Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2007

LSG Berlin und Brandenburg: unfallversicherung, beitragspflicht des arbeitgebers, unternehmen, versicherungsschutz, mindestbeitrag, unternehmer, satzung, sozialversicherung, anteil, rechtsform

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 22.03.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 67 U 797/00
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 15/03-16
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2003 wird
zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, soweit es die Beitragsbescheide für
1999, 2000 und 2001 betrifft. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Soweit
der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat, wird der Streitwert auf 288,96 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung zur Entrichtung von Mindestbeiträgen und Insolvenzgeldumlagen.
Der Kläger betreibt in Berlin seit mehreren Jahren eine Rechtsanwaltskanzlei. Er beschäftigte seit 1994 Versicherte,
die nach seinen Angaben geringfügig Beschäftigte waren oder ausgebildet wurden. Durch Bescheid über die
Zuständigkeit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Aufnahmebescheid) nach § 136 Sozialgesetzbuch VII (SGB
VII) vom 27. Mai 1999 stellte die Beklagte die Zugehörigkeit des Unternehmens des Klägers zur
Verwaltungsberufsgenossenschaft und die Beitragspflicht des Klägers als Unternehmer mit Wirkung zum 01. Januar
1994 fest. Mit 5 Beitragsbescheiden vom 06. Juli 1999 für die Jahre 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998 erhob die
Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe des Mindestbeitrags sowie des Anteils an der
Insolvenzgeldumlage. Daraus ergaben sich folgende Beiträge: 1994 64,46 EUR (120,00 DM + 6,08 DM) 1995 88,34
EUR (150,00 DM + 22,78 DM) 1996 108,39 EUR (171,00 DM + 41,00 DM) 1997 102,51 EUR (177,00 DM + 23,50 DM)
1998 104,92 EUR (177,00 DM + 28,20 DM)
Gegen die Beitragsbescheide für 1994, 1996, 1997 und 1998 legte der Kläger insoweit Widerspruch ein, als die
Beklagte Mindestbeiträge und Insolvenzgeldumlagen erhoben habe. Dies sei rechtswidrig. Während des
Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte auch den Beitragsbescheid vom 25. April 2000 für 1999, der durch
Bescheid vom 24. April 2002 abgeändert wurde und mit dem sie einen Beitrag in Höhe von 104,07 EUR (90,50 EUR [=
177,00 DM] + 13,57 EUR) erhob. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2000 wies die Beklagte den
Widerspruch gegen die Beitragsbescheide für die Jahre 1994, 1996, 1997 und 1998 zurück. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts sei eine Berufsgenossenschaft berechtigt, ihre Beitragserhebung grundsätzlich mit der
Regelung über einen Mindestbeitrag zu verknüpfen. Der Mindestbeitrag werde erhoben, wenn die individuelle
Beitragsberechnung einen Betrag ergebe, der niedriger als der vom Vorstand beschlossene Mindestbeitrag sei, der
einen Anteil der Verwaltungskosten abdecken müsse. Außerdem sei bei der Festlegung die aktuelle Bezugsgröße
nach § 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) zu beachten, die dann zur Berechnung von Geldleistungen
heranzuziehen sei, wenn das Bruttoarbeitsentgelt zur Berechnung von Geldleistungen unterhalb der Bezugsgröße
liege. Bei den tatsächlich zu erhebenden Beiträgen würden diese zu dem versicherten Risiko nicht mehr in einem
angemessenen Verhältnis stehen. Nach § 358 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) seien die Mittel für das
Insolvenzgeld einschließlich der Beiträge für die Verwaltungskosten und sonstigen Kosten, die mit der Gewährung des
Insolvenzgeldes zusammenhingen, von den Berufsgenossenschaften nachträglich aufzubringen. Der aufzubringende
Anteil werde nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen auf ihre Mitglieder umgelegt. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Rechtsform, Größe, Branche und Ertragslage des Unternehmens
ohne Bedeutung für die Beurteilung der Insolvenzgeldumlage. Das Bundesverfassungsgericht habe auch festgestellt,
es erscheine sachgerecht, dass der Gesetzgeber die Aufbringung der Mittel im gesetzlich vorgegebenen System der
Unfallversicherung geregelt habe, denn auch hier werde die prinzipielle Arbeitgeberhaftung durch eine solidarische
Risikoverteilung zwischen den Arbeitgebern gelöst.
Mit der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe in den Jahren
1994 bis 1999 verschiedene Personen geringfügig beschäftigt bzw. ausgebildet. Nach seiner Auffassung sei es
geboten, die Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung an die Sozialversicherungspflicht zu knüpfen. Ein
Nachteil für die Beschäftigten entstehe dadurch nicht, weil beispielsweise auch Schüler und Studenten in der
gesetzlichen Unfallversicherung versichert seien, obwohl für diese Personenkreise keine Beiträge entrichtet würden.
Versicherungsschutz und Beitragspflicht seien nach der gesetzlichen Regelung somit nicht zwingend miteinander
verbunden. Mit der Befreiung von bestimmten geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen von der
Sozialversicherungspflicht erkenne der Gesetzgeber das Bedürfnis der Arbeitgeber an, Arbeitnehmer in begrenztem
Rahmen ohne großen bürokratischen Aufwand zu beschäftigen. Wenn der Arbeitgeber jedoch verpflichtet werde, auch
für geringfügig Beschäftigte Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung zu entrich-ten, so werde dadurch der Sinn
und Zweck dieser Institution wieder zunichte gemacht. Hinzu komme, dass die Erfassung von Arbeitgebern mit
geringem Personalbedarf in der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand
verbunden sei, der in keinem Verhältnis zu den Leistungen stehe. Dies werde dadurch bestätigt, dass die Beklagte
einen Mindestbeitrag verlange. Das Problem des Versicherungsschutzes ohne Beitragspflicht des Arbeitgebers ließe
sich viel einfacher dadurch lösen, dass ein entsprechender Anteil von der pauschalen Lohnsteuer in die Kassen der
Berufsgenossenschaften überführt werde.
Vollends rechtswidrig und nicht nachvollziehbar sei die Erhebung eines Mindestbeitrags. Ein solcher Mindestbeitrag
werde in keinem anderen Zweig des Sozialversicherungsrechts erhoben. Die Erhebung eines Mindestbeitrags sei auch
vollkommen systemwidrig, weil dadurch das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit verletzt werde, wonach
Sozialversicherungsbeiträge und Sozialversicherungsleistungen einander entsprechen müssten. Die Beklagte gestehe
selbst ein, hier Gelder zu verlangen, die ausschließlich der Aufrechterhaltung ihrer eigenen Verwaltung dienen sollten.
Eine entsprechende Versicherungsleistung werde für diesen Teil der Beiträge nicht gewährt. Wäre das Vorgehen der
Beklagten rechtlich zulässig, würde dies bedeuten, dass der Mindestbeitrag schon dann fällig wäre, wenn ein
Arbeitgeber einen einzigen Arbeitnehmer für eine einzige Stunde im Jahr beschäftigen würde. Die Absurdität einer
solchen Zwangsmitgliedschaft liege auf der Hand. Die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung werde durch die
Beitragsordnung der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 11. Februar 1981 in der Fassung vom 14. März 1990 bestätigt.
Danach könne der Schatzmeister zum Nachweis von sehr niedrigem Einkommen des Rechtsanwalts
Beitragszahlungen erlassen.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Insolvenzgeldumlage lägen schon deshalb nicht vor, da er kein
Unternehmen betreibe, sondern freiberuflich tätig sei.
In einem weiteren Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin, Aktenzeichen S 25 U 582/02, hat der Kläger die Aufhebung
der Beitragsbescheide für das Jahr 2000 vom 25. April 2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. April
2002 und für das Jahr 2001 vom 24. April 2002 in der Fassung des Bescheides vom 25. April 2002 sämtliche in der
Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2002 begehrt.
Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte Beiträge erhoben für die Jahre 2000 83 EUR (85,39 EUR + 6,44 EUR) und
2001 93,06 EUR (81,00 EUR + 12,06 EUR).
Durch Beschluss vom 12. November 2002 hat das Sozialgericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung verbunden.
