Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.08.2009

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitsunfall, gutachter, erwerbsfähigkeit, unfallfolgen, mrt, arbeitsunfähigkeit, unfallversicherung, wahrscheinlichkeit, behandlungsbedürftigkeit, berufskrankheit

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 06.08.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 68 U 607/03
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 3 U 58/06
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2006 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1953 geborene Klägerin ist seit Oktober 1979 als Pflegehelferin in der W-Klinik D tätig. Während ihrer beruflichen
Tätigkeit erlitt sie drei aktenkundige Unfälle. Einen ersten Unfall erlitt sie, als sie am 07. Oktober 1998 beim Austeilen
des Abendessens ausrutschte, auf das rechte Knie fiel und sich dieses verdrehte (H-Arztbericht Dr. V vom 23.
November 1998). Dr. V, den die Klägerin erstmals am 29. Oktober 1998 aufsuchte, diagnostizierte nach Auswertung
einer MRT-Untersuchung am 29. Oktober 1998 einen Riss im Hinterhorn des Innenmeniskus. Am 05. November 1998
erfolgte eine Meniskusteilresektion rechts medial. In seinem Krankheitsbericht vom 04. Februar 1999 gab Dr. V an,
die Klägerin sei zuletzt am 29. Dezember 1998 in der Praxis vorstellig gewesen. Bis dahin sei der Heilungsverlauf des
rechten Knies unauffällig gewesen. Arbeitsunfähigkeit attestierte er vom 02. November 1998 bis zum 28. De-zember
1998.
Am 09. Juni 1999 ereignete sich ein zweiter Unfall, als die Klägerin beim Betreten eines Krankenzimmers auf nassem
Boden ausrutschte. Sie begab sich noch am selben Tag in Behandlung des Dr. V, der eine Seitenbanddehnung
rechtes Knie medial diagnostizierte. Bei der MRT-Untersuchung des rechten Knies am 15. Juni 1999 wurde keine
frische Läsion von Bändern oder Binnenstrukturen gefunden sowie ein unverän-dert fleckiges Knochenmark.
Arbeitsunfähigkeit bestand vom 09. bis zum 23. Juni 1999. Seit Juli 1999 trug sie eine Don-Joy-Orthese.
Den dritten Unfall erlitt die Klägerin am 18. August 1999, als sie erneut auf dem nas-sen Stationsflur ausrutschte und
mit dem rechten Knie aufschlug. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. W stellte in seinem Bericht vom selben Tag eine
Distorsion des rechten Knies bei bekanntem Vorschaden fest. Bei einer Kontroll-MRT am 20. August 1999 stellte sich
der Befund unverändert zur Voruntersuchung am 15. Juni 1999 dar. Insbesondere fand sich kein Nachweis einer
Kreuzbandläsion. Es bestanden ein Zustand nach Innenmeniskus-OP bei leicht entrundetem Innenmeniskus mit
linearer Degene-ration, ein diskretes prätendinöses Ödem vor der Patellasehne bei Zustand nach Sturz, unauffällige
Binnenstrukturen sowie ein unverändert fleckiges Knochenmark. Dr. V teilte in seinem Bericht vom 20. September
1999 mit, der Heilungsverlauf sei nach dem Wiederholungstrauma zwar verzögert, die Arbeitsaufnahme sei jedoch für
den 22. September 1999 terminiert, so dass die Behandlung zu Lasten der Beklagten am 21. September 1999 ende.
Das Knie sei am letzten Untersuchungstag unauffällig und ohne Schwellung gewesen. Restschäden bzw. bleibende
Schäden seien vom letzten Unfall nicht zu erwarten. Am 09. April 2001 erfolgte eine erneute MRT-Untersuchung des
rechten Knies, bei der aktuell keine Verletzung von Binnenstrukturen oder Zeichen einer Reruptur gefunden werden
konnten. Es bestand nach wie vor ein fleckiges Knochenmark, was aber einem normalen hämatopoetischen
(blutbildenden) Knochenmark entspreche.
