Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.11.2010

LSG Berlin-Brandenburg: wohnung, eltern, junger erwachsener, zusicherung, aufnahme von pflegekindern, heizung, haushalt, familie, erlass, verfügung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 AS 1880/10 B ER,
L 5 AS 1881/10 B PKH
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 2a S 1 SGB 2, § 22 Abs
2a S 2 Nr 3 SGB 2
Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Umzug junger
Erwachsener unter 25 Jahren - Zusicherungserfordernis nicht nur
beim Erstauszug aus Elternhaushalt - Verweisbarkeit auf
Elternhaushalt
Leitsatz
Ein Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, muss eine Zusicherung
nach § 22 Abs. 2a Satz 1 SGB II auch dann einholen, wenn der Wohnungswechsel nicht mit
dem erstmaligen Bezug einer eigenen Wohnung verbunden ist.
Dass ein Hilfebedürftiger, der das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht mehr im
Elternhaus lebt, stellt für sich genommen keinen sonstigen, ähnlich schwerwiegenden Grund
iSd § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 SGB II dar; sind die Eltern zur Aufnahme ihres Kindes bereit und
steht im elterlichen Haushalt ausreichender Wohnraum zur Verfügung, so kann der
hilfebedürftige junge Erwachsene auf den bei seinen Eltern zur Verfügung stehenden
Wohnraum verwiesen werden.
Tenor
Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Zurückweisung seines Antrags auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und die Ablehnung der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 29. September
2010 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu
erstatten.
Gründe
I.
Mit seinen vom 4. Oktober 2010 datierenden Beschwerden wendet sich der Antragsteller
dagegen, dass das Sozialgericht sowohl seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung als auch seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht
entsprochen hat.
Der 2005 aus der Schule entlassene 22 Jahre alte Antragsteller brach eine im Oktober
2007 an seinem Heimatort G begonnene Ausbildung Anfang Dezember 2007 ab und zog
zu seiner damaligen Freundin nach Idar-Oberstein, wo er nach eigenen Angaben unter
anderem Arbeitslosengeld II bezog. Anfang April 2008 zog er zurück nach G und stellte
im Mai 2008 bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts, unter anderem auch für die im Zusammenhang mit einer zum 1. Juni
2008 angemieteten 33,82 m² großen Einzimmerwohnung im Zweg entstehenden
Kosten. Nachdem der Antragsgegner eine Besichtigung des elterlichen Reihenhauses
vorgenommen und festgestellt hatte, dass dieses hinreichend Platz auch für den
Antragsteller bot, gewährte er ihm lediglich die Regelleistungen. Den unter anderem
dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies er zurück.
Zum 1. September 2008 begann der Antragsteller eine Berufsausbildung und erhielt
Berufsausbildungsbeihilfe. Zum 1. März 2009 zog er in eine 46,90 m² große
Zweizimmerwohnung in der R und beantragte bei dem Antragsteller einen Zuschuss zu
den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Heizung. Diesen lehnte der Antragsgegner
ab und führte zur Begründung aus, solange der Antragsteller das 25. Lebensjahr noch
nicht vollendet habe, seien Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nur dann
zu erbringen, wenn sie vor Abschluss des Mietvertrags vom kommunalen Träger
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zu erbringen, wenn sie vor Abschluss des Mietvertrags vom kommunalen Träger
zugesichert worden seien. Dies sei aber nicht der Fall, so dass auch ein Zuschuss nicht
gewährt werden könne. Aufgrund unentschuldigter Fehlzeiten kündigte der
Ausbildungsbetrieb dem Antragsteller zum 31. März 2010. Da der Antragsteller
erforderliche Unterlagen nicht beibrachte, wurde sein neuerlicher Leistungsantrag wegen
fehlender Mitwirkung abgelehnt; er erhielt Arbeitslosengeld I.
Bei einer erneuten Antragstellung am 29. Juli 2010 gab der Antragsteller an, er habe bei
der Familie seiner Ex-Freundin V H einen Schlafplatz im Keller des Hauses M.. Der
Antragsgegner bewilligte ihm mit Bescheid vom 11. August 2010 Regelleistungen für die
Zeit vom 29. Juli 2010 bis zum 31. Januar 2011. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft
und Heizung heißt es in dem Bescheid, deren Berücksichtigung sei nicht erforderlich, „da
die Mietzahlungen bisher an Frau H ausgezahlt“ würden und dies weiterhin im vollen
Umfang erfolgen werde.