Mit Schriftsatz vom 08. Mai 2002, eingegangen bei Gericht am 10. Mai 2002, hat der Kläger erstmals geltend
gemacht, seine Klage wende sich auch gegen den Beitragsbescheid für 1999 vom 25. April 2000 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 24. April 2002, gegen den ein Widerspruch bisher nicht erfolgt sei.
Durch Gerichtsbescheid vom 10. Februar 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, die Klage gegen den Beitragsbescheid für das Jahr 1999 vom 25. April 2000 sei unzulässig, da der
Bescheid, als der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 08. Mai 2002 im Wege der nachträglichen objektiven
Klagehäufung nach § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf diesen Bescheid ausgeweitet habe, bereits bestandskräftig
gewesen sei. Eine Einbeziehung dieses Bescheides in das Verfahren nach § 96 SGG mit dem dann fehlenden
Erfordernis eines Widerspruchsverfahrens komme nicht in Betracht, weil der Beitragsbescheid für 1999 bereits am 25.
April 2000 und somit vor Erhebung der Klage erlassen worden sei. Im Übrigen sei die Klage gegen die
Beitragsbescheide 1994, 1996, 1997 und 1998 nur insoweit zulässig, als sich der Kläger gegen die Erhebung der
Insolvenzgeldumlage und gegen die Erhebung von Mindestbeiträgen anstelle geringerer, sich aus den
Bruttoarbeitsentgelten errechneter Beiträge wende. Denn der Kläger habe diese Beitragsbescheide lediglich insoweit
angefochten, als die Bescheide höhere Beitragsschulden, als sie den Beiträgen aus den Bruttoarbeitsent-geltenden
entsprächen, festsetzten. Im Übrigen seien diese Bescheide bestandskräftig geworden und könnten mit der Klage
nicht mehr angefochten werden.
Die ansonsten zulässige Klage sei jedoch unbegründet, denn die Erhebung von Mindestbeiträgen in den
Beitragsbescheiden für 1994, 1996 bis 1998, 2000 und 2001 sei ebenso rechtmäßig wie die Erhebung der
Insolvenzgeldumlage. Die Beklagte sei berechtigt, den Kläger als Unter-nehmer zur Beitragsentrichtung der bei ihm
beschäftigen Personen heranzuziehen. Mit Bescheid vom 27. Mai 1999 seien die Mitgliedschaft des Unternehmens
des Klägers bei der Beklagten und die dem Grunde nach für seine Beschäftigten bestehende Beitragspflicht bereits
bestandskräftig und somit für den vorliegenden Rechtsstreit verbindlich festgelegt. Der Kläger betreibe als freiberuflich
tätiger Rechtsanwalt außerdem ein Unternehmen im Sinne von § 150 Abs. 1 SGB VII. Eine Beitragserhebung für die
bei dem Kläger geringfügig Beschäftigen sei auch zulässig, da nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII alle abhängig
Beschäftigten unabhängig von der Höhe des Ein-kommens und/oder dem Umfang der Beschäftigung Versicherte der
gesetzlichen Unfallversicherung seien und Unternehmer, die Versicherte beschäftigten, gemäß § 150 Abs. 1 SGB VII
der Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unterlägen. Die Auffassung des Klägers, die Beitragspflicht
in der gesetzlichen Unfallversicherung dürfe nicht weitergehen als in anderen Bereichen der Sozialversicherung, sei
allenfalls als politische Forderung diskussionswürdig, rechtlich sei sie jedoch ohne jede Relevanz. Insbesondere sei
ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Normen nicht zu erkennen, wenn der Gesetzgeber im Rahmen des ihm ob-
liegenden Gestaltungsspielraums bei der Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme entscheide, den
Unfallversicherungsschutz wie auch die diesem Versicherungsschutz entsprechende Beitragsverpflichtung weiter
auszugestalten, als dies in anderen Bereichen der Sozial-versicherung der Fall sei.
Die Erhebung eines Mindestbeitrags in den streitgegenständlichen Bescheiden anstelle einer Beitragsberechnung auf
der Grundlage der Arbeitsentgelte der Versicherten sei sachlich gerechtfertigt und übervorteile den Kläger keineswegs.
