Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 20.04.2004

LSG Berlin-Brandenburg: angina pectoris, belastung, verschlechterung des gesundheitszustandes, innere medizin, leistungsfähigkeit, stockwerk, adipositas, befund, daten, bluthochdruck

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 11 SB 21/04-26
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 SGB 9, § 69 Abs 1 SGB
9, § 69 Abs 3 SGB 9
Bewertung einer Herzleistungsminderung nach dem
Schwerbehindertenrecht
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April
2004 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Kosten der
Berufung sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab Januar
2002.
Der Kläger beantragte am 3. September 1999 wegen eines am 22. August 1999
erlittenen Herzinfarktes die Feststellung eines GdB. Der Beklagte holte zunächst eine
ärztliche Auskunft von dem behandelnden Allgemeinmediziner Dr. K vom 4. Oktober
1999 ein, der verschiedene Befunde, unter anderem der Entlassungsbericht des
Klinikums E vom 1. September 1999 über eine Rekanalisation, PTCA und Stenting nach
Herzinfarkt, beigefügt waren.
Laut beigezogenem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik U GmbH vom 8. Oktober
1999 war der Kläger aus dieser Maßnahme als arbeitsunfähig mit den Diagnosen
koronare 2-Gefäßerkrankung, Zustand nach PTCA mit Stentimplantation der LAD am 23.
August 1999, Vorderwandinfarkt am 22. August 1999, arterielle Hypertonie, kombinierte
Hyperlipidämie und Adipositas entlassen worden. Mit Bescheid vom 15. Februar 2000
lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die beim Kläger
bestehende Behinderung „koronare Herzkrankheit“ bedinge keinen GdB von wenigstens
20, sodass nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) kein
Feststellungsinteresse bestehe.
In seinem Widerspruch hiergegen machte der Kläger geltend, bei ihm liege eine
dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer diffusen koronaren
Herzerkrankung, eine arteriellen Hypertonie und einer Hyperlipidämie vor. Der Beklagte
holte daraufhin ergänzend eine ärztliche Auskunft des Kardiologen Dr. O vom 28. März
2000 ein, der auch der Befund einer Herzkatheteruntersuchung vom 24. Februar 2000
beigefügt war. Außerdem veranlasste der Beklagte noch ärztliche Auskünfte von dem
Facharzt für Innere Medizin - Kardiologie - Dr. A von Juli 2000 und Oktober 2000, mit
einem Herzkatheterbefund vom 13. Juli 2000 sowie einem Coronarszintigramm vom 20.
Juni 2000. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2000 wurde der Widerspruch
zurückgewiesen. Die nochmalige versorgungsärztliche Auswertung sämtlicher
vorliegender kardiologischer Befunde habe ergeben, dass eine kompensierte koronare
Herzerkrankung vorliege, die unter Berücksichtigung der klinischen Werte keinen GdB
von mindestens 20 bedinge.
Mit seiner Klage vom 7. Dezember 2000 hat der Kläger zunächst die Feststellung eines
GdB von 20 begehrt. Er hat unter anderem den Befund eines Belastungs-EKGs vom 18.
Dezember 2000 eingereicht. Weiterhin hat er Bezug genommen auf eine gutachterliche
Stellungnahme des Internisten und Kardiologen Prof. Dr. L vom 21. Januar 2001, worin
dieser von einer erheblichen Einschränkung der kardialen Leistungsfähigkeit mit Gefahr
akuter lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen sowie akutem Pumpversagen der
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akuter lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen sowie akutem Pumpversagen der
linken Herzkammer ausgegangen ist. Der Kläger habe bei einem von ihm am 18. Januar
2001 durchgeführten Belastungs-EKG unter Medikation nur über 3,5 Minuten bis 100
Watt belastet werden können. Dann habe die Belastung wegen zunehmender Angina-
pectoris-Beschwerden, Belastungsdyspnoe und beginnender ischämischer ST-
Streckenveränderungen im linkspräkordialen Bereich abgebrochen werden müssen.
Der Beklagte hat daraufhin zunächst mit Schreiben vom 2. Februar 2001 eine
vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits auf der Basis angeregt, dass als
Behinderung eine koronare Herzkrankheit mit einem GdB von 20 ab Dezember 2000
(Befund von Dr. A vom 18. Dezember 2000) vorliege. Zur Begründung hat er ausgeführt,
dass nach dem am 18. Dezember 2000 durchgeführten Belastungs-EKG die
Belastungsstufen 50 und 75 über jeweils 2 Minuten mit anschließendem Abbruch der
Belastung wegen körperlicher Erschöpfung erfolgt seien. Dabei seien auch diskrete EKG-
Veränderungen zu verzeichnen gewesen, so dass sich nach Nr. 26.9 Seite 87 der
„Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und
nach dem SchwbG“ (AHP) ein GdB von 20 ab Dezember 2000 rechtfertigen lasse.
