Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.03.2009

LSG Berlin und Brandenburg: verkürzung der arbeitszeit, bemessungszeitraum, arbeitsentgelt, rahmenfrist, härte, entstehung, kündigung, anspruchsdauer, beendigung, minderung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 11.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 22 AL 910/07
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 18 AL 141/08
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2008 wird
zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2007 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind
auch im Verfahren bei dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bemessung von Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1945 geborene und 2008 verstorbene Ehefrau des Klägers (im Folgenden: Versicherte) war zuletzt seit 15.
Februar 1993 als Sozialarbeiterin bei dem Vz S jM – L e. V. in B (im Folgenden: Arbeitgeber) versicherungspflichtig
beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Juli 2005, der Versicherten zugegangen am 30. Juli 2005 (Samstag), stellte der
Arbeitgeber die Versicherte unwiderruflich von ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Am 1. August 2005 wurde das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts C vom 1. August
2005 – 36v IN 2661/05 –). Der Insolvenzverwalter kündigte das mit der Versicherten bestehende Arbeitsverhältnis
zum 30. November 2005 (Schreiben vom 29. August 2005). Die Versicherte, die eine regelmäßige vertragliche
Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hatte, hatte aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 3. Dezember 2003 für die
betriebsbedingte Reduzierung der Wochenarbeitszeit für die Zeit ab 1. Dezember 2003 nach dem Bezug von
Krankengeld (1. August 2003 bis 30. September 2003) im Dezember 2003, Januar 2004 und Februar 2004 jeweils 36
Wochenstunden, im März 2004 und April 2004 jeweils 30 Wochenstunden, im Mai 2004 35 Wochenstunden, im Juni
2004, Juli 2004 und August 2004 jeweils 34 Wochenstunden, im September 2004, Oktober 2004, November 2004,
Dezember 2004, Januar 2005 und Februar 2005 jeweils 36 Wochenstunden und im März 2005 und April 2005 jeweils
32 Wochenstunden gearbeitet. Ab Mai 2005 war die Versicherte wieder 40 Wochenstunden tätig. Auf die mit
Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 eingereichte Aufstellung der Versicherten und die dort bezeichneten, in den
genannten Monaten jeweils erzielten Bruttoentgelte wird Bezug genommen. Seit 1. Juni 2008 war die Versicherte
Altersrentnerin.
Am 4. August 2005 hatte sich die Versicherte arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Die Beklagte hatte für die Zeit
ab 4. August 2005 Alg für eine Dauer von 960 Kalendertagen nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 90,53
EUR in Höhe eines täglichen Leistungssatzes von 32,97 EUR bewilligt (Lohnsteuerklasse 4/Kindermerkmal; Bescheid
vom 9. August 2005). Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft. Den Überprüfungsantrag der Versicherten vom 15.
September 2005 hatte die Beklagte mit – bestandskräftigem – Bescheid vom 26. September 2005 abgelehnt.
Mit Bescheid vom 27. April 2006 bewilligte die Beklagte Alg ab 1. Mai 2006 für 690 Kalendertage in Höhe eines
täglichen Leistungsbetrages von 32,97 EUR. Auch dieser Bescheid erwuchs in Bestandskraft. Im Januar 2007
beantragte die Versicherte erneut die Überprüfung des Bescheides vom 9. August 2005. Nachdem der Arbeitgeber die
Beklagte hinsichtlich des auf sie für die Zeit vom 4. August 2005 bis 30. November 2005 in Höhe des gezahlten Alg
übergegangenen Arbeitsentgeltanspruchs der Versicherten nebst gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung in einer Gesamthöhe von 6.958,48 EUR befriedigt hatte, bewilligte die Beklagte mit
Änderungsbescheid vom 23. Januar 2007 für die Zeit ab 1. Mai 2006 Alg für 810 Kalendertage in Höhe eines täglichen
Leistungsbetrages von 32,97 EUR. Den Widerspruch der Versicherten gegen diesen Bescheid, mit dem diese eine
Bemessung des Alg auf der Grundlage der bis 30. November 2005 erzielten Entgelte begehrte, wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2007 zurück.
