Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.03.2005

LSG Berlin-Brandenburg: meer, ärztliche verordnung, wesentlicher grund, psoriasis, schuppenflechte, krankenversicherung, rehabilitation, klima, verfügung, vorsorge

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 9 KR 105/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 18 SGB 5, § 27 Abs 1 SGB 5, §
73 Abs 2 SGB 5, § 107 Abs 2 Nr
2 SGB 5
Gesetzliche Krankenversicherung - Kostenerstattungsanspruch -
Klimakur - Psoriasis - Israel - Totes Meer
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7.
März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine „Klimakur“ am Toten
Meer im Jahre 2001.
Der 1952 geborene Kläger leidet an einer schweren chronischen Psoriasis und war
bereits 1993, 1994, 1996 und 2000 auf Kosten der Beklagten und des
Rentenversicherungsträgers zu einer Klima-Helio-Therapie am Toten Meer.
Unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Hautarztes Dr. K vom 20. Juli 2001
beantragte der Kläger am 26. Juli 2001 die erneute Bewilligung einer
klimatherapeutischen Behandlung in Israel. Dr. K führte aus, die Klima-Helio-Therapie sei
für den Kläger erfahrungsgemäß die medizinisch alleinige Behandlungsmöglichkeit. Nach
der letzten Kur im Jahre 2000 sei der Kläger für vier Monate völlig beschwerdefrei
gewesen und erst nach weiteren sechs Monaten sei eine leichte Verschlechterung des
Hautbefundes aufgetreten. Seit der letzten Kur seien nach längerer Erscheinungsfreiheit
wieder sämtliche hier möglichen Therapien wie konsequente UV-Therapie, Salzbäder,
Kortison-Cignolin und die üblichen Pflegemaßnahmen angewandt worden. Es handele
sich um eine sehr therapieresistente Verlaufsform, alle anderen Maßnahmen seien
relativ erfolglos geblieben. Zurzeit sei die Haut mit großen Plaques, betont an den
Händen befallen, die Haut schmerze und brenne. Der Kläger sei physisch und psychisch
stark belastet.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung in Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 9. August 2001 den Antrag auf Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme am
Toten Meer ab. Ambulante Therapiemaßnahmen, insbesondere eine Verhaltenstherapie
mit Nikotinentwöhnung, Entspannungstechniken, psychotherapeutische Maßnahmen
und weiterhin fachärztliche Behandlung seien zweckmäßiger und wirtschaftlicher.
Vom 23. August bis 13. September 2001 führte der Kläger die Klimakur in Israel durch
und legte die Rechnung vom 14. August 2001 in Höhe von 2.711,36 € vor.
Seinen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des MDK mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2002 zurück. Die Voraussetzungen einer
Auslandsbehandlung seien nicht gegeben. Es stünden Optionen wie die Durchführung
einer tagesstationären Behandlung in den Berliner Hautkliniken Charité und Spandau
sowie die Rehabilitationsbehandlung im Inland zur Verfügung.
Mit seiner dagegen gerichteten, vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der
Kläger vorgetragen: Es seien sämtliche möglichen Therapien wie konsequente UV-
Therapie, Salzbäder, Kortison-Cignolin sowie die üblichen Pflegemaßnahmen erfolglos
angewandt worden. Auch die vorgeschlagenen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten
wie z. B. Kombination von Vit.-D-Analoga mit UV-Therapie seien erfolglos geblieben. Die
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
wie z. B. Kombination von Vit.-D-Analoga mit UV-Therapie seien erfolglos geblieben. Die
Behandlungsmethode Creme-PUVA-Therapie stelle eine photoaktivierte Chemotherapie
dar, die das Nebenwirkungsrisiko von Basaliomen (Hautkrebs) sowie
Plattenepithelkarzinomen (Haut- und Schleimhautkrebs) habe. Bei einer UV-Therapie
stelle sich darüber hinaus nur während der unmittelbaren Bestrahlung eine Besserung
ein, langfristig wirke diese nicht. Nach einer vierwöchigen Behandlung am Toten Meer sei
er jeweils beschwerdefrei gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2005 hat das Sozialgericht Berlin, gestützt auf ein
Sachverständigengutachten des Hautarztes Dr. E vom 30. April 2004 die Klage
abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine stationäre Rehabilitation im Ausland seien
nicht erfüllt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E seien vergleichbare
Behandlungserfolge wie die Behandlung in Israel in den Sommermonaten auch in
dermatologischen Rehabilitationseinrichtungen an der Nord- und Ostsee erzielbar. Es
komme auch eine Balneo-Phototherapie im Inland in Betracht. In den Wintermonaten
stünden sogar Therapieeinrichtungen im Raum Berlin zur Verfügung. Zudem sei die
Möglichkeit einer systematischen Therapie mit Fumarsäureestern, die im Allgemeinen
gut verträglich sei, ggf. in Kombination mit anderen Therapieverfahren noch nicht
ausgenutzt worden.
Gegen diesen ihm am 15. März 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
14. April 2005 Berufung eingelegt. Bisher seien die Anträge auf offene Badekur bewilligt
worden. Es sei immer zu einer vollkommenen Abheilung der Schuppenflechte – wenn
auch mit der charakteristischen langsamen Wiederkehr der Hauterkrankung nach ca. 3 -
4 Monaten – gekommen. Dieser Erfolg werde nicht durch die von der Beklagten
angebotenen Therapien – auch nicht der Kombination von Vit.-D-Anagola mit UV-
Therapie – erreicht. Durch seinen Beruf als Journalist sei er in der Ausübung seiner
Tätigkeit durch die sichtbaren Symptome seiner Schuppenflechte oft beeinträchtigt. Es
gebe vor Ort keine medizinischen Leistungen im klassischen Sinne. Die ärztlichen
Leistungen während der Klimakur beschränkten sich auf Warnhinweise gegenüber der
starken Sonneneinstrahlung und damit der Gefahr eines Sonnenbrandes, den Gefahren
des Meeres durch die hohe Salzkonzentration sowie einem möglichen Kreislaufversagen
durch eine zu geringe Wasseraufnahme. Hinzu komme als ärztliche Leistung die
Verabreichung rein kosmetischer Mittel zur Hautpflege. Eine ärztliche Therapie finde
nicht statt. Wesentlicher Grund hierfür sei, dass der Heilungseffekt beim Aufenthalt am
Toten Meer von selbst eintrete. Es sei auf keinen Fall eine Urlaubsreise zum Vergnügen
gewesen. Eine Verordnung von Dr. K im Sinne einer üblichen Kur am Toten Meer habe
vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2005 aufzuheben und
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2002 zu verurteilen, ihm Kosten in Höhe von
2.711,36 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen und sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist
jedoch unbegründet, da das Sozialgericht Berlin die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Entgegen seiner Auffassung steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten in
Höhe von 2.711,36 € für die vom 23. August bis 13. September 2001 in Israel
durchgeführte Klimakur nicht zu.
Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch kommt nach allen denkbaren
Anspruchsgrundlagen – insbesondere nach § 18 Sozialgerichtsgesetzt/Fünftes Buch
(SGB V) nicht in Betracht, weil die Klimakur keine Maßnahme der Krankheitsbehandlung
nach § 27 Abs. 1 SGB V darstellte. Denn nach dem Vorbringen des Klägers ist er in Israel
nicht ärztlich behandelt worden (S. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V), hat sich in einem
18
19
20
21
nicht ärztlich behandelt worden (S. 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V), hat sich in einem
Hotel aufgehalten und nach eigenem Ermessen Bäder im Toten Meer bzw. in der Sonne
genommen; eine solche „Klimakur“ stellt deshalb auch keine ambulante oder stationäre
Rehabilitationsmaßnahme nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V dar. Wesentliches
Merkmal von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ist, dass sie
fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von
besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der
Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von
Heilmitteln, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische
Einwirkungen zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und
Heilungskräfte zu helfen (§ 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V).
Für eine Rehabilitationsmaßnahme fehlte im Übrigen die dafür gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1
Nrn. 5 und 7 SGB V erforderliche ärztliche Verordnung. Eine ärztliche Stellungnahme
enthält nur dann eine solche Verordnung, wenn sich aus ihr u. a. Ziel und Umfang der
Rehabilitation sowie inhaltliche Vorgaben zur Durchführung der Maßnahme sowie der
Anzahl und Art der notwendigen Behandlungen ergeben. Der vom behandelnden Arzt
vorgelegte Bericht beschränkte sich jedoch lediglich auf die Beschreibung des Ausmaßes
der Erkrankung und enthielt eine Empfehlung für eine Reise an das Tote Meer, womit sie
nicht den dargestellten Anforderungen einer ärztlichen Verordnung entspricht.
Hat der Kläger danach keine ärztlich verordneten und überwachten Leistungen in Israel
in Anspruch genommen, hat es sich bei der Klimakur nur um eine Reise gehandelt,
deren Kosten die Beklagte im Rahmen ihrer gesetzlichen Leistungspflichten nicht zu
tragen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG
vorliegen.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum