Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.07.2005

LSG Berlin-Brandenburg: anrechenbares einkommen, schutz der ehe, heizung, freibetrag, betriebskosten, miete, erlass, versicherungsschutz, existenzminimum, vorauszahlung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 5 B 1091/05 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 SGB 2, § 9 SGB 2, § 11 SGB
2, § 19 SGB 2, § 20 SGB 2
Zuschlag zu Alg II ist in die Bedürftigkeitsprüfung einzubeziehen
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
11. Juli 2005 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II in Höhe von 113,39 € für den Juli 2005,
von 115,25 € für den August 2005, von 335,80 € für den September 2005 und von
288,10 € für den Oktober 2005 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde
zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vier Fünftel seiner notwendigen Auslagen für
das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die
Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Der 1959 geborene Antragsteller, der bis zum 11. Februar 2004 Arbeitslosengeld I in
Höhe eines wöchentlichen Zahlbetrages von 200,83 € und ab dem Folgetag
Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, beantragte am 20. Oktober 2004 die Gewährung von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB II). Bei dieser Gelegenheit gab er an, mit der 1969 geborenen
B L in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Diese beziehe aus einer
versicherungspflichtigen Beschäftigung ein monatliches Gehalt. Sie bewohnten mit dem
1995 geborenen Sohn D eine 3-Zimmer-Wohnung.
Mit Bescheid vom 22. November 2004 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung der
beantragten Leistung mangels Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ab. Den hiergegen
gerichteten Widerspruch des Antragstellers, mit dem dieser insbesondere geltend
machte, dass das ihm bis zum 11. Februar 2004 zustehende Arbeitslosengeld zu
Unrecht nicht berücksichtigt worden sei, wies die Antragsgegnerin mit
Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 zurück. Der Antragsteller sei nicht
hilfebedürftig. Die Regelleistung in Höhe von 345,00 € verringere sich bei mindestens 18-
jährigen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft auf jeweils 311,00 €. Weiter seien
Kosten für Miete und Unterkunft anzusetzen, dabei jedoch die geltend gemachten
Heizkosten in Anwendung von § 2 Abs. 2 der Regelsatzverordnung zu § 28 des Zwölften
Buches des Sozialgesetzbuches um einen Pauschalbetrag für Warmwasser in Höhe von
30,50 € zu kürzen. Dem sich auf 1.298,19 € belaufenden Gesamtbedarf stehe ein
anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.401,64 € gegenüber. Dieser Betrag errechne
sich aus dem Nettoeinkommen der Lebensgefährtin, das um eine Pauschale für
angemessene Versicherungen in Höhe von 30,00 €, Fahrkosten in Höhe von 22,80 €,
Kosten für eine Kfz-Versicherung von 19,10 €, einen Freibetrag von 15,33 € sowie einen
weiteren Freibetrag nach § 30 SGB II bereinigt worden sei, zzgl. des Kindergeldes in Höhe
von 154,00 €.
Mit seinem am 23. Juni 2005 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller, der zuvor Klage gegen den
Widerspruchsbescheid erhoben hatte, die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt,
ihm Arbeitslosengeld II zu gewähren und insbesondere die Kosten für eine
Krankenversicherung zu übernehmen. Ein Leistungsanspruch nach § 19 SGB II ergebe
sich schon daraus, dass ihm ein Zuschlag nach § 24 SGB II wegen Bezuges von
Arbeitslosengeld bis zum 11. Februar 2004 gewährt werden müsse. In die
Bedarfsberechnung sei nach § 19 SGB II der Zuschlag nach § 24 SGB II einzubeziehen,
so dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft nicht ausreiche, deren Bedarf zu
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so dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft nicht ausreiche, deren Bedarf zu
decken. Weiter sei er seit dem 01. Januar 2005 nicht mehr pflichtversichert; eine
Familienversicherung sei nicht möglich. Es seien daher wenigstens die fiktiven Beiträge
gemäß § 246 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches in Höhe von 140,00 € zu
berücksichtigen und bei dem anzurechnenden Einkommen des Partners abzuziehen.
Ferner seien das anrechenbare Einkommen und die Heizkosten unzutreffend ermittelt.
Von den nachgewiesenen Heizkosten in Höhe von 56,50 € hätte nicht ein Strom- und
Warmwasserkosten-Anteil von 54 % abgezogen werden dürfen. Allein der Abzug eines
Anteils für die Warmwasserbereitung von 16 % sei vorzunehmen, so dass sich die Kosten
der Heizung auf 47,46 € beliefen. Bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens sei
die Pauschale für private Versicherungen in Höhe von 30,00 € zweimal, nämlich für jeden
volljährigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft anzusetzen. Ferner seien die Kosten
für das obligatorische Firmenticket seiner Lebensgefährtin nicht berücksichtigt worden.
Im Übrigen bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die
Heranziehung von Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaften bei gleichzeitiger
Schonung gleichgeschlechtlicher Partner im Rahmen des SGB II.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2005 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es sei bereits das Vorliegen einer gegenwärtigen
existenziellen Notlage nicht glaubhaft dargetan. Die Antragsgegnerin habe mit Bescheid
vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2005
die Gewährung von laufenden Hilfeleistungen nach dem SGB II abgelehnt. Dagegen habe
der Antragsteller am 11. Mai 2005 Klage erhoben, ohne diese bisher zu begründen. Um
Eilrechtsschutz habe er am 23. Juni 2005 nachgesucht. Nach alledem sei er in der Lage
gewesen, seinen laufenden Lebensbedarf ab Januar 2005 selbst zu decken. Dass ihm
dies nun nicht mehr möglich sein solle und stattdessen aktuell eine existentielle Notlage
vorliege, sei nicht glaubhaft dargetan. Im Übrigen sei die Antragsgegnerin zu Recht
davon ausgegangen, dass das Einkommen der Lebensgefährtin B L anzurechnen sei.
Schließlich habe sie dem Antragsteller angeboten, sein Hilfebegehren hinsichtlich der
Kostenübernahme für die Krankenversicherung zu prüfen.
Mit seiner am 18. August 2005 eingelegten Beschwerde hat sich der Antragsgegner
gegen den ihm am 18. Juli 2005 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts gewandt und
sich zur Begründung darauf berufen, dass bereits im Hinblick auf das zu sichernde
Existenzminimum ein Eilbedürfnis vorliege. Es sei ihm unzumutbar, weiter ohne
Versicherungsschutz zu bleiben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2005 aufzuheben und die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen
zur Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Beschluss für zutreffend.
Den im Laufe des Beschwerdeverfahrens vom Antragsteller zu den Akten gereichten
Unterlagen bzw. dem bis einschließlich Blatt 135 vorliegenden Verwaltungsvorgang der
Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass sich die Miete des Antragstellers ab dem 01.
April 2005 auf 372,51 € zzgl. Betriebskosten in Höhe von 103,33 € beläuft. Weiter hat der
Antragsteller belegt, dass er und seine Lebensgefährtin ab April 2005 alle zwei Monate
für Heizung und Warmwasseraufbereitung eine Vorauszahlung von 126,00 € leisten und
der Stromverbrauch von Vattenfall (der Bewag) gesondert abgerechnet wird. Mit
Veränderungsmitteilung vom 31. Oktober 2005 – Eingang am 01. November 2005 – hat
der Antragsteller die Antragsgegnerin über die veränderte Einkommenshöhe seiner
Lebensgefährtin ab September 2005 informiert. Dem Verwaltungsvorgang sowie den zu
den Gerichtsakten gereichten Unterlagen ist schließlich zu entnehmen, dass die
Lebensgefährtin des Antragstellers über ein monatliches Einkommen in wechselnder
Höhe verfügt, das jeweils am Monatsende ausgezahlt wird, und dass sie ein so
genanntes Jobticket hat, für das sie bis einschließlich Juli 2005 monatlich 45,33 € gezahlt
hat und das ab August 2005 monatlich 47,46 € kostet.
