Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.10.2004

LSG Berlin und Brandenburg: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, beitragsbemessung, bfa, gegenleistung, arbeitslohn, altersrente, beitragsberechnung, geldleistung, krankenkasse, öffentlich

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 07.10.2004 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 88 KR 1851/02
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 74/03
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. April 2003 wird zurückgewiesen. Kosten
sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt eine Bemessung seines Krankenversicherungsbeitrages nicht nach dem Zahlbetrag, sondern dem
Ertragsanteil seiner Rente.
Der 1932 geborene Kläger bezieht eine Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) sowie
eine so genannte Zusatzversorgung des Baugewerbes. Nachdem er zunächst bei der beklagten Krankenkasse
freiwillig versichert war, gehört er seit dem 01. April 2002 der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) an. Anlässlich
der hierdurch bedingten neuen Beitragsfestsetzung beantragte er, seine BfA-Rente nur in Höhe von 52,69 % bzw. –
dem Steuerrecht entsprechend - in Höhe des Ertragsanteils für die Beitragsberechnung heranzuziehen. Dies lehnte die
Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2002 ab. Zur
Begründung führte sie aus, dass bei versicherungspflichtigen Rentenbeziehern nach § 237 Satz 1 Nr. 1 des Fünften
Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, zu denen
nach § 228 Abs. 1 SGB V u.a. das Altersruhegeld der BfA zähle, der Beitragsbemessung zur Krankenversicherung
zugrunde gelegt werde. Unter Zahlbetrag der Rente sei dabei der - unter Anwendung aller Versagens-, Kürzungs- und
Ruhensvorschriften - zur Auszahlung gelangende Betrag ohne die Kinderzuschüsse zu verstehen. Die Tatsache, dass
die Rente steuerrechtlich lediglich mit dem Ertragsanteil zu berücksichtigen sei, sei hierbei ohne Bedeutung.
Mit seiner dagegen gerichteten Klage hat der Kläger begehrt, die Beitragsvereinnahmung auf den Teil der Rente zu
beschränken (nach seinen Berechnungen: 71,5 %), für den als Arbeitslohn nicht bereits Krankenkassenbeiträge
gezahlt worden seien. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 04. April 2003 abgewiesen und zur Begründung
ausgeführt, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Solidaritätsprinzip beruhe. Aus Gründen
und im Interesse der sozialen Gerechtigkeit sei es zulässig, auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Versicherten abzustellen. Renten beruhten auf früherem Einkommen und seien daher Maßstab der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des pflichtversicherten Rentners. Es sei daher korrekt, den Zahlbetrag der Rente der
Beitragsbemessung zugrunde zu legen.
Gegen dieses ihm am 20. Mai 2003 zugestellte Urteil richtet sich die von dem Kläger am 13. Juni 2003 eingelegte
Berufung. Er meint, das erstinstanzliche Urteil ignoriere die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 06. März
2002 – 2 BvL 17/99 – und vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 - sowie Art. 3 und Art. 20 des Grundgesetzes (GG).
Dass Krankenversicherungsbeiträge nach dem Zahlbetrag der Renten zu bemessen seien, sei verfassungswidrig. Der
Teil des Arbeitslohnes, der dem Arbeitnehmer zunächst vorenthalten und an die Rentenversicherung weitergeleitet,
später dann aber als Teil der Rente wieder an ihn ausbezahlt werde, werde zweimal mit
Krankenversicherungsbeiträgen belastet. Dies sei nicht gerechtfertigt. Beiträge zur Krankenversicherung stellten de
facto Steuern dar. Deshalb seien die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, nach denen Arbeitslohn nicht
zweimal besteuert werden dürfe, auch auf Krankenversicherungsbeiträge zu übertragen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. April 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, zur
Beitragsbemessung lediglich 71,5 % seiner ihm von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte gewährten
Altersrente heranzuziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuverweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für rechtmäßig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Verwaltungsakte verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben und Gegenstand der Entscheidung geworden sind.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung – anders als der Kläger - nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -
). Die Beteiligten sind dazu vorher angehört worden.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das erstinstanzliche Urteil bewertet die Sach- und Rechtslage
zutreffend. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.
Oktober 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte der
Bemessung des von ihm zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrages den Zahlbetrag und nicht nur einen
Ertragsanteil seiner Rente zugrunde gelegt.
Nach § 237 SGB V wird bei versicherungspflichtigen Rentnern, zu denen der Kläger gehört, der Beitragsbemessung
der Zahlbetrag der Rente zugrunde gelegt. Die von dem Kläger geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen die Norm teilt der Senat nicht. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinen Entscheidungen vom 21.
Dezember 1993 (12 RK 28/93, SozR 3-2500 § 237 Nr. 3) sowie vom 28. Januar 1999 (B 12 KR 24/98 R, SozR 3-2500
§ 237 Nr. 7) ausgeführt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass u.a. Renten einheitlich mit
ihrem Bruttobetrag der Beitragsberechnung zugrunde gelegt würden, und das Beitragsrecht keinen Grundsatz kenne,
wonach Einkünfte lediglich einmal beitragspflichtig sein dürften. Bereits zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht
mit seinem Beschluss vom 15. April 1986 (1 BvR 1304/85, SozR 2200 § 385 Nr. 15) entschieden, dass die für den
Bereich des Steuerrechts geltenden Grundsätze sich nicht auf das Gebiet der gesetzlichen Krankenversicherung
übertragen ließen, da sich die generalisierende Beitragsbemessung in der Sozialversicherung grundlegend von der
Ermittlung der individuellen Steuerschuld unterscheide, bei der gerade die besonderen Belastungen und Verhältnisse
eines Bürgers Berücksichtigung fänden. Diesen Auffassungen schließt sich der Senat an. Die von dem Kläger
angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts können keine andere Entscheidung rechtfertigen. Auch
wenn der Kläger den zu entrichtenden Krankenversicherungsbeitrag de facto als Steuer empfinden mag, stellt er
rechtlich gesehen eine solche gerade nicht dar. Denn während eine Steuer eine einmalige oder laufende Geldleistung
ist, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und die von einem öffentlich-rechtlichen
Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz
die Leistungspflicht knüpft, handelt es sich bei Beiträgen um Geldleistungen, die dem Einzelnen im Hinblick auf eine
besondere Gegenleistung des Beitragsberechtigten auferlegt werden. Schon vor diesem Hintergrund scheidet ein
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus, weil gerade nicht wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Dass
Art. 20 GG verletzt sein könnte, ist bereits im Ansatz nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.