Sie diene zum einen der Deckung der Verwaltungskosten und berücksichtige zum anderen, dass in der gesetzlichen
Unfallversicherung auch bei geringfügig beschäftigten Versicherten mit einem sehr geringen Arbeitsentgelt die
Leistungen nach einem Versicherungsfall entweder im gleichen Umfang wie anderen Ver-sicherten erbracht würden
oder sich im Fall von Geldleistungen wie der Verletztenrente auch dann an der aktuellen Bezugsgröße nach § 18 Abs.
4 SGB IV orientierten, wenn die tatsächlichen Arbeitsentgelte deutlich unter dem sich daraus ergebenden Betrag
lägen. Dementsprechend sei die Zulässigkeit der Erhebung von Mindestbeiträgen gerade unter Berücksichtigung und
nach Maßgabe der genannten Gesichtspunkte von der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach bestätigt worden.
Unbedenklich sei auch, dass die Beklagte in ihrer Satzung lediglich die Erhebung eines Mindestbeitrags
festgeschrieben habe, die weitere Ausgestaltung insbesondere der Beitragshöhe aber dem Vorstand überlassen habe,
da dieser auch ansonsten für die Beitragserhebung zuständig sei. Die Praxis, die Höhe des Mindestbeitrags über ein
sich an der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV orientierendes fiktives Mindestarbeitsentgelt zu bestimmen, sei
gerade im Hinblick auf das legitime Ziel einer sich am Versichertenrisiko orientierenden Beitragserhebung sachgerecht
und zweckmäßig.
Auch die Erhebung einer Insolvenzgeldumlage sei rechtlich unbedenklich. Die Verteilung der von den einzelnen
Berufsgenossenschaften aufzubringenden Mittel richte sich nach dem Anteil der Entgeltsumme der in ihrem
Zuständigkeitsbereich Versicherten im Verhältnis zur Gesamt-entgeltsumme aller Unfallversicherungsträger. Die
Ermächtigung und Verpflichtung der Unfallversicherungsträger, die von ihnen aufzubringenden Mittel auf ihre
Mitgliedsunternehmen umzulegen und zwar ebenfalls nach Maßgabe der jeweiligen Entgeltsummen, ergebe sich aus
§§ 359 Abs. 1, 360 SGB III bzw. § 186 c Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). An diese Vorgaben habe sich die
Beklagte, wie sich aus den vorliegenden Beitragsbescheiden ergebe, gehalten. Fehler bei der Berechnung seien nicht
erkennbar und vom Kläger auch nicht gerügt worden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die erforderlichen Mittel im
gesetzlich vorgegebenen System der Unfallversicherung im Wege einer von den Unternehmen zu erbringenden
Umlage zu erheben und unabhängig von Rechtsform, Größe, Branche und Ertragslage eines Unternehmens
auszugestalten, verstoße weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz (GG) noch gegen
die Eigentumsgarantie des Artikel 14 GG. Sie sei vielmehr sachgerecht, da sowohl die gesetzliche Unfallversicherung
als auch die Einrichtung des Konkursausfall- bzw. Insolvenzgeldes als solidarische Risikoverteilung zwischen der
Gesamtheit aller Unternehmen an die Stelle der ansonsten bestehenden Arbeitgeberhaftung trete.
Gegen den am 18. Februar 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. März 2003 eingelegte Berufung
des Klägers, die dieser wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei seine Auffassung, die
Beitragspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung dürfe nicht weiter gehen als in anderen Bereichen der
Sozialversicherung, keinesfalls nur eine politische Forderung, sondern eine Frage der Gesetzesauslegung. Die
Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung seien in einer dem Sinn und Zweck der geringfügigen
Beschäftigung entsprechenden Weise auszulegen. Eine solche Auslegung ergebe zwingend, dass unter Versicherter
im Sinne des § 150 Abs. 1 SGB VII nur sozial-versicherungspflichtige Beschäftigte zu verstehen seien. Diese
Auslegung sei auch systemkon-form, zumal auch Schüler und Studenten ohne Beitragspflicht gesetzlich
unfallversichert seien. Versicherungsschutz und Beitragspflicht seien keinesfalls zwingend miteinander verknüpft. Im
Weiteren wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. September 2004 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den
Beitragsbescheid für 1999 als verfristet zurückgewiesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2003 und die Beitragsbescheide für die Jahre 1994,
1996, 1997 und 1998 vom 06. Juli 1999 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. September 2000,
den Beitragsbescheid für 2000 vom 24. April 2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. April 2002 und
den Beitragsbescheid für 2001 vom 24. April 2002 in der Fassung des Bescheides vom 25. April 2002 jeweils in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat beglaubigte Kopien der Sitzungsniederschriften der Vorstandssitzungen vom 07. April 1995, 03. April
1996, 04. April 1997, 01. April 1998, 31. März 1999, 31. März 2000, 06. April 2001 und 05. April 2002 sowie Auszüge
aus den maßgeblichen Satzung beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig aber unbegründet. Streitig ist, nachdem der Kläger die Berufung
im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeschränkt hat, nur noch die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide für die
Jahre 1994, 1996 bis 1998, 2000 und 2001. Diese Bescheide sind, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat,
nicht zu beanstanden und daher nicht wie beantragt aufzuheben.