II. 1. Das erstinstanzliche Beschlussrubrum war dahingehend zu korrigieren, dass die
Arbeitsgemeinschaft JobCenter Treptow-Köpenick selbst Antragsgegnerin und nicht
lediglich Vertreterin der Bundesagentur für Arbeit und des Landes Berlin als
Leistungsträger ist, denn das JobCenter ist jedenfalls als nichtrechtsfähige
Personenvereinigung im Sinne des § 70 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
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Personenvereinigung im Sinne des § 70 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
beteiligtenfähig. Eines Rückgriffs auf die hinter dem JobCenter stehenden Körperschaften
bedarf es nicht (vgl. hierzu ausführlich Senatsbeschluss vom 11. August 2005, L 5 B
51/05 AS ER sowie Beschluss des 10. Senats des LSG Berlin-Brandenburg vom 14. Juni
2005, L 10 B 44/05 AS ER).
2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin
vom 11. Juli 2005 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des SGG zulässig, jedoch lediglich in
dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Zeitraum vom 23. Juni bis zum 31.
Oktober 2005. Hinsichtlich des Anfangstages folgt dies bereits aus der Entscheidung des
Sozialgerichts Berlin, das mangels konkreten Antrages des Antragstellers - und in der
Sache insoweit zu Recht - auf den Eingang des Antrages bei Gericht abgestellt hat. Für
den Endzeitpunkt ergibt sich dies daraus, dass der Antragsteller mit seiner am 01.
November 2005 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Veränderungsmitteilung zur
Überzeugung des Senats konkludent einen neuen Antrag auf Gewährung von Leistungen
zur Grundsicherung ab diesem Zeitpunkt gestellt hat.
Innerhalb des genannten Zeitraumes hat der Antragsteller mit seinem Begehren in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige
Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als
auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Berlin hat der Antragsteller ein Bedürfnis an
einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sehr wohl glaubhaft
gemacht. Zum einen erscheint es nicht gerechtfertigt, aus einem – aus Sicht des
Gerichts – überraschend spät gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
zu schließen, dass dann auch in der Zukunft kein Bedürfnis für eine eilige Entscheidung
vorliegt. Zum anderen besteht vorliegend das Problem des fehlenden
Krankenversicherungsschutzes bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und einem
anzurechnenden Einkommen, das – nach den Berechnungen der Antragsgegnerin – die
Bedürftigkeitsgrenze nicht wesentlich übersteigt und damit den Abschluss einer
Kranken- und Pflegeversicherung nicht zulässt. Der Antragsteller hätte daher bei einem
Verweis auf das Hauptsacheverfahren nur die Möglichkeit, entweder ohne hinreichende
Absicherung gegen Krankheit zu bleiben, oder aber eine Versicherung um den Preis
abzuschließen, dass sein Existenzminimum nicht mehr gedeckt wäre. Diese
möglicherweise längere Zeit dauernde, jeweils erhebliche Beeinträchtigung kann
nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden. Insbesondere ist insoweit zu beachten,
dass der elementare Lebensbedarf eines Menschen grundsätzlich nur in dem Augenblick
befriedigt werden kann, in dem er entsteht („Gegenwärtigkeitsprinzip“).
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch für die Monate Juli bis Oktober
2005 glaubhaft gemacht. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen
summarischen Prüfung geht der Senat davon aus, dass ihm im Hauptsacheverfahren für
diesen Zeitraum voraussichtlich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen die
Antragsgegnerin zugesprochen werden wird.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten diejenigen Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch
des Sozialgesetzbuches, die das 15., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben,
erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Nach den
vorliegenden Unterlagen und dem Vortrag der Beteiligten ist insoweit allein fraglich, ob
der Antragsteller hilfebedürftig ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen
Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus
dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die
erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern
anderer Sozialleistungen erhält.
