Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 06.12.2010

LSG Berlin und Brandenburg: aufschiebende wirkung, öffentliches interesse, körperliche unversehrtheit, hauptsache, anfechtungsklage, sanktion, vollziehung, vollzug, interessenabwägung, verwertung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 06.12.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 2 AS 1616/10 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 29 AS 1852/10 B ER
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. September 2010
insoweit aufgehoben, als darin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den "Absenkungsbescheid" der
Antragsgegnerin vom 23. Juli 2010 (richtig: 23. Juni 2010) angeordnet worden ist. Der Antrag des Antragstellers auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni
2010 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen so genannten Sanktionsbescheid der
Antragsgegnerin.
Der 19 geborene Antragsteller bezieht seit Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen zur Grundsicherung nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 hob die Antragsgegnerin eine ursprüngliche Leistungsbewilligung für den Zeitraum
vom 1. November 2009 bis zum 31. Januar 2010 auf, nachdem der Antragsteller insbesondere zu einer vereinbarten
Probearbeit am 3. und 4. September 2009 nicht erschienen war. Hierzu hatte der Antragsteller zuvor erklärt, er habe
"den Termin vergessen".
Mit Eingliederungsvereinbarung vom 24. Februar 2010 verpflichtete sich der Antragsteller zur Teilnahme an einer
berufsvorbereitenden (BvB) Maßnahme bei dem gemeinnützigen Berufsbildungsverein G e.V. im Maßnahmezeitraum
vom 1. März 2010 bis zum 24. Juli 2010. Für diesen Maßnahmezeitraum beantragte der Antragsteller zudem die
Bewilligung von Ausbildungsgeld nach § 106 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) und teilte
der Antragsgegnerin nach Beginn dieser Maßnahme mit Schreiben vom 9. März 2010 die Veränderung für den
Maßnahmezeitraum vom 1. März 2010 bis zum 24. Juli 2010 mit.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2010 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis
zum 31. Dezember 2010 monatliche Leistungen in Höhe von insgesamt 361,15 EUR.
Nachdem die Antragsgegnerin Kenntnis von der Beendigung der Maßnahme zum 26. Mai 2010 erhalten hatte, gab sie
dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. Mai 2010 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem möglichen Eintritt einer
Sanktion. Hierzu erklärte der Antragsteller, die Maßnahme sei beendet gewesen.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2010 teilte der Maßnahmeträger der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller
wiederholt in der Maßnahme nicht erschienen sei. So sei er am 3. Mai 2010 insbesondere weder in der Maßnahme
noch zu einem vereinbarten Vorstellungsgespräch bei der Firma R erschienen. Nachdem der Antragsteller auch am
25. Mai 2010 erst nach 13.15 Uhr in der Maßnahme erschienen sei und zudem weder Bemühungen um einen
Ausbildungsplatz nachweisen konnte noch den Lehr- und Lernauftrag des Praktikums erfülle, sei für ihn die
Maßnahme am 26. Mai 2010 ausgelaufen.
Mit Sanktionsbescheid vom 23. Juni 2010 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für den
Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 30. September 2010 vollständig auf. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass auf
Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - insbesondere in Form von
Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden. Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Antragsteller am
11. August 2010 mit der Begründung Widerspruch, die Maßnahme sei regulär nur bis zum 26. Mai 2010 gelaufen.
Diesen Widerspruch verwarf die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 wegen Versäumung
der Widerspruchsfrist des § 84 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses
der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wurde diesen der Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 am 4.
Oktober 2010 zugestellt. Eine Klage hiergegen wurde nicht erhoben.
Mit Änderungsbescheiden vom 19. Juli 2010, 9. August 2010 und 19. August 2010 zum Bewilligungsbescheid vom 8.
Juni 2010 hat die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen u.a. betr. den Antragsteller hinsichtlich der Höhe
korrigiert und sodann für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 30. September 2010 die darin jeweils festgestellten
Leistungen "aufgrund von Sanktionen" um die jeweiligen Beträge in voller Höhe gemindert.