Rechtsgrundlage der Beitragsforderungen sind § 723 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 150 Abs. 1
SGB VII. Danach sind Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind, beitragspflichtig. Gemäß § 728
Abs. 1 RVO bzw. § 161 SGB VII kann die Satzung bestimmen, dass ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben wird.
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht, denn sie hat in § 24 Abs. 6 i.V.m. § 18 Nr. 14 bzw. §
22 Abs. 5 i.V.m. § 17 Nr. 10 der jeweils maßgebenden Satzung geregelt, dass ein einheitlicher Mindestbeitrag
erhoben wird, dessen Höhe der Vorstand festsetzt. Die Höhe der in den Jahren 1994, 1996 bis 1998 und 2000 sowie
2001 zu erhebenden Mindestbeiträge hat die Beklagte durch Vorlage der Vorstandsbeschlüsse nachgewiesen. Der
Kläger ist auch als Unternehmer beitragspflichtig, denn er ist derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens
unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereicht, § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII bzw. § 658 Abs. 2 Nr. 2 RVO. Bei einem
Unternehmen handelt es sich nach § 121 Abs. 1 SGB VII um Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten.
Es bedarf keiner Frage, dass dazu auch die freiberufliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts gehört (so Ricke in Kasseler
Kommentar § 121 SGB VII RN 6 m.w.N.). Im Übrigen hat die Beklagte bereits durch bindenden Bescheid vom 27. Mai
1999 die Beitragspflicht des Klägers als Unternehmer dem Grunde nach festgestellt.
Die Beschäftigten des Klägers sind unabhängig davon, ob sie geringfügig beschäftigt sind, gegen Unfall in der
gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Zwar begründet eine Beschäftigung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1
Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) in allen Versicherungszweigen Versicherungspflicht und eine geringfügige Tätigkeit
nach § 8 SGB IV führt in den meisten Zweigen der Sozialversicherung auch zur Versicherungsfreiheit. So ist der
geringfügig Beschäftigte versicherungsfrei in der Krankenversicherung, § 7 Sozialgesetzbuch V, in der
Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 Sozialgesetzbuch XI, in der Rentenversicherung, § 5 Abs. 2 S. 1
Sozialgesetzbuch VI, und in der Arbeitslosenversicherung, § 27 Abs. 2 Sozialgesetzbuch III. Aber für die
Unfallversicherung ist § 8 SGB IV bedeutungslos, da nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bzw. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO
jede Beschäftigung in den Schutzbereich der Unfallversicherung fällt (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, § 8 SGB
IV RN 2; Riebel in Hauck, Kommentar zur gesetzlichen Unfallversicherung, § 2 RN 9). Für das Unternehmen tätige
Versicherte i.S. von § 723 Abs. 1 RVO bzw. § 150 Abs. 1 SGB VII sind alle, die dort eine dem Unternehmen dienliche
Tätigkeit ausüben, z.B. als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, als wie Beschäftigte nach § 2 Abs. 2 SGB
VII (§ 539 Abs. 2 RVO) oder als Ehrenamtliche, § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII (§ 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO).