Mit weiterem Schreiben vom 20. Februar 2001 hat der Beklagte nach
versorgungsärztlicher Auswertung der Stellungnahme des Prof. Dr. L seinen
Vergleichsvorschlag auf einen GdB ab Dezember 2000 in Höhe von 30 sowie dem
Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Nachteilsausgleichsmerkmal
„dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit“ erweitert. Die anlässlich der
Untersuchung am 16. bzw. 18. Januar 2001 erhobenen klinischen und paraklinischen
Befunde einer Herzleistungsminderung seien nach den AHP Nr. 26.9 Seite 87 als
„Krankheiten des Herzens mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung“
einzuordnen. Zwar sei unter alleiniger Berücksichtigung der mitgeteilten
Leistungsparameter nur ein GdB von 20 anzusetzen, unter Berücksichtigung der wegen
der Herzerkrankung notwendigen Schonung werde jedoch ein GdB von 30 empfohlen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes einen Befundbericht
des Dr. A vom 8. Februar 2001 eingeholt. Des Weiteren sind die Arztakten der
Landesversicherungsanstalt (LVA) B beigezogen und hieraus das internistische
Rentengutachten der Frau Dr. H vom 9. April 2001 zur Akte genommen worden.
In der Folge hat das Gericht ein internistisches Gutachten des Dr. F veranlasst. In seinem
Gutachten vom 5. November 2001 ist dieser zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger
lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor:
Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der
Funktionsbeeinträchtigungen sei ein Gesamt-GdB von 30 seit dem am 22. August 1999
erlittenen Herzvorderwandinfarkt anzunehmen. Die von ihm gemessenen Blutdruckwerte
lägen unter Einnahme entsprechender Medikamente im Normbereich. Außerdem hätten
sich keine kardialen Dekompensationszeichen gefunden. Die fahrradergometrische
Untersuchung habe kurz nach Erreichen der 125 Watt-Belastungsstufe wegen
Beinermüdung abgebrochen werden müssen. Bis dahin hätten sich im
Elektrokardiogramm keine Veränderungen im Sinne einer koronaren
Mangeldurchblutung ergeben. Es sei auch nicht zum Auftreten von Angina pectoris
gekommen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12. Januar 2002 hat Dr. F seine
Beurteilung aufrechterhalten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam vom 15. Januar 2002 hat
der Beklagte sein Vergleichsangebot abermals erweitert und ist vom Vorliegen eines
GdB von 30 ab Antragstellung ausgegangen. Der Kläger hat diese Angebot
angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Im Übrigen hat er die
Auffassung vertreten, der GdB betrage 50.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung hat er eine weitere gutachterliche
Stellungnahme des Prof. Dr. L vom 27. Januar 2002 vorgelegt. Hierin hat dieser unter
anderem auf den Befund eines von ihm am 15. Januar 2002 durchgeführten Belastungs-
EKGs verwiesen. Hierbei sei eine Belastung von 50 bis 100 Watt erfolgt, die jedoch nach
30 Sekunden bei 100 Watt wegen zunehmender Dyspnoe und pektanginöser
Beschwerden habe abgebrochen werden müssen. Die Belastungszeit habe insgesamt
4,5 Minuten betragen. Unter Belastung mit 75 Watt sei es in der zweiten Minute zu einer
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4,5 Minuten betragen. Unter Belastung mit 75 Watt sei es in der zweiten Minute zu einer
zunehmenden Dyspnoe und Angina-pectoris-Symptomatik in Form eines präkordialen
Drucks mit zunehmender Schmerzausstrahlung in den linken Arm gekommen. Diese
Symptomatik habe nach Erhöhung auf 100 Watt deutlich zugenommen und der
Blutdruck habe eine Tendenz zum Abfall gezeigt mit der Ausbildung einer ST-
Streckensenkung. Zusammenfassend liege eine erhebliche Einschränkung der
Belastbarkeit des Klägers vor und zwar trotz antianginöser Mehrfachtherapie.
Zu diesen Ausführungen hat der Sachverständige Dr. F am 23. Februar 2002 erneut
Stellung genommen und darauf verwiesen, dass es bei der Untersuchung durch Prof. Dr.