Am 7. September 2010 erschien der Antragsteller mit seiner Freundin bei dem
Antragsgegner, erklärte, er wolle mit ihr zusammenziehen und legte ein
Wohnungsangebot vor. Ihm wurde erklärt, dass er keine Leistungen für Kosten der
Unterkunft und Heizung erhalten könne, weil er unter 25 Jahre alt sei und nach den
Erkenntnissen des Antragsgegners bei seinen Eltern wohnen könne. Gegen die
mündliche Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Zusicherung, die einschließlich
der Betriebskostenvorauszahlung von 71,- Euro monatlich kalt 279,80 Euro betragenden
Kosten für eine 58 m² große Dreizimmerwohnung mit Ofenheizung in der K- zu
übernehmen, legte der nun anwaltlich vertretene Antragsteller am selben Tag
Widerspruch ein und trug vor, die Rechtsauffassung der Mitarbeiterin des
Antragsgegners sei völlig unsinnig. Es werde verkannt, dass er seit Jahren außerhalb des
Elternhauses lebe und ihn deshalb keine Verpflichtung treffe, dorthin zurückzukehren.
Am 9. September 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Cottbus beantragt, den
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die begehrte
Zusicherung zu erteilen, und ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er hat ausgeführt, er
wohne seit dem 2. September 2010 in einer Gartensparte in einem Zelt. Bei seinen
Eltern könne er schon deshalb nicht wieder einziehen, weil die vier Kinderzimmer durch
seine Brüder und ein Pflegekind belegt seien. Der Antragsteller hat eine vom 15.
September 2010 datierende Erklärung seiner Eltern zu den Akten gereicht, derzufolge
im Haushalt außer den beiden eigenen Kindern „derzeit noch zwei Pflegekinder“ leben,
so dass „alle Kinderzimmer belegt“ sind.
Mit Beschluss vom 29. September 2010 hat das Sozialgericht Cottbus den Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere
ausgeführt, die Aufwendungen für die Wohnung, hinsichtlich derer eine Zusicherung
begehrt werde, seien unangemessen hoch, so dass kein Anordnungsanspruch bestehe.
Gegen den ihm am 4. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am
selben Tag Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, das Gericht habe nicht
berücksichtigt, dass er zusammen mit einer Freundin in die Wohnung ziehen wolle. Der
Antragsteller hat eine vom 6. Oktober 2010 datierende mit „F“ unterschriebene
Erklärung einer „Frau C F polizeilich gemeldet bei Frau S F“ vorgelegt, ausweislich derer
diese beabsichtigt, die Wohnung in der K mit ihm gemeinsam zu beziehen.
Der Antragsgegner meint, Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten,
bedürften auch dann einer Zusicherung vor Abschluss eines Mietvertrags, wenn es sich
nicht um den erstmaligen Bezug einer eigenen Wohnung handele. Eine solche
Zusicherung müsse nur dann erteilt werden, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden
Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden
könne, der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich sei
oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliege. Dies sei hier nicht der Fall.
Die Besichtigung des von den Eltern bewohnten Hauses habe ergeben, dass dieses eine
Wohnfläche von etwa 150 m² zuzüglich einer von der Mutter des Antragstellers
gewerblich genutzten Fläche von etwa 38 m² habe. Damit sei hinreichend Platz auch für
den Antragsteller vorhanden. Dass die Eltern des Antragstellers Pflegekinder
aufgenommen hätten, könne nicht dazu führen, dass er einen Anspruch auf staatliche
Leistungen habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf
den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Antragsgegners (Nummer der Bedarfsgemeinschaft ) verwiesen, der Gegenstand der
Beratung und Entscheidung gewesen ist.
II.
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Die Beschwerden haben keinen Erfolg; sie sind zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht
hat das Sozialgericht sowohl dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als
auch dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung
eines vorläufigen Zustands im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend
gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen
Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m.
§§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer
Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat
(Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung
(Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch
alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt
werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der
Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren
möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die
Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das
einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des
Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige
Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare
Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei
ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel
stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG,
a.a.O.).
