Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.11.2007

LSG Berlin-Brandenburg: darlehen, härtefall, ausbildung, sicherstellung, zuschuss, anschluss, mittellosigkeit, sammlung, link, quelle

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
28. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 28 B 2037/07 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b SGG, § 7 Abs 5 SGB 2, §
104 SGB 10
Darlehensweise Bewilligung von Leistungen des SGB 2 in
besonderen Härtefällen nach § 7 Abs. 5 S. 2 SGB 2; Härtefall;
nachrangige Leistung
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
13. November 2007 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die
Antragstellerin 263,20 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin bezog bis zum 31. August 2007 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 573,00
€. Jedenfalls spätestens im Juli 2007 war dem Antragsgegner bekannt, dass die
Antragstellerin ab 1. September 2007 eine Ausbildung zur Hauswirtschaftlerin mit einer
monatlichen Ausbildungsvergütung in Höhe von 282,00 € im ersten Ausbildungsjahr
aufnimmt. Mit Schreiben vom 26. Juli 2007 forderte er die Antragstellerin zudem auf,
eine Kopie des Bescheides über die ihr gewährte Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zu
übersenden. Im Anschluss bewilligte er der Antragstellerin mit Bescheid vom 22. August
2007 für September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von
573,00 € als Darlehen. Insoweit meldete er mit Schreiben vom 24. August 2007 und vom
7. September 2007 einen Erstattungsanspruch bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) in
Höhe von 282,00 € an.
Die BA bewilligte der Antragstellerin mit Bescheid vom 30. August 2007 BAB für die Zeit
vom 3. September 2007 bis zum 28. Februar 2009 in Höhe von 282,00 € monatlich und
erstattete dem Antragsgegner aufgrund des geltend gemachten Erstattungsanspruchs
263,20 € (Schreiben der BA vom 15. Oktober 2007). In diesem Bescheid wies die BA
darauf hin, dass die BAB jeweils monatlich nachträglich auf das Konto der Antragstellerin
überwiesen werde. Der Antragsgegner hob im Anschluss seinen Bescheid vom 22.
August 2007 mit Bescheid vom 19. Oktober 2007 auf und ordnete mit weiterem
Bescheid vom 31. Oktober 2007 die Erstattung von 252,81 € an. Den Bescheid vom 19.
Oktober 2007 nahm der Antragsgegner wiederum mit Bescheid vom 15. November
2007 zurück.
Auf ihren Antrag gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin sodann zunächst mit
Bescheid vom 27. September 2007 für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 30.
September 2008 einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten der
Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II in Höhe von 29,00 € monatlich und mit
Bescheid vom 31. Oktober 2007 anteilig für September 2007 in Höhe von 27,07 €.
Den beim Sozialgericht Berlin am 19. Oktober 2007 sinngemäß gestellten Antrag der
Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung
zu verpflichten, ihr Leistungen in Höhe einer Monatsmiete von 350,00 € zu gewähren,
hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 13. November 2007 abgelehnt und zur
Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin lediglich einen ihr
bereits gewährten Anspruch auf Gewährung eines Zuschuss zu den ungedeckten
Unterkunftskosten habe. Hingegen habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf
weitergehende Leistungen als Darlehen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, weil ein besondere
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weitergehende Leistungen als Darlehen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, weil ein besondere
Härtefall nicht gegeben sei.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz ),
der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist im tenorierten Umfang
begründet. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin, die nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II als Bezieherin von BAB
grundsätzlich keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts hat, beruft sich zur Begründung ihres einstweiligen
Rechtsschutzgesuches sinngemäß auf einen besonderen Härtefall im Sinne des § 7 Abs
5 Satz 2 SGB II. Hiernach können bei Vorliegen eines solchen Härtefalles Leistungen als
Darlehen erbracht werden. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, dass sie für
Oktober 2007 keine ausreichenden Leistungen erhalten habe, um ihre Miete zu zahlen,
weil sie aufgrund des von der BA erfüllten Erstattungsgesuchs des Antragsgegners für
diesen Monat keine BAB und damit keine ihren Lebensunterhalt deckenden Leistungen
erhalten habe. Deswegen schulde sie ihrem Vermieter eine Monatsmiete, die sie aus
eigenen Mitteln nicht aufbringen könne.
Der Senat kann offen lassen, ob in der Person der Antragstellerin die Voraussetzungen
eines besonderen Härtefalles im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II erfüllt waren, weil der
Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 22. August 2007 für September
2007 entsprechende Leistungen bewilligt hat. Denn obwohl dem Antragsgegner
spätestens im Juli 2007 bekannt war, dass die Antragstellerin ab 1. September 2007 eine
im Rahmen der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach
förderungsfähige Ausbildung aufnimmt und damit grundsätzlich keinen Anspruch mehr
auf Leistungen nach dem SGB II hat, hat er ihr Leistungen als Darlehen nach dem SGB II
gewährt. Als Anspruchsgrundlage kommt hierfür nur § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Betracht.
Der Antragsgegner hat diesen Bewilligungsbescheid zwar mit Bescheid vom 19. Oktober
2007 aufgehoben, diesen Bescheid aber wiederum mit Bescheid vom 15. November
2007 zurückgenommen, so dass die Antragstellerin einen bestandskräftigen Anspruch
auf Gewährung von 573,00 € für September 2007 als Darlehen hat. Soweit der
Antragsgegner mit Bescheid vom 31. Oktober 2007 die Erstattung eines Teilbetrages
der „bereits ausgezahlten Leistungen für den Monat September 2007 in Höhe von
252,81 €“ verfügt hat, dürfte dieser Bescheid rechtswidrig sein. Vor diesem Hintergrund
irrt der Antragsgegner jedenfalls insoweit, als er noch in einem internen Aktenvermerk
vom 15. November 2007 davon ausgeht, dass ein entsprechender Erstattungsbescheid
nicht erlassen worden sei. Der Antragsgegner wird dies zu korrigieren haben.
Schließlich hat die BA dem Antragsgegner auf dessen Erstattungsgesuch vom 7.
September 2007 hin im Oktober 2007 zu Unrecht 263,20 BAB erstattet, so dass die
Antragstellerin über diesen Betrag in diesem Monat nicht verfügen konnte. Zutreffend
geht der Antragsgegner davon aus, dass als einzig mögliche Rechtsgrundlage dieser
Erstattung § 104 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch in Betracht kommt.
Hiernach ist, soweit ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht
hat, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen
Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat,
bevor er von der Leistung des anderen Kenntnis erlangt hat (Satz 1). Nachrangig
verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der
Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung
verpflichtet gewesen wäre. Letzteres ist hier indes nicht der Fall. Der Antragsgegner hat
der Antragstellerin bei sachdienlicher und vernünftiger Auslegung mit Bescheid vom 22.
August 2007 aus Härtefallgründen für September 2007 Leistungen als Darlehen
gewährt. Dieser Härtefall beruht darauf, dass die Antragstellerin für diesen Monat wegen
der Aufnahme einer nach dem SGB III förderungsfähigen Ausbildung grundsätzlich
keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II hatte. Andererseits konnte die
Antragstellerin ihren Lebensunterhalt in diesem Monat nicht durch anderweitiges
Einkommen sicherstellen. Denn die Zahlung der ihr zustehenden Ausbildungsvergütung
erfolgt ebenso wie die Zahlung der BAB regelmäßig nachträglich, also frühestens am
Ende des jeweiligen Monats oder gar im Folgemonat. Die Antragstellerin war mithin auf
die Gewährung der Leistungen nach dem SGB II zur Sicherstellung ihres
Lebensunterhalts im September 2007 angewiesen. Die ihr dann in der Folgezeit
zugeflossenen vorgenannten Leistungen benötigte die Antragstellerin dann für die
Sicherstellung ihres Lebensunterhalts im Folgemonat. Der Zufluss dieser Leistungen
änderte damit nichts an der Mittellosigkeit der Antragstellerin im September 2007. Da
der Antragsgegner sich damit insoweit die BAB zu Unrecht hat erstatten lassen, ist es
sachgerecht, dass er den ihm erstatteten Betrag in Höhe von 263,20 € an die
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sachgerecht, dass er den ihm erstatteten Betrag in Höhe von 263,20 € an die
Antragstellerin auszahlt, so dass sie im Ergebnis für September 2007 „ungekürzte“
Leistungen erhalten hat.
Der Senat sieht Anlass für den Hinweis, dass die Antragstellerin die ihr mit Bescheid vom
22. August 2007 für September gewährten Leistungen, wie es § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II
bestimmt, als Darlehen erhalten hat, in angemessenen Raten zurückzuzahlen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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