Der beratende Arzt D vertrat nach Auswertung sämtlicher medizinischer Berichte in seiner Stellungnahme vom 24.
Mai 2000 die Auffassung, dass alle drei Unfallereignis-se eigenständig seien. Keines dieser Ereignisse habe bleibende
Schäden im Bereich des Kniegelenks hinterlassen. Diese Auffassung teilte Dr. V in seinem Bericht vom 29. Mai
2000.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe seit dem letzten Sturz im
August 1999 ständig Beschwerden im rechten Knie. Sie leide unter starken Schmerzen, das Knie werde dick und
heiß. Seit den letzten beiden Stürzen habe sie auch ein fleckiges Knochenmark im Bereich des rechten Knies. Vor
den Stürzen habe sie nie Probleme gehabt. Die Behandlung durch Dr. V führe zwar zu einer Besserung der
Beschwerden, allerdings halte diese nicht dauerhaft an. Die Beklagte veranlasste zur Feststellung, ob die geklagten
Beschwerden auf den Sturz am 18. August 1999 zurückzuführen sind, eine Begutachtung der Klägerin, die am 24.
April 2002 durch Prof. Dr. H/Dr. S durchgeführt wurde. Die Gutachter stellten fest, die drei stumpfen
Gewalteinwirkungen auf das rechte Kniegelenk seien als Kontusionen zu bezeichnen und für den Unfall am 09. Juni
1999 sei zusätzlich eine Innenbanddistorsion anzunehmen. Die Unfälle hätten durch ihre kurze Aufeinanderfolge zu
einer mittlerweile chronischentzündlichen Funktionsstörung des vorderen Anteils des rechten Kniegelenks sowie einer
anhaltenden entzündlichen Reizung des Hoffa´schen Fettkörpers geführt. Der Schaden am Hinterhorn des rechten
Innenmeniskus sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit degenerativen Ursprungs und nicht durch das
Unfallereignis vom 07. Oktober 1998 ursächlich hervorgerufen oder verschlimmert worden. Das Ereignis vom 18.
August 1999 sei für den bereits vorher durch die Kniegelenksspiegelung sanierten Schaden am Hinterhorn des
Innenmeniskus ohne Bedeutung. Die Klägerin sei wegen der Folgen des Unfalls vom 18. August 1999 vom 19. bis
zum 26. August 1999 arbeitsunfähig gewesen. Danach habe Behandlungsbedürftigkeit bei Arbeitsfähigkeit bestanden.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage auf Dauer 10 v. H. Auf Nachfrage der Beklagten führten die
Gutachter in einer ergänzenden Stellungnahme vom 11. September 2002 aus, die weitere Behandlungsbedürftigkeit
resultiere im Wesentlichen aus den Folgen des Unfalls vom 18. August 1999. Es müsse davon ausgegangen werden,
dass die vorangegangenen Unfallereignisse bereits zu einer wesentlichen Schädigung des rechten Kniegelenks
geführt hätten, die dann durch das Unfallereignis vom 18. August 1999 endgültig dekompensiert sei. Eine strenge
Trennung der einzelnen Unfallereignisse hinsichtlich ihrer Auswirkungen für das Gesamtschadensbild sei nicht
möglich. Das Unfallereignis vom 18. August 1999 stelle jedoch das letzte wesentliche schädigende Ereignis dar, so
dass die anhaltende Behandlungsbedürftigkeit im Wesentlichen auf dieses Ereignis zurückgeführt werden müsse.
Diese Ausführungen würden auch für die Bildung der MdE gelten. Die beschriebenen funktionellen Einschränkungen
des rechten Kniegelenks seien letztlich Folge aller drei Arbeitsunfälle, im Wesentlichen jedoch des letzten vom 18.
