Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 15.04.2008

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
25. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 25 B 1046/08 AS
PKH
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 73a SGG, § 114 ZPO, § 86b
SGG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20
Abs 3 GG
Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht bei der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin
vom 15. April 2008 hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe
aufgehoben.
Den Antragstellerinnen wird rückwirkend zum 22. Oktober 2007 Prozesskostenhilfe für
das Verfahren S 63 AS 26711/07 ER unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten
ohne Ansatz von Monatsraten oder aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen gewährt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist zulässig, insbesondere statthaft gem. § 172
Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des
Sozialgerichts lagen zum Zeitpunkt der erstmaligen Entscheidungsreife des
Prozesskostenhilfegesuchs bei Eingang des Antrages und der vollständigen Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Voraussetzungen für die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff.
Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Die Antragstellerinnen waren im
prozesskostenhilferechtlichen Sinne bedürftig, ihr Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes besaß auch die notwendige hinreichende Erfolgsaussicht.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform
auszulegen. Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet in Verbindung mit dem u. a. in
Artikel 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Artikel
19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitgehende
Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des
Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen
Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt
und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der
Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe
dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache selbst treten zu lassen (BVerfG,
Beschluss vom 28. November 2001, 1 BvR 68/07). Handelt es sich bei dem Verfahren in
der Sache selbst um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b
Abs. 2 SGG, so hat dies zur Folge, dass eine bereits geglückte Glaubhaftmachung von
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch zur Erfüllung des Merkmals der
hinreichenden Aussicht auf Erfolg nicht verlangt werden darf. Ausreichend für die
Gewährung von Prozesskostenhilfe ist vielmehr, dass eine Glaubhaftmachung der
Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung aufgrund der
bisherigen Angaben des Antragstellers ernsthaft möglich erscheint (Landessozialgericht
Berlin, Beschluss vom 13. Januar 2003, L 15 B 61/02 KR).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hätte das Sozialgericht die hinreichenden
Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerinnen bejahen müssen.
Von dem Vorhandensein eines Anordnungsanspruchs geht der Senat schon deswegen
aus, weil sich der Antragsgegner selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben hat und
dem Begehren der Antragstellerinnen entsprochen hat. Darüber hinaus hätte das
Sozialgericht unter Zugrundelegung der oben genannten Maßstäbe das Vorliegen eines
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Sozialgericht unter Zugrundelegung der oben genannten Maßstäbe das Vorliegen eines
Anordnungsgrundes, d. h. einer besonderen Dringlichkeit für das damalige
Rechtsschutzbegehren der Antragstellerinnen, als zumindest ernsthaft möglich
einschätzen müssen. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob ein solcher
Anordnungsgrund für das reine Zahlungsbegehren der Antragstellerinnen und für die
Übernahme einer Mietkaution gegeben waren, denn jedenfalls für einen wesentlichen
anderen Teil des Rechtsschutzbegehrens, nämlich die Übernahme der Erstausstattung
für die Wohnung, erschien ein solcher Anordnungsgrund als ernsthaft möglich. Die
Antragstellerinnen hatten bereits bei Eingang ihres Rechtsschutzantrages bei dem
Sozialgericht Berlin glaubhaft gemacht, dass ihnen wesentliche Teile der Erstausstattung
fehlten und vor diesem Hintergrund ein menschenwürdiges Leben in der angemieteten
Wohnung nicht möglich war. Bereits dieser Zustand allein rechtfertigte die Bejahung
einer besonderen Dringlichkeit und damit auch eines Anordnungsgrundes. Dies hätte
insgesamt zu einer Bejahung der Erfolgsaussichten im Sinne des Rechts der
Prozesskostenhilfe führen müssen, weil vorliegend ein Verfahren unter Zugrundelegung
der anwaltlichen Rahmengebühr geführt wurde, weshalb eine Teilablehnung von
Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kam.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten gem. §§ 73a SGG, 127 Abs.
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Dieser Beschluss kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das
Bundessozialgericht angefochten werden.
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