlicher Hilfsdienst dar, für den kein Versicherungsschutz besteht (vgl. BSG,
Urteil vom 26. April 1990, 2 RU 39/89, m. w. N., zitiert nach juris). Verrichtungen
aufgrund freundschaftlicher Beziehungen schließen zwar eine arbeitnehmerähnliche
Tätigkeit des Verletzten nicht von vornherein aus, aber kein Versicherungsschutz
besteht, wenn es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu
selbstverständlichen Hilfsdienst handelt wie im vorliegenden Fall.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erweist sich die Tätigkeit des Klägers auf dem
Grundstück des Zeugen als eine aus der Freundschaft der Familie des Zeugen mit der
Familie des Klägers heraus erwachsene selbstverständliche, dem Umbauvorhaben des
Zeugen R dienende Gefälligkeitshandlung. Die Besichtigung des Daches des
Hauptgebäudes am Unfalltag und die anschließende dargelegte Unterrichtung des
Zeugen R durch den Kläger beispielsweise über den Zustand der Holzkonstruktion des
Dachstuhles und des Schornsteines war eine für den Zeugen R objektiv nützliche
Verrichtung. Der Zeuge R erhielt durch diese Tätigkeit des Klägers fachlich fundierte
Kenntnis vom Zustand des zu renovierenden Daches des Hauptgebäudes.Denn im
Zuge der von ihm geplanten Baumaßnahmen auf seinem Anwesen K-Straße in L sollte
die Tätigkeit des Klägers nach dem Bekunden des Zeugen R (Anlage 2 zur
Sitzungsniederschrift vom 12. November 2009) dazu dienen, Klarheit zu erhalten über
den Umfang der notwendigen Dach-Rekonstruktionsarbeiten. Damit erlangte der Zeuge
R Informationen über den Umfang Maßnahmen, den er mit einem Architekten
absprechen wollte.
Die Tätigkeit des Klägers war nach dem damaligen Stand der privaten Beziehungen
zwischen dem Kläger und dem Zeugen R zur Überzeugung des Senates eine geradezu
selbstverständliche Hilfeleistung. Dies ergibt sich aus den wiederum glaubhaften
Bekundungen des Zeugen R. Nach seiner Aussage vom 12. November 2009 bestand
zum damaligen Zeitpunkt des Unfalls zwischen der Familie des Klägers und der des
Zeugen R ein enger privater und freundschaftlich zu nennender Kontakt. Beide Familien
hatten 2 Kinder, über die sie nach Aussage des Zeugen verbunden waren. Die Familien
kannten sich bereits seit ca. 10 bis 12 Jahren und trafen mit den Kindern privat
regelmäßig alle drei bis vier Wochen zusammen. Zur Gestaltung der Beziehungen
gehörte auch, dass sich der Kläger und der Zeuge R gegenseitig bei handwerklichen
Arbeiten halfen. Dazu gehörten sowohl Reparaturarbeiten des Zeugen für den Kläger als
auch Hilfsarbeiten des Klägers für die Familie … wie die Reparatur einer Dachrinne des
Zeugen R. durch den Kläger (Aussage vom 12. November 2009).
Diesen glaubhaften Angaben des Zeugen ist der in der mündlichen Verhandlung bei der
Aussage anwesende Kläger nicht entgegengetreten. Sein Vortrag mit Schriftsatz vom
08. August 2007 erscheint insoweit allerdings befremdlich. Dort wurde vorgetragen, es
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08. August 2007 erscheint insoweit allerdings befremdlich. Dort wurde vorgetragen, es
helfe auch nicht, weiter zu unterstellen, dass der Zeuge mit dem Kläger befreundet sei.
Auch dieser Umstand treffe nicht zu. Der Zeuge als auch der Kläger hätten lediglich
erklärt, dass man sich kenne, weil man sich bereits geschäftlich kontaktiert hatte wegen
der Anschaffung und Reparatur technischer Geräte des Haushaltes. Gerade damit
beschäftige sich der Zeuge als Gewerbe. Daraus eine Freundschaft abzuleiten, sei weit
her geholt. Auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe sich bei dem Zeugen ein
Angebot für eine Küche erstellen lassen und habe deshalb den Zeugen auch persönlich
kennen gelernt. Auch hier werde niemand unterstellen und behaupten, dass allein
daraus eine Freundschaft entstanden sei. Nicht anders verhalte es sich beim Kläger.
In diesen Rahmen der gelebten sozialen Beziehung zwischen dem Kläger und dem
Zeugen R reiht sich die Tätigkeit des Klägers am Unfalltag geradezu selbstverständlich
als Hilfsdienst unter Freunden ein. Gestützt wird dies durch die Kürze der Verrichtung
und des gesamten Aufenthalts. Auch die Tatsache, dass sich der Kläger an einem für ihn
arbeitsfreien Tag in Unterbrechung einer privaten Heimfahrt ohne eine genauere
Terminabsprache auf das Anwesen des Zeugen R begeben hat, um sich den Dachstuhl
des Hauptgebäudes anzuschauen mit seiner Erklärung, er habe nicht viel Zeit wegen
eines weiteren privaten Termins (Aussage des Zeugen vom 04. April 2007) spricht für
einen nur freundschaftlichen Hilfsdienst, bei dem der Kläger seine persönlichen Belange
durch aus auch im Blick hatte.
Schon von daher war der Kläger am Unfalltag auch nicht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII
versichert, wonach Personen versichert sind, die wie nach Absatz 1 Nr.1 Versicherte tätig
werden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf das Unternehmen als auch hinsichtlich des
Unternehmens des Zeugen.
§ 2 Abs. 2 SGB VII will aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den
Versicherungsschutz auf Tätigkeiten erstrecken, die zwar nicht sämtliche Merkmale
eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber
einer abhängigen Beschäftigung ähneln, indem eine ernstliche, einem fremden
Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers
entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach sonst
von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis stehen. Allerdings ist zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit,
die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise
dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet wird. Nach
der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt wie dargelegt der mit dem - objektiv
arbeitnehmerähnlichen - Verhalten verbundenen Handlungstendenz, die vom bloßen
Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist, ausschlaggebende Bedeutung zu.
Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines
Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene
Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit
nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer
eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein nach
Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift Tätiger unter Versicherungsschutz (ständige
Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 05. Juli 2005, B 2 U 22/04 R, m. w. N., zitiert
nach juris). Dasselbe gilt, wenn die Verrichtung aufgrund enger familiärer Bindungen
oder mitgliedschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher bzw. körperschaftlicher
Verpflichtungen erbracht wird. Stellt sich das Tätigwerden aufgrund der konkreten
sozialen Beziehungen als geradezu selbstverständlicher Hilfsdienst dar, besteht
ebenfalls kein Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 26. April 1990, 2 RU 39/89, m.
w. N., zitiert nach juris). Und ein solcher liegt, wie dargelegt vor.
Soweit denkbar ist, dass ein Arbeitnehmer nebenher auch noch selbständig für den
Arbeitgeber werbend tätig ist und der Vortrag des Klägers, wonach er regelmäßig auf
Baustellen nicht nur von Freunden und Bekannten, sondern auch von Dritten erschien,
um Kundenwerbung für seine Arbeitgeberin zu betreiben (S. 3 der Klageschrift vom 30.
Mai 2005), die Anforderungen erfüllen könnte, die das BSG an eine unternehmerische
Tätigkeit stellt, kann dahinstehen, ob der Kläger am Unfalltag (auch) als Unternehmer
tätig war, wobei er kraft Satzung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder freiwillig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1
SGB VII) unfallversichert hätte sein können.
Selbst wenn der Kläger Unternehmer gewesen wäre, bestünde kein Versicherungsschutz
nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, da nach der im Zeitpunkt des Unfalls gültigen Satzung der
Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover (Satzung
vom 25. Juni 1997, in der Fassung vom 25. Juni 1998) die Versicherung sich nicht auf den
Unternehmer erstreckte, wenn er seiner Mitteilungspflicht nach § 192 Abs. 1 SGB VII
nicht nachgekommen ist (§ 45 Abs. 1 1. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 der Satzung). Dass
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nicht nachgekommen ist (§ 45 Abs. 1 1. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 der Satzung). Dass
der Kläger sein Unternehmen binnen einer Woche nach Beginn des Unternehmens dem
zuständigen Unfallversicherungsträger angemeldet hätte (§ 192 Abs. 1 SGB VII), lässt
sich nicht feststellen, dafür spricht nichts.
Da auch für eine freiwillige Versicherung des Klägers nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nichts
ersichtlich ist, scheidet auch insoweit ein Unfallversicherungsschutz des Klägers hier aus.
Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, beruht auf §
193 Abs.1 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da hierfür die Voraussetzungen nach § 160
Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 fehlen.
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