Mit ihrer auf diesen Widerspruchsbescheid erhobenen Klage hat die Versicherte erstinstanzlich die Neuberechnung
des Alg ab 1. Dezember 2005 und die Auszahlung des seither angefallenen "Differenzbetrages" begehrt.
Mit Änderungsbescheid vom 22. Februar 2007 bewilligte die Beklagte der Versicherten Alg für die Zeit ab 1. Mai 2006
wegen des Bezugs von Kindergeld in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 36,82 EUR (erhöhter
Leistungssatz). Mit zwei Änderungsbescheiden vom 4. April 2007 erkannte die Beklagte sodann einen Alg-Anspruch
in Gestalt des erhöhten Leistungssatzes bereits ab 1. Dezember 2005 bzw. 1. Januar 2006 zu. Mit
Änderungsbescheid für die Zeit ab 1. September 2007 vom 23. Juli 2007 senkte die Beklagte den täglichen
Leistungssatz wieder auf 32,97 EUR ab, weil kein Kind mehr steuerlich zu berücksichtigen war.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2008 abgewiesen. Zur Begründung ist
ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Versicherte habe keinen Anspruch auf höheres Alg. Der angefochtene
Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2007 und
in der Fassung der Änderungsbescheide vom 22. Februar 2007 und 04. April 2007 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe
den Bemessungsrahmen und den Bemessungszeitraum zutreffend festgesetzt. Die Befriedigung des
Erstattungsanspruchs durch den Arbeitgeber für das im Wege der Gleichwohlgewährung gewährte Alg ziehe keine
Neufestsetzung des Bemessungsrahmens nach sich. Da die Versicherte im Bemessungszeitraum zu keinem
Zeitpunkt weniger als 80 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit tätig gewesen sei, seien die
Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) in der bis 31.
Dezember 2006 geltenden Fassung nicht erfüllt. Auch eine Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre
gemäß § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB III komme nicht in Betracht, weil eine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift nicht
vorliege. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Arbeitslose in den letzten zwei Jahren überwiegend erheblich mehr
verdient habe als im Bemessungszeitraum nach § 130 Abs. 1 SGB III, wobei sich dies nach der Erheblichkeit der
Entgeltdifferenz richte. Eine Entgeltdifferenz zugunsten der Versicherten hinsichtlich des Entgeltes vor und während
des Bemessungsrahmens vom 4. August 2004 bis 3. August 2005 sei nicht gegeben.
Mit der Berufung wird das Begehren (nur) noch für den Leistungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis 31. Mai 2008 weiter
verfolgt. Es wird vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Beklagten liege eine unbillige Härte gemäß § 130 Abs. 3
Nr. 1 SGB III vor. Das Alg sei auf der Basis eines Bruttomonatsentgeltes von 3.046,00 EUR, das die Versicherte
zuletzt bezogen habe, zu berechnen. Im Übrigen sei der in § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III zum Ausdruck kommende
Rechtsgedanke zugrunde zu legen. Danach sei für Zeiten, in denen der Arbeitslose aus betrieblichen Gründen
verringertes Arbeitsentgelt erhalte, das Entgelt zu Grunde zu legen, das der Arbeitslose ohne den Ausfall und ohne
Mehrarbeit erzielt hätte. Hierunter falle neben dem in der Vorschrift genannten Bezug von Sozialleistungen auch die
tarifvertraglich als Entgegenkommen der Mitarbeiter geregelte Verringerung des Lohnes aus betrieblichen Gründen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2008 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des
Bescheides vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2007 und Änderung
der Bescheide vom 22. Februar 2007, 4. April 2007 und 23. Juli 2007 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. Mai 2006
bis 31. Mai 2008 höheres Arbeitslosengeld nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2007 abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
Die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, der als Ehegatte mit der Versicherten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen
Haushalt gelebt hatte und damit als Sonderrechtsnachfolger i.S. von § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch –
Allgemeiner Teil – (SGB I) die erstinstanzlich erhobene und hinsichtlich des nunmehr auf Leistungszeiträume vom 1.
Mai 2006 bis 31. Mai 2008 beschränkten Begehrens statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. §
54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) weiter verfolgt, ist nicht begründet. Gleiches gilt für die Klage gegen den
Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2007, der kraft gesetzlicher Klageänderung i.S. von § 96 Abs. 1 SGG
Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist, über den das SG aber nicht entschieden hat und über den
deshalb durch das Landessozialgericht kraft Klage zu befinden war (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 17. November 2005
– B 11a/11 AL 57/04 R = SozR 4-1500 § 96 Nr. 4 mwN).
Der Versicherten stand in dem noch streitigen Zeitraum vom 1. Mai 2006 bis 31. Mai 2008 kein höheres Alg als das
von der Beklagten nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 90,53 EUR errechnete Alg in Höhe eines täglichen
(allgemeinen) Leistungssatzes von 32,97 EUR für die Zeit vom 1. September 2007 bis 31. Mai 2008 bzw. in Höhe
eines (erhöhten) täglichen Leistungssatzes von 36,82 EUR vom 1. Mai 2006 bis 31. August 2007 zu.
Gemäß § 129 SGB III in der seit 1. August 2001 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassung beträgt das Alg für
Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne der dort genannten Vorschriften haben, 67 % (erhöhter Leistungssatz),
für die übrigen Arbeitslosen 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt),
das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).
Gemäß § 130 Abs. 1 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassung des 3.
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) umfasst der
Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis
abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen.
Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten
Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.
Der Bemessungsrahmen beläuft sich vorliegend auf die Zeit vom 4. August 2004 bis 3. August 2005. Das
Stammrecht der Versicherten auf Alg entstand am 04. August 2005 mit deren Arbeitslosmeldung. Entgegen der
Auffassung des Klägers endet der Bemessungsrahmen nicht erst mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 30.
November 2005. Denn die Versicherte wurde bereits mit Wirkung vom 1. August 2005 unwiderruflich freigestellt und
war somit beschäftigungslos und auch arbeitslos iS der §§ 118 Abs. 1, 119 Abs. 1 SGB III in den ab 1. Januar 2005
geltenden Fassungen. Die Versicherte hatte bereits am 4. August 2005 alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf
Alg erfüllt. Sie war arbeitslos, bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und hatte die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 118
Abs. 1 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung). Nach § 119 Abs. 1 SGB III in der ab 1. Januar 2005
geltenden Fassung ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht
(Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den
Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Insbesondere war die Klägerin
entgegen ihrem Vorbringen beschäftigungslos, und zwar aufgrund ihrer faktischen Freistellung durch den Arbeitgeber
zum 01. August 2005. Wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 119
Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Die Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern
an die tatsächlichen Verhältnisse. Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des
Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts
gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2002 – B 11 AL 65/01 R = SozR 3-4300 § 144 Nr. 8; BSG, Urteil vom 3. Juni
2004 – B 11 AL 70/03 R = SozR 3-4300 § 123 Nr. 2). Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist
trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des
Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil
der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat oder das Arbeitsverhältnis aufgrund einer von ihm
ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt (vgl. BSG
aaO mit weiteren Nachweisen). Dies war bei der Versicherten bereits mit Wirksamwerden der unwiderruflichen
tatsächlichen Freistellung zum 1. August 2005 der Fall. Somit waren vorliegend alle Voraussetzungen für einen
Anspruch der Versicherten auf Alg (bereits) am 4. August 2005 erfüllt.
Die Beklagte hat auch im Wege der so genannten Gleichwohlgewährung für die Zeit vom 4. August 2005 bis 30.
