Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.09.2008

LSG Berlin und Brandenburg: industrie, produktion, ddr, zugehörigkeit, verwaltung, berechtigung, gewinnung, bauwesen, wohnraum, magistrat

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 22.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 4 RA 1643/03
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 R 942/07
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen. Kosten
sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte den Zeitraum vom 01. September 1976 bis zum 30. Juni 1990
als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech,
Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes - AAÜG -)
und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte feststellen muss.
Der 1954 geborene Kläger erwarb nach einem Studium der Fachrichtung Ingenieurbau an der Hochschule für
Architektur und Bauwesen W am 22. Oktober 1976 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Diplomingenieur zu
führen. Er war nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis vom 01. September 1976 bis zum 30. April
1983 als Bauingenieur bei dem Volkseigenen Betrieb (VEB) Bau- und Montagekombinat (BMK) Ingenieurhochbau
Berlin und vom 01. Mai 1983 bis zum 30. Juni 1990 bei dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) Berlin-
Lichtenberg zunächst als Bauingenieur und ab Januar 1986 als Rationalisierungsingenieur beschäftigt. Er trat zum 01.
Januar 1978 der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei.
Den am 06. August 2002 gestellten Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeit als Zeit der Zugehörigkeit zu
einem Zusatzversorgungssystem lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. September 2002 ab, weil die in der
Kommunalen Wohnungsverwaltung ausgeübte Beschäftigung zwar der technischen Qualifikation entsprochen habe,
jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder in einem gleichgestellten Betrieb gemäß der 2.
Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (2. DB, Gbl. I, S. 487) verrichtet worden sei. Den
dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, der VEB BMK habe neben dem Wohnungsbau- und
dem Tiefbaukombinat zu den drei großen Baukombinaten Berlins gehört und sei somit zumindest einem volkseigenen
Produktionsbetrieb gleichgestellt. Der VEB KWV sei außerdem kein reiner Verwaltungsbetrieb gewesen. Im
strukturellen Aufbau habe es neben dem Direktionsbereich Wohnungswirtschaft (Verwaltung) noch weitere
Direktionsbereiche wie Investitionsauftraggeber, Technik und einen großen Produktionsbereich gegeben. Im
Produktionsbereich sei die obere Erzeugnislinie von den Gewerken wie Dachdecker, Bauklempner und
Schornsteinmaurer und die untere Erzeugnislinie von den Gewerken wie Elektriker, Sanitär- und Heizungsrohrleger,
Maler, Maurer, Schlosser und vor allem Tischler geprägt gewesen. Die leistungsstarke Tischlerei sei mit Aufträgen
über die Berliner Stadtgrenze hinaus beschäftigt gewesen. Um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, sei z. B. 1986/1987
eine große Holztrocknungsanlage errichtet worden, an deren Beschaffung und technischer Betreuung er maßgeblich
beteiligt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Bei dem VEB KWV habe es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) und auch nicht
um einen gleichgestellten Betrieb gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB gehandelt.
Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, er habe vom 01.
September 1976 bis zum 30. April 1983 als General- und Hauptauftragnehmer-Bauleiter bei dem VEB BMK und vom
01. Mai 1983 bis zum 30. Juni 1990 als Bau- und Rationalisierungsingenieur bei dem VEB KWV gearbeitet. Die enge
Verbindung zum Bauwesen sei hier gegeben. Darüber hinaus habe der VEB KWV einen Fachdirektionsbereich
Produktion gehabt. Mithin habe es sich um einen Bauproduktionsbetrieb gehandelt, der natürlich noch weitere
Aufgaben, aber insbesondere die Baufunktion, erfüllt habe. Die anderen Bereiche des VEB KWV seien darauf
gerichtet gewesen, diese Baufunktion sicherzustellen. Der Kläger hat einen Funktionsplan für die Tätigkeit als
Rationalisierungsingenieur bei dem VEB KWV vom 27. März 1986 und eine Leistungseinschätzung vom 03. April
1984 vorgelegt und darauf verwiesen, dass er danach mitverantwortlich gewesen sei für die Technisierung und
Rationalisierung der Instandhaltungs- und Reparaturprozesse, d. h. unter anderem für die Erarbeitung und Überleitung
neuer rationeller Reparaturtechnologien bis zur Abnahme durch die Produktion sowie Nachnutzung von Ratiomitteln
und rationellen Reparaturtechnologien und Überleitung in die Produktion. Außerdem hat der Kläger Kopien eines
Organigramms für den Zeitraum 1980 bis 1987 nebst Anlagen über den Vergleich der eigenen Bauproduktion, die
Weichdachpflege, die vereinfachte Ausführungsdokumentation für Baumaßnahmen der oberen Erzeugnislinie (OEL),
die Reparaturtechnologien, die im VEB KWV angewendet worden seien, die Nachnutzungsinvestitionen, die
Leistungen und Aufgaben der Rationalisierungswerkstatt sowie die planmäßigen Instandsetzung und zentrale
Regenerierung zu den Akten gereicht. Er hat ausgeführt, der VEB KWV habe die Aufgabe gehabt, die Instandsetzung,
Instandhaltung und Modernisierung sowie den Um- und Ausbauprozess zur Gewinnung der besseren Auslastung von
Wohnraum zu gewährleisten. Dazu habe die produktive Instandsetzung der Altbausubstanz, u. a. über
Dachprogramme, gehört. Der VEB KWV sei also ein volkseigener Betrieb mit geplanter und abgerechneter
Bauproduktion gewesen.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass der VEB KWV nach der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR
der Wirtschaftsgruppe 70151 (Wohnungs- und Grundstücksverwaltung) zugeordnet gewesen sei.
Das Sozialgericht hat zunächst einen Registerauszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft bzgl. der Berliner
Volkseigene Wohnungsverwaltung Lichtenberg (HRC 375) beigezogen.
Dann hat es durch Urteil vom 25. April 2007 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der VEB KWV sei
zwar ein volkseigener Betrieb, jedoch kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen.
Produktionsbetriebe im Sinne der Versorgungsordnung seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) nur solche Betriebe gewesen, deren Hauptzweck auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw.
Produktion von Sachgütern, im Bereich des Bauwesens auf die Massenproduktion von Bauwerken ausgerichtet
gewesen sei. Einen derartigen Hauptzweck habe der VEB KWV aber nicht verfolgt. Nach dem Vorbringen des Klägers
habe der VEB KWV die Aufgabe gehabt, die Instandsetzung, Instandhaltung und Modernisierung der Wohnungen
sowie den Aus- und Umbau zur Gewinnung oder besseren Auslastung von Wohnraum zu gewährleisten. In diesem
Rahmen habe der VEB KWV entsprechende Bauleistungen erbracht. Damit werde er aber nicht zum
Produktionsbetrieb. Dies seien nur Betriebe, deren Hauptzweck die Massenproduktion von Bauwerken gewesen sei.
Denn nur der Massenausstoß standardisierter Produkte habe hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der
Planwirtschaft ermöglichen können. Deshalb sei die Arbeit in solchen Betrieben privilegiert gewesen. Der VEB KWV
sei auch nicht dem Wirtschaftsbereich der Bauwirtschaft und damit dem Ministerium für Bauwesen zugeordnet
gewesen. Er sei vielmehr der Wohnungs- und Grundstücksverwaltung zugeordnet und dem Magistrat von Berlin, Rat
des Stadt-bezirks Lichtenberg, Abteilung Wohnungswesen, unterstellt gewesen. Bei dem VEB KWV habe es sich
auch nicht um einen gleichgestellten Betrieb i. S. des § 1 Abs. 2 der 2. DB gehandelt. Zu den dort aufgezählten
Betrieben und Einrichtungen gehöre er nicht. Die Aufzählung sei abschließend und eine Erweiterung nach der
ständigen Rechtsprechung des BSG nicht möglich.