Zu Recht hat die Antragsgegnerin auf der Bedarfsseite die Regelleistung nach §§ 19 Satz
1 Nr. 1, 20 Abs. 2, 3 SGB II angesetzt, da sich der Regelsatz von 345,00 € (§ 20 Abs. 2
SGB II) bei dem volljährigen Antragsteller, der unstreitig mit der ebenfalls volljährigen B L
in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und damit gemäß § 7 Abs. 3 Nrn. 1 und 3b) SGB II
eine Bedarfsgemeinschaft bildet, nach § 20 Abs. 3 SGB II auf 90 % der Regelleistung und
damit – unter Beachtung des § 41 Abs. 2 SGB II – auf 311,00 € reduziert. Weiter hat sie
zutreffend für den Sohn D Sozialgeld in Höhe von 207,00 € angesetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 3
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zutreffend für den Sohn D Sozialgeld in Höhe von 207,00 € angesetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1 SGB II).
Unstreitig ist ferner für die Kaltmiete ein Betrag von monatlich 372,51 € und für die
Betriebskosten von 103,33 € in Ansatz zu bringen. Soweit der Antragsteller hinsichtlich
der geltend gemachten Kosten für Heizung in Höhe von im fraglichen Zeitraum
monatlich 63,00 € (Vorauszahlung in Höhe von 126,00 € alle zwei Monate) davon
ausgeht, dass diese auf der Bedarfsseite vollständig zu berücksichtigen seien oder,
wenn überhaupt, dann jedenfalls nur um 16 %, allenfalls um die hier tatsächlich von der
Bewag angesetzten 20 % für Warmwasseraufbereitung gekürzt werden dürfen, folgt der
Senat ihm nur teilweise. Der einhelligen Literaturmeinung entsprechend ist bei
summarischer Prüfung dem Ausgangspunkt der Antragsgegnerin zu folgen, dass von
den hier geltend gemachten Kosten für Wärmeenergie Kosten für die
Warmwasseraufbereitung abzuziehen sind. Denn in der Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II ist bereits ein Anteil Kosten u.a. für
Warmwasseraufbereitung enthalten. Dies mag sich zwar nicht unmittelbar aus dem
Wortlaut der Norm ergeben. Diese enthält jedoch – wie die Formulierung „insbesondere“
deutlich zeigt - gerade keine abschließende Liste der aus der Regelleistung zu
deckenden Bedarfe. Diese Kosten für die Warmwasseraufbereitung hat der Senat
vorliegend mit monatlich 12,60 € angesetzt. Denn nach der vom Antragsteller
vorgelegten Rechnung der Bewag vom 17. März 2005 ist hinreichend glaubhaft gemacht,
dass es sich bei den für den Wärmebezug anfallenden Kosten zu 80 % um Heizkosten
und zu 20 % um Kosten handelt, die auf die Wassererwärmung entfallen.
Dementsprechend stehen dem Antragsteller als tatsächliche Aufwendungen für Heizung
– mangels etwaiger Hinweise auf eine Unangemessenheit der Höhe - nach § 22 Abs. 1
SGB II monatliche Leistungen in Höhe von 50,40 € zu. Im Hinblick auf die in dieser Höhe
glaubhaft gemachten monatlichen Heizkosten ist es unerheblich, in welcher Höhe nach
der zum Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches ergangenen Regelsatzverordnung,
deren Übertragbarkeit hier andernfalls grundsätzlich zu erwägen wäre, im Regelsatz ein
Warmwasseranteil enthalten ist. Es errechnet sich damit ein monatlicher Bedarf in Höhe
von insgesamt 1.355,24 € (vgl. Anlage zu diesem Beschluss).
Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit des weder über eigenes Einkommen noch über
Vermögen verfügenden Antragstellers ist das Einkommen seiner Lebensgefährtin
heranzuziehen. Denn § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sieht ausdrücklich vor, dass für die Prüfung
der Hilfebedürftigkeit bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das
Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist. Verfassungsrechtliche
Bedenken hiergegen kann der Antragsteller zur Überzeugung des Senats nicht mit
Erfolg geltend machen. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 17. November 1992
(1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234) hat das Bundesverfassungsgericht das Gebot der
Gleichbehandlung von ehelichen und eheähnlichen Gemeinschaften betont und verlangt,
dass es bei der Bedürftigkeitsprüfung des Hilfeempfängers keine Ungleichbehandlung
geben dürfe. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung sei dabei allein
die Ehe und nicht die Beziehung von Lebensgemeinschaften untereinander allgemein.
Insoweit hat es das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber überlassen, welche
Formen von Lebensgemeinschaften zum Schutz der Ehe in eine Bedarfs- und
Einstandsgemeinschaft einzubeziehen sind. Die Berücksichtigung von anderen Lebens-,
Haushalts und Wirtschaftsgemeinschaften – wie etwa Gemeinschaften zwischen
gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem
Lebenspartnerschaftsgesetz sind, oder Verwandten – hat es nicht für erforderlich
gehalten. Gleichzeitig wäre die Nichtberücksichtigung der eheähnlichen Gemeinschaft
von Mann und Frau im Hinblick auf die dann alleinige Berücksichtigung der Ehe
verfassungswidrig. Ausgehend damit aber von der Verfassungsmäßigkeit der in §§ 7 Abs.
3 Nr. 3 b), 9 Abs. 2 SGB II getroffenen Regelung zur Einbeziehung der eheähnlichen
Gemeinschaften in die Bedürftigkeitsberechnung wie bei Eheleuten und einer
Gleichstellung mit diesen könnte sich nur die Frage stellen, ob auch weitere
Lebensgemeinschaften einzubeziehen wären. Die Beantwortung dieser Frage hat jedoch
der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers vorbehalten zu bleiben und steht im Übrigen
vorliegend nicht zur Diskussion (ebenso: Landessozialgericht Essen, Beschlüsse vom
21.04.2005, L 9 B 4/05 SO ER und L 9 B 6/05 SO ER, zitiert nach juris).
Bei der Berechnung des einzusetzenden Einkommens ist der Senat von einem
nachgewiesenen Einkommen im Monat Juni in Höhe von 3.008,56 € brutto bzw. 1.877,28
€ netto, im Monat August in Höhe von 2.432,38 € brutto bzw. 1.552,07 € netto, im
Monat September in Höhe von 2.055,49 € brutto bzw. 1.332,36 € netto sowie im Monat
Oktober in Höhe von 2.149,77 € brutto bzw. 1.378,62 € netto ausgegangen. Für den Juli
2005 hat er sich mangels Einkommensnachweises für das vorläufige
Rechtsschutzverfahren an dem Einkommen für den Monat August orientiert. Weiter hat
er davon abgesehen, im Eilrechtsschutzverfahren Ermittlungen dazu anzustrengen, in
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er davon abgesehen, im Eilrechtsschutzverfahren Ermittlungen dazu anzustrengen, in
welcher Höhe am Monatsende noch Einkommen zur Verfügung stand, und dieses im
Folgemonat als Vermögen zu berücksichtigen. Vielmehr hat er das Einkommen, das der
Lebensgefährtin des Antragstellers jeweils erst am Monatsende zugeflossen ist, jeweils
vollumfänglich als Einkommen für denselben Monat berücksichtigt.
Von diesem Einkommen ausgehend hat er unter Abzug der in den §§ 11 Abs. 2, 30 SGB
II und § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld (Alg II-V) vorgesehenen Freibeträge und Abzüge (30,00 €
Versicherungspauschale, 19,10 € Kfz-Haftpflicht, 45,33 bzw. ab August 2005 47,46 €
Jobticket sowie den sich für den jeweiligen Monat aus der Anlage ergebenden Freibetrag)
das jeweils zu berücksichtigende Einkommen berechnet. Zu addieren war ferner das für
das Kind D bezogene Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich. Soweit der
Antragsteller meint, das anrechenbare Einkommen sei um weitere 30,00 € für eine
weitere Versicherungspauschale zu mindern, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Der
Ansatz einer weiteren Versicherungspauschale über 30,00 € ist bei summarischer
Prüfung nicht geboten. Nach § 3 Nr. 1 ALG II-V ist von dem Einkommen volljähriger
Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese
nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II
leben, ein Betrag in Höhe von 30,00 € monatlich für die Beiträge zu privaten
Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3
SGB II als Pauschbetrag abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht
höhere notwendige Ausgaben nachweist. Der pauschal festgelegte Betrag von 30,00 €
soll die Beiträge zu privaten Versicherungen abdecken, die bei in einfachen
wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Bürgern in Deutschland allgemein üblich sind.
