Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.07.2009

LSG Berlin und Brandenburg: versicherungspflicht, arbeitskraft, betriebsstätte, kredit, vermietung, arbeitsentgelt, beiladung, vertrauensschutz, mitarbeit, arbeitsamt

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 10.07.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 84 KR 2990/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 KR 166/08
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das
Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob die Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch "die Beigeladene") als Verkäuferin bei ihrem
Ehemann, dem Beigeladenen zu 2), Inhaber der Firma Fahrrad E (nachfolgend nur noch "der Beigeladene"), vom 1.
Mai 1998 bis 30. September 2000 und vom 17. April 2001 bis 31. Oktober 2004 abhängig beschäftigt gewesen ist.
Der Beigeladene zu 2) gründete sein Unternehmen am 2. Juli 1990. Seine Frau war zunächst vom 1. Januar 1991 bis
30. November 1997 dort tätig. Anschließend meldete sie sich arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab 1. Mai 1998
bis 30. September 2000 war sie dann wiederum beschäftigt. Vom 1. Oktober 2000 bis 16. April 2004 bezog sie
abermals Arbeitslosengeld. Anschließend nahm sie die Tätigkeit bis 31. Oktober 2004 wieder auf. Am 1. November
2004 meldete sie sich erneut arbeitslos. Weil die zuständige Agentur für Arbeit einen Antrag auf Arbeitslosengeld mit
Bescheid vom 21. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 mit der
Begründung zurückgewiesen hatte, die Beigeladene sei keine abhängig Beschäftigte, sondern Mitunternehmerin,
beantragte die Beigeladene durch ihre Versicherungsvertreterin bei der Beklagten die Rückerstattung u. a. der
Beiträge zur Rentenversicherung. Ihr jetziger Prozessbevollmächtigter wiederholte diesen Antrag mit Schreiben vom
11. April 2005. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses
zwischen Angehörigen - von beiden Beigeladenen am 2. Juni 2005 ausgefüllt und unterschrieben - gaben sie u. a. an,
die Beigeladene übe die Tätigkeit in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung aus und sei in den Betrieb wie eine fremde
Arbeitskraft eingegliedert. Ohne ihre Mitarbeit müsse eine andere Arbeitskraft eingestellt werden. Sie sei an die
tatsächlich ausgeübten Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit gebunden, könne über ihre
Tätigkeit nicht frei bestimmen und diese nicht frei gestalten, habe keine besonderen Fachkenntnisse, die Mitarbeit sei
aufgrund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Es
bestehe ein Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen. Bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt mindestens 6
Wochen fortgezahlt. Sie erhalte den tarifüblichen bzw. den ortsüblichen Lohn, das Arbeitsentgelt werde regelmäßig
monatlich auf ihr privates Bankkonto überwiesen. Schließlich werde für sie Lohnsteuer entrichtet, das Arbeitsentgelt
werde als Betriebsausgabe gebucht. Die Beigeladene habe keine weiteren Arbeitsverhältnisse und übe auch keine
selbstständige freiberufliche Tätigkeit aus. Sie sei nicht am Betrieb beteiligt, habe aber für den Ehemann
Bürgschaften i. H. v. 204.516,75 EUR übernommen und ferner die Betriebsstätte an diesen vermietet. Sie erhalte
dafür eine Monatsmiete von 1.467,92 EUR. Beigefügt war eine Kopie des Arbeitsvertrages vom 21. Dezember 2001.
Mit Schreiben vom 11. April 2005 (Eingang 14. April 2005) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Meldungen
zur Sozialversicherung ab 17. April 2001 storniert worden seien. Diese wiederum schrieb der Beigeladenen unter dem
Datum 27. April 2005, prüfen zu wollen, ob für diese Versicherungspflicht als Selbständige bestehe. Mit Schreiben
vom 29. April 2005 wandte sie sich an die Beklagte. Ein Antrag auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge
begründe noch kein Recht auf Erstattung. Die Beklagte sei vielmehr als Einzugstelle gehalten, den Sachverhalt
sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen. Die Beigeladene reichte bei der Klägerin den mit Datum vom 6. Juni 2005
unterschriebenen Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige
zurück. Dabei kreuzte sie u. a. die Frage, ob Arbeitnehmer beschäftigt würden, mit "ja" an, der beigefügte
Gehaltsnachweis weist jedoch ihren Ehemann als Arbeitgeber aus.