Hieran gemessen hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen
Anordnungsgrund in einem die (hier faktisch endgültige) Vorwegnahme der Hauptsache
rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit
welcher der Antragsgegner verpflichtet wird, ihm eine Zusicherung bezüglich der
Erbringung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung bei Anmietung der
Wohnung in der K zu erteilen. Dabei kann dahinstehen, ob die Kosten der Unterkunft und
Heizung bei Anmietung dieser Wohnung unangemessen wären, denn der Antragsteller
hat schon deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung, weil er, worauf der
Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, auf den bei seinen Eltern zur Verfügung
stehenden Wohnraum verwiesen werden kann.
Der Bezug der Wohnung in der K bedarf der Zustimmung des Antragsgegners. Nach §
22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II werden Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, sofern sie umziehen, für die Zeit nach dem Umzug bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres Leistungen für Unterkunft und Heizung nur erbracht, wenn der kommunale
Träger dies vor Abschluss des Vertrags über die Unterkunft zugesichert hat. Diese
Vorschrift ist hier anwendbar.
Der Antragsteller gehört zu dem von der Regelung erfassten Personenkreis. Er ist 1988
geboren, hat also das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Nicht unmittelbar aus der
Formulierung, wohl aber aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass das
Zusicherungserfordernis nur für solche Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr
gilt, die bereits im Leistungsbezug stehen oder Leistungen nach dem SGB II beantragt
haben, weil Hilfebedürftigkeit besteht bzw. eintreten wird (vgl. Landessozialgericht
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Oktober 2009, L 15 AS 327/09 B ER;
Landessozialgericht Sachsen, Urteil vom 2. Juli 2009, L 3 AS 128/08 m.w.N.; beide zitiert
nach juris; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, Kommentar, München Stand 1. April
2010, Rdnr. 75 zu § 22 SGB II). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn dem
Antragsteller sind mit Bescheid vom 11. August 2010 Regelleistungen für die Zeit vom
29. Juli 2010 bis zum 31. Januar 2011 bewilligt worden.
Der Einzug des Antragstellers in die Wohnung in der K ist auch ein Umzug im Sinne der
genannten Vorschrift. Entgegen der Auffassung des Antragstellers findet § 22 Abs. 2 a
Satz 1 SGB II bereits seinem Wortlaut nach nicht nur auf den im Zusammenhang mit
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Satz 1 SGB II bereits seinem Wortlaut nach nicht nur auf den im Zusammenhang mit
dem Auszug aus dem elterlichen Heim erfolgenden erstmaligen Bezug einer eigenen
Wohnung Anwendung (so aber der 25. Senat dieses Gerichts, Beschluss vom 15.
Februar 2010, L 25 AS 35/10 B ER, zitiert nach juris; ebenso Berlit in LPK-SGB II, 3.
Auflage, Baden-Baden 2009, Rdnr. 89 zu § 22; Lauterbach in Gagel, a.a.O., Rdnr. 80 zu §
22 SGB II), sondern auf jeden Unterkunfts- bzw. Wohnungswechsel eines unter 25-
jährigen Hilfebedürftigen (vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/6092 vom 19. Juli 2007,
S. 1 ff). Sinn und Zweck der besonderen Regelungen für junge Erwachsene ist es, wie
sich der Gesetzesbegründung entnehmen lässt, den Anreiz zu vermindern, ohne Not auf
Kosten der Allgemeinheit eine eigene Wohnung zu beziehen. Um dies zu erreichen,
wurde zum einen § 22 Abs. 2 a SGB II eingefügt. Dazu heißt es in der
Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/688 vom 15. Februar 2006, S. 14): „Künftig sollen
Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und erstmalig eine
Wohnung beziehen wollen, vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen
müssen. … Wird die Zustimmung nicht eingeholt, werden bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Dies ist den
Betroffenen auch zuzumuten, weil § 3 Abs. 2 SGB II vorsieht, dass Jugendliche
unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. Der
Leistungsausschluss wird daher im Regelfall von kürzerer Dauer sein.“ Flankierend wurde
auch in § 20 SGB II eine neue Regelung, ebenfalls Abs. 2 a, eingefügt, wonach unter 25-
jährige Personen, wenn sie ohne Zusicherung des kommunalen Trägers aus dem
Haushalt der Eltern ausziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres die gleiche
Regelleistung (nämlich 80 Prozent der Regelleistung) erhalten, die ihnen gewährt worden
wäre, wenn sie weiterhin mit den Eltern eine Bedarfsgemeinschaft gebildet hätten. Es
sollte also nicht nur der Entstehung neuer Bedarfsgemeinschaften entgegengewirkt
werden (so wohl Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Auflage, München
2008, Rdnr. 80 e zu § 22), sondern durch die bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres
andauernde negative Sanktionierung auch darauf hingewirkt werden, dass ein vom
Gesetzgeber als unerwünscht angesehenes Verhalten überdacht und geändert wird.
