Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.03.2008

LSG Berlin und Brandenburg: stationäre behandlung, behinderung, psychiatrie, neurologie, psychotherapie, klinik, rehabilitation, kopfschmerzen, gesellschaft, konzentration

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 04.03.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 48 SB 2967/01
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 13 SB 219/06
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 bereits zu dem früheren Zeitpunkt
September 2000.
Die 1948 geborene Klägerin leidet insbesondere an den Folgen eines Hydrocephalus. Im September 2000 beantragte
sie beim Beklagten erstmalig die Feststellung eines GdB. Der Beklagte zog einen Entlassungsbericht der Ärzte des
Universitätsklinikums B (U) W/Dr. S/Prof. Dr. B vom 09. Mai 2000 über eine stationäre Behandlung in der Zeit vom
19. bis 27. April 2000 wegen einer Shunt-Revision bei, holte Befundberichte des Arztes für
Allgemeinmedizin/Arbeitsmedizin/Psychotherapie Dr. S vom 12. Oktober 2000, dem weitere Arztbriefe des U
beigefügt waren, sowie der Fachärztin für Augenheilkunde F vom 03. Januar 2001 und hierzu eine
versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. S ein und erkannte sodann durch Bescheid vom 06. Februar 2001 auf
einen Gesamt GdB von 30 wegen folgender Funktionsbeeinträchtigungen, deren verwaltungsinterne Einzel GdB sich
aus den Zusätzen in Klammern ergeben:
a) Hirnfunktionsstörung, Ventilableitung (30) b) Zwerchfellbruch, Speiseröhrenentzündung (10)
Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch, mit dem sie eine neurologische Untersuchung begehrte. Ihre Symptome
hätten sich auch nach Implantation eines neuen Ventils im April 2000 nicht gebessert, Gleichgewicht und Koordination
hätten sich eklatant verschlechtert. Der Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch die Fachärztin für Neurologie
und Psychiatrie G, die am 11. September 2001 ausführte, dass der Gesamt GdB 40 betrage. Insgesamt sei sicherlich
seit der Kindheit von einer minimalen cerebralen Dysfunktion auszugehen. 1998 sei der Nachweis eines
Hydrocephalus erfolgt mit Anlage eines Shunts, der seitdem bei jeweils wieder verstärkten Symptomen zweimal
erneuert worden sei. Hierfür sei ein GdB von 40 gerechtfertigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Oktober 2001 erkannte der Beklagte daraufhin einen Gesamt-GdB von 40 an und
wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte des behandelnden Hausarztes Dr. S, des
Internisten Dr. L, der Fachärztin für Augenheilkunde F, des Augenarztes Dr. W und des Arztes für Neurologie und
Psychiatrie B eingeholt, bei welchem die Klägerin erstmalig am 04. November 2002 vorstellig gewesen war. Dieser
beschrieb in seinem Befundbericht vom 17. März 2004, dass es aufgrund des Hydrocephalus internus mit
Shuntableitung zu einer leichten hirnorganischen Allgemeinsymptomatik mit Beeinträchtigung der Merkfähigkeit,
Konzentration, Reizbarkeit und vorzeitiger Ermüdbarkeit gekommen sei. Hinzu kämen Kopfschmerzen,
Schlafstörungen und eine affektive Labilität, die insgesamt als Folgeerscheinungen des Hydrocephalus internus
aufzufassen und mit einem GdB von 30 bis 40 v. H. zu bewerten seien. Weiter bestünden zunehmende depressive
Verstimmungszustände.
In Reaktion auf diesen Befundbericht hat der Beklagte durch Bescheid vom 02. Juni 2004 einen GdB von 50 ab
November 2002 anerkannt und der Funktionsbeeinträchtigung zu a) eine "seelische Störung" hinzugefügt.
Die Klägerin hat das Verfahren im Hinblick auf einen früheren Zeitpunkt der Anerkennung der Schwerbehinderung
sowie im Hinblick auf die Höhe des GdB weiterverfolgt. Sie leide nicht erst seit dem Behandlungsbeginn bei Herrn B
an den Folgen des Hydrocephalus einschließlich des depressiven Syndroms.