November 2005 (= rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses) nach § 143 Abs. 3 SGB III für den
Ruhenszeitraum von 120 Kalendertagen Alg geleistet. In Höhe des geleisteten Alg ist der Anspruch auf Arbeitsentgelt
insoweit auf die Beklagte übergegangen (vgl. § 115 Abs. 1 SGB X) und wurde von dem Arbeitgeber auch erfüllt, so
dass die eingetretene Minderung der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III für die Zeit vom 4. August
2005 bis 30. November 2005 entfallen ist und ab 01. Dezember 2005 somit ein Alg-Anspruch der Versicherten von
960 Kalendertagen nach § 127 Abs. 2 SGB III in der gemäß § 434l Abs. 1 SGB III weiterhin anwendbaren, bis zum
31. Dezember 2003 geltenden Fassung bestand. Denn bei Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von
insgesamt 64 Monaten innerhalb der für die Klägerin geltenden Rahmenfrist vom 3. August 2005 bis 4. August 1998
ergibt sich nach der Tabelle in § 127 Abs. 2 SGB III in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung nach
Vollendung des 57. Lebensjahres eine Dauer des Anspruchs auf Alg von 32 Monaten (= insgesamt 960 Kalendertage
bei Berechnung des Monats nach § 339 Satz 2 SGB III mit 30 Kalendertagen). Eine Korrektur der Rahmenfrist findet
auch dann nicht statt, wenn - wie hier – die Beklagte aus dem nachzuzahlenden Arbeitsentgelt in Höhe ihrer
Leistungen befriedigt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 1998 – B 7 AL 34/98 R = SozR 3-4100 § 117 Nr.
17). Für die Zeit ab 1. Mai 2006 hatte die Beklagte daher zutreffend einen Alg-Anspruch der Versicherten für 810
Kalendertage und damit auch für den vorliegend streitigen Zeitraum festgestellt. Die Höhe des insoweit bewilligten Alg
hat die Beklagte beanstandungsfrei errechnet.
In den ab 4. August 2004 bis 3. August 2005 laufenden Bemessungsrahmen fallen die abgerechneten
Entgeltabrechnungszeiträume der Versicherten vom 1. August 2004 bis 31. Juli 2005. Beginnt ein
berücksichtigungsfähiger Gehaltsabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen
hinein (vorliegend der August 2004) so ist auch dieser Gehaltsabrechnungszeitraum in vollem Umfang in den
Bemessungszeitraum iS von § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III einzubeziehen, auch wenn schon ohne seine
Berücksichtigung die erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt sind (vgl. Brandt in: Niesel, SGB III,
4. Auflage, § 130 Rz. 2; BSG SozR 4100 § 111 Nr. 3; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Juni 2008 – L 8 AL
3829/07 – veröffentlicht in juris). In der Zeit vom 1. August 2004 bis 31. Juli 2005 (= 365 Tage) erzielte die Klägerin
ein Bruttoarbeitsentgelt von 33.045,00 EUR, woraus sich ein tägliches Bemessungsentgelt von 90,53 EUR nach § 131
Abs. 1 SGB III ergibt. Hieraus errechnet sich gemäß § 133 SGB III ein Leistungsentgelt von 54,95 EUR täglich (90,53
EUR abzüglich Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 % des Bemessungsentgelts – 19,01 EUR – abzüglich
Lohnsteuer nach Lohnsteuertabelle – 15,71 EUR – abzüglich Solidaritätszuschlag – 0,86 EUR –). Aus dem
Leistungsentgelt von 54,95 EUR folgt der allgemeine Leistungssatz von 32,97 EUR täglich bzw. der erhöhte
Leistungssatz von 36,82 EUR täglich. Die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Abzüge für Lohnsteuer und
Solidaritätszuschlag entsprechen der Lohnsteuertabelle i.S. von § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III, und zwar nach
Maßgabe eines durchschnittlichen Monatsentgelts von 2.715,90 EUR (tägliches Bemessungsentgelt von 90,53 EUR x
30).