Zwar wurde bei Einführung der Regelungen der Erstbezug einer Wohnung durch
Personen, die entweder bislang wegen Unterstützung innerhalb einer
Haushaltsgemeinschaft keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen
bezogen, in den Vordergrund gestellt, gesetzlich geregelt wurde aber ein
Zusicherungserfordernis für jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben. Würde die Regelung nur für den Erstbezug einer Wohnung gelten,
so könnte sie problemlos umgangen werden. Es bedürfte beim Auszug aus dem
Elternhaus nur des Bezugs einer vorübergehenden ersten eigenen Wohnung, um dann
kurz darauf ohne Zusicherungserfordernis in eine andere eigene Wohnung umziehen zu
können (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage einiger
Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE, a.a.O.). Eine Auslegung, durch welche die Regelung
in der Praxis leer liefe, kann nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen und
verbietet sich daher.
Der Senat ist, soweit Ausführungen dazu im Rahmen eines auf die Gewährung
einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens überhaupt für erforderlich gehalten
werden, davon überzeugt, dass die besonderen Bestimmungen für Personen unter 25
Jahren mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
(Art. 3 Abs. 1 GG), vereinbar sind. § 22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II und § 20 Abs. 2 a SGB II
enthalten Sonderregelungen für eine Personengruppe, für die es auch in anderen
Gesetzen spezifische Vorschriften gibt, weil sie sich von anderen unterscheidet. Der
Kreis der dieser Gruppe Zugehörigen umfasst junge Erwachsene vom Eintritt der
Volljährigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Die für Kinder geltenden
gesetzlichen Regelungen finden auf sie keine Anwendung mehr. Typischerweise befinden
sich Angehörige dieser Personengruppe aber noch in der Ausbildung, es sind in der
Regel Schüler, Auszubildende, Studenten oder Praktikanten. Anders als ältere
Erwachsene sind sie meist wirtschaftlich noch nicht oder jedenfalls nicht vollständig
selbständig und mithin auf Unterstützung angewiesen. Bis zum Abschluss der ersten
Berufsausbildung sind die Eltern unterhaltspflichtig (§§ 1601 ff Bürgerliches Gesetzbuch
[BGB]), die ihrerseits bis zum 25. Geburtstag eines unterhaltsberechtigten Kindes
Anspruch auf Kindergeld haben (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz
[BKKG]). Reicht ihr Einkommen nicht, um das noch in der Ausbildung befindliche Kind zu
unterstützen, so kann ein Anspruch auf Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz bestehen (§ 1 BAföG). Waisen und Halbwaisen
erhalten, wenn sie noch in der Ausbildung sind, bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres
Hinterbliebenenrente (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB
VI]). Die gesetzlich geregelten Ansprüche junger Erwachsener auf materielle Hilfe sind
teils auch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, um die Kosten für diejenigen, die
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teils auch an bestimmte Voraussetzungen gebunden, um die Kosten für diejenigen, die
sie leisten, in einem gegenüber anderen vertretbaren Rahmen zu halten. So erhalten
etwa Schüler einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule nur dann
Ausbildungsförderung, wenn sie nicht bei ihren Eltern wohnen und von der Wohnung der
Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist, oder
sie einen eigenen Haushalt führen und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft
verbunden sind oder waren bzw. mit mindestens einem Kind zusammenleben (§ 2 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 a Satz 1 BAföG).
Die nach alledem erforderliche Zusicherung muss der Antragsgegner nicht erteilen; zu
Recht hat er dies bei der Vorsprache des Antragstellers am 7. September 2010
abgelehnt.
Zur Zusicherung ist er nach § 22 Abs. 2 a Satz 2 Nrn 1 und 2 SGB II insbesondere dann
verpflichtet, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die
Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann oder der Bezug der
Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist. Entsprechendes hat
der Antragsteller nicht vorgetragen; es ist auch nichts ersichtlich.