Mit Schreiben vom 26. August 2005 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass es sich bei ihrer Beschäftigung im
Betrieb des Ehemannes in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 1. Dezember 1997 und vom 1. Mai 1998 bis zum 30.
September 2000 sowie ab 17. April 2001 um ein nicht abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Zur
Begründung führte sie aus, durch die Übernahme von Sicherheiten bestehe kein für Beschäftigungsverhältnisse
typischer Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Eine Mitunternehmereigenschaft ergebe sich
aufgrund der Vermietung der Betriebsstätte an den Ehepartner und Betriebsinhaber. Eine Rechtsbehelfsbelehrung
enthält der Bescheid nicht. Sie übersandte der Klägerin am 13. September 2005 (Eingangsdatum) eine Kopie,
ebenfalls ohne Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 19. Oktober 2005 telefonierten die Klägerin und die Beigeladene. Aufgrund dieses Telefonates reichte diese am
20. Oktober 2005 eine Erklärung ein, wonach sie "auf den Vertrauensschutz nach" § 149 Sozialgesetzbuch 6. Buch
(SGB VI) verzichte und um die vollständige Erstattung ihrer gezahlten Beiträge bitte.
In der Folgezeit gab es Schriftwechsel zwischen der Klägerin, der Beklagten und der Beigeladenen über die
Einzelheiten der rückzuerstattenden Beiträge.
Die Klägerin hat am 29. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Die Beklagte hat im
Hinblick auf § 229 a SGB VI für den Zeitraum bis zum 30. November 1997 ein Teilanerkenntnis abgegeben, welches
die Klägerin angenommen hat. Einen weiteren, in der Klageschrift gestellten Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die
bereits erstatteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge wieder einzuziehen, hat die Klägerin im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem SG am 19. Dezember 2007 zurückgenommen. Sie hat (nur noch) beantragt, den Bescheid der
Beklagten vom 26. August 2005 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) in den oben genannten
Zeiträumen während der Tätigkeit für den Beigeladenen zu 2) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung unterlegen habe. Auf die Erklärungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem
SG wird ergänzend verwiesen.
Das SG hat der Klage vom selben Tag stattgegeben. Es hat den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die
begehrte Feststellung ausgesprochen. Die Kammer sei in der Gesamtabwägung aller Umstände zu dem Ergebnis
gelangt, dass vorliegend die Indizien überwögen, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen bei ihrem
Ehemann sprächen. Diese habe monatliche Entgeltzahlungen erhalten, auf welche Lohnsteuer entrichtet worden sei
und die als Betriebsausgaben des Beigeladenen zu 2) gebucht worden seien. Das Entgelt gehe auch erheblich über
bloße Unterhaltsleistungen hinaus, so dass nicht von einer versicherungsfreien familienhaften Mithilfe ausgegangen
werden könne. Die Beigeladene sei auch nicht einem derartigen Unternehmerrisiko ausgesetzt, wie es für eine
selbstständige Tätigkeit typisch wäre. Die Vermietung der Betriebsstätte begründe gerade kein Unternehmerrisiko. Für
eine Unternehmereigenschaft wäre eine Vermietung nicht erforderlich gewesen. Die Beigeladene hätte vielmehr die
Räumlichkeiten in das gemeinsame Unternehmen eingebracht. Auch die Übernahme von Bürgschaften begründe kein
ausreichendes Unternehmerrisiko. Wie die Beigeladene erklärt habe, sei dies dem Umstand geschuldet gewesen,
dass das Kredit gebende Geldinstitut grundsätzlich eine Bürgschaft des Ehepartners gefordert habe. Weiter sei durch
die Tätigkeit der Beigeladenen eine fremde Arbeitskraft eingespart worden. Einer Aufhebung des angefochtenen
Bescheides stehe schließlich auch § 55 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) nicht entgegen. Einschlägig sei hier
nämlich § 49 SGB X, wonach der Vertrauensschutz des § 45 SGB X nicht einschlägig sei, wenn - wie hier - der
Verwaltungsakte von einem Dritten angefochten werde.