Das Gericht hat sodann noch einen Befundbericht des Arztes für Neurochirurgie Dr. Z vom 24. August 2004 eingeholt,
bei welchem die Klägerin ab dem 26. Februar 2004 in Behandlung war, und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie B
befragt, der die Klägerin zuletzt am 24. November 1998 behandelt hatte. Dieser gab als Funktionseinschränkungen
Gleichgewichtsstörungen mit Schwindel und Gangunsicherheit, Seh- und Hörstörungen sowie Gedächtnisstörungen
an.
Das Gericht hat sodann durch Dr. F, Chefärztin der Neurologischen Klinik der D Kliniken K, ein
Sachverständigengutachten vom 13. September 2005 eingeholt. Diese führte aus, dass aufgrund des Verlaufes der
Hydrocephaluserkrankung am ehesten ein in der frühen Kindheit abgelaufener, jetzt nicht mehr wesentlich
beeinflussbarer Prozess diskutiert werden müsse. Hierfür spreche auch, dass die geklagten Beschwerden, wie die
Klägerin immer wieder betone, bereits in der Kindheit eingesetzt und seither keine wesentliche Verschlechterung mehr
erfahren hätten. Die Klägerin sei im Alltag auch heute völlig unabhängig. Die Störungen von Merkfähigkeit und
Konzentration seien zwar im Arbeitsalltag aufgefallen, hätten aber letztendlich nie zu einer notgedrungenen Aufgabe
der Arbeit geführt. Die geklagte motorische Ungeschicklichkeit sei gut nachvollziehbar, führe aber im Alltag nicht zu
einer manifesten Behinderung. Letztlich seien eine völlig normale kindliche Entwicklung und Berufsfindung möglich
gewesen, so dass allenfalls von einem Hirnschaden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung ausgegangen werden
könne, was üblicherweise mit einem GdB von 30 bis 40 bewertet werde. Da die einzelnen Behinderungen nur schwer
objektivierbar seien, empfehle sie in einer Gesamtabwägung lediglich einen GdB von 30. Ein anhaltendes depressives
Syndrom sei nicht feststellbar.
Das Gericht hat sodann auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten der Dr. M,
Oberärztin der Neurochirurgischen Klinik der H, D, vom 10. Juni 2006 eingeholt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass
der Gesamt GdB zumindest seit September 2000, wahrscheinlich jedoch schon wesentlich länger, 50 betrage.
Aufgrund der guten Alltagskompensation vieler Hydrocephalus Patienten würden deren wahre Funktionseinbußen nicht
ernst genommen. Bei der Klägerin seien typische Symptome eines Hydrocephalus "in leichtem bis mäßigem
Ausmaß" vorhanden. Aufgrund der allgemeinen motorischen und konzentrationsbedingten Unsicherheiten sei sie
erheblich in ihrer Mobilität eingeschränkt. Als Behinderungen lägen vor: Kognitive Störungen, motorische Störungen
(Koordination, Gang- und Bewegungsunsicherheit durch Schwindel) und eine Dranginkontinenz, die jede für sich
genommen etwa mit einem GdB von 20 zu bewerten seien; hieraus folge der Gesamt GdB von 50.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 14. November 2006 abgewiesen. Unter Beachtung der
Grundsätze der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem
Schwerbehindertenrecht (AHP) sei die Bewertung der durch Ventilableitung versorgten Hirnfunktionsstörung der
Klägerin bis Oktober 2002 mit einem GdB von 40 nicht zu beanstanden. Die Beschwerden der Klägerin im
streitbefangenen Zeitraum seien wechselnden Ausmaßes gewesen, diesem Umstand sei nach Abschnitt 18 Abs. 5
AHP 2005 mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Ausweislich eines Entlassungsberichtes des U vom 09.
Mai 2000 habe nach Shuntrevision weitestgehend Beschwerdefreiheit bestanden; die Klägerin habe selbst über eine
Verbesserung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit berichtet. Insgesamt sei die Einordnung in den oberen Bereich
der Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung nachzuvollziehen. Psychische Störungen seien für den hier
streitgegenständlichen Zeitraum nicht beweisbar auszumachen. Die Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und
Psychiatrie B sei mit dem 24. November 1998 beendet worden. Der behandelnde Hausarzt Dr. S, der Arzt für
Allgemeinmedizin und Psychotherapie sei, habe die Diagnose einer psychischen Störung in seinen Befundberichten
vom 12. Oktober 2000 und 06. September 2002 nicht gestellt. Die Klägerin habe derartige Störungen im Rahmen ihrer
Antragstellung nicht geltend gemacht. In keinem der Kurz- und Entlassungsberichte des U finde sich ein Hinweis auf
das Vorliegen einer psychischen Störung. Auch die Gutachterin Frau G hätte solche im Rahmen ihrer Begutachtung
am 11. September 2001 nicht eruieren können; anhand des erhobenen psychiatrischen Befundes könne die Kammer
auch nicht auf das Vorliegen einer sich im Alltag auswirkenden seelischen Störung schließen. Ein
behandlungsbedürftiges seelisches Leiden habe damit offenkundig erst bei Beginn der Behandlung bei dem Arzt für
Neurologie und Psychiatrie Dr. B im November 2002 vorgelegen. Etwas anderes folge auch nicht aus den
Beurteilungen der gerichtlichen Sachverständigen. Dr. F halte die durch den Beklagten vorgenommene Bewertung mit
einem Gesamt-GdB von 50 ab November 2002 für überhöht. Dr. M stelle in der Beantwortung der Beweisfragen zwar
das Vorliegen einer depressiven Reaktion auf die Primärerkrankung fest, ohne dass jedoch deutlich werde, auf
welcher Grundlage diese Feststellungen getroffen worden seien. Ein psychiatrischer Befund sei offensichtlich im
Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erhoben worden. Aus den von der Sachverständigen vorgeschlagenen
Einzel GdB von jeweils 20 für kognitive Störungen, motorische Störungen und eine Dranginkontinenz könne sodann
unter Beachtung der Vorgaben der AHP 2005, Abschnitt 19 lediglich ein Gesamt GdB von 40 gebildet werden. Soweit
die Sachverständige hiervon bei der Bildung des Gesamt GdB hätte abweichen wollen, wäre eine ausführliche
Begründung angezeigt gewesen, ebenso für den Umstand, dass der GdB von 50 bereits ab Antragstellung vorgelegen
haben solle, zumal die medizinischen Unterlagen in der Verwaltungs- und Gerichtsakte gerade nicht darauf schließen
ließen, dass dem so sei. Auch sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Sachverständige zu einer
dauernden stärkeren Harninkontinenz gekommen sei, die für einen Einzel GdB von mindestens 20 erforderlich sei.
Nach den anamnestischen Erhebungen im Rahmen der Begutachtung durch Frau Dr. F komme die Klägerin mit zwei
bis drei Hygieneeinlagen pro Tag aus, was das Vorliegen einer stärkeren Inkontinenz ausschließe. Nach allem
begegne daher die Feststellung eines GdB von 40 ab Antragstellung keinen Bedenken. Auch insgesamt entspreche
das bei der Klägerin vorliegende Behinderungsbild sicher nicht dem eines Schwerbehinderten, wie der gebotenerweise
zu ziehende Vergleich mit einseitig Unterschenkelamputierten, Epileptikern mit mehrfach jährlichen großen Anfällen
oder Wirbelsäulenschäden in allen Abschnitten der Wirbelsäule mit der erforderlichen Ruhigstellung durch
Rumpforthesen zeige; dies seien Behinderungen, bei denen nach den AHP 2005 ein Ausmaß von 50 erreicht sei.
Gegen dieses am 28. November 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 23. Dezember 2006 eingegangene
Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, dass zur Beurteilung von Patienten mit Hydrocephalus spezialisiertes Wissen
notwendig sei, welches Dr. M, jedoch nicht Frau Dr. F habe. Beigebracht wurde eine ergänzende Stellungnahme der
Dr. M vom 12. Oktober 2007. Psychische Störungen seien von ihr auch sehr wohl bereits in ihrem Antrag vom
September 2000 vorgetragen worden, als sie Konzentrationsprobleme, Kopfdruck, ein sehr schlechtes
Kurzzeitgedächtnis, die Unfähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu verarbeiten, und Vergesslichkeit aufgeführt habe.
Diese Störungen lägen nicht erst seit 2002 vor. Auch ihre seit 1966 bestehenden Magenprobleme seien damals als
psychisch verursacht eingestuft worden. Der Neurologe B habe zusätzlich zu den Folgeerscheinungen des
Hydrocephalus ein anhaltendes depressives Syndrom in seinem Befundbericht vom 17. März 2004 aufgeführt. Die
Klägerin verweist im Übrigen auf eine Stellungnahme des Herrn I vom 06. Februar 2007, bei welchem sie in der Zeit
von 1969 bis 1973 tätig war, und auf einen neuropsychologischen Kurzbefund des Zentrums für Ambulante
Rehabilitation vom 09. Mai 2007.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 06. Februar 2001
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2001, insgesamt in der Fassung des Bescheides vom
02. Juni 2004, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr einen Grad der Behinderung von 50 bereits ab
September 2000 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte führt unter Bezugnahme auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie
und Psychotherapie Dr. S vom 13. Juni 2007 weiterhin aus, dass die Zuerkennung des höheren GdB bereits ab
Antragstellung nicht in Betracht komme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der
Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung eines Gesamt
GdB von 50 bereits ab Antragstellung im September 2000.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB
IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher
Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er
Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz in Verbindung mit
den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem
Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2008 – AHP 2008), die
als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten, zu ermitteln. Maßgeblich sind
vorliegend, da die Funktionsbeeinträchtigungen ab September 2000 zu bewerten sind, die bis Mai 2004 geltenden
AHP 1996. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden anzugeben. Für die
Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB IX die
Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen
zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2008 (Seite 24 ff., insoweit gleich lautend mit den Ausgaben
1996, 2004/2005) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die
Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf
des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder
gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten
Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit
hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem
ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden,
wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Dabei führen grundsätzlich leichte
Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der
Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht
gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP Nr. 19, Abs. 1, 3
und 4, a.a.O.).
Unter Beachtung dieser Vorgaben konnte ein Gesamt GdB von 50 bereits ab September 2000 nicht festgestellt
werden. Das Gericht schließt sich den Ausführungen im angefochtenen Urteil vom 14. November 2006 gemäß § 153
Abs. 2 SGG an und verweist auf diese. Für den hier streitigen Zeitraum fehlt es an zeitnahen Befunden und
Nachweisen von Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem derart hohen GdB zu bewerten wären. Im
Entlassungsbericht des U vom 9. Mai 2000 ist der Erfolg der im April 2000 erfolgten Shunt-Revision dahin
beschrieben, dass sich nach dem Eingriff eine deutliche Besserung der zuvor bestehenden Beschwerden gezeigt
habe. Die Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit hätten zugenommen; die Klägerin sei bei Entlassung weitgehend
beschwerdefrei bei nur intermittierend auftretenden leichten Kopfschmerzen gewesen. In einem Arztbrief des U vom
14. März 2001 ist sodann ausgeführt, dass es ca. 4 Monate postoperativ zu einem sehr guten und stabilen Zustand
und erst danach schleichend wieder zu einer Zunahme der bekannten Beschwerdesymptomatik gekommen sei. Für
den vorliegend streitigen Zeitpunkt September 2000 ist danach aufgrund dieses Arztbriefes noch von einem "sehr
guten und stabilen Zustand" auszugehen, der sich erst in der Folgezeit langsam verschlechtert hat.