Eine Rechtsgrundlage für die Zugrundelegung eines höheren Bemessungsentgelts ist nicht ersichtlich. In den
Bemessungszeitraum vom 1. August 2004 bis 31. Juli 2005 fallen keine Zeiten, die nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 SGB III –
die anderen Tatbestandsalternativen sind offensichtlich nicht gegeben – in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung
außer Betracht zu bleiben hätten. Dies sind nur Zeiten, in denen die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche
Arbeitszeit aufgrund einer Teilzeitvereinbarung nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 % der durchschnittlichen
regelmäßigen Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich,
vermindert war, wenn der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb
Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden
Zeitraums ausgeübt hat. Im o. a. Bemessungszeitraum war trotz der Arbeitszeitverkürzung aber keine nicht nur
vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit der Versicherten auf weniger als 80 % der durchschnittlichen
regelmäßigen Arbeitszeit eingetreten. Die Versicherte hatte im August 2004 34 Stunden, von September 2004 bis
Februar 2005 36 Stunden und im März und April 2005 jeweils 32 Wochenstunden gearbeitet. Ausgehend von einer
vertraglichen Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden sind damit im März und April 2005 allenfalls 80 % (= 32
Wochenstunden) erreicht, aber eben nicht weniger als 80 %. Es kann daher auch dahinstehen, ob § 130 Abs. 2 Nr. 4
SGB III auf den vorliegenden Fall einer Verkürzung der Arbeitszeit aus betriebsbedingten Gründen durch eine
Betriebsvereinbarung überhaupt anwendbar ist.
Zu Gunsten des Klägers kann auch nicht die Vorschrift des § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB III in der ab 1. Januar 2005
geltenden Fassung herangezogen werden. Danach wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit
Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem
Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Der erweiterte Bemessungsrahmen beläuft sich vorliegend
auf die Zeit vom 4. August 2003 bis 3. August 2005. Nach den Entgeltangaben in der Tabelle, die mit dem Schriftsatz
vom 10. Oktober 2008 vorgelegt worden ist und die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, ergibt sich für die
Monate Oktober 2003 bis Juli 2004 ein Gesamtbruttoverdienst von 24.624,67 EUR. Da nur abgerechnete
Entgeltabrechnungszeiträume zu berücksichtigen sind, hat der Krankengeldbezug der Versicherten im August und
September 2003 insoweit außer Betracht zu bleiben. Für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juli 2004 (305 Tage)
errechnet sich hieraus ein tägliches Bemessungsentgelt von 80,73 EUR. Im erweiterten Bemessungsrahmen ergibt
sich somit insgesamt ein Bemessungsentgelt von (nur) 86,07 EUR täglich (33.045,- EUR zzgl. 24.624,67 EUR./. 670
Tage). Der Krankengeldzeitraum von August und September 2003 muss dabei außer Betracht bleiben, weil nur die
jeweiligen Entgeltabrechnungszeiträume aus dem Beschäftigungsverhältnis maßgebend sind. Das
Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen liegt somit deutlich unter dem Bemessungsentgelt im
Regelbemessungsrahmen in Höhe von 90,53 EUR täglich.
Es verbleibt daher beim Bemessungsrahmen vom 4. August 2004 bis 03. August 2005 und beim
Bemessungszeitraum vom 1. August 2004 bis 31. Juli 2005. In dem Bemessungszeitraum ist von der Beklagten
zutreffend das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt worden (vgl.
§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung). § 131 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB III in
der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung sind vorliegend nicht einschlägig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen
diese Sonderregelungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Versicherte hatte weder Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld
noch eine Winterausfallgeld-Vorausleistung bezogen. Sie hatte mit dem Arbeitgeber auch keine Vereinbarung nach § 7
Abs. 1a Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) mit entsprechender
Freistellung von der Arbeitsleistung getroffen. Nach der Gesetzesbegründung sollten die früheren detaillierten
Einzelfallregelungen in § 134 SGB III durch ein größeres Maß an Pauschalisierung ersetzt und Ausnahmeregelungen
beschränkt werden (vgl. BT-Drucks 15/1515 S. 85). Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke des Gesetzgebers ist
danach für Fälle der vorliegenden Art nicht ersichtlich, zumal auch § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III in der bis 31.
Dezember 2004 geltenden Fassung – wie die Nachfolgeregelung in § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III - vorsah, dass
bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums nur Zeiten außer Betracht bleiben, in denen die regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit nicht nur vorübergehend auf weniger als 80 % der durchschnittlichen regelmäßigen
Arbeitszeit einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, mindestens um fünf Stunden wöchentlich, vermindert war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.