Hiergegen richtet sich die Berufung beider Beigeladenen vom 15. April 2008.
Die Beigeladene habe die ihr zurückerstatteten Beiträge der Klägerin (für den ersten Zeitraum im Jahr 2001 2.048,04
DM sowie für den zweiten Zeitraum im Jahr 2004 4.258,70 EUR) verbraucht. Das Urteil des SG beschwere sie, weil
sie die jetzt doch noch anfallenden Beitragszahlungen nur auf Kredit aufbringen könnten. Außerdem müsse sie auch
wieder Beiträge zur Arbeitslosenversicherung leisten, ohne Gegenleistungen bekommen zu können. Die Beigeladene
bürge für ihren Ehemann sowie für die aufgenommenen Kredite über einen Betrag von 85.641,39 EUR und habe ihre
Grundstücke mit einer Grundschuld über 200.000,00 EUR zur Absicherung der Kredite belasten müssen. Konkret
habe sie die gesamtschuldnerische Mithaftung für einen Kredit ihres Ehemannes vom 10. September 1992 über
69.000,00 DM übernommen. Ferner hafte sie mit ihrer Grundschuld, einer abgetretenen Lebensversicherung sowie mit
einer Bürgschaft ihrer Eltern für einen weiteren Kredit vom 15. September 1993 ihres Ehemannes über 17.500,00 DM.
Sie habe weiter im Kontokorrentkreditvertrag vom 13./23. Oktober 1992 die selbstschuldnerische Haftung für alle
Verpflichtungen des Darlehensnehmers übernommen. Im Kontokorrentkredit vom 28. Februar/1. März 1995 habe das
Kredit gewährende Institut Bezug auf die Bürgschaften der Beigeladenen über insgesamt 167.500,00 DM genommen.
Auch der Kontokorrentkreditvertrag vom 18. September 1998 nehme auf zwei Bürgschaften über insgesamt
167.500,00 DM Bezug. Weiter habe der Beigeladene am 19. November 2003 einen weiteren Darlehensvertrag zur
Finanzierung des Wareneinkaufs abgeschlossen, für den die Beigeladene mit ihrer Grundschuld, ihrer abgetretenen
Lebensversicherung sowie den abgegebenen Bürgschaften hafte. In der letzten Fassung der Zweckerklärung für
Grundschulden vom 18. November 2003 hafte sie i. H. v. 204.516,75 EUR. Der Beigeladene sei zuletzt am 15.
Oktober 1992 zwei weitere Kreditverpflichtungen i. H. v. 27.600,00 DM sowie 39.000,00 DM eingegangen, für welchen
die Beigeladene nicht nur eine Grundschuld habe bestellen müssen, sondern in die gesamtschuldnerische Haftung
habe eintreten müssen. Diese Darlehen seien mehrfach umfinanziert worden. Die Abwägung des SG sei fehlerhaft. Es
sei gerade nicht üblich, dass ein Arbeitnehmer für den Arbeitgeber ein Bürgschaftsrisiko über 200.000,00 EUR
übernehme. Die Beigeladene hafte mit ihrem Gesamtvermögen, mit ihrer gesamten wirtschaftlichen und persönlichen
Existenz. Das Risiko müsse auch im Zusammenhang mit dem Umsatz des Unternehmens gesehen werden, der
lediglich ca. 650.000,00 EUR (pro Jahr) betrage. Weiter arbeite kein normaler Arbeitnehmer 60 Stunden pro Woche
ohne Überstundenausgleich. Da die Beigeladene schließlich nur an das gemeinsame Unternehmen vermiete, trage sie
auch das Risiko schlechter wirtschaftlicher Situation ihres Mieters. Zuletzt hätten die Beigeladenen darauf vertrauen
dürfen, dass das Arbeitsamt den Sachverhalt rechtlich korrekt gewürdigt habe.