Selbst die in der Folgezeit eingetretene Verschlechterung führte jedoch nicht zu dem begehrten Gesamt-GdB von 50.
Das Gericht hat erstinstanzlich zu Recht darauf hingewiesen, dass sich ein derartiger Gesamt GdB aufgrund der
gutachterlichen Feststellungen sowohl der Dr. F als auch der Dr. M auch für die Zeit ab November 2002 nicht
begründen lässt.
Dr. F kam zu dem Ergebnis, dass sowohl der Einzel-GdB für die geringen Leistungsbeeinträchtigungen in Folge des
Hydocephalus als auch der Gesamt-GdB lediglich 30 betrage. Es bestanden keine Bedenken, sich den Feststellungen
der Gerichtsgutachterin Dr. F anzuschließen, von deren Kompetenz für die Beurteilung der Erkrankung der Klägerin
sowohl aufgrund von deren Stellung als Chefärztin der Neurologischen Klinik eines großen Berliner Krankenhauses als
auch aufgrund der überzeugenden Ausführungen in ihrem Gutachten ausgegangen wird. Im Übrigen standen die
Feststellungen der Gutachterin im Wesentlichen in Übereinstimmung mit denen der vom Beklagten befragten
Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G, die zeitnah am 11. September 2001 ebenfalls lediglich zu einem Gesamt
GdB von 40 gekommen war.
Den Ausführungen der Dr. M konnte hingegen nicht gefolgt werden. Zunächst einmal war diese hinsichtlich des
Ausmaßes der Funktionsbeeinträchtigungen zum selben Ergebnis wie Dr. F gekommen, als sie ausführte, dass die
typischen Symptome des Hydrocephalus bei der Klägerin "in leichtem bis mäßigem Ausmaß" vorhanden seien.
Derartige leichte bis mäßige Einschränkungen führen jedoch nach den Vorgaben der Anhaltspunkte, wie bereits
erstinstanzlich umfassend ausgeführt, nicht zu einem GdB von 50. Nach den AHP 1996 (Nr. 26.3, Seite 52 ff.,
übereinstimmend mit AHP 2004/2005, 2008) sind Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung sowie leichte
Hirnschäden mit psychischen Störungen jeweils nur mit Einzel GdB von 30 bis 40 und erst Hirnschäden mit
mittelschwerer bzw. mittelgradiger, sich im Alltag deutlich auswirkender Leistungsbeeinträchtigung mit einem Einzel
GdB von 50 bis 60 zu bewerten. Mittelschwere Beeinträchtigungen sind jedoch weder durch Dr. F noch durch Dr. M
festgestellt worden. Soweit Dr. M weiter allgemein im Hinblick auf Hydrocephalus Patienten ausführt, dass aufgrund
der guten Alltagskompensation vieler dieser Patienten deren wahre Funktionseinbußen nicht ernst genommen würden,
so folgt hieraus zunächst einmal nichts für den Umfang der bei der Klägerin bestehenden "wahren
Funktionseinbußen", die nach der Gutachterin bei ihr eben nur in leichtem bis mäßigem Ausmaß vorhanden sind.
Abgesehen davon sind tatsächlich kompensierte Funktionseinbußen nicht mit einem hypothetischen GdB zu
bewerten. Auch der ergänzenden Stellungnahme der Dr. M vom 12. Oktober 2007 konnten Anhaltspunkte für
mittelgradige Beeinträchtigungen nicht entnommen werden. Erneut führt die Gutachterin aus, dass im Hinblick auf
Entstehung und Ausprägung der Erkrankung erhebliche Unterschiede beständen, ohne auf die – allein maßgeblichen –
Verhältnisse bei der Klägerin einzugehen. Die Ausführungen zur GdB-Bewertung bei Kindern mit Hydrocephalus,
wonach besonderes Gewicht die Frage habe, ob ein Kind in eine Regelschule integrierbar sei, bestätigten allein die
Einschätzung der Dr. F, die aufgrund des erfolgreichen Realschulabschlusses und aufgrund des beruflichen
Werdegangs der Klägerin auf lediglich geringgradige Beeinträchtigungen schloss. Soweit Dr. M sodann kognitive
Störungen, motorische Störungen und eine Dranginkontinenz jeweils mit einem Einzel GdB bewertet und hieraus einen
Gesamt GdB von 50 errechnet, konnte dem unter Berücksichtigung der AHP (Nr. 19 AHP 1996, S. 23 ff., gleich
lautend mit 2004/2005, 2008, Seite 24 ff.) nicht gefolgt werden. Zum einen wurde erstinstanzlich zu Recht darauf
hingewiesen, dass eine mit 20 zu bewertende Dranginkontinenz bei der Klägerin nach den tatsächlichen
Feststellungen der Gutachter nicht besteht. Weiter hätte nach Nr. 18 Abs. 4 AHP 1996 (S. 31, gleichlautend mit AHP
2004/2005, 2008, S. 22) für die Hirnschäden ein einheitlicher Einzel GdB gebildet werden müssen, da
Funktionssysteme zusammenfassend zu beurteilen sind. Jedenfalls aber führen drei Einzel GdB von 20 nach Nr. 19
Abs. 1 AHP 1996, wonach einzelne Werte nicht addiert werden dürfen, allenfalls zu einem Gesamt GdB von 40.
Auch die weiteren Einwände der Klägerin führten zu keinem anderen Ergebnis. Der behandelnde Arzt Dr. B, auf den
die Klägerin erneut verweist, hatte sich bereits geäußert, er hatte die Klägerin zudem zuletzt im November 1998
behandelt (Befundbericht vom 06. Dezember 2004). Dessen Angaben zu Funktionseinschränkungen sind von der
Gutachterin Dr. F auch ausdrücklich zur Kenntnis genommen worden (Seite 15 des Gutachtens). Ebenso sind die
vom früheren Arbeitgeber der Klägerin für 1969 bis 1973 beschriebenen Kurzzeitgedächtnisstörungen bereits
berücksichtigt worden. Der von der Klägerin zu den Akten gereichte neuropsychologische Kurzbefund vom 09. Mai
2007 ließ weder Feststellungen zum hier streitigen Zeitraum September 2000 bis Oktober 2002 zu, noch entstanden
aufgrund dessen Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen; denn hier wurden lediglich ein Verdacht
auf Konzentrationsschwankungen und eine unterdurchschnittliche Tempoleistung bei der Aufmerksamkeit bei
ansonsten qualitativ unauffälliger Aufmerksamkeitsteilung sowie weiter eine unterdurchschnittliche Lernleistung von
Namen zu Gesichtern, ein verzögerter freier Abruf hierzu und eine unterdurchschnittliche Arbeitsgedächtnisleistung
bei ansonsten unauffälligem schlussfolgernden Denken und unauffälliger Handlungsplanung beschrieben. Hierzu ist
nochmals auf die bereits erstinstanzlich vorgenommene Gesamtabwägung hinzuweisen, wonach ein Gesamt GdB von
50 erst bei schwersten Erkrankungen zuzuerkennen ist.
Die von der Klägerin angeregten weiteren Ermittlungen waren nach allem nicht mehr erforderlich. Dr. F, deren
Feststellungen das Gericht folgt, hat insoweit – in Kenntnis der Anregung neuropsychologischer Testverfahren durch
Dr. R vom 6. Juli 2005 - eine abschließende Gesamtbeurteilung abgegeben. Insbesondere können im Jahre 2006/2007
erhobene neurologische/testpsychologische Zusatzuntersuchungen keinen Aufschluss mehr über die im September
2000 bestehende Leistungsfähigkeit der Klägerin geben, zumal gerade im vorliegend streitigen Zeitraum ausweislich
des bereits genannten Arztbriefes des Uvom 14. März 2001 aufgrund der im April 2000 durchgeführten Shunt-Revision
Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten waren.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.