Es liegt auch kein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vor (§ 22 Abs. 2 a Satz 2 Nr.
3 SGB II). Soweit der Antragsteller offenbar meint, es könne ihm, nachdem er schon eine
Weile nicht mehr zu Hause lebe, nicht zugemutet werden, wieder ins Elternhaus zu
ziehen, kann ihm nicht gefolgt werden (so aber offenbar auch Berlit in LPK-SGB II,
a.a.O.). Er hat sich nicht aus eigenen Kräften aus dem Elternhaus gelöst und ist später
hilfebedürftig geworden. Vielmehr hat er trotz der seitens des Antragsgegners anlässlich
des erstmaligen längerfristigen Verlassens des Elternhauses verweigerten Zusicherung
immer wieder versucht, den Unterhalt einer eigenen Wohnung durch staatliche
Leistungen finanziert zu bekommen. Dass die Eltern zur Aufnahme ihres Sohnes nicht
bereit wären, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. So ist der Antragsteller auch
nach seiner Rückkehr aus Idar-Oberstein zunächst wieder in den elterlichen Haushalt
aufgenommen worden. Auch sind die Wohnverhältnisse bei den Eltern nicht unzumutbar
beengt. Die Familie lebt in einem Reihenhaus mit einer reinen Wohnfläche von 150 m²;
es gibt vier Kinderzimmer. Für die beiden Brüder des Antragstellers und ihn selbst steht
danach je ein Zimmer zur Verfügung. Soweit er vorträgt, es sei kein Platz mehr für ihn
und insoweit darauf verweist, dass die Eltern Kinder zur Pflege aufgenommen hätten, ist
sein Vortrag weder in sich schlüssig noch hinreichend substantiiert. Während er nämlich
mit Schreiben vom 15. September 2010 vorträgt, es lebe ein Pflegekind in der Familie,
heißt es in der schriftlichen Erklärung seiner Eltern vom selben Tag, es lebten „derzeit
noch zwei Pflegekinder“ in dem Haushalt. Damit ist nicht einmal bekannt, wie viele
Kinder im September 2010 dort lebten. Über die Dauer des Verbleibs des Pflegekindes
bzw. der Pflegekinder in der Familie, über das Alter und das Geschlecht wird nichts
mitgeteilt, geschweige denn ist die Behauptung in irgendeiner Weise, etwa durch ein
Schreiben des zuständigen Jugendamtes, glaubhaft gemacht. So ist auch nicht
ersichtlich, dass der vorhandene Platz nicht ausreichend wäre, zumal es nicht zwingend
erscheint, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat. Jedenfalls gleichgeschlechtlichen
Kindern dürfte es zumutbar sein, zumindest für eine vorübergehende Zeit ein Zimmer
zu teilen. Zu Recht weist der Antragsgegner im Übrigen darauf hin, dass die Aufnahme
von Pflegekindern voraussetzen dürfte, dass hinreichend Platz für die eigenen Kinder
bleibt. Wäre es anders, so müsste der Staat Leistungen für das infolge Platzmangels
aushäusig wohnende leibliche Kind erbringen, während die Familie zugleich staatliche
Leistungen für die Aufnahme der Pflegekinder erhielte.
Nur ergänzend sei bemerkt, dass der Umstand, dass die Mutter des Antragstellers als
Tagesmutter tätig ist, so dass sich tagsüber noch weitere Kinder in dem Haus aufhalten,
für das Verfahren ohne Bedeutung ist. Nach den unwidersprochen gebliebenen
Feststellungen des Antragsgegners werden die Tageskinder in einem gesonderten, 38
m² großen Bereich des Hauses betreut.
Fehlt es an einem Anordnungsanspruch, so bedarf es der Ausführungen zum Vorliegen
eines Anordnungsgrundes nicht. Im Übrigen wäre auch dazu festzustellen, dass es dem
seinen Angaben zufolge derzeit zeltenden Antragsteller frei stünde, wieder zu seinen
ihm zum Unterhalt verpflichteten Eltern zu ziehen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zutreffend wegen der fehlenden
Erfolgsaussicht des Verfahrens in Anwendung von § 73 a SGG in Verbindung mit §§ 114
ff Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG sowie § 73 a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. Sie trägt dem Ausgang des
Verfahrens Rechnung.
27 Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das
Bundessozialgericht angefochten werden.
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