Die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie verweist ergänzend auf die Parallelität der Rechtsbegriffe im
Steuer- wie im Sozialversicherungsrecht. Werde steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, so könne
regelmäßig auch im Bereich der Sozialversicherung von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden
(Bezugnahme auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. April 1993 - 11 R AR 67/92 - USK 9335). Hier sei über
Jahre hinweg von Arbeitnehmereigenschaft ausgegangen worden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge
der Klägerin und der Beklagten lagen vor.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Bundesagentur für Arbeit brauchte nicht beigeladen zu werden. Ein Fall notwendiger Beiladung nach § 75 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Rechtsstreit betrifft nur die Rentenversicherungspflicht der
Beigeladenen zu 1) und wird nicht um die generelle Sozialversicherungspflicht geführt, sodass es sich nicht um eine
Entscheidung handelt, die nur einheitlich getroffen werden kann. Da die Bundesagentur auch im Falle ihrer Beiladung
nicht gebunden wäre, weil vom Urteilsausspruch die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nicht
umfasst ist, hält der Senat auch eine einfache Beiladung in zweiter Instanz für nicht mehr geboten.
Das SG hat der Klage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide zu Recht stattgegeben.
Zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im
angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Klägerin hat ihr Klagerecht nicht verwirkt. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösen, liegen vor, wenn
der Verpflichtete (hier; die Beigeladenen) in Folge eines bestimmten Verhaltens (Verwirkungsverhalten) berechtigt
vertrauen durfte, dass der Berechtigte (hier: die Klägerin) das Recht (hier: Klagerecht mit der möglichen Konsequenz
im Falle eines obsiegenden Urteils, Beiträge nach fordern zu können) nicht mehr geltend machen werde
(Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird
(Vertrauenstatbestand) und sich in Folge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat
(Vertrauensverhalten) dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen
würde (so bereits Urteil des Senats vom 17. April 2008 - L 1 KR 356/06 - unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 29.
Januar 1997 BSGE 80, 41, Juris-Rdnr. 18 mit weiteren Nachweisen der ständigen Rechtssprechung des BSG). Bloße
Untätigkeit alleine reicht für ein Verwirkungsverhalten nicht aus. Es müssen vielmehr besondere Umstände
hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung als Verstoß gegen Treue und Glauben empfunden wird (vgl.
LSG Brandenburg, Urteil vom 23. Oktober 2003 - L 2 RJ 110/02 - Juris Randnummer 17).
Die Beigeladenen haben zwar auf die Wirksamkeit der Beitragsrückerstattung vertraut und haben die Geldmittel
verbraucht. Ursächlich ist hierfür allerdings primär die Leistungsablehnung durch die Arbeitsagentur. Die Klägerin gab
jedenfalls durch ihr Verhalten den Beigeladenen keinen entscheidenden Anlass. Sie hat keine Beiträge
zurückerstattet. Vielmehr hat die Beklagte Anmeldungen storniert. Der Beigeladenen gegenüber hat die Klägerin durch
Prüfung einer Versicherungspflicht eher guten Glauben zerstört. Dass die Klägerin die Beklagte im Oktober 2005
telefonisch aufforderte, auf "den Vertrauensschutz nach § 149 SGB VI" zu verzichten, weil sie die Rückerstattung
aller Beiträge erreichen wolle, vermag diese Bewertung nicht zu entkräften: Die Beiträge für die Jahre 2001 und 2004
hatten die Beigeladenen bereits von der Beklagten erhalten. Hinsichtlich der anderen Zeiträume konnte noch kein
Vertrauen entstehen, weil die Klage bereits gut zwei Monate später eingereicht wurde.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben: Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der
Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -)
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist
Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich
abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des
Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene
Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit
dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7
Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den
tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die
im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung"
vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen
tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es
sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich
hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen
Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese
Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher
unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August
1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168
Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Auf
dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in
einem Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH-Geschäftsführer BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale
auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale
überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das
Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem
abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund
einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu
ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den
Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde
(BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die
Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 §
1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer
GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen.
Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten
Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum
Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder
wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon
ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt -
aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach
eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember
1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem
Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird wiederum
nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis und zur Einschätzung eines
Unternehmensrisikos durch Stellung von Bürgschaften und Grundschulden sowie zur Vermietung des
Betriebsgrundstücks. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Beigeladenen ist durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag
geregelt, der auch praktiziert wurde. Für abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Beigeladene eine regelmäßige
Bezahlung unabhängig von der Ertragslage des Betriebes erhalten hat. Auch hatte sie keine eigene Betriebsstätte und
konnte nicht über die eigene Arbeitskraft frei verfügen. Es war auch nach ihrem Vortrag beziehungsweise dem ihres
Ehemannes nicht so, dass sie nach eigenem Gutdünken wie eine Unternehmerin auftreten konnte. Sie ist zwar für
große Teile des Unternehmens, insbesondere den Verkauf von Radsportbekleidung zuständig gewesen. Das
Unternehmen wird aber jedenfalls im Innenverhältnis alleine vom Beigeladenen als Inhaber betrieben. Das Risiko, das
durch die erheblichen Bürgschaftsverpflichtungen und Mitstellung von Grundschuldsicherungen geprägt ist, ist
demgegenüber nicht so gewichtig, dass die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung nicht mehr überwögen: Es
handelt sich nicht um eine Gesellschaft. Die Beigeladene tritt nur als Ehefrau als Sicherheitengeberin auf. Dass die
Eheleute über die Jahre hin alle Geschäftsangelegenheiten einvernehmlich regeln ist nach vorgenannten Grundsätzen
nicht entscheidend. Ganz allgemein kann ein ständiges und bestehendes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer nicht den Status als abhängig Beschäftigter aufheben. Weiteres Indiz für eine abhängige
Arbeitnehmereigenschaft ist schließlich, dass die Beigeladene einen ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt
hat. Für abhängige Beschäftigung spricht hier schließlich, dass die Beigeladenen über Jahre gegenüber dem
Arbeitsamt und gegenüber den Steuerbehörden von einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
bzw. einem lohnsteuerpflichtige Beschäftigung ausgegangen sind.
Das Feststellungsbegehren stellt sich als zulässige Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG dar (ebenso
bereits Urteil des Senats vom 13. März 2009 - L 1 KR 555/07 -): § 55 SGG bestimmt im Gegensatz zu § 43 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung und § 41 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung nicht ausdrücklich, dass eine Feststellung nicht
begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann
oder dies hätte können. Soweit der so genannte Subsidiaritätsgrundsatz ungeachtet dessen auch im
sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Feststellungs-
bzw. Rechtsschutzbedürfnisses. An einem solchen fehlt es, wenn es eine effektivere Klagemöglichkeit gibt oder das
Feststellungsurteil den Rechtsstreit noch nicht abschließend erledigen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 -
B 10 LW 4/05 R - mit weiteren Nachweisen). Hier führt die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung der eine
Versicherungspflicht verneinenden Bescheide der Beklagten und nicht umgekehrt automatisch zur Feststellung der
Rentenversicherungspflicht. Die Beklagte könnte sich der Klägerin gegenüber rein formal auf den Standpunkt stellen,
dass zwar der die Beigeladenen aus deren Sicht begünstigenden Bescheid der Beklagten als Einzugsstellen
aufgehoben worden sei, die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen jedoch falsch und unverbindlich
seien. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass entsprechender Bescheide gegen die Einzugsstellen wäre weiter kein
einfacherer Weg als die Feststellungsklage (ebenso BSG, Urteil vom 1. September 2005 - B 3 KR 3/04 R -).
Die Kostenentscheidung richtet sich für das zweitinstanzliche Verfahren nach § 193 SGG. § 197 a Abs. 1 Satz 1
SGG ist in diesem Rechtszug nicht einschlägig, weil die Beigeladene zu 2) als Berufungsklägerin als Versicherte zum
Personenkreis des § 183 Satz 1 SGG gehört. Die Entscheidung entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht