Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 23.02.2010

LSG Berlin-Brandenburg: veröffentlichung, rechtliches gehör, hauptsache, berufsausübungsfreiheit, daten, dokumentation, realisierung, rechtsschutz, körperpflege, versorgung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
27. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 27 P 14/10 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b Abs 2 S 1 SGG, § 115 Abs
1a S 1 SGB 11, Art 12 Abs 1 GG
Soziale Pflegeversicherung - Pflegequalität - Streit über die
Ergebnisse der Qualitätsprüfung - Pflege-
Transparenzvereinbarung ambulant - Transparenzbericht -
einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung -
Anforderungen im Hinblick auf die Richtigkeit öffentlicher
Bewertungen und Daten
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam
vom 23. Februar 2010 geändert und den Antragsgegnern untersagt, den Text des
Transparenzberichtes zur Einrichtung der Antragstellerin in der am 17. November 2009
übermittelten Fassung bis zum Ablauf des 30. September 2010, längstens bis zur
Entscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache oder bis zu einem anderen
Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu veröffentlichen.
Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Kosten des gesamten Rechtsstreites
zu tragen.
Der Streitwert wird jeweils für das Verfahren vor dem Sozialgericht und vor dem
Landessozialgericht auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die
Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB XI.
Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst und erbrachte im Oktober 2009
ambulante Pflegeleistungen für 109 Personen. Der MDK führte bei der Antragstellerin am
22. Oktober 2009 eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5
Pflegekunden überprüft. Am 17. November 2009 wurde der Antragstellerin auf
elektronischem Wege im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage der MDK-Prüfung
erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt.
Dabei erhielt die Antragstellerin folgende Bewertungen.
Der Antragstellerin wurde weiter mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den
Transparenzbericht spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf zu veröffentlichen. Ihr
wurde eingeräumt, dass sie einen Kommentar mit maximal 3000 Zeichen (incl.
Leerzeichen) abgeben könne.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die
Veröffentlichung des Transparenzberichtes in der vorliegenden Form. Insbesondere die
Bewertungen für die Qualitätsbereich 1 und 2, aber auch die Gesamtnote seien
unzutreffend. Dies liege einerseits an der objektiven Falschbeantwortung von
Einzelfragen und andererseits an der Fehlinterpretation der Ausfüllanleitung durch die
Prüfer. Durch die Veröffentlichung des fehlerhaften Transparenzberichts sei zumindest
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Prüfer. Durch die Veröffentlichung des fehlerhaften Transparenzberichts sei zumindest
eine erhebliche Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes der Antragstellerin zu
befürchten und würde in die Berufsausübungsfreiheit unzulässig eingegriffen.
Das Sozialgericht Potsdam hat durch Beschluss vom 23. Februar 2010 den
Antragsgegnern untersagt, den Text des Transparenzberichtes bis zum Ablauf des 31.
März 2010 zu veröffentlichen, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Bis Ende März 2010
könne die Antragsstellerin mit den Antragsgegnern ein Klärung herbeizuführen und habe
die Möglichkeit eine Wiederholungsprüfung nach § 114 Abs 5 SGB XI zu beantragen und
durchführen zu lassen. Im Übrigen müsse sich aber die Antragstellerin eine Kritik an
ihren Leistungen in der Öffentlichkeit gefallen lassen. Sinn und Zweck des Verfahrens zur
Veröffentlichung der Transparenzberichte sei die Information der Verbraucher. Nur dann,
wenn die Veröffentlichung des Transparenzberichtes unter Verstoß gegen das in § 115
Abs 1a SGB XI i V m der Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) geregelte
Verfahren erfolgen würde, läge eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit vor. Die
Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden Verstoßes, wie offensichtliche oder bewusste
Verzerrungen, die Behauptung unwahrer Tatsachen oder willkürliches Vorgehen, sei
vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Die Bewertung überschreite die Grenzen der
Beurteilungsfreiheit nicht. Die Antragstellerin habe auch hinreichend Gelegenheit, sich
im Verfahren rechtliches Gehör zu verschaffen und entsprechende Gegendarstellungen
abzugeben.
Die Antragstellerin begründet ihre Beschwerde vom 11. März 2010 damit, dass eine
substantiierte Auseinandersetzung mit den belegten und glaubhaft gemachten
Einwendungen durch die Antragsgegner nicht erfolgt und nicht beabsichtigt sei. Insoweit
sei das Recht auf rechtsfehlerfreie Bewertung und das Gebot inhaltlicher Richtigkeit bei
wettbewerbserheblichen Informationen verletzt. Zudem seien die Einzelbewertungen
teilweise auf zu geringer Datenbasis (nur ein Patient) erfolgt, so dass kein objektives Bild
im Sinne einer Regelhaftigkeit der bewerteten Umstände wiedergegeben werde.
Schließlich sei überhaupt fraglich, ob im Hinblick auf den Zweck der Transparenzberichte,
Bewertungen der Ergebnis- und Lebensqualität zu veröffentlichen, die erfolgten
Prüfungen verwertbar seien. Entsprechende Bewertungskriterien würden nicht vorliegen
und bei der erfolgten Bewertung auch nicht berücksichtigt. Die kritisierten
Dokumentationsmängel rechtfertigten entgegen der tatsächlich erfolgten
Leistungserbringung keine schlechte Bewertungen und deren Veröffentlichung.
Die Antragstellerin beantragt
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Februar 2010 aufzuheben
und den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in
der Hauptsache zu untersagen, den Transparenzbericht vom 17. November 2009 im
Internet oder auf anderem Wege zu veröffentlichen.
Die Antragsgegner haben sich nicht geäußert.
II
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft gemäß § 172 SGG. Sie hat
auch in der Sache Erfolg. Die vom Sozialgericht gesetzte Frist zur Unterlassung einer
Veröffentlichung des Transparenzberichtes war wesentlich zu kurz.
Unzutreffend ist das Sozialgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, die
Antragstellerin habe ihr einstweiliges Rechtsschutzbegehren auf eine unbefristete, von
einem Hauptsacheverfahren losgelöste Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Dies
lässt sich bei sachgerechter Auslegung dem Rechtsschutzbegehren nicht entnehmen
und wurde inzwischen von der Antragstellerin auch in ihrem Antrag klargestellt.
Im Hinblick auf den konkret gestellten Antrag hatte der Senat nur über die Unterlassung
der Veröffentlichung des auf die Antragstellerin bezogenen Transparenzberichtes zu
entscheiden. Inwieweit die Veröffentlichung für andere Pflegedienste günstiger
Transparenzberichte von der Antragstellerin bei einem Unterlassungsanspruch der
Antragstellerin aus Gründen der wettbewerblichen Fairness zu unterbleiben hatte, ist im
vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht Streitgegenstand.
Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist § 86b Abs 2
Satz 1 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Voraussetzungen
für die begehrte Anordnung liegen vor. Sie sind – bezogen auf den insoweit
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für die begehrte Anordnung liegen vor. Sie sind – bezogen auf den insoweit
maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – im Rahmen einer
Gefahrenbeurteilung und Interessenabwägung zu ermitteln. Nach zutreffender ständiger
Rechtsprechung erscheint die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die
Verwirklichung eines Rechts des Betroffenen nötig, wenn die Rechtsverfolgung in der
Sache erhebliche Erfolgsaussicht hat (Anordnungsanspruch) und bei Abwägung der
Interessen der Beteiligten die Interessen des Antragstellers an der vorläufigen Regelung
diejenigen der anderen Beteiligten überwiegen und für ihre Realisierung ohne die
Regelung erhebliche Gefahren, wesentliche Nachteile für die Ausübung/Realisierung/
Bewahrung von Rechten, drohen (Anordnungsgrund). Dabei sind die Anforderungen an
den Anordnungsgrund umso höher, je geringer die Erfolgsaussicht ist; sie sind umso
niedriger, je größer die Erfolgsaussichten sind. Ist unklar, ob ein Anordnungsanspruch
besteht, hat eine Folgenabwägung zu erfolgen. Eine solche verlangt, die Folgen
abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der
Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den
Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der
Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Dabei sind
insbesondere die möglichen Folgen für die Grundrechte des jeweiligen Antragstellers zu
bedenken. Dies ist auch im vorliegenden Fall zu beachten, weil die Antragstellerin sich
hier gegen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) wendet, der
durch eine unzutreffende öffentliche Bewertung von Marktangeboten der Antragstellerin
durch Hoheitsträger und entsprechende staatliche Marktsteuerung bewirkt werden kann.
Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen
Anordnungsgrund.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus dem Anspruch der Antragstellerin gegen die
Antragsgegner, die Veröffentlichung des auf ihren Betrieb bezogenen
Transparenzberichtes zu unterlassen, weil die vorgenommenen Bewertungen fehlerhaft
erscheinen und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind. Entgegen der
Auffassung der Antragsgegner und des Sozialgerichts sind angesichts der
Grundrechtsbetroffenheit bei marktsteuernden Veröffentlichungen und auch angesichts
der dabei bestehenden öffentlichen Interessen keine großzügigen Maßstäbe bei der
Forderung auf Richtigkeit der veröffentlichten Daten und Bewertungen anzulegen. Es ist
für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen nicht ausreichend, dass keine groben
Fehler oder Bewertungsmängel bzw keine schwerwiegenden Verstöße gegen die
rechtlichen Vorgaben vorliegen (aA LSG Sachsen Beschluss vom 24.02.2010, L 1 P 1/10
B ER JURIS-RdNr 54). Zum einen hat die Öffentlichkeit grundsätzlich Anspruch auf
zutreffende Information. Dies gilt auch wegen des öffentlichen Interesses an einer fairen
Marktsituation. Zum anderen verlangt der Schutz des Grundrechts der
Berufsausübungsfreiheit, dass die veröffentlichten Daten und Bewertungen in einem
dem Grundrecht angemessenen Verfahren und auf zutreffender Tatsachengrundlage
zustande kommen. Die Bewertungen selbst müssen aus den zugrunde liegenden Daten
richtig abgeleitet werden. Dabei sind die gesetzgeberischen Zwecke und Aspekte der
Gleichbehandlung zwingend zu berücksichtigen. § 115 Abs 1a Satz 1 SGB XI sieht die
Veröffentlichung der von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren
Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität vor, sog
Transparenzberichte. Ziel ist daher, die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen
insbesondere über das tatsächlich realisierte Leistungsangebot und dessen Qualität
hinsichtlich der Pflegeergebnisse und der Lebensqualität zu informieren.
Fraglich ist, inwieweit die PTVA diesen Vorgaben gerecht wird. Eine Bindung auch der
einzelnen Pflegeeinrichtung an diese Vereinbarung kann nur eintreten, soweit die
Vereinbarung der gesetzlichen Ermächtigung und Zweckbestimmung entspricht. Zweifel
erheben sich insbesondere deswegen, weil die PTVA selbst einräumt, dass derzeit keine
pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis-
und Lebensqualität vorliegen, und weil die unterschiedslose äquivalente Gewichtung der
verschiedenen Bewertungskriterien massive Verzerrungen der Bewertungsergebnisse
insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisqualität erlaubt. Gerade im Hinblick auf die
Grundrechtsrelevanz der Transparenzberichte nach § 115 Abs 1a Satz 1 SGB XI müssen
bis zur Anerkennung entsprechender Indikatoren strenge Maßstäbe an das
Bewertungsverfahren gestellt werden. Der Senat lässt offen, inwieweit die PTVA eine
geeignete Handlungsgrundlage für die Antragsgegner ist, weil schon wesentliche
Vorgaben der PTVA verletzt wurden. Der Umfang der Gültigkeit der PTVA muss in einem
Hauptsacheverfahren geklärt werden. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit den
Antragsgegnern bzw dem MDK im Rahmen der Nach § 115 Abs 1a SGB XI
vorzunehmenden Bewertungen Beurteilungsspielräume eröffnet sind.
Im vorliegenden Fall sind schon die Vorgaben der PTVA bei der Notenbildung missachtet
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Im vorliegenden Fall sind schon die Vorgaben der PTVA bei der Notenbildung missachtet
worden. Die Notenbildung hinsichtlich der Einzel- als auch hinsichtlich der
Gesamtbewertung soll nach Ziff 2.2 Anl 2 PTVA durch Errechnung des jeweiligen
arithmetischen Mittels der Bewertungen der einzelnen Kriterien erfolgen. Eine
Notenbildung aufgrund von vorherigen Punkt-/Skalenbewertungen erfolgt nach den
Vorgaben der Anlage 2 PTVA ausschließlich im Rahmen der Bewertung der
Einzelkriterien und nicht erneut auf Ebene der Qualitätsbereiche oder Gesamtbewertung.
Dies ist deshalb von Bedeutung, weil mit der von der Anlage 2 PTVA vorgesehenen
Notenbildung aufgrund vorheriger Punkt-/Skalenbewertungen eine von der Bildung des
arithmetischen Mittels der Einzelnoten deutliche Abweichung der Gewichtung erfolgt.
Mangels anderer Bestimmungen in der PTVA muss deshalb die Notenbildung für die
Qualitätsbereiche und der Gesamtnote durch Errechnung des Notendurchschnitts
erfolgen. Im Falle der Antragstellerin ist die Notenbildung für den Qualitätsbereich 1 –
pflegerische Leistungen rechnerisch falsch. Von zwölf Einzelkriterien wurden neun mit der
Einzelnote 5 und drei mit der Einzelnote 1 bewertet. Das arithmetische Mittel beträgt
dann 4,0 und nicht 5,0. Allein, dass hier in diesem besonders wichtigen Bereich die
schlechteste Note veröffentlicht werden soll, die sich selbst nach der Bewertungslage der
Antragsgegner so nicht errechnen lässt, bedeutet einen schweren Fehler, der schon für
sich dazu führen muss, den Transparenzbericht nicht zu veröffentlichen. Insofern ist
unbeachtlich, dass auch die Einzelnoten veröffentlicht werden, weil vom Adressaten der
Informationen erwartet wird, dass die Notenbildung rechnerisch korrekt ist und nicht
individuell nachvollzogen werden muss. Der kleingedruckte Hinweis, dass sich die Note
aus „aus den Mittelwerten der Punktebewertung der Einzelkriterien“ ergibt, macht die
Notenbildung gerade wieder intransparent und hat in der PTVA keine Grundlage. Ähnlich
falsch ist die Bewertung für den Qualitätsbereich 2 – Ärztlich verordnete pflegerische
Leistungen: aus dreimal Note 1 und einmal Note 5 errechnet sich die Note 2,0 und nicht
2,3. Entsprechend falsch ist die Gesamtnote, richtig wäre 2,5 bei den von den
Antragsgegnern vorgenommenen Einzelbewertungen.
Für den Qualitätsbereich 1 kommt hinzu, dass mit der Note 1 jeweils die Kriterien der
Durchführung der Leistung zur Unterstützung bei
Ausscheidungen/Inkontinenzversorgung, der gewebeschonenden Lagerung zur
Vermeidung von Druckgeschwüren und der Leistungen zur Mobilität und deren
Entwicklung bewertet sind, also unmittelbar pflegerische Aktivitäten, während die
anderen Kriterien im Hinblick auf deren fehlende oder unzureichende Dokumentation
jeweils mit 5 benotet wurden. Insofern hat die Antragstellerin durch die eidesstattlichen
Versicherungen glaubhaft gemacht, dass die jeweiligen Leistungen (Berücksichtigung
der Wünsche zur Körperpflege, Wünsche zum Essen und Trinken, Leistung Essen und
Trinken) tatsächlich jeweils erbracht worden waren. Gleiches gilt für die Versorgung nach
ärztlicher Verordnung im Qualitätsbereich 2. Im Hinblick auf das ausdrücklich erklärte
gesetzgeberische Ziel der Mitteilung der tatsächlichen Leistungserbringung und deren
Ergebnisqualität, die Grundrechtsrelevanz und die kritische pflegewissenschaftliche
Situation erscheint es bedenklich, eine derart massive Schlechtbenotung vorrangig auf
fehlende oder unzureichende Dokumentation zu stützen. Hier haben die Antragsgegner
im Rahmen der ihnen obliegenden Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt
entsprechend aufzuklären. Erfolgt die entsprechende Aufklärung nicht, kann die
Bewertung nicht als verfahrensgerecht und inhaltlich hinreichend gesichert bewertet
werden. Im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruch ist daher von unzutreffenden
Grundlagen der entsprechenden Bewertungen auszugehen und damit deren
Fehlerhaftigkeit anzunehmen. Inwieweit Dokumentationsmängel als solche trotz der
gesetzgeberischen Zweckbestimmung in die Bewertung inhaltlich (etwa durch
Abwertung) oder separat einfließen können, kann für die vorliegende Entscheidung offen
und muss ggf einer Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben. Ebenfalls ungeklärt
kann hier bleiben, inwieweit bei der Bewertung die eigentlichen pflegerischen Aktivitäten
stärker als Versäumnisse bei Beratungs- und Kontrollaufgaben zu gewichten sind. Auch
dies müsste im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens bei der Prüfung der Wirksamkeit
der Bewertungsvorgaben der PTVA geklärt werden.
Als weiterer erheblicher Verfahrensfehler erweist sich, dass die Datengrundlage für die
Bewertungen unzureichend erhoben wurde. Nach § 2 PTVA werden 10 Prozent, jedoch
mindestens 5, höchstens 15 pflegebedürftige Menschen in die Prüfung einbezogen.
Dabei ist die Vorgabe von 10 Prozent einzuhalten, wenn nicht aufgrund der Größe des
Betriebes die Grenzwerte beachtlich werden. Danach hätte im Falle der Antragstellerin
mit 109 versorgten Personen die Prüfung bei elf Personen erfolgen müssen. Ein Grund,
warum nur fünf Personen in die Prüfung einbezogen wurden, ist nicht erkennbar. Die
Einhaltung der quantitativen Vorgabe des § 2 PTVA ist besonders auch deshalb wichtig,
weil die Bewertungen der Einzelkriterien über die Punkteskala eine besondere
Bewertungswirksamkeit von Pflegefehlern begründet und bei willkürlicher Festlegung der
Prüfpersonenzahl die vom Gesetz geforderte Vergleichbarkeit und Verfahrensfairness
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Prüfpersonenzahl die vom Gesetz geforderte Vergleichbarkeit und Verfahrensfairness
nicht mehr gewahrt würde. Insofern steht den Antragsgegnern bzw dem MDK ein
Spielraum nicht zu.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund. Dabei berücksichtigt der Senat
insbesondere die schwer zu korrigierenden Folgen einer Veröffentlichung der
fehlerhaften Bewertungen für die Berufsausübung der Antragstellerin im Rahmen des
Wettbewerbs der Pflegeeinrichtungen. Wesentliche Nachteile würden auch dann drohen,
wenn eigene Kommentare der Antragstellerin zur Bewertung durch die Antragsgegner in
die Veröffentlichung aufgenommen würden, weil solche gegen die hoheitliche Bewertung
nur begrenzt Marktwirksamkeit erlangen können. Dass korrekte Veröffentlichungen auch
im öffentlichen Interesse liegen, wurde bereits bemerkt. Auch das Informationsinteresse
der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ist hier nicht von Gewicht, weil im Falle der
Antragstellerin offensichtlich keine relevanten Gefahren für die Rechtsgüter der
Pflegekunden, insbesondere deren Gesundheit, bestehen. Insofern käme auch eine
Folgenabwägung zur hier vorzunehmenden Anordnung.
Bei der für die Anordnung der Unterlassung der Veröffentlichung festzusetzenden Frist
geht der Senat davon aus, dass die Hauptsache von der Antragstellerin oder auch von
den Antragsgegnern zügig anhängig gemacht wird, sofern zeitnah keine unstreitige
Klärung erfolgen sollte. Eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Klageerhebung nach §§
86 Abs 2 Satz 4 SGG, 926 ZPO konnte nicht ausgesprochen werden, weil die
Antragsgegner keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Im Übrigen sind die
Antragsgegner nicht gehindert, die Hauptsache selbst anhängig zu machen. Schließlich
war bei der Fristsetzung zu berücksichtigen, dass auch ein Hauptsacheverfahren
besonders zügig zu entscheiden ist und auch entschieden werden kann. Sollte das
Verfahren in der Hauptsache bis zu dem hier gesetzten Termin noch nicht
abgeschlossen sein, wäre ggf auf entsprechenden Antrag durch das dann zuständige
Gericht der Hauptsache über die weitere Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu
entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §§ 197a SGG, 154
Abs 1 VwGO. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung. Die
Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a SGG, 63, 53 Abs 3 Nr 4, 52 Abs 2 GKG. Sie
berücksichtigt den ausdrücklichen Verweis des § 53 Abs 3 Nr 4 GKG für das
sozialgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf § 52 Abs 2 GKG,
weshalb eine Reduzierung des Auffangstreitwertes für derartige Verfahren
ausgeschlossen erscheint.
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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