Gleichzeitig wurde dabei berücksichtigt, dass in einer Bedarfsgemeinschaft üblicherweise
nur jeweils eine dieser Versicherungen besteht, deren Versicherungsschutz neben dem
Versicherungsnehmer auch dessen Partner und die haushaltsangehörigen
minderjährigen Kinder erfasst (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rn. 61).
Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft ist der Betrag daher nur einmal in Ansatz zu
bringen.
Demnach steht dem im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bestehenden
monatlichen Bedarf von 1.355,24 € ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 1.759,07
€ (Juni 2005), 1.431,85 € (Juli 2005), 1.429,99 € (August 2005), 1.209,44 € (September
2005) sowie von 1.257,14 € (Oktober 2005) gegenüber. Bezüglich der Einzelheiten der
Berechnung wird auf die Anlage zu diesem Beschluss verwiesen. Danach besteht für die
Monate September und Oktober 2005 jeweils ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II.
Weiter hat der Antragsteller einen solchen Anspruch aber auch für die Monate Juli und
August 2005 hinreichend glaubhaft gemacht. Denn der Senat folgt - seiner bisherigen
Rechtsprechung in den Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes
entsprechend, von der abzusehen er zurzeit keinen Anlass sieht – der Auffassung des
Antragstellers, dass in die Bedarfsberechnung auch der dem Antragsteller nach § 24
SGB II zustehende Zuschlag einzuberechnen ist. Denn dem Wortlaut des § 19 Satz 1 Nr.
2 SGB II zufolge, nach dem erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II unter
den Voraussetzungen des § 24 SGB II einen befristeten Zuschlag erhalten, stellt dieser
befristete Zuschlag einen Teil des Arbeitslosengeldes II dar. Dass § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB
II den Anspruch auf den monatlichen Zuschlag an den Bezug von Arbeitslosengeld II
knüpft, kann hingegen nicht dazu führen, dass nur Personen, die bereits ohne Zuschlag
nach § 24 SGB II Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld II haben, den
befristeten Zuschlag erhalten können. Damit würde der Zweck der Regelung verfehlt.
Denn Sinn der Schaffung des § 24 SGB II ist es, etwaigen verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die Abschaffung der (Anschluss-)Arbeitslosenhilfe als Teil der
Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit im Hinblick auf den Anspruch auf
beitragsäquivalente Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu begegnen. Diese
Erwägungen haben jedoch unabhängig davon zu gelten, ob bereits ohne den Zuschlag
nach § 24 SGB II ein Anspruch auf die Zahlung von Arbeitslosengeld II besteht oder nicht.
Stellt der Zuschlag aber einen Teil des Arbeitslosengeldes II dar, ist er
konsequenterweise auch in die Bedarfsberechnung einzubeziehen (vgl. Brünner in LPK-
SGB II § 24 Rn. 6; a.A. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 24 Rn. 1, 3). Anderes folgt auch
nicht aus § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB II. Dass bei der Berechnung des Zuschlages in § 24 Abs.
