Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.11.2005

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 B 1371/05 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
14. November 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antrag vom 03. Januar 2006 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter
Beiordnung von Rechtsanwalt B wird abgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
14. November 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat seinen am 24. Oktober 2005 bei
Gericht gestellten sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II zu gewähren, ohne dabei Kindergeld
als Einkommen zu berücksichtigen, zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass
sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht
werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Zur Überzeugung des Senats hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
Antragsgegnerin im Klageverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dazu verurteilt
werden wird, ihm Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II)
zu gewähren, ohne dabei das Kindergeld für seine 1984 geborene Tochter N H als
Einkommen zu berücksichtigen.
Der Antragsteller ist unstreitig anspruchsberechtigt nach dem SGB II und hat
dementsprechend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu erhalten. Bei der
Leistungsgewährung ist indes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II Einkommen zu
berücksichtigen. Welches Einkommen zu berücksichtigen ist, regelt § 11 SGB II. Nach
dessen Absatz 1 Satz 1 sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert grundsätzlich als
Einkommen zu berücksichtigen. Hierzu zählt auch das Kindergeld, das der Antragsteller
für seine volljährige Tochter N H beansprucht. Denn aus § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB II
folgt, dass lediglich das Kindergeld, das für minderjährige Kinder gewährt wird, diesem
Kind als Einkommen zuzurechnen ist, soweit es bei ihm zur Sicherung des
Lebensunterhaltes benötigt wird. Bei volljährigen Kindern ist dies hingegen gerade nicht
der Fall. Bei diesen bleibt es bei dem schon zum früheren Bundessozialhilfegesetz
zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht angenommenem Grundsatz, dass für ein
volljähriges Kind gewährtes Kindergeld Einkommen nicht des Kindes, sondern des
Anspruchsberechtigten ist. Der Senat nimmt insoweit auf die ausführlichen Darlegungen
des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Dezember 2003 (5 C 25/02,
NJW 2004, 2541 f.) Bezug. Die dortigen Ausführungen haben beim begehrten Bezug von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gleichermaßen
Bedeutung und überzeugen den Senat (vgl. auch Beschluss des LSG Celle vom
15.06.2005 – L 8 AS 118/05 ER -, zitiert nach juris). Soweit der
Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers behauptet, die dortigen Ausführungen
seien auf das hiesige Verfahren nicht zu übertragen, geht dies offensichtlich fehl. Zum
einen ist es gänzlich unerheblich, ob die Rechtsfrage im Rahmen eines Leistungs-, oder
aber Erstattungsstreits zu klären war bzw. ist. Zum anderen hat das
Bundesverwaltungsgericht die Geltung seiner Rechtsausführungen - entgegen dem
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Bundesverwaltungsgericht die Geltung seiner Rechtsausführungen - entgegen dem
Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers - für die Rechtslage unter
dem SGB II und dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches gerade nicht
ausgeschlossen. Denn einmal ganz abgesehen davon, dass das
Bundesverwaltungsgericht im Jahre 2003 nicht über Rechtsfragen entscheiden könnte,
die sich zum einen aus erst im Jahre 2005 in Kraft tretenden Gesetzen ergeben und für
die zum anderen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, hat das
Bundesverwaltungsgericht lediglich darauf hingewiesen, dass nach der – inzwischen
tatsächlich aktuellen Rechtslage – die Zurechnung von Kindergeld für minderjährige
Kinder abweichend – insoweit aber eben gerade als Ausnahme von dem sonstigen
Grundsatz – vorgenommen wird. Warum im Übrigen der Wortlaut des § 11 Abs. 1 SGB II
dem Willen des Gesetzgebers widersprechen sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Im
Gegenteil hat sich der Gesetzgeber gerade genötigt gesehen, die – systemwidrige -
Einkommenszurechnung im Falle des minderjährigen Kindes durch die
Gesetzesmaterialien (BT-Dr. 15/1516, 53) zu rechtfertigen.
Dass der Antragsteller das Kindergeld zunächst an seine Tochter weitergereicht hat und
dieses inzwischen von der Kindergeldkasse direkt an die Tochter ausgezahlt wird,
rechtfertigt keine andere Entscheidung. Wenn der Antragsteller möchte, dass nicht er,
sondern seine Tochter das Kindergeld als Einkommen erhält, steht es ihm frei, gemäß §
74 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) bzw. § 48 des Ersten Buches des
Sozialgesetzbuches zusammen mit dieser eine Abzweigung an diese zu veranlassen.
Der Senat geht davon aus, dass dies bisher nicht geschehen ist, sondern durch die
Kindergeldkasse lediglich faktisch eine Auszahlung an die Tochter erfolgt. Denn dass hier
nach Prüfung der Unterhaltsverpflichtungen über die Abzweigung des Kindergeldes durch
Verwaltungsakt entschieden worden wäre, ist weder ersichtlich noch durch den anwaltlich
vertretenen Antragsteller vorgetragen. Im Gegenteil hat der Verfahrensbevollmächtigte
lediglich angegeben, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 EStG
vorlägen. Warum ein entsprechender Antrag dann – angesichts der dort bekannten
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts und der zutreffenden Hinweise der
Antragsgegnerin – nicht gestellt wird, ist nicht nachzuvollziehen.
Nach alledem war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht unter Beiordnung von Rechtsanwalt
B vom 03. Januar 2006 mangels hinreichender Erfolgsaussicht des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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