August 1999. Letztlich stelle die MdE von 10 v. H. die Gesamt-MdE für alle drei Unfallereignisse dar. Eine weitere
Differenzierung sei nicht möglich. Die von den Gutachtern empfohlene Durchführung eines Knochenszintigramms am
17. September 2002 ergab einen regelrechten Befund. Es bestanden keine Anzeichen für einen pathologisch
vermehrten Knochenumbau oder einen akut-entzündlichen Prozess.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Erwerbsfähigkeit durch
die Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. August 1999 nicht über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus in
rentenberechtigtem Grad gemindert sei. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte eine leichte Muskelminderung am
Oberschenkel, einen entzündlichen Reizzustand des vorderen Kniegelenkraums und chronisch-entzündliche
Veränderungen des Hoffa´schen Fettkörpers sowie eine röntgenologisch sichtbare leichte Kalksalzminderung des
Oberschenkelknochens und Schienbeins nach Kontusion (Prellung) des rechten Kniegelenks an.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin u. a. geltend, es könne wegen der Ergebnisse der drei MRT-
Untersuchungen nicht die Rede davon sein, dass eine Trennung der einzelnen Unfallereignisse nachträglich nicht
mehr möglich sei. Es sei Prof. Dr. H auch nicht in der Bewertung des Schadens am Innenmeniskushinterhorn zu
folgen. Bei seinen Ausführungen fehle völlig, dass bereits nach dem ersten Unfall im November 1998 ein Teil des
Meniskus habe entfernt werden müssen. Außerdem habe Prof. Dr. H sie nie gesehen. Die Untersuchungen seien
allein von Dr. S durchgeführt worden. Letztlich leide sie noch immer an erheblichen Beschwerden im rechten Knie. Die
MdE müsse deshalb deutlich mehr als 20 v. H. betragen. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme
von Dr. B vom 17. März 2003 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr.
H mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2003 zurück. Erst bei einer muskulär nicht kompensierten
Seitenbandinstabilität sei die MdE mit 20 v. H. einzuschätzen.
Zur Begründung der dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt, gerade das
massive Instabilitätsgefühl im rechten Knie, das sie nicht muskulär beherrsche, rechtfertige eine höhere MdE. Sie
befinde sich deswegen ständig in ärztlicher Behandlung bei Dr. V. Es sei auch äußerst unwahrscheinlich, dass das
Instabilitätsgefühl auf einer Degeneration beruhe. Wahrscheinlich sei vielmehr, dass diese Symptomatik auf den
bleibenden tangentialen Riss des Innenmenis-kushorns, der Seiten- oder Kreuzbänder o. ä. zurückzuführen sei, der
gerade nicht auf Abnutzung/Degeneration, sondern auf einer Gewalteinwirkung beruhe. Die Beklagte habe das
Ausmaß der verbliebenen Beschwerden unterschätzt und die Ursachen dafür falsch diagnostiziert.
Durch Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente. Die MdE als Folge ihrer
Unfälle sei nach den gutachterlichen Feststellungen ab dem Fortfall der Arbeitsunfähigkeit und darüber hinaus
lediglich mit 10 v. H. einzuschätzen. Bei der MdE-Bewertung habe die Binnendegeneration des
Innenmeniskushinterhorns außer Betracht zu bleiben, da sie durch das Unfallgeschehen weder verursacht noch
verschlimmert worden sei. Verletzungsfolgen an der Gelenkkapsel, den Seiten- und Kreuzbändern seien weder bei der
Kniegelenksspiegelung am 05. November 1998 noch bei der am 29. Oktober 1998 durchgeführten MRT-Untersuchung
festgestellt worden. Das frontale Aufschlagen mit dem rechten Knie ohne gewaltsame Verdrehung sei auch kein
geeigneter Unfallhergang gewesen. Das Fehlen weiterer degenerativer Veränderungen berechtige nicht zu der
Annahme, dass die Schädigung des Innenmeniskushinterhorns nicht degenerativer Natur, sondern durch den Unfall
verursacht worden sei. So sei nach den Ausführungen von Dr. B der Innenmeniskus durch die ständigen Belastungen
des täglichen Lebens in weit höherem Maß für degenerative Veränderungen anfällig als der Außenmeniskus. Auch
stelle Dr. B zutreffend fest, dass in dem Gutachten von Prof. Dr. H nicht behauptet werde, die Klägerin sei nach dem
ersten Unfall beschwerdefrei gewesen. Es werde vielmehr darauf aufmerksam gemacht, dass die Beschwerdefreiheit
nach der Teilent-fernung des geschädigten Innenmeniskus eingetreten sei. Durch Dr. B sei auch die Behauptung der
Klägerin entkräftet, die getrennte Beurteilung der Folgen der drei Unfälle sei möglich, denn die bildgebende Diagnostik
vermittele darüber keinen Aufschluss. Deshalb befürworteten Dr. B und Prof. H die Bildung einer Gesamt-MdE.
Letztlich sei das Gericht nicht daran gehindert, das Verwaltungsgutachten zur Grundlage seiner Entscheidung zu
nehmen. Die Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen habe die Klägerin nicht substantiiert in Frage zu stellen
vermocht. Prof. Dr. H ha-be außerdem die Arbeitsergebnisse von Dr. S nachvollzogen und sich zu eigen ge-macht.
Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass Prof. Dr. H nicht zu einer eigenen Urteilsbildung habe kommen können,
ohne die Klägerin selbst untersucht zu haben.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin Berufung eingelegt und geltend gemacht, die MdE-Bewertung sei zu
niedrig. Die Behauptung von Dr. B, höhere MdE-Werte kämen nur bei Gliedmaßenteilverlusten und schweren
Funktionseinbußen der Extremitäten in Betracht, sei nicht nachvollziehbar und widerspreche den Anhaltspunkten für
die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP).
Weiter sei nicht berücksichtigt worden, dass sie an ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden
Reizerscheinungen leide. Die Folgen des Arbeitsunfalls vom 09. Juni 1999 addierten sich mit den Folgen des
Arbeitsunfalls vom 18. August 1999 auf. Der Arbeitsunfall vom 07. Oktober 1998 sei dagegen ohne Bedeutung, da er
nachweislich keine bleibenden Kniebinnenschäden verursacht habe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung
des Bescheids vom 25. Okto-ber 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003 zu
verurteilen, ihr als Folge des Arbeitsunfalls vom 18. August 1999 eine Verletztenrente nach einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. ab dem 27. August 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 25. September 2003. Der Inhalt der dort getroffenen Entscheidungen ist nicht eindeutig
und daher auslegungsbedürftig. Insbesondere wird nicht hinreichend deutlich, ob die Beklagte allein über die Folgen
des Arbeitsunfalls vom 18. August 1999 oder auch über die Folgen der Unfälle vom 07. Oktober 1998 und 09. Juni
1999 entschieden hat, wie die Klägerin anfangs gemeint hat. Die Auslegung der Bescheide kann auch nicht offen
bleiben, weil jeder Versicherungsfall hinsichtlich der Unfallfolgen, der MdE und der zu gewäh-renden Leistungen
einzeln zu beurteilen ist (BSG in SozR 2200 § 581 Nr. 21) und ggf. als Stützrententatbestände nach § 56 Abs. 1 Satz
2 SGB VII zu prüfen sind.
Bei verständiger Würdigung der Bescheide, zu deren Auslegung insbesondere deren Begründung heranzuziehen ist,
ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte nur die Folgen des am 18. August 1999 erlittenen
Unfalls geregelt hat. Aus dem Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids lässt sich zwar nicht entnehmen,
welcher Arbeitsunfall Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, denn hier wird ohne Bezug auf ein konkretes Datum
die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt. Allerdings hat sich die Beklagte direkt unter dem Datum des
Bescheids auf den Arbeitsunfall vom 18. August 1999 bezogen. In der Begründung des Verwaltungsakts hat die
Beklagte zwar auch die beiden vorhergehenden Unfälle aufgeführt, ist aber dann zu dem Schluss gekommen, dass
Leistungen nur noch aufgrund des Unfalls vom 18. August 1999 zu erbringen seien. Im Widerspruchsbescheid wird
ganz deutlich ausgeführt (unter I.), dass mit dem Bescheid vom 25. Oktober 2002 das Ereignis vom 18. August 1999
als Arbeitsunfall anerkannt, ein Anspruch auf Rente aber wegen der Unfallfolgen abgelehnt worden sei. Später (unter
II.) hat die Beklagte erläutert, dass die Ermittlungen wegen der ersten beiden Arbeitsunfälle durch die Ereignisse
überholt worden seien, so dass die durch die jeweiligen Arbeitsunfälle verursachten Unfallfolgen nicht durch Bescheid
festgestellt worden seien. Dies sei erst aufgrund der Ermittlungen zu dem dritten Arbeitsunfall am 18. August 1999
möglich gewesen. Die Beklagte hat abschließend zusammengefasst, der Bescheid vom 25. Oktober 2002
berücksichtige daher nur die nach dem 18. August 1999 feststellbaren Unfallfolgen und die unfallbedingt verbliebene
MdE. Dieses Ergebnis stimmt auch mit der Auffas-sung der Beklagten, die sich insoweit auf ihren Gutachter stützt,
überein. Dieser hat ausgeführt, dass eine Trennung der einzelnen Unfallereignisse hinsichtlich ihrer Aus-wirkung auf
das Gesamtschadensbild nicht möglich sei. Auch der Gutachtenauftrag an Prof. Dr. H hat allein Bezug auf den
Arbeitsunfall vom 18. August 1999 genommen. Dieses – sachgerechte - Ergebnis wird von der Klägerin nunmehr
geteilt, wie sich aus ihrem gestellten Berufungsantrag ergibt.
Die insoweit beschränkte Berufung ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente
wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18. August 1999.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit
infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H.
gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von
Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte
Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem
Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel
erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist
(innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den
Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen
Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das
Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende
Kausalität) ist außerdem Voraussetzung für die Gewährung der hier streitigen Verletztenrente (Bundessozialgericht
(BSG) vom 04. September 2007, - B 2 U 28/06 R - m. w. N.). Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit
und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des
Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während der ursächliche
Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre
von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, also grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht
allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (vgl. hierzu Urteile des BSG in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 m. w. N., SozR
2200 § 551 Nr. 1 und SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur
Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen
Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG in Breithaupt
1963, 60, 61).
Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des
körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten
Gebiet des Erwerbslebens. Das die gesetzliche Unfallversicherung beherrschende Prinzip der abstrakten
Schadensbemessung besagt, dass die Entschädigung nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des
Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten vor und nach dem Versicherungsfall zu
bemessen ist. Die rechnerisch mit 100 % anzusetzende Erwerbsfähigkeit vor dem Versicherungsfall stellt den
Beziehungswert dar, dem das nach dem Versicherungsfall verbliebene Ausmaß an Erwerbsfähigkeit als
Vergleichswert gegenüber gestellt werden muss. Die Differenz beider Werte ergibt die MdE. Die MdE-Festsetzung ist
eine rechtliche Wertung in Form einer Schätzung, die nach anerkannten Richtwerten erfolgt, die zur weitgehenden
Gleichbehandlung aller Verletzten zu beachten sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und
Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Anmerkun-gen 2.5, 2.5.1 und 2.5.2). Zu beachten ist weiterhin, dass allein
maßgebend die feststellbaren Funktionseinschränkungen sind, aus den Diagnosen allein lässt sich nicht auf die
Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit schließen. Schmerzen, die mit den Unfallfolgen einhergehen, fließen nicht
gesondert in die MdE-Schätzung ein, da die MdE- Richtwerte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen
mitberücksichtigen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. A. 2003, Anm. 5.5.10).
Nicht anzuwenden sind letztlich die AHP, denn das Unfallversicherungsrecht gehört weder zu dem sozialen
Entschädigungsrecht noch zu dem Schwerbehindertenrecht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm.
2.6.1). Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des BSG. Das BSG hat dazu (in SozR 4-2700 § 56
Nr. 1 m. w. N.) ausdrücklich ausgeführt, vom GdB im Schwerbehindertenrecht, der sich nach der früheren
Formulierung an dem durch regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustände verursachten Umfang der
Funktionsstörungen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft und nach der heutigen Formulierung an den Auswirkungen auf
die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft orientiere (§ 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX -
), sei die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung, die auf die durch die Folgen des Versicherungsfalls
verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens abstelle, grundsätzlich zu
unterscheiden (BSG in SozR 2200 § 551 Nr. 15 und 23 jeweils m. w. N.). Darüber hinaus gebe es im
Schwerbehindertenrecht und im sozialen Entschädigungsrecht bindend vorgeschriebene Mindestvomhundertsätze für
den GdB bzw. die MdE für erhebliche äußere Körperschäden (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX, § 30 Abs. 1 Satz 6 des
Bundesversorgungsgesetzes – BVG -), die für die gesetzliche Unfallversicherung nicht gelten. Dass die AHP für die
gesetzliche Unfallversicherung nicht nur aufgrund ihres Titels, sondern aufgrund des geschilderten anderen
Bemessungsansatzes nicht unmittelbar gelten, entspreche der Rechtsprechung des Senats (vgl. auch BSG in SozR
2200 § 581 Nr. 27 und SozR 3-2200 § 581 Nr. 5).
Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 25. Oktober 2002 folgende Gesundheitsstörungen als Folge
des Arbeitsunfalls vom 18. August 1999 anerkannt: eine leichte Muskelminderung am Oberschenkel, einen
entzündlichen Reizzustand des vorderen Kniegelenksraums und chronisch-entzündliche Veränderungen des Hoffa
´schen Fettkörpers sowie eine röntgenologisch sichtbare leichte Kalksalzminderung des Oberschenkelknochens und
Schienbeins nach Kontusion (Prellung) des rechten Kniegelenks. Weitere Gesundheitsstörungen, insbesondere das
von der Klägerin behauptete massive Instabilitätsgefühl im rechten Knie, das sie nicht muskulär beherrsche, sind
nicht nachweisbar. Weder der behandelnde Orthopäde Dr. V noch die Gutachter im Verwaltungsverfahren haben eine
Instabilität im Bereich des verletzten rechten Knies objektivieren können.
Die Behandlung bei Dr. V nach dem ersten Unfall endete am 29. Dezember 1998, es bestand ein unauffälliger
Heilungsverlauf im Bereich des rechten Knies (Bericht vom 04. Februar 1999). Am 20. September 1999 berichtete Dr.
V von einem verzögerten Heilungsverlauf mit einem Ende der Behandlung zu Lasten der Beklagten am 21. September
1999. Er beschrieb das Knie am letzten Untersuchungstag als unauffällig und ohne Schwellung. Restschäden bzw.
bleibende Schäden seien deshalb nicht zu erwarten. In seinem weiteren Bericht vom 29. Mai 2000 bestätigte er diese
Auffassung. Die krankengymnastische Behandlung habe sich in der Verletzungsanfälligkeit bei muskulärer Schwäche
im Knie begründet. In seinem nächsten Bericht vom 20. Juni 2001 wertete Dr. V die MRT-Untersuchung am 09. April
2001 aus, die wegen der ge-klagten Schmerzen veranlasst worden war. Es fand sich weiterhin kein Hinweis auf
größere Verletzungen bzw. einen Kniebinnenschaden, insbesondere keine Anzeichen einer Reruptur. Dr. V sah keine
Behandlungsnotwendigkeit zu Lasten der Beklagten, auch keine Notwendigkeit für die Bescheinigung von
Arbeitsunfähigkeit. Aus seinem letzten Bericht vom 23. August 2001 ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Zu
bemerken ist außerdem, dass die Klägerin keine regelmäßige Behandlung in Anspruch genommen hat.
Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. Hertel/Dr. S vom 24. April 2002 (Untersuchung am 18. April 2002) ergeben
sich keine Befunde, die das Vorbringen der Klägerin stützen könnten. Die Klägerin berichtete dort nach dem zweiten
Unfall von einem Instabilitätsgefühl, das sich aber durch die Behandlung bei Dr. V deutlich gebessert habe. Nach dem
dritten und letzten Unfall habe sie lange Zeit Krankengymnastik und Ultraschallbehandlungen bekommen, das Knie
sei aber immer wieder angeschwollen und sie habe ein starkes Hitzegefühl gehabt. Sie beschrieb das Gefühl einer
Blockierung im Kniescheibenbereich, jedoch kein Instabilitätsgefühl. An objektiven Befunden haben die Gutachter
eine leichte Umfangsminderung im rechten Oberschenkel (-1,5 cm) und einen leicht verminderten Bewegungsumfang
gegenüber links erhoben. Die Kniegelenksbeweglichkeit betrug, gemessen nach der Neutral-Null-Methode, links
10/0/145° und rechts 5/0/140°, war also rechts um -10° eingeschränkt. Dabei ist aber wiederum zu beachten, dass
der Normalwert 5-10°/0/120-150° beträgt, die Abwei-chung rechts sich also noch im Normalmaß befand. Bei der
vollständigen Streckstellung des rechten Kniegelenks fand sich keine Minderung der Seitenbandinstabilität, in leichter
Beugestellung ist eine geringe innenseitige Aufklappbarkeit aufgefallen. Ein vorderes oder hinteres
Schubladenphänomen lag nicht vor, der Lachmann-Test war ebenso wie der Jerk-Test negativ. Damit ist eine
Kreuzbandruptur ausgeschlossen. Die Verschiebung der Kniescheibe, insbesondere in Längsrichtung, war zwar
schmerzhaft, eine Luxierbarkeit der Kniescheibe bestand aber nicht. Außerdem sind Krepitationen nicht auszumachen
gewesen, auch nicht beim Durchbewegen des Gelenks. Rechts fand sich noch eine leichte Schwellung des Hoffa
´schen Fettkörpers, der mäßig druckschmerzhaft war. Eine Kapsel- oder Weichteilschwellung oder ein Erguss bestand
nicht. Auch die Gutachter haben keine weiteren Kniebinnenschäden, insbesondere keine Meniskus- oder
Knorpelläsionen oder eine Bandinstabilität des rechten Kniegelenks nachweisen können. Das Szintigramm vom 17.
September 2002 ergab keinen Anhalt für einen akut-entzündlichen Knochenprozess im rechten Kniegelenk. Die
Gutachter haben wegen des chronisch-entzündlichen Reizzustands des rechten Kniegelenks zwar weiteren
Behandlungsbedarf gesehen, die MdE jedoch nur mit 10 v. H. eingeschätzt. Diese Bewertung ist angesichts der nur
geringfügigen Funktionseinschränkungen nicht zu beanstanden. Nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten (vgl.
Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. A. 2003, Anm. 8.10.11) kommt eine MdE von
20 v. H. bei einer Bewegungseinschränkung des Knies bei 0/0/90° in Betracht. Auch ein Wackelknie, d. h. eine
Lockerung des Knieapparats, das nur unvollständig kompensierbar mit Gangunsicherheit ist, rechtfertigt eine MdE von
20 v. H. Gleiches gilt für einen nicht knöchern verheilten Kniescheibenbruch bei intaktem Streckapparat (MdE 10-20
v. H.), eine rezidivierende Synovialitis (MdE 20-40 v. H.) oder eine Teilendoprothese (MdE 10-30 v. H.). Das Ausmaß
der bei der Klägerin festgestellten Funktionsstörungen entspricht nicht den o. g. Erfahrungswerten. Die zu
Vergleichszwecken herangezogenen Werte bei Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. A. 2005, S. 169 f., sind
auch nicht günstiger für die Klägerin. Diese hat selbst keine medizinischen Berichte oder Befunde beigebracht, die
ihren Vortrag stützen könnten. Eine Verschlechterung hat sie ebenfalls nicht geltend gemacht.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.