Über den Versicherungsschutz geringfügig Beschäftigter sagt das 3. Buch der RVO bzw. das SGB VII ausdrücklich
nichts. Zwar wird aus der beispielhaften Aufzählung der für ein Unternehmen tätigen Versicherten deutlich, dass, wie
auch der Kläger meint, der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei bestimmten
Personenkreisen unabhängig von der Sozialpflichtversicherung gewährt wird. Daraus kann jedoch nicht der Schluss
gezogen werden, dass geringfügig Beschäftigte nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.
Denn der Beschäftigte ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung
versichert, ohne dass es dort auf den Umfang der Beschäftigung oder sogar die Entgeltlichkeit ankommt
(Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, § 2 RN 8 m.w.N.). Die Vorschrift bezieht sich ohne
Einschränkungen nur auf Be-schäftigte. Für diese am Wortlaut orientierte Auslegung spricht, dass entgegen den
übrigen Zweigen der Sozialversicherung das SGB VII keine ausdrückliche Regelung über die geringfügige
Beschäftigung enthält. Hätte der Gesetzgeber mit der Einführung der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte
den Versicherungsschutz dieses Personenkreises aber für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung ändern
wollen, hätte er auch im SGB VII eine entsprechende Einschränkung aufnehmen müssen. Da er dies unterlassen hat,
kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass der Versicherungsschutz für geringfügig Beschäftigte weiter
fortbestehen soll mit der Konsequenz, dass dafür auch Beiträge zu entrichten sind. Aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII
ergibt sich auch nicht, dass Beschäftigte dann weniger schutzwürdig sind, wenn sie nur geringfügig beschäftigt sind.
Die gesetzliche Unfallversicherung ist nämlich eine tätigkeitsbezogene Versicherung, die Versicherungsschutz in
vollem Umfang ab dem ersten Moment der Tätigkeitsaufnahme gewährt, ohne dass es überhaupt auf Umfang oder
Entgeltlichkeit der Beschäftigung ankommt (Ricke in Kasseler Kommentar § 2 SGB VII RN 6).
Der Kläger bestreitet nicht, dass die Beitragshöhe und die Erhebung der Konkursausfallgeld- bzw.
Insolvenzgeldumlage gemäß §§ 186 b, 186 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und §§ 358, 359 SGB III den
gesetzlichen Vorgaben bzw. dem Satzungsrecht entsprechen. Er hält vielmehr die Beitragspflicht und damit erst recht
die Erhebung eines Mindestbeitrags für eine rechtswidrige Zwangsmitgliedschaft und entwickelt eigene politische
Überlegungen. Das Sozialgericht hat hierzu ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass es darauf nicht ankommt. Dem hat
der Senat nichts hinzuzufügen. Er verweist deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf diesen Teil der
Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG. Die pauschale Behauptung des Klägers, die Erhebung
der Konkursausfallgeld- bzw. Insolvenzgeldumlage verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs.
1 GG, weil für die Aufbringung der Umlage Rechtsform, Größe, Branche und Ertragslage des Unternehmens ohne
Bedeutung sei, vermag der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Sozi-algericht hat bereits unter
Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. September 1978, Az.: 1 BvR 638/78,
ausgeführt, dass es darauf gerade nicht ankommt und deshalb weder ein Verstoß gegen Art. 3 GG noch gegen Art. 14
GG vorliegt (s.a. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, Az.: B 2 U 34/05 R).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Soweit die Berufung die Beitragsbescheide für 1994, 1996 bis 1998 vom 06. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 07. September 2000 betrifft, beruht die Kostenregelung auf § 193 SGG. Entsprechend
dem Ergebnis der Hauptsacheentscheidung sind dem Kläger außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Soweit die Berufung insgesamt die Beitragsbescheide für 1999, 2000 und 2001 betrifft, findet das ab 02. Januar 2002
geltende Kostenrecht Anwendung. Deshalb sind dem Kläger gemäß § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m §§ 154 Abs. 1,
155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Insoweit ist
auch der Streitwert gemäß § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 13 Abs. 1 Gerichts-kostengesetz (GKG) in der bis 30.
Juni 2004 geltenden Fassung entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers, das der Höhe der Beiträge für
1999 bis 2001 entspricht, festzusetzen. Dies ist ein Betrag von 288,96 EUR.
Im Übrigen liegen Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vor.