Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.09.2003

LSG Berlin-Brandenburg: erwerbsunfähigkeit, erfüllung, krankengeld, klageerweiterung, anschlussberufung, öffentlich, verwaltungsakt, versicherungsträger, beiladung, nachzahlung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 143/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 107 SGB 10, § 126 SGB 6, § 26
Abs 2 S 1 SGB 4, § 75 Abs 5
SGG, § 812 BGB
Beitragspflicht zur Rentenversicherung - Krankengeldbezug -
nachträgliche (rückwirkende) Rentenbewilligung
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19.
September 2003 aufgehoben. Auf die Anschlussberufung und Klageerweiterung der
Klägerin wird die Beigeladene verurteilt, der Klägerin 575,91 € zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten des
Rechtsstreites jeweils zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 575,91 €.
Die Beklagte gewährte der bei ihr krankenversicherten Klägerin für die Zeit vom 9.
Oktober 1998 bis zum 21. Dezember 1999 Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit.
Während des Krankengeldbezugszeitraumes führte sie Pflichtbeiträge zur
Rentenversicherung an die Beigeladene, den Rentenversicherungsträger der Klägerin,
ab; den Beitragsanteil der Klägerin behielt sie von dem Krankengeld ein.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 bewilligte die Beigeladene der Klägerin Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. März 1999. Die Nachzahlung für die Zeit vom 1.
März 1999 bis zum 31. Januar 2000 in Höhe von 15.751,81 DM behielt sie zunächst zur
Erfüllung möglicher Erstattungsansprüche ein.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2000 erstattete die Beklagte der Klägerin die während des
Krankengeldbezuges einbehaltenen Beitragsanteile zur Arbeitslosen- und zur
Pflegeversicherung. Die Erstattung des Beitragsanteils der Klägerin zur
Rentenversicherung für den Krankengeldbezugszeitraum lehnte sie ab. Zur Begründung
führte sie aus, dass eine Erstattung ihres Beitragsanteils zur Rentenversicherung nicht
möglich sei, weil Krankengeldbezugszeiten in der Rentenversicherung
Pflichtbeitragszeiten seien und diese sich gegebenenfalls rentensteigernd auswirkten.
Auf den von ihr angemeldeten Erstattungsanspruch zahlte die Beigeladene an die
Beklagte 11.505, 30 DM. Dieser Betrag setzte sich aus dem der Klägerin in der Zeit vom
1. März 1999 bis zum 21. Dezember 1999 gewährten Krankengeld, einschließlich der der
Klägerin erstatteten Beitragsanteile zur Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, sowie den
für diesen Zeitraum an die Rentenversicherung gezahlten Beitragsanteil der Klägerin zur
Rentenversicherung in Höhe von 1.126,38 DM [1. März 1999 bis 31. März 1999 = 30
Kalendertage x 3,99 DM, 1. April 1999 bis 31. Juli 1999 = 120 Kalendertage x 3,83 DM
und 1. August 1999 bis 21. Dezember 1999 = 141 Kalendertage x 3,88 DM])
zusammen. Die Beigeladene teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 1. Februar 2000
mit und überwies ihr den verbleibenden Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von
4.246,51 DM.
Den gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2000 eingelegten Widerspruch
der Klägerin, den diese damit begründete, dass die Beklagte keinen
Erstattungsanspruch in Höhe der Beitragsanteile der Klägerin zur Rentenversicherung in
Höhe von 1.121,58 DM habe, weil diese nicht erstattungsfähig seien, wies die Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung
führte sie aus, dass eine Erstattung der während des Krankengeldbezugszeitraumes
gezahlten Beitragsanteile der Klägerin zur Rentenversicherung nicht möglich seien, weil
die Zeit des Bezuges von Entgeltersatzleistungen Pflichtbeitragszeiten in der
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die Zeit des Bezuges von Entgeltersatzleistungen Pflichtbeitragszeiten in der
Rentenversicherung seien, und diese sich bei einer Neuberechnung der Rente
rentensteigernd auswirken könnten.
Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass es richtig sei, dass
es sich bei den aufgrund des Krankengeldbezuges gezahlten
Rentenversicherungsbeiträgen um wirksam entrichtete Beiträge handele. Die Beklagte
hätte daher aber ihre Erstattungsforderung gegen die Beigeladene um ihren
Beitragsanteil zur Rentenversicherung in Höhe von 1.121,58 DM mindern müssen. Ihr
Rentennachzahlungsbetrag sei daher unzulässigerweise um diesen Betrag geschmälert
worden.
Das Sozialgericht hat den Rentenversicherungsträger der Klägerin zum Rechtsstreit
beigeladen und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. Februar 2000 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 verurteilt, der Klägerin 573,
45 € (1.121, 58 DM) zu zahlen (Urteil vom 19. September 2003). Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des
streitbefangenen Betrages aus der entsprechenden Anwendung des zivilrechtlichen
Bereicherungsrechts (§ 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) habe. Nach dieser
Norm sei derjenige, der durch Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf
dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet.