2 Nr. 2 SGB II davon ausgegangen wird, dass Regelleistungen nach § 19 Satz 1 Nr. 1
SGB II gewährt werden, heißt nicht, dass deren Zahlung auch zwingende Voraussetzung
ist. Vielmehr wird in den Fällen, in denen ohne Ansatz des Zuschlages nach § 24 SGB II
bei der Bedarfsberechnung kein Anspruch auf eine Regelleistung bestünde, lediglich der
zu berechnende Unterschiedsbetrag vergleichsweise hoch sein. Dies ist im Hinblick auf
die Regelung des § 24 Abs. 3 SGB II, der eine Begrenzung auf einen Höchstbetrag
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die Regelung des § 24 Abs. 3 SGB II, der eine Begrenzung auf einen Höchstbetrag
enthält, jedoch unschädlich. Bei der Berechnung des Zuschlages für den Antragsteller,
der bis zum 11. Februar 2004 Arbeitslosengeld in Höhe eines wöchentlichen
Zahlbetrages von 200,83 € erhalten hatte und ohne den Zuschlag teilweise keinen
Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätte, ist der Senat von Arbeitslosengeld in Höhe von
monatlich 870,26 € (200,83 € x 13 : 3) ausgegangen. Dies führt für jeden Monat im
verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu einem Zuschlag in Höhe von 190,00 € und
zwar unabhängig davon, ob der in Abzug zu bringende Anspruch auf Regelleistung und
Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB II) mit Null (Juni bis
August 2005) oder 145,80 € (September 2005) bzw. 98,10 € (Oktober 2005) anzusetzen
ist. Denn zwei Drittel (§ 24 Abs. 2 SGB II) des sich jeweils ergebenden Betrages
übersteigen jeweils die Obergrenze in Höhe von 380,00 € (Begrenzung des Zuschlages
im ersten Jahr nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB II). Im vorliegenden Zeitraum reduziert
sich der Zuschlag damit jeweils auf 190,00 € (50 % nach Ablauf des ersten Jahres am
11.02.2005, § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Bezüglich der Einzelheiten der Berechnung wird
auf die Anlage zu diesem Beschluss verwiesen.
Dieser Betrag ist nach obigen Ausführungen dem Bedarf hinzuzurechnen, so dass die
Antragsgegnerin dem Antragsteller für Juli 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von 113,39 €,
im August 2005 in Höhe von 115,25 € sowie im September und Oktober 2005 (jeweils
bereits einschließlich des Zuschlages nach § 24 SGB II) in Höhe von 335,80 € bzw.
288,10 € zu zahlen hat. Dabei kann vorliegend im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
dahinstehen, ob dieser Betrag dem Antragsteller – entgegen der vermeintlich anders
lautenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II – selbst zusteht oder ihm dieser zum
Teil als Vertreter seiner Lebensgefährtin B L und des Kindes D zugesprochen wird.
Soweit der Antragsteller damit für den Monat Juni 2005 ohne
Krankenversicherungsschutz verbleibt, sieht der Senat keinen Anlass, die
Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung beispielsweise zur Zahlung eines
Zuschusses analog § 26 SGB II oder zur Zahlung von Arbeitslosengeld II in Höhe 1 Cents
zu verurteilen. Das hier maßgebliche Einkommen übersteigt im Juni 2005 den bereits
unter Ansatz des Zuschlages nach § 24 SGB II berechneten Bedarf um 213,83 €. Dieser
Betrag hätte es dem Antragsteller ermöglicht, seinen Kranken- und
Pflegeversicherungsschutz selbst sicher zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und folgt dem Ergebnis in der
Hauptsache.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
Anlage zum Beschluss – L 5 B 1091/05 AS ER - vom 06. Februar 2006
Bedarf
- Antragsteller
- Lebensgefährtin
- Kind (geb. 2.12.95)
Miete
Betriebskosten
Heizung
abzüglich Wasser
insgesamt
Einkommen brutto
Einkommen netto
Versicherung
Kfz-Versicherung
Jobticket
Ber. Nettoeink.
Quotient netto/brutto
Von
15 % v. 400,00
30 % v. 500,00
15 % v. 600,00
Freibetrag
zzgl. Kindergeld
Anrechenbares Einkommen
Saldo
Zuschlag § 24
Bed. mit Zuschlag
Saldo
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