Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.09.2000

LSG Berlin und Brandenburg: aufschiebende wirkung, rückforderung, aufrechnung, zwangsmittel, urteilsbegründung, mangel, vollziehung, verrechnung, kirchensteuer, sozialhilfe

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 19.09.2000 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 62 KG 178/97
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 14 KG 2/99 NZB
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24.
Februar 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
Streitig ist die Rückforderung des Kindergeldzuschlages für die Monate März bis Dezember 1993 in Höhe von 320,--
DM.
Mit Bescheid vom 8. März 1993 hatte die Beklagte der Klägerin Kindergeldzuschlag nach dem voraussichtlichen
Einkommen im Jahre 1993 ab Januar 1993 für ein Kind in Höhe von monatlich 32,-- DM vorläufig unter dem Vorbehalt
der Rückforderung bewilligt. Die Auszahlung erfolgte für die Monate Januar und Februar 1993 an das Bezirksamt
Kreuzberg von Berlin.
Am 2. Juni 1997 legte die Klägerin den Bescheid für 1993 über Einkommensteuer und Kirchensteuer vor, der einen
Kinderfreibetrag auswies.
Mit Bescheid vom 5. Juni 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Klägerin für das Jahr 1993 Kindergeldzuschlag nicht
zugestanden habe, da sich der halbe Kinderfreibetrag aufgrund des Einkommens voll steuerlich ausgewirkt habe. Der
überzahlte Kindergeldzuschlag sei in der der Klägerin verbliebenen Höhe von 320,-- DM zu erstatten. Das (laufende)
Kindergeld bzw. der Kindergeldzuschlag werde einbehalten, bis der überzahlte Betrag getilgt sei. Hiergegen erhob die
Klägerin Widerspruch und trug vor, ihr stehe für das Jahr 1993 ein voller Kinderfreibetrag zu, und sie glaube kaum,
dass die Beklagte das gegenwärtig zustehende Kindergeld einbehalten könne, da sie dadurch sozialhilfebedürftig
werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar treffe es
zu, dass der Klägerin im Jahre 1993 ein ganzer Kinderfreibetrag zugestanden habe, jedoch habe das zu versteuernde
Einkommen laut Steuerbescheid 13.812,-- DM betragen und damit höher gelegen als der Grundfreibetrag in Höhe von
5.616,-- DM. Somit habe der Klägerin im Jahre 1993 kein Anspruch auf Kindergeldzuschlag zugestanden, und der
Rückforderungsbescheid sei im Ergebnis rechtmäßig. Gemäß § 51 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches, Erstes Buch -
SGB I- könne der zuständige Leistungsträger Ansprüche auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen gegen
Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Leistungsberechtigte dadurch nicht
hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes werde. Vorliegend sei der Erstattungsanspruch
gegen laufendes Kindergeld bis zu deren Hälfte aufgerechnet worden, da die Klägerin keine Sozialhilfe beziehe und
über der Berechnungsgrundlage des Sozialamtes liege.
Das Sozialgericht hat die hiergegen erhobene Klage durch Urteil vom 24. Februar 1999 abgewiesen. Die
Rückforderung des Kindergeldzuschlages 1993 in Höhe von 320,-- DM sei nach Grund und Höhe gemäß § 11 a Abs. 8
in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes -BKGG- berechtigt. Der Klägerin sei zwar
einzuräumen, dass die Beklagte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 86 Abs. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes -SGG- durch die Verrechnung mit der laufenden Kindergeldzahlung nicht beachtet habe.
Gleichwohl sei es im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr als sachgerecht erschienen, die
aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, weil die Klägerin verpflichtet sei, den Kindergeldzuschlag der Beklagten
zu erstatten. Die Klägerin habe es versäumt, im Wege der einstweiligen Anordnung rechtzeitig zu beantragen, die
bereits erfolgte Vollziehung auszusetzen. Die Berufung sei nicht zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes
1.000,-- DM nicht übersteige.
Gegen das am 30. März 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. April 1999 gegen die Nichtzulassung der
Berufung Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das Urteil der
zweifelhaften Praxis des Arbeitsamtes, Bescheide ohne Abwarten der Widerspruchsfrist und somit ohne
Bestandskraft zur Grundlage sofortiger Einbehaltungen zu machen, bestätigend Tür und Tor eröffnet habe.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Berufung ist nicht statthaft, weil der Wert des
Beschwerdegegenstandes 1.000,-- DM nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und die Berufung auch nicht
wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die - demgemäß nicht statthafte - Berufung ist auch nicht zuzulassen, da ein Grund dafür gemäß § 144 Abs. 2 SGG
nicht vorliegt.
Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Dass Widerspruch und Klage
aufschiebende Wirkung haben, ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§§ 86 Abs. 2, 97 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und stellt
mithin keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar. Der Nichtbeachtung der aufschiebenden Wirkung durch die Beklagte
hätte, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, gegebenenfalls durch Beantragung einer einstweiligen
Anordnung oder anderer Zwangsmittel Rechnung getragen werden können. Auch dass die Aufrechnung mit laufendem
Kindergeld nicht zur Sozialhilfebedürftigkeit führen darf, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 51 Abs. 2 SGB I) und stellt
demgemäß keine ungeklärte Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung dar, vielmehr beruhte die Aufrechnung auch
insoweit auf der Unfähigkeit zur korrekten Rechtsanwendung.
Eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (Zulassungsgrund gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) enthält die
Urteilsbegründung nicht.
Auch der dritte in § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG genannte Zulassungsgrund liegt nicht vor. Ein Mangel im
sozialgerichtlichen Verfahren, auf dem das Urteil beruhen könnte, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch
nicht gerügt, wie es nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG zusätzlich notwendig wäre.
Fehlt es mithin an einem Zulassungsgrund, musste die Beschwerde erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das Urteil des Sozialgerichts ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4
Satz 4 SGG).