Die Voraussetzungen dieser Norm lägen hier vor. Der Anspruch scheitere insbesondere
nicht daran, dass die Beklagte das Erlangte nicht unmittelbar von der Klägerin, sondern
von der Beigeladenen erhalten habe. Diese Situation entspreche dem im Zivilrecht
anerkannten bereicherungsrechtlichen Erstattungsanspruch im so genannten Drei-
Personen-Verhältnis. In diesem Verhältnis sei in der Rechtsprechung der Zivilgerichte in
geeigneten Fällen die so genannte Direktkondiktion zugelassen worden, d. h. der
Empfänger der nicht gerechtfertigten Leistung (hier: die Beklagte) sei
bereicherungsrechtlich auch gegenüber dem nicht unmittelbar leistenden Dritten (hier:
der Klägerin) zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Ein direkter Anspruch gegen die
Beigeladene scheitere an dem nach Lage der Akten bindend gewordenen
Nachzahlungsbescheid der Beigeladenen vom 1. Februar 2000.
Gegen das ihr am 20. Oktober 2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der
Beklagten vom 14. November 2003. Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass die
Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung des streitbefangenen Betrages habe. Richtig
sei, dass die während eines Krankengeldbezugszeitraumes gezahlten
Rentenversicherungsbeiträge auch bei einer rückwirkenden Bewilligung einer Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit beim Rentenversicherungsträger verblieben. Gleichwohl habe
sie einen Anspruch auf Erstattung des Beitragsanteils der Klägerin zur
Rentenversicherung. Denn dies führe lediglich dazu, dass die nach der Recht-sprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) bei den Rentenversicherungsträgern verbleibenden und
von den Versicherten zu tragenden Beiträge rückwirkend nicht (mehr) aus dem zunächst
zustehenden Krankengeld, sondern nunmehr von der den Versicherten zustehenden
Rente zu tragen seien. Die Klägerin werde daher durch den Abzug des
Erstattungsbetrages der Rentennachzahlung nicht schlechter gestellt. Würden der
Klägerin tatsächlich die von ihr entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung
entsprechend der Auffassung des Sozialgerichts Berlin erstattet, führe dies zu dem
unbilligen Ergebnis, dass die Klägerin im Endeffekt für den Krankengeldbezugszeitraum
überhaupt keine Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2003 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
im Wege der Anschlussberufung und Klageerweiterung die Beigeladene zu
verurteilen, ihr 575,91 € (1.126,38 DM) zu zahlen,
hilfsweise,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unbegründet.
Die Beigeladene beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen und die Klageerweiterung abzuweisen.
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Sie trägt vor, dass die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmend der
Auffassung seien, dass bei der Ermittlung der Höhe des Erstattungsanspruches der
jeweilige Rentenzahlbetrag dem Bruttokrankengeld gegenüberzustellen sei. Eine
Erstattung auf der Grundlage des Nettobetrages des Krankengeldes sei nicht möglich.
Andernfalls würde der Versicherte indirekt die von ihm zu tragenden Beitragsanteile
erstattet bekommen. Dem Rentenversicherungsträger stünden diese Beitragsanteile
ebenfalls nicht (mehr) zu, denn er habe die zustehenden Beiträge bereits aus der
Krankengeldzahlung direkt von der Krankenkasse erhalten. Die Krankenkasse wäre im
Falle einer „Nettoerstattung“ aber sowohl mit den von dem Versicherten zu tragenden
Beitragsanteilen als auch mit ihren eigenen Beitragsanteilen belastet.
Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 17. März 2004 erörtert.
Wegen des Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift dieses Termins Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat
vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin
war deshalb aufzuheben. Die erst in der mündlichen Verhandlung eingelegte zulässige
Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls begründet. Auf die zulässige
Klageerweiterung war die Beigeladene zu verurteilen, an die Klägerin 575,91 € (1.126,38
DM) zu zahlen.
Rechtsgrund des Anspruchs der Klägerin gegen die Beigeladene auf Zahlung des
streitbefangenen Betrages ist der mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. Dezember
1999 festgestellte Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin hat
danach einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beginnend vom 1. März
1999 an in Höhe von monatlich 1.447,87 DM. Diesen Anspruch hat die Beigeladene in
dem Zeitraum vom 1. März 1999 bis zum 21. Dezember 1999 in Höhe von 575, 91 €
(1.126,38 DM), also in Höhe des während des Krankengeldbezugzeitraumes von der
Klägerin getragenen Beitragsanteils zur Rentenversicherung, nicht erfüllt.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1.
März 1999 bis zum 31. Januar 2000 in Höhe von insgesamt 15.751,81 DM. Diesen
Anspruch hat die Beigeladene zunächst durch Zahlung von 4.246,51 DM an die Klägerin
erfüllt. Weitere 11.505,30 DM hat sie zur Erfüllung des angemeldeten
Erstattungsanspruchs an die Beklagte überwiesen. Durch diese Erstattung ist der
Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit jedoch nur in Höhe von
10.378,92 DM erfüllt worden. In Höhe des verbleibenden Betrages von 1.126,38 DM DM
ist keine Erfüllung eingetreten.
Gemäß § 107 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gilt der Anspruch des
Berechtigten (hier: der Klägerin) gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger
(hier: die Beigeladene) als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Als
Anspruchsgrundlage für die Erstattung der für den Krankengeldbezugszeitraum
gezahlten Beitragsanteile der Klägerin zur Rentenversicherung kommt hier
ausschließlich § 26 Abs. 2 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Betracht.
Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. Diese Voraussetzung ist hier
nicht gegeben. Die während des Krankengeldbezugszeitraumes gezahlten Beiträge zur
Rentenversicherung sind nicht zu Unrecht von der Beklagten gezahlt worden. Diese
Beiträge bleiben auch im Falle einer späteren und rückwirkenden Bewilligung einer Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit wirksam gezahlte Beiträge. Die Gewährleistung des
Versicherungsschutzes steht der Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge bei
nachträglicher Rentenbewilligung entgegen. Durch die Beitragsentrichtung während des
Krankengeldbezuges werden rentenrechtliche Zeiten begründet, die bei weiteren
Versicherungsfällen (vor allem Rente wegen Alters) zu berücksichtigen sind (BSG SozR
3-2400 § 26 Nr. 6). Die Beklagte hat daher keinen Anspruch auf Erstattung der aufgrund
des Krankengeldbezugs gezahlten Beitragsanteile der Klägerin zur Rentenversicherung.
Sie hätte dementsprechend ihre Erstattungsforderung an die Beigeladene um diesen
Betrag mindern müssen.
Soweit die Beklagte und auch die Beigeladene in diesem Zusammenhang vortragen,
dass dies (bei wirtschaftlicher Betrachtung) zu dem „unbilligen Ergebnis“ führen würde,
dass die Beklagte auch den Beitragsanteil der Klägerin zur Rentenversicherung tragen
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dass die Beklagte auch den Beitragsanteil der Klägerin zur Rentenversicherung tragen
müsste, weil die Versicherte (die Klägerin) die von ihr zu tragenden Beitragsanteile als
Rentennachzahlung „erstattet bekommen“ würde, kann der Senat offen lassen, ob
diese Bewertung zutreffend ist. Jedenfalls aber sind derartige Billigkeitserwägungen nicht
Tatbestandsvoraussetzung eines Erstattungsanspruches. Entscheidend ist, dass die
Beklagte verpflichtet war, während des Krankengeldbezugszeitraums für die Klägerin
Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen, und dass sich an dieser Leistungsverpflichtung
durch die spätere und den Krankengeldbezugszeitraum abdeckende Bewilligung einer
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nichts geändert hat. Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang die Auffassung vertritt, dass sich in Fällen dieser Art die Beitragspflicht
zur Rentenversicherung von dem ursprünglich zustehenden Krankengeld auf die
(nachträglich) bewilligte Rente verlagert habe, ist dies nicht haltbar. Weder sind
Rentenbezieher in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig noch
unterliegen Rentenleistungen einer entsprechenden Beitragspflicht.
Der Senat ist gemäß § 75 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) befugt, die
Beigeladene zur Zahlung dieses Betrages an die Klägerin zu verurteilen. Nach dieser
Norm kann ein Versicherungsträger oder in Angelegenheiten des sozialen
Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. § 75 Abs. 5 SGG gibt
den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit aus prozessökonomischen Gründen die
Befugnis, in Fällen, in denen der Kläger einen nicht leistungsverpflichteten
Versicherungsträger verklagt, den in Wirklichkeit leistungsverpflichteten
Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die
Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden. Demnach kommt eine
Verurteilung der Beigeladenen nur subsidiär in Betracht; sie darf erst stattfinden, wenn
(soweit) die Klage gegen den Beklagten keinen Erfolg haben kann. Einer Verurteilung
nach § 75 Abs. 5 SGG muss im Übrigen nicht stets inhaltlich derselbe Anspruch wie der
gegen den Beklagten erhobene zugrunde liegen. Werden aber inhaltlich verschiedene
Ansprüche gegen den Beklagten und den Beigeladenen geltend gemacht, müssen diese
Ansprüche in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen. Schließlich muss die Klage
gegen den Beigeladenen auch zulässig sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der
Leistungsträger über seine behauptete Leistungspflicht noch nicht durch Verwaltungsakt
entschieden hat (vgl. BSG SozR 5090 § 6 Nr. 4).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene ist nach § 126 des Sechsten
Buches Sozialgesetzbuch für die Erfüllung der Aufgaben der Rentenversicherung
zuständig. Sie hat auch über ihre Leistungspflicht bereits durch Verwaltungsakt
entschieden. Sie hat den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit
Rentenbescheid vom 13. Dezember 1999 bestandskräftig festgestellt. Die gegen die
Beigeladene hilfsweise erhobene Klage ist damit als Leistungsklage statthaft.
Die gegen die Beklagte und die Beigeladene erhobenen Ansprüche stehen auch in
einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Dabei kann der Senat offen lassen, ob es sich bei
den gegen die Beklagte und die Beigeladene erhobenen Ansprüchen um inhaltlich
gleiche oder um inhaltlich verschiedene Ansprüche handelt. Denn auch wenn es sich um
inhaltlich verschiedene Ansprüche handeln sollte, nämlich einmal um einen
Rentenanspruch und zum anderen um einen Erstattungsanspruch, schließen sich diese
Ansprüche gegenseitig aus, weil sie nicht nebeneinander stehen können. Denn die
Klägerin kann den streitbefangenen Betrag nur einmal, entweder von der Beklagten oder
von der Beigeladenen, beanspruchen.
Die Klage der Klägerin gegen die Beklagte kann auch keinen Erfolg haben. Denn die
Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des streitbefangenen
Betrages, weil es insoweit an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt. Das
Sozialgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin ihr Begehren gegen die
Beklagte nicht auf eine spezielle sozialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen
kann. Soweit das Sozialgericht jedoch meint, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen
Anspruch auf Zahlung des streitbefangenen Betrages aus einer „entsprechenden
Anwendung des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts“, ist dem nicht zu folgen. Zum
Ausgleich einer mit der Rechtslage nicht übereinstimmenden Vermögensverschiebung
ist im Rahmen öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse der allgemeine öffentlich-
rechtliche Erstattungsanspruch anerkannt. Dieser Ausspruch beruht nicht auf einer
Analogie zu § 812 BGB, sondern ist als eigenständiges Rechtsinstitut aus dem
Rechtsgrundsatz abzuleiten, dass ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen
auszugleichen sind (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, § 55
RdNr. 19 m. w. Nachw.). Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist
indes gegenüber spezialgesetzlichen Vorschriften subsidiär (Wolff/Bachof/Stober, a. a.
O.). Ein solcher spezieller Anspruch ist hier, wie ausgeführt, jedoch gegeben. Die Klägerin
hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erfüllung ihres bestandskräftig festgestellten
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hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erfüllung ihres bestandskräftig festgestellten
Rentenanspruches in Höhe des streitbefangenen Betrages. Die Klägerin ist damit nicht
auf einen Rückgriff gegen die Beklagte zur Durchsetzung ihrer Ansprüche angewiesen.
Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X bewirkt gerade, dass der zur Leistung verpflichtete
Leistungsträger nur so weit von der eigenen Leistungsverpflichtung befreit wird, wie
tatsächlich ein Erstattungsanspruch besteht. Besteht dieser nicht und hat der zur
Leistung verpflichtete Leistungsträger zu Unrecht ein Erstattungsbegehren befolgt,
bleibt er insoweit zur Zahlung verpflichtet. Im Falle einer rechtswidrigen Erstattung kann
und darf der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger den Leistungsberechtigten daher
nicht an den vorleistenden Leistungsträger verweisen, sondern er muss den Anspruch
des Berechtigten selbst erfüllen und seinerseits den Ausgleich mit dem anderen
Leistungsträger suchen. Der Berechtigte soll jedenfalls nicht mit der Aufgabe und dem
Risiko der Durchsetzung seiner Ansprüche belastet werden, die sich infolge einer zu
Unrecht erfolgten Erstattung ergeben.
Schließlich steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen, dass die Beigeladene ihr
mit Schreiben vom 1. Februar 2000 mitgeteilt hat, dass von der Rentennachzahlung in
Höhe von 15.751,81 DM lediglich 4.246,51 DM zur Auszahlung gelangten und der
restliche Betrag in Höhe von 11.505,30 DM zur Erfüllung des Erstattungsanspruches an
die Beklagte überwiesen werde. Hierbei handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt,
mit dem die Beklagte eine verbindliche Rechtsfolge (Regelung) über die Höhe des an die
Klägerin auszuzahlenden Rentennachzahlungsbetrages treffen wollte, sondern lediglich
um eine Mitteilung über die Abrechnung der Nachzahlung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass
sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene Veranlassung zur Klageerhebung gegeben
haben.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen
nicht vor.
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