Am 7. September 2010 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Cottbus die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs vom 5. August 2010 gegen den Sanktionsbescheid vom 23. Juni 2010 beantragt. Dieser
Bescheid sei schon deshalb evident rechtswidrig, weil geldwerte Leistungen oder Sachleistungen auch ohne Antrag zu
gewähren seien.
Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 28. September 2010 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
des Antragstellers gegen den Absenkungsbescheid der Antragsgegnerin vom "23. Juli 2010" angeordnet. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 23. Juni
2010 bestehen, weil es nicht allein ausreiche, den Antragsteller auf die Möglichkeit der Beantragung von
Sachleistungen hinzuweisen. Diese Möglichkeit bestehe vielmehr immer und die Antragsgegnerin müsse sich schon
beim Sanktionsbescheid damit auseinander setzen, ob das Existenzminimum des Antragstellers gewährleistet bleibe.
Daran ändere auch nichts die tatsächliche spätere Gewährung von Sachleistungen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 4. Oktober 2010 bei dem Landessozialgericht Berlin-
Brandenburg Beschwerde erhoben und darauf hingewiesen, dass ein Rechtsbehelf gegen den Sanktionsbescheid
schon deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, weil der Widerspruch wegen Nichteinhaltung der
Widerspruchsfrist mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 als unzulässig verworfen worden sei.
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, er habe keine Erkenntnisse, wann der Bescheid vom 23.
Juni 2010 zugegangen sei und ob zwischenzeitlich ein Widerspruchsbescheid erteilt worden sei. Rein vorsorglich sei
jedenfalls ein Überprüfungsantrag gestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der
Gerichtsakten, der beigezogenen Gerichtsakten des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (L 19 AS 1858/10 ER)
und der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin (Bände I-IV) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht Cottbus die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Bescheid der
Antragsgegnerin vom 23. Juli 2010 angeordnet. Soweit ersichtlich, existiert schon kein Bescheid solchen Datums;
ausweislich der Gründe geht selbst das Sozialgericht von einem "Absenkungsbescheid" vom 23. Juni 2010 aus, so
dass offenbar ein Schreibfehler vorliegt.
Selbst wenn jedoch der Beschluss entsprechend ausgelegt würde, erweist er sich als nicht haltbar.
Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in
den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende
Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hier haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 39 Nr. 1 des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw.
der Anfechtungsklage ist anzuordnen, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten
Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Dabei ist zu
beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht
nur Anlass, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls
sprechen, d.h. besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Privatinteresse des vom Verwaltungsakt
Belasteten in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl.
2008, § 86b Rn. 12 c m.w.N.). Ein wesentliches Kriterium bei der Interessenabwägung ist die nach vorläufiger Prüfung
der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. auch Keller a.a.O., § 86 b
Rn. 12, 12 e; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl. 2008, S. 92), wobei
beachtet werden muss, dass für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ein besonderes Interesse
erforderlich ist, das über jenes hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (Bundesverfassungsgericht -
BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009, 1 BvR 2395/09 – veröffentlicht in juris und in NJW 2010, 1871-1872).
Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel anzuordnen, weil
am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht (Keller, a.a.O., § 86b Rn
12 f). Bei einem als rechtmäßig zu beurteilenden Bescheid hingegen ist das öffentliche Interesse am Vollzug
regelmäßig vorrangig. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, d.h. ist der Ausgang des
Hauptsacheverfahrens offen, so ist jedenfalls in Fällen, in denen wie vorliegend, existenzsichernde Leistungen in
Frage stehen und damit die Wahrung der Würde des Menschen berührt wird, eine Folgenabwägung vorzunehmen, die
auch Fragen des Grundrechtsschutzes einbezieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 Rn.
25,26,29, in Breith. 2005, 803 ff.).
Unter Anwendung dieser Kriterien kann hier die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, der nach §
86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat, nicht erfolgen, weil
nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg hat. Dies ergibt sich
vorliegend schon daraus, dass der Sanktionsbescheid vom 23. Juni 2010 zumindest nach derzeitigem
Erkenntnisstand gemäß § 77 SGG bindend geworden sein dürfte. Er wurde erst mit Widerspruch vom 11. August 2010
und daher voraussichtlich nach Verstreichen der Widerspruchsfrist des § 84 SGG angegriffen. Entsprechend wurde
dieser Widerspruch mit Bescheid vom 1. Oktober 2010 als unzulässig verworfen. Gegen diesen
Widerspruchsbescheid wurde eine Klage nicht erhoben, so dass auch er nach § 77 SGG bindend geworden ist.
Selbst die Stellung eines so genannten Überprüfungsantrages für diese Bescheide führt zu keiner anderen
Einschätzung. Denn das Einleiten eines solchen Verfahrens beseitigt nicht die bereits nach § 77 SGG eingetretene
Bindungswirkung.
Abgesehen davon ist der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2010 entgegen der Ansicht des
Antragstellers auch nicht deshalb als offensichtlich rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin in dem Bescheid nicht
zugleich eine Regelung über die Bewilligung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen gemäß § 31
Abs. 3 S. 6 SGB II getroffen hat.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 8. Oktober 2010, L 29 AS 1420/10 B ER), teilt er insoweit
nicht die Auffassung des Sozialgerichts, einschließlich der darin zitierten Entscheidungen, wonach die
Nichtentscheidung über die Bewilligung von Sachleistungen bei einer Kürzung von 100 vom Hundert der nach § 20
SGB II maßgebenden Regelleistung unmittelbar zu einer Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheides führen soll.
Die als Ermessensleistung ausgestaltete Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II gebietet die Betrachtung des
Einzelfalls. Eine solche ist der Antragsgegnerin aber nur möglich, wenn die Sanktion bereits angelaufen ist und der
konkrete Sachverhalt offenbar wird. Im Rahmen einer von dem Leistungsträger durchzuführenden
Ermessensentscheidung ist folglich die Reaktion des Hilfebedürftigen auf die vorherige Information über die
ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen zu berücksichtigen. Der Senat teilt insoweit nicht die
Auffassung (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2008, Az. L 10 B
2154/08 AS ER, zitiert nach juris), wonach sich das Ermessen des Leistungsträgers stets in der Weise reduziert,
dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen immer und zwingend zu erbringen sind. Denn eine
fehlende Reaktion des Hilfebedürftigen auf die Information über ergänzende Sachleistungen berechtigt doch zu
Zweifeln an einem Bedarf für ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen. Insoweit ist es durchaus
möglich, dass ein Hilfebedürftiger seinen Lebensunterhalt im Sanktionszeitraum möglicherweise auch auf andere Art
und Weise decken kann, sei es durch Unterstützungsleistungen von Freunden oder Verwandten oder durch die
Verwertung von gegebenenfalls vorhandenem liquidem Schonvermögen (vgl. hierzu auch Landessozialgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Dezember 2009, Az. L 9 B 51/09 AS ER, zitiert nach juris). Da es des
Erlasses eines Verwaltungsaktes in derartigen Fällen nicht bedarf, ist auch schnelle Hilfe, z.B. durch Aushändigung
eines Warengutscheins, möglich (vgl. Beschluss des Landessozialgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 3.
August 2009, Az. L 8 B 216/09, zitiert nach juris).
Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen im (Sanktions-)Bescheid vom 23.
Juni 2010 hat die Antragsgegnerin daher nach Auffassung des Senats dem Gesetzeszweck von § 31 Abs. 3 Satz 6
SGB II ausreichend Rechnung getragen. Zu verweisen ist insoweit auf die Ausführungen des Landessozialgerichtes
für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2009 (Az. L 9 B 51/09 AS ER, zitiert
nach juris), die der Senat nach eigener Prüfung für zutreffend hält. Darin heißt es:
"Vielmehr ist jedenfalls in der vorliegenden Konstellation davon auszugehen, dass durch den Hinweis auf die
Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen im Sanktionsbescheid.dem Gesetzeszweck von § 31 Abs. 3
Satz 6 SGB II Genüge getan wird. Dieser wird darin gesehen, sicherzustellen, dass auch unterhalb des Bezuges der
Grundsicherung nach dem SGB II eine letzte Grundversorgung erhalten bleiben soll, die verhindert, dass der
erwerbsfähige Hilfebedürftige in seiner Existenz gefährdet wird (vgl. Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31, Rn. 51).