In seiner dagegen eingelegten Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, er erfülle unstreitig die die persönlichen,
sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer
Zusage gemäß § 1 der VO-AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 der 2. DB. Das Sozialgericht habe seine Tätigkeit bei
dem VEB BMK nicht berücksichtigt, auch hier seien die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt. Dies gelte auch für den
VEB KWV, denn er habe unter Beweis gestellt, dass dort nach industriellen Methoden, den Fließlinien im
Schichtsystem, gearbeitet worden sei, so dass ein Hauptzweck der Betriebstätigkeit in der industriellen Fertigung,
Fabrikation und Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern im Bereich des Bauwesens bestanden habe. So sei die
Bauproduktion beim Dachprogramm von 1980 auf 1987 um 370 % gesteigert worden. Ein weiterer Hauptzweck sei die
Fensterproduktion auf dem zentralen Bauhof des VEB gewesen, die nicht nur für interne Zwecke, sondern auch für
Drittfirmen in erheblichem Maße erfolgt sei. Auch hier habe sich von 1980 auf 1987 eine Steigerung um 348 %
ergeben. Der VEB KWV habe mit seinem leistungsstarken autarken Direktionsbereich Produktion, mithin in seinem
Kernbereich, materielle Produktion vorgenommen. Letztlich stellt der Kläger klar, die Zahlen der eigenen
Bauproduktion seien die Ergebniszahlen des gesamten VEB KWV. Außerdem sei er der einzige Diplom-Bauingenieur
im Direktionsbereich Technik gewesen, der als Bauingenieur gearbeitet habe. Im Weiteren bezieht er sich auf eine
(unvollständige) Abschrift vom 21. September 1987 über das ingenieurtechnische bzw. ingenieurökonomische
Personal des VEB.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich, die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Urteils vom 25. April 2007 und
des Bescheides vom 10. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 die Zeiten
vom 01. September 1976 bis zum 30. April 1983 und vom 01. Mai 1983 bis zum 30. Juni 1990 als Pflichtbeitragzeiten
nach den Vorschriften des AAÜG und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 11. Juni und 01. August 2008 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten
Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er
hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht
zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Feststellung des streitigen Zeitraums als solchen der Zugehörigkeit
zu einem Zusatzversorgungssystem und der in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte.
In dem Verfahren nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sozialgesetzbuch
Sechstes Buch (SGB VI) ähnlich und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführen ist (vgl. BSG in SozR 3-8570 §
8 Nr. 2), ist die Beklagte nur dann zu den von dem Kläger begehrten Feststellungen verpflichtet, wenn dieser dem
persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nach § 1 Abs. 1 unterfällt. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist in einem
weiteren Schritt festzustellen, ob er Beschäftigungszeiten zurückgelegt hat, die einem Zusatzversorgungssystem,
hier der AVItech, zuzuordnen sind (§ 5 AAÜG).
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit
zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme
einen Verlust der Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt
dieser Verlust als nicht eingetreten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG ist nicht
erfüllt; er hätte vorausgesetzt, dass der Kläger in der DDR zunächst durch einen staatlichen Akt in ein
Versorgungssystem (hier: in die AVItech) einbezogen und dann zu einem späteren Zeitpunkt entsprechend den
Regelungen des Systems ausgeschieden wäre. Er war aber zu keinem Zeitpunkt auf Grund eines staatlichen Akts
oder einer einzelvertraglichen Zusage in ein Versorgungssystem einbezogen worden.
Dem Anwendungsbereich des AAÜG konnte der Kläger daher nur unterfallen, wenn er eine fiktive
Versorgungsanwartschaft i. S. der vom BSG vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG
gehabt hätte. Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Für die Anwendbarkeit des AAÜG kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 10.
Februar 2005 - B 4 RA 48/04 R - m. w. N., zitiert nach juris) auf die am 30. Juni 1990 gegebene Sachlage mit Blick
auf die bundesrechtliche Rechtslage am 01. August 1991, dem Inkrafttreten des AAÜG, an. Dies folge aus den
primär- und sekundärrechtlichen Neueinbeziehungsverboten des Einigungsvertrags (EV). So untersage der EV
primärrechtlich in der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a Neueinbeziehungen ab dem 03.
Oktober 1990. Darüber hinaus ordne der EV in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 - wenn auch mit
Modifikationen - die sekundärrechtliche Weitergeltung des Rentenanglei-chungsgesetzes der DDR (RAnglG-DDR) an,
das Neueinbeziehungen ab dem 01. Juli 1990 untersagt habe (§ 22 Abs. 1 S. 1 RAnglG-DDR). Da letztlich auf Grund
dieser Regelungen Neueinbeziehungen in ein Zusatzversorgungssystem ab dem 01. Juli 1990 nicht mehr zulässig
gewesen seien, sei darauf abzustellen, ob der Betroffene nach den tatsächlichen Gegebenheiten bei Schließung der
Zusatzversorgungssysteme (30. Juni 1990) einen "Anspruch" auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte.
Bei dieser Bewertung sei auf die Regelungen der Versorgungssysteme abzustellen, wie sie sich aus den Texten der
VO-AVItech (Gbl. S 844) und der 2. DB ergäben. Nach § 1 VO-AVItech i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 der 2. DB hänge ein
solcher Anspruch von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Generell sei gemäß § 1
der VO-AVItech und der 2. DB erforderlich 1. die Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen
(persönliche Voraussetzung) und 2. die Ausführung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und
zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens im Sinne von § 1
Abs. 1 der 2. DB oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Maßgeblich sei hierbei das Sprachverständnis der Deutschen Demokratischen Republik am 02. Oktober 1990 (vgl.
BSG in SozR 3-8570 § 1 Nr. 2).
Die Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage haben bei dem Kläger zum
Stichtag, also am 30. Juni 1990, nicht vollständig vorgelegen. Der Senat kann deshalb ausdrücklich offen lassen, ob
er der oben zitier-ten Rechtsprechung des BSG folgt. Denn nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(- 1 BvR 1921/04 -, - 1 BvR 203/05 -, - 1 BvR 445/05 - und - 1 BvR 1144/05 - vom 26. Oktober 2005, veröffentlicht in
SozR 4-8560 § 22 Nr. 1) ist die Gleichbehandlung mit Inhabern einer Versorgungszusage verfassungsrechtlich nicht
geboten.
Der bereits für die Zeit ab dem 01. September 1976 geltend gemachte Anspruch des Klägers besteht bereits deshalb
nicht, weil er die persönliche Voraussetzung erst ab dem 22. Oktober 1976 erfüllt. Erst zu diesem Zeitpunkt ist ihm
die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Diplom-Ingenieur zu führen, verliehen worden.
Für den sich daran anschließenden Zeitraum vom 23. Oktober 1976 bis zum 30. Juni 1990 kommt eine Anerkennung
nicht in Betracht, weil zudem die betriebliche Voraussetzung am Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht erfüllt ist.
Der Kläger hat zwar am Stichtag in einem VEB gearbeitet, bei dem VEB KWV hat es sich aber nicht um einen
Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gehandelt. Dies hat das Sozialgericht ausführlich und unter
Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG dargelegt. Die zitierte Rechtsprechung des BSG bezieht sich, wie der
Kläger richtig erkennt, natürlich nicht auf den hier streitigen VEB KWV. Die Ent-scheidungen des BSG enthalten aber
eine allgemeine Definition des Begriffs der Massenproduktion von Bauwerken und der industriellen Fertigung von
Sachgütern, unter die die konkreten Einzelfälle zu subsumieren sind. Es bedarf deshalb keiner Frage, dass die in den
Urteilen des BSG (vgl. BSG in SozR 4-8570 § 1 Nr.3 und SozR 3-8570 § 1 Nr. 6; BSG, Urteil vom 23. August 2007 –
B 4 RS 3/06 R, zitiert nach juris) entwickelten Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall Anwendung zu finden
haben.
Gegen die Auffassung des Klägers, bei dem VEB KWV habe es sich um einen Produktionsbetrieb der Industrie oder
des Bauwesens gehandelt, spricht bereits der Name des VEB, der auf die Verwaltung von Wohnungen abstellt. Nach
den Ausführungen in Herbst/Ranke/Winkler, So funktionierte die DDR, Band 1, Stichwort "Kommunale
Wohnungsverwaltung" und in Ökonomisches Lexikon der DDR, Verlag Die Wirtschaft2. Aufl. 1970, Stichwort
"Kommunale Wohnungsverwaltung", handelte es sich bei kommunalen Wohnungsverwaltungen gerade um
volkseigene Betriebe der nichtproduktiven Sphäre, die Wohnhäuser zu verwalten und zu bewirtschaften hatten. Der
Senat hat ebenso wie das BSG keine Bedenken, sich auf diese Literatur zu stützen (so BSG in SozR 4-8670 § 1 Nr.
1 und Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 1/06 R -, zitiert nach juris).
Gegen die Annahme, bei dem VEB KWV handele es sich um einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens, spricht weiterhin seine Zuordnung zur Wirtschaftgruppe 70151 (Wohnungs- und Grundstücksverwaltung).
Außerdem war der VEB KWV keinem Industrie- oder Bauministerium unterstellt, sondern, wie sich aus dem
beigezogenen Registerauszug ergibt, dem Magistrat von Berlin, Rat des Stadtbezirks Lichtenberg, Abteilung
Wohnungswesen.
Der Senat vermag sich auch aufgrund der eigenen Angaben des Klägers nicht davon zu überzeugen, dass es
Hauptzweck des VEB KWV gewesen ist, massenhaft Bau-werke zu produzieren. Anhaltspunkte dafür, dass der VEB
KWV hauptsächlich in der industriellen Fertigung von Sachgütern tätig war, sieht der Senat erst recht nicht. Denn der
Kläger hat nicht vorgetragen, welche Produkte industriell gefertigt worden sind.
Der Kläger hat ausführlich beschrieben, dass der VEB KWV die Aufgabe gehabt habe, die Instandsetzung,
Instandhaltung und Modernisierung sowie den Um- und Ausbau-prozess zur Gewinnung der besseren Auslastung von
Wohnraum zu gewährleisten. Im strukturellen Aufbau habe es neben dem Direktionsbereich Wohnungswirtschaft
(Verwaltung) noch weitere Direktionsbereiche wie Investitionsauftraggeber, Technik und einen großen
Produktionsbereich gegeben. Im Produktionsbereich sei die obere Erzeugnislinie von den Gewerken wie Dachdecker,
Bauklempner und Schornsteinmaurer und die untere Erzeugnislinie von den Gewerken wie Elektriker, Sanitär- und
Heizungsrohrleger, Maler, Maurer, Schlosser und vor allem Tischler geprägt gewesen.
Die verschiedenen Direktionsbereiche machen deutlich, dass nicht überwiegend produziert, sondern auch verwaltet
worden ist, wie bereits der Name des VEB KWV be-sagt. Dass bei dem VEB auch Bauleistungen erbracht worden
sind, um die zum VEB KWV gehörende Wohnsubstanz instand zu setzen, zu erhalten und zu modernisieren, wird
nicht in Abrede gestellt. Damit ist jedoch kein standardisierter Massenausstoß von Bauwerken verbunden, der dem
VEB aber das Gepräge gegeben haben müsste. Auch die vorgelegte Liste des ingenieurtechnischen und
ingenieurökonomischen Per-sonals vom 21. September 1987 erlaubt nicht den Rückschluss, dass im VEB KWV
hauptsächlich massenhaft Bauwerke produziert worden sind, denn die überwiegende Anzahl der aufgeführten
Personen wurde in der Technik, der Ökonomie, der Wärme, der Zentrale, der WoWi (Wohnungswirtschaft?) und der
Buchhaltung beschäftigt. Die weiter von dem Kläger vorgelegten Unterlagen wie der Funktionsplan vom 27. März 1986
und die Aufstellungen betreffend die Entwicklung eigener Bauproduktion usw. sind nicht geeignet, die Behauptung zu
stützen, bei dem VEB KWV habe es sich - entgegen seinem Namen - um einen Produktionsbetrieb des Bauwesens
gehandelt. Denn es fehlt den Unterlagen jeder Bezug zum Gesamt-VEB. Die Darlegung der Umstände allein im
Produktionsbereich lässt jedoch keine Schlüsse auf den Hauptzweck des VEB KWV zu.
War der Kläger aber am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des
Bauwesens tätig gewesen, kommt es auf die Frage, ob für die Tätigkeit bei dem VEB BMK in der Zeit vom 22.
Oktober 1976 bis zum 30. April 1983 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die AVItech erfüllt sind, nicht an.
Da der Kläger auch nicht in einem gemäß § 1 Abs. 2 der 2. DB einem volkseigenen Produktionsbetrieb
gleichgestellten Betrieb gearbeitet hat, scheidet aus diesem Grund die Annahme einer fiktiven
Versorgungsanwartschaft ebenfalls aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.