Zutreffend hat der 7. Senat des LSG NRW in der zitierten Entscheidung (Beschluss vom 9. September 2009, Az. L 7
B 211/09 AS ER) darauf hingewiesen, dass der Grundsicherungsträger die Reaktion des Hilfebedürftigen auf die
vorherige Information über die ergänzenden Sachleistungen der geldwerten Leistungen bei seiner
Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat und sich das Ermessen des Leistungsträgers nicht stets in der
Weise reduziert, dass ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen immer und zwingend zu erbringen sind.
Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine fehlende Reaktion des Hilfebedürftigen auf die Information über
ergänzende Sachleistungen aber so zu würdigen, dass sie geeignet ist, Zweifel an einem Bedarf für ergänzende
Sachleistungen oder geldwerte Leistungen hervorzurufen. Insoweit ist in Betracht zu ziehen, dass ein Hilfebedürftiger
seinen Lebensunterhalt im Sanktionszeitraum möglicherweise auch auf andere Art und Weise decken kann, sei es
durch Unterstützungsleistungen Dritter oder die Verwertung von liquidem Schonvermögen. Zudem besteht auch die
Möglichkeit, dass ein Hilfebedürftiger der Form der Leistungserbringung als Sachleistung grundsätzlich ablehnend
gegenübersteht.
Zweifel an einem Bedarf für ergänzende Sachleistungen ergeben sich umso mehr, wenn ein Hilfebedürftiger, wie hier,
auch bei der vorausgegangenen Sanktion mit einer 3 Monate andauernden Leistungskürzung auf 60 vom Hundert des
maßgebenden Regelsatzes keine ergänzenden Sachleistungen bzw. ergänzende Geldleistungen in Anspruch
genommen hat.
Diese Überlegungen gelten zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Hilfebedürftige
entweder nicht im Stande ist, seine bedrohliche Lage zu erfassen und/oder er nicht dazu in der Lage ist, aus der
erkannten Situation entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Eine derartige Konstellation könnte in der zitierten
Entscheidung des 7. Senats des LSG NRW vorgelegen haben. Dort war von der vollständigen Leistungsabsenkung
ein Hilfebedürftiger betroffen, der unter Betreuung stand und damit möglicherweise nicht dazu im Stande war, seine
bedrohliche Lage zu erfassen bzw. hieraus die nahe liegenden Konsequenzen zu ziehen, nämlich um ergänzende
Sachleistungen oder geldwerte Leistungen nachzukommen."
Vorliegend sind entsprechende Anhaltspunkte nicht ersichtlich, sodass nach Auffassung des Senats eine Bewilligung
entsprechender Leistungen ohne eine Mitwirkung des Betroffenen in einem Fall von § 31 Abs. 3 S. 6 SGB II in der
Regel nicht in Betracht kommt. In einem solchen Fall gebietet es damit auch die staatliche Schutzpflicht hinsichtlich
der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Würde des Menschen nach Auffassung des Senats nicht, den
Grundsicherungsträger zu verpflichten, mit der Sanktionsentscheidung auch ohne einen entsprechenden Antrag des
Hilfebedürftigen oder wenigstens einen Hinweis, dass entsprechende Sachleistungen überhaupt begehrt werden, stets
zeitgleich darüber zu entscheiden, ob ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (so
auch LSG NRW a.a.O.
Schließlich ist ergänzend anzumerken, dass die Maßnahme insbesondere ausweislich der Eingliederungsvereinbarung
und der Veränderungsmitteilung des Antragstellers im Zeitraum vom 1. März 2010 bis zum 24. Juli 2010 und nicht,
wie vom Antragsteller behauptet, nur bis zum 26. Mai 2010 laufen sollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).