L gegenüber dem Ergebnis seiner eigenen Untersuchung des Klägers vom 25.
September 2001 zu einer deutlichen Befundverschlechterung gekommen sei, welche
nach Nr. 26.9 Seite 87 der AHP die Kriterien für einen GdB von 50 erfülle. In einer
weiteren Stellungnahme vom 10. Juni 2002 hat Dr. F seiner Auffassung weiter erläutert.
Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 hat der Beklagte sich im Hinblick auf die leicht
eingeschränkte Ejektionsfraktion bereit erklärt, einen GdB von 40 ab Januar 2002
anzuerkennen und das Angebot einer vergleichsweisen Regelung aufrecht erhalten.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht Potsdam am 6. Februar 2003 hat der
Beklagte ab Januar 2002 einen GdB von 40 anerkannt. Der Kläger hat dieses
Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.
Der geladene Sachverständige Dr. F hat in diesem Termin seine Auffassung, weshalb
nach den AHP nunmehr ein GdB von 50 anzusetzen sei, näher begründet.
Das Gericht hat die von Prof. Dr. L erhobenen kardiologischen Befunde beigezogen und
im Weiteren ein kardiologisches Gutachten von Prof. Dr. R H/Dr. Hans L/Dr. K eingeholt.
In dem Gutachten nach Aktenlage vom 13. November 2003 sind diese zu dem Ergebnis
gelangt, der Kläger leide an einer koronaren 2-Gefäßerkrankung, abgelaufenem
Vorderwandinfarkt und erfolgreicher Aufweitung der linken Hauptherzkranzarterie. Die in
den Akten befindlichen Linksherzkatheterbefunde dokumentierten im Zeitraum von
1999 bis 2002 trotz Optimierung der Risikofaktoren eine objektivierbare
Verschlechterung des Koronar-Befundes. In Analogie zu den Herzkatheterbefunden sei
es zu einer sukzessiven weiteren Verschlechterung der ergometrisch dokumentierten
Leistungsfähigkeit gekommen, limitiert durch Belastungsdyspnoe und Angina pectoris.
Nach den letzten erhobenen ergometrischen Daten von Januar 2002 sei es bereits in der
2. Minute unter Belastung mit 75 Watt zu einer zunehmenden Angina pectoris mit
Zeichen einer Herzmuskeldurchblutungsstörung gekommen. Bei bereits unter 75 Watt
bestehenden Beschwerden sei die Ergometrie bis 30 Sekunden bei 100 Watt
weitergeführt worden. Somit seien die Kriterien einer beschwerdenfreien Belastung bei
75 Watt über 2 Minuten nicht mehr erfüllt. Gestützt werde diese weitere
Verschlechterung auch durch die anamnestische Leistungsfähigkeit (1 Stockwerk
Treppensteigen) und durch den koronar-angiographischen Befund von November 2002,
welcher ein weiteres Fortschreiten der diffusen koronaren Herzkrankheit zeige. Der GdB
werde daher mit 50 bemessen. Auf der Grundlage der vorliegenden Daten werde davon
ausgegangen, dass dieser GdB ab Januar 2002 vorliege.
Der Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass nach Nr. 26.9 Seite 87 der
AHP für eine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung, Beschwerden und
Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2
Minuten) ein GdB von 20 bis 40 anzusetzen sei. Die Schlussfolgerung der
Sachverständigen, der GdB sei ab Januar 2002 mit 50 zu bemessen, da der Kläger nicht
beschwerdefrei über 2 Minuten mit 75 Watt habe belastet werden können, sei nicht
nachvollziehbar. Die AHP sähen bei Auftreten der geschilderten Beschwerden und
pathologischer Messdaten bei 75 Watt lediglich einen GdB von 20 bis 40 vor. Für einen
GdB von 50 hätten objektivierbare Beschwerden bereits bei einer Belastung mit 50 Watt
auftreten müssen, was hier jedoch nicht der Fall gewesen sei. Darüber hinaus sei den
Stellungnahmen des Prof. Dr. L zu entnehmen, dass EKG-Veränderungen sogar erst ab
einer Erhöhung der Belastung auf 100 Watt eingetreten seien. Insofern seien noch nicht
einmal die Voraussetzungen für einen GdB zwischen 20 und 40 gegeben.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 17. März 2004 haben Prof. Dr. H/Dr. L/Dr. K
ihre Beurteilung aufrechterhalten.
Durch Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2004 ist der Beklagte zur
Feststellung eines GdB von 50 ab Januar 2002 verurteilt worden. Zur Begründung ist
ausgeführt worden, mit den Sachverständigen sei die Kammer der Meinung, dass nach
den AHP 1996 der GdB ab Januar 2002 mit 50 zu bewerten sei. Ausweislich der
Aktenlage habe der Kläger seit dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 8. Oktober
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Aktenlage habe der Kläger seit dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 8. Oktober
1999 immer weniger belastet werden können. Auf der Grundlage der Messdaten des
Prof. Dr. L vom 15. Januar 2002 hätten Prof. Dr. L und auch später Dr. F sowie Prof. Dr. H
ausgeführt, dass Angina-pectoris-Beschwerden bereits unter Belastung mit 75 Watt
aufgetreten seien und dann nach einer kurzfristigen Erhöhung auf 100 Watt deutlich
zugenommen hätten. Prof. Dr. L habe eine Dyspnoe in der 4. Belastungsminute
beschrieben. Bei einer Belastung von 50 bis 100 Watt habe er von Dyspnoe, ST-
Streckensenkung und Blutdruckabfall berichtet und ausgeführt, dass nach
Funktionsstörungen die Schmerzausstrahlung in den linken Arm und die EKG-
Veränderungen zeitversetzt erfolgten, nämlich erst nach Auftreten der
Belastungsdyspnoe. Im Übrigen habe der Kläger präkordiale Beschwerden bereits bei
Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, was einem GdB von 50 bis 70 entspreche.
Hinzu komme eine diffuse Herzerkrankung mit ausgeprägter Koronarsklerose ohne
Besserung trotz optimaler medikamentöser Behandlung sowie Risikofaktoren wie
Fettstoffwechselstörung und Bluthochdruck. Nach den AHP sei bei der Beurteilung des
GdB grundsätzlich vom klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag
auszugehen. Die Bewertung mit einem GdB von 50 ab Januar 2002 sei deswegen richtig.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Seiner Auffassung nach bedingen die
beim Kläger aus der koronaren Herzkrankheit nach Vorderwandinfarkt, Rekanalisation,
Ballondilatation und Stentimplantation resultierenden Leistungsbeeinträchtigungen
keinen GdB von 50. Die für das Urteil maßgeblichen Befunde seien in der Untersuchung
durch Prof. Dr. L am 15. Januar 2002 gewonnen worden. Er habe keinerlei Einwände
gegen die erhobenen medizinischen Befunde, jedoch gegen die Anwendung der AHP im
vorliegenden Fall. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erscheine es völlig unstreitig,
dass eine Angina-pectoris-Symptomatik in der 2. Minute bei Belastung mit 75 Watt und
pathologische Messdaten - nämlich ST-Streckensenkungen - bei Erhöhung der
Belastung auf 100 Watt aufgetreten seien. Daraus ergebe sich kein GdB von 50. Nicht
maßgeblich sei, ob während der Ergometrie Abbruchkriterien bereits bei 75 Watt oder bei
100 Watt vorgelegen hätten, obwohl deutlich zu machen sei, dass die Anhaltspunkte das
Vorliegen subjektiver und objektiver Abbruchkriterien innerhalb der maßgeblichen
Leistungsstufe voraussetzten. Entscheidend sei jedoch, dass der Abbruch der
Ergometerbelastung nicht bereits bei 50 Watt habe erfolgen müssen. Die
Sachverständigen Dr. F und Prof. Dr. H gingen fehlerhaft davon aus, dass die jeweilige
Belastungsstufe mindestens 2 Minuten ohne Auftreten subjektiver oder objektiver
Abbruchkriterien zu bewältigen sei. Soweit dies nicht der Fall sei, solle die nächst
niedrigere Belastungsstufe eingreifen. Dies widerspreche den AHP. Hiernach sei einzig
entscheidend, dass Abbruchkriterien im Rahmen der Belastungsstufe aufträten. Soweit
diese bei 75 Watt aufträten, ergebe sich daraus nur ein GdB zwischen 20 und 40. Der
Zusatz in den AHP „wenigstens 2 Minuten“ betreffe lediglich die Dauer, die der Patient
belastet werden solle, um aussagekräftige Messergebnisse zu erhalten. Nicht
erforderlich sei jedoch, dass diese 2 Minuten beschwerdefrei absolviert würden.
Vorliegend seien subjektive Abbruchkriterien in der 2. Minute unter einer Belastung mit
75 Watt aufgetreten, objektive Abbruchkriterien bei der Erhöhung der Belastung auf 100
Watt. Die Voraussetzung für einen GdB von 50 sei bei dieser Betrachtungsweise nicht
erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. April 2004 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unbegründet.
Auf Nachfrage des Gerichts haben die Sachverständigen Prof. Dr. H/Dr. L mit
Stellungnahme vom 11. November 2004 ihre Beurteilung aufrechterhalten.
Der Kläger hat eine weitere gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. L vom 30. Januar
2005 vorgelegt. Hierin vertritt dieser die Auffassung, der Beklagte missachte die
maßgebliche Aussage der AHP, dass grundsätzlich das klinische Bild und die
Funktionseinschränkung im Alltag bei der Beurteilung des GdB maßgebend seien.
Ergometerdaten und andere Parameter dienten lediglich der Ergänzung. EKG-
Abweichungen allein gestatteten in der Regel keinen Rückschluss auf die
Leistungseinbuße. Wenn der Kläger aber bereits bei alltäglicher Belastung
(Treppensteigen über ein Stockwerk) eine Leistungsbeeinträchtigung habe (Auftreten
der Dyspnoe), so entspreche dies nach den AHP einem GdB von wenigstens 50. Die
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der Dyspnoe), so entspreche dies nach den AHP einem GdB von wenigstens 50. Die
Aussage der AHP, bei der Ergometrie müsse die jeweilige Belastungsstufe wenigstens
über 2 Minuten erfolgen, sei vieldeutig und missverständlich. Es werde aber in den AHP
nicht ausdrücklich erwähnt, dass es sich nur um eine methodisch getroffene Aussage
handele, wie es der Beklagte unterstelle. Die Interpretation als beschwerdefrei zu
erfüllende Norm der jeweiligen Leistungsstufe sei durchaus logisch und daher möglich.
Die Einstufung des Patienten in seiner maximal möglichen Leistungsfähigkeit auf die
nächst niedrigere Belastungsstufe (die einer ergometrischen Leistung von 50 Watt
entspreche) sei ärztlich richtig und notwendig, um eine Gefährdung des Patienten zu
reduzieren bzw. möglichst zu vermeiden. Da der Kläger nicht beschwerdefrei über 2
Minuten mit 75 Watt habe belastet werden können, sei die Einstufung auf die niedrigere
Belastungsstufe von 50 Watt und damit auch die Zuordnung eines GdB von wenigstens
50 selbst bei dieser Sichtweise gerechtfertigt.
Inzwischen habe er nach Aufforderung der 16. Kammer des Sozialgerichts Potsdam im
Rahmen des Rentenrechtsstreites den Kläger am 13. Januar 2005 nochmals untersucht.
Aus den Beschwerden sowie den Messdaten ergebe sich entsprechend der AHP im
Vergleich zum Januar 2002 nun ein GdB von 70. Hinzu kämen ein Bluthochdruck mit
einem GdB von 10, eine Hyperlipoproteinämie mit einem GdB von 20 sowie eine reaktive
depressive Verstimmung infolge dieser Erkrankungen mit einem GdB von 20. Der
Gesamt-GdB sei mit 80 anzusetzen. Auf die Ausführungen des Prof. Dr. L zu den
anlässlich dieser Untersuchung erhobenen Befunden wird Bezug genommen.
Zur Verfügung gestellt wird noch ein Arztbrief des Deutschen Herzzentrums (DHZ) B
vom 16. März 2005, nach dem eine Erweiterung dreier Herzkranzgefäße mit
anschließender Stentversorgung durchgeführt worden ist.
Das Gericht hat vom Sozialgericht Potsdam die Akte zum Aktenzeichen S 21 RJ 896/01
beigezogen und hieraus unter anderem Kopien des Ruhe-EKG sowie des Belastungs-
EKGs vom 13. Januar 2005 und des Herzkatheterbefundes vom 28. Februar 2005 zur
Akte genommen.
Anschließend hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines kardiologischen
Sachverständigengutachtens von Dr. Dr. F In seinem am 14. Juni 2006 fertig gestellten
Gutachten ist er zu folgenden Funktionsbeeinträchtigungen gelangt:
Die bisherige Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen sei zwar zutreffend, jedoch
unvollständig. Die nachgewiesenen wiederkehrenden supraventrikulären Tachykardien
könnten zusätzlich die Leistungsfähigkeit beeinflussen und müssten daher ergänzend
aufgenommen werden. Der GdB für die koronare Herzkrankheit sei mit 40 anzusetzen,
der GdB für die supraventrikuläre Tachykardie mit 20. Für den Zeitraum seit Januar 2002
sei nach Aktenlage von einem GdB von 40 für die koronare Herzkrankheit auszugehen.
Die supraventrikuläre Tachykardie sei nunmehr erstmals festgestellt worden. Es ergebe
sich jetzt ein GdB insgesamt von 60. In der Rechtsherzkatheteruntersuchung unter
Belastung seien im Liegen 125 Watt ohne Einschränkung der Klinik und der gemessenen
Druckparameter erreicht worden. Da im Vergleich zu Herzgröße und Ventrikelvolumina
eine verminderte Leistung vorliege, sei von einer relativen Herzinsuffizienz Stadium II bei
fraglicher Prognose wegen der Gefügedilatation des linken Ventrikels auszugehen.
Erschwerend komme die intermittierende supraventrikuläre Tachykardie im Sinne von
Herzrhythmusstörungen hinzu, welche die Herzleistungsfähigkeit erheblich mindere. Die
Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen überschnitten und verstärkten
einander, so dass ein GdB von 60 anzusetzen sei. ST-Streckenveränderungen hätten
aktuell nicht festgestellt werden können.
Der Kläger verweist darauf, dass er nunmehr eine Erwerbsminderungsrente beziehe.
Der Beklagte vertritt unter Berücksichtigung dieses Gutachtens nunmehr die
Auffassung, beim Kläger bestehe gegenwärtig ein GdB von 30. Die zum Jahreswechsel
2004/2005 eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei nur
vorübergehend gewesen und durch ein 3-fach-Stenting im März 2005 anhaltend deutlich
gebessert worden. Gemäß den von Dr. Dr. F erhobenen Daten und den Maßgaben der
AHP sei die jetzt festgestellte Leistungsbeeinträchtigung maximal mit einem GdB von 20
zu bewerten. Da Dr. Dr. F auch relevante Tachykardien im Sinne von
Herzrhythmusstörungen festgestellt habe, sollte der Gesamt-GdB 30 betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Soweit der Beklagte ab
Antragstellung einen GdB von 30 nebst dem Merkmal „dauernde Einbuße der
körperlichen Beweglichkeit“ (Erklärung vom 15. Januar 2002) sowie 40 ab Januar 2002
(Schreiben des Beklagten vom 17. Oktober 2002) anerkannt hat und der Kläger diese
Anerkenntnisse angenommen hat, ist der Rechtsstreit erledigt. Darüber hinaus hat der
Kläger – entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts Potsdam in seinem Urteil vom
20. April 2004 - keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab Januar 2002.
Streitig sind hier nicht die von den behandelnden und begutachtenden Ärzten
erhobenen und aktenkundigen kardiologischen Befunde, sondern deren Bewertung nach
den Maßgaben der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ von 1996 (AHP 1996)
bzw. der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ von
2004/2005 (AHP 2004/2005). Hierbei war insbesondere zu klären, welcher GdB für die
beim Kläger am 15. Januar 2002 durch Prof. Dr. Lohmann festgestellte
Herzleistungsminderung auf der Grundlage der AHP anzusetzen ist.
Aus den Akten ergeben sich in zeitlicher Abfolge die nachfolgenden Koronarbefunde:
- Ergometrie vom 17. September 1999 (Reha-Klinik U): Abbruch nach
Gesamtbelastung über 8 Minuten und maximaler Belastung von 2 Minuten 125 Watt
wegen muskulärer Erschöpfung und beginnender Dyspnoe; Pulsverhalten und Blutdruck
unauffällig; im artefaktreichen Belastungs-EKG leichte Zunahme der ST-Elevation
(Vorderwandnarbe) mit nicht ganz unvollständigem Rückgang in Ruhe.
- Ergometrie vom 4. Oktober 1999 (Reha-Klinik U): Abbruch nach
Gesamtbelastung über 8 Minuten und maximaler Belastung von 2 Minuten 125 Watt
wegen muskulärer Erschöpfung und beginnender Dyspnoe; keine Angina pectoris;
Pulsverhalten und Blutdruck unauffällig.
- Belastungs-EKG vom 18. Dezember 2000 (Dr. von A): Belastung über jeweils 2
Minuten mit Belastungsstufen 50 Watt und 75 Watt; typische Angina pectoris unter
Belastung; Abbruch wegen körperlicher Erschöpfung; diskret aszendierende ST-
Streckensenkung; keine Rhythmusstörungen.
- Belastungs-EKG vom 18. Januar 2001 (Prof. Dr. L): Belastung über 3,5 Minuten
bis 100 Watt; Abbruch wegen zunehmender Angina-pectoris-Beschwerden,
Belastungsdyspnoe und beginnender ischämischer ST-Streckenveränderungen im
linkspräkordialen Bereich; mäßiger Anstieg des Blutdrucks bei normotensiver
Ausgangslage; geschilderte Beschwerden im Alltag: bereits nach 1 Treppe ausgeprägtes
präkordiales Druckgefühl verbunden mit Schmerzentwicklung und Ausstrahlung in linken
Arm und Schulter und zunehmender leistungslimitierender Luftnot.
- Fahrradergometrie vom 25. September 2001 (Dr. F): Beginn der Belastung mit
50 Watt, alle 2 Minuten Steigerung um 25 Watt bis 100 Watt; Abbruch nach 6 Minuten 32
Sekunden bei 125 Watt wegen Beinermüdung; keine Herzrhythmusstörungen; keine
Hinweise im EKG auf Ischämie; keine Angina pectoris; Blutdruck unter Medikation im
Normbereich; geschilderte Beschwerden im Alltag: nach 1 Treppe Luftnot, bei
schnellerem Laufen oder Aufregung und Stress Engegefühl in der Brust mit Ausstrahlung
in den linken Arm.
- Belastungs-EKG vom 15. Januar 2002 (Prof. Dr. L): Belastung über 4,5 Minuten
von 50 bis 100 Watt, Abbruch nach 30 Sekunden Belastung mit 100 Watt wegen
zunehmender Dyspnoe und pectanginöser Beschwerden; unter Belastung mit 75 Watt in
der 2. Minute zunehmende Dyspnoe und Angina pectoris, nach Erhöhung auf 100 Watt
deutliche Zunahme dieser Symptomatik mit Abfalltendenz des Blutdrucks und
Ausbildung einer ST-Streckenveränderung; keine Herzrhythmusstörungen; geschilderte
Beschwerden im Alltag: unter Medikation 1 Stockwerk Treppen und dann zunehmende
Dyspnoe sowie Angina pectoris.
- Belastungs-EKG vom 13. Januar 2005 (Prof. Dr. L): Belastung unter Medikation
über 3 Minuten und 12 Sekunden von 50 Watt (2 Minuten) bis 75 Watt (1 Minute 12
Sekunden), Abbruch wegen limitierender massiver Dyspnoe und Angina pectoris mit
starker linksthorakaler Schmerzsymptomatik bei Ausstrahlung in den linken Arm; bereits
zum Ende der 1. Minute bei 50 Watt Beginn der Angina-pectoris-Symptomatik und
Auftreten der Dyspnoe, kontinuierliche Zunahme bis zum Abbruch; keine
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Herzrhythmusstörungen; in der 2. Minute 50 Watt beginnende gestreckt verlaufende ST-
Streckensenkung mit Zunahme im Verlauf und signifikantes Pathologischwerden bei
Rückbildung in der Erholungsphase; geschilderte Beschwerden im Alltag: während des
Steigens von 16 Stufen sowie bei Stress und Aufregung Eintreten zunehmender
Beschwerden in Form von Angina pectoris und Luftnot.
- Rechtsherzkatheteruntersuchung mit Belastung vom 14. Februar 2006 (Dr. Dr.
F): Belastung über insgesamt 8,5 Minuten beginnend mit 25 Watt, Steigerung alle 2
Minuten mit 25 Watt bis maximal 125 Watt, submaximale Herzfrequenz unter Therapie
nicht erreicht, reguläres Blutdruckverhalten, Abbruch nach 30 Sekunden Belastung bei
125 Watt wegen körperlicher Erschöpfung, keine Angina pectoris.
- Langzeit-EKG vom 26. bis 27. Januar 2006 (Dr. Dr. F): rezidivierende
supraventrikuläre Tachykardien.
Angesichts dieser Befunde ist von einem zunächst befriedigenden Ergebnis der
Behandlung des durch den Herzinfarkt von August 1999 geschädigten Herzens sowie
einer anschließenden kontinuierlichen Verschlechterung bis zur erneuten invasiven
Therapie im D im Februar 2005 mit anschließend deutlich verbesserter
Leistungsfähigkeit auszugehen.
Jedoch erfüllen diese Befunde nicht die nach den AHP maßgeblichen Voraussetzungen
für einen GdB von 50. Die AHP 96 und die AHP 2004/2005 machen zur Bemessung des
GdB bei Herzkreislaufkrankheiten unter Nr. 26.9 folgende grundsätzliche Ausführungen:
Für die Bemessung des GdB ist weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit
maßgeblich als die je nach dem vorliegenden Stadium des Leidens unterschiedliche
Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst grundsätzlich von dem
klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen.
Ergometerdaten und andere Parameter stellen lediglich Richtwerte dar, die das klinische
Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten in der Regel
keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße. In der GdB-Tabelle wird dann ein
- GdB von 20 bis 40 für Krankheiten des Herzens mit Leistungsbeeinträchtigung
bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche
Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung
mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) und
- ein GdB von 50 bis 70 für Krankheiten des Herzens mit
Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B.
Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche
Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung
mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten)
vorgesehen.
Das Sozialgericht hat sich zur Begründung seiner Auffassung auf die Sachverständigen
Dr. F und Prof. Dr. H/Dr. L/Dr. K sowie den Arzt des Klägers Prof. Dr. L gestützt. Ein GdB
von 50 wäre nach den AHP aber allenfalls ab der im Januar 2005 durch Prof. Dr. L
festgestellten weiteren deutlichen Verschlechterung der Herzleistung insbesondere mit
den im Alltag geschilderten Beschwerden schon während des Steigens von 16 Stufen in
Betracht gekommen. Allerdings ist diese Verschlechterung nur vorübergehend gewesen
und durch den erneuten invasiven Eingriff im Februar 2005 im D beseitigt worden, so
dass eine GdB-Erhöhung auch deswegen nicht erfolgen kann.
Soweit die genannten Ärzte schon für die Zeit ab Januar 2002 einen GdB von 50 für
gerechtfertigt halten, beruht dies – wie der Beklagte zutreffend darlegt – auf einer
Fehlinterpretation der AHP. Zur Überzeugung des Senats ist es schon nach dem
Wortlaut und Sinnzusammenhang des zitierten Abschnitts der AHP nicht zulässig, die
Angabe „(wenigstens 2 Minuten)“ in der Weise zu interpretieren, dass eine
beschwerdefreie Belastung über diese Zeit möglich sein müsse. Eine solche Lesart
würde vielmehr den Sinn des Satzes „Krankheiten des Herzens mit
Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung, Beschwerden und Auftreten
pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt“ konterkarieren. Die
AHP bringen hierbei klar zum Ausdruck, dass bei Beschwerden und Auftreten
pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt ein GdB von 20 bis 40
anzusetzen ist. Der Bewertungsspielraum von 20 bis 40 ermöglicht die angemessene
Bewertung gradueller Unterschiede, z. B. wann und mit welcher Schwere die
Beschwerden/pathologischen Messdaten auftreten. Die „2 Minuten“ können
sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass Bezug genommen wird auf die
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sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass Bezug genommen wird auf die
allgemeine Art der Durchführung eines Belastungs-EKG als Fahrradergometrie mit
Steigerung der Belastungsstufe alle 2 Minuten (von der WHO empfohlen) bzw. alle 3
Minuten (vom Bundesausschuss für Leistungssport empfohlen; vgl. grundlegend zur
Durchführung von Ergometrien: Leitlinien zur Ergometrie, herausgegeben vom Vorstand
der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung, bearbeitet im
Auftrag der Kommission für Klinische Kardiologie von H.-J. Trappe und H. Löllgen, Z.
Kardiol. 89; 821, 825 (2000)).
Auch aus dem – im Rahmen der Bewertung der AHP grundsätzlich vorrangigen –
klinischen Bild sowie den vom Kläger geschilderten Leistungseinschränkungen im Alltag
ergibt sich keine andere Beurteilung. Soweit die AHP auf die Vorrangigkeit des klinischen
Bildes und der Leistungseinschränkungen im Alltag verweisen, kann dies nicht bedeuten,
dass die GdB-Bewertung allein auf der Grundlage der subjektiven
Beschwerdeschilderungen zu erfolgen hat. Denn dann erübrigte sich eine weitere
medizinische Beweiserhebung. Sinn der Maßgabe ist es vielmehr, ein Ineinandergreifen
von klinischem Bild, Beschwerdeschilderung und kardiologischen Befunddaten zu
erzielen. So sind klinisches Bild, Beschwerdeschilderung im Alltag und Messdaten jeweils
Teilaspekte eines Gesamtbildes. Die medizinischen Daten müssen dem klinische Bild
und die Beschwerdeschilderung entsprechen. Im vorliegenden Fall ist anhand der
Unterlagen – insbesondere des Reha-Entlassungsberichtes sowie des internistischen
Rentengutachtens der Frau Dr. H vom 9. April 2001 – nachvollziehbar, dass der Kläger
keine schweren, sondern nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperlichen
Arbeiten im Erwerbsleben verrichten kann. Zu den Einschränkungen im Alltag findet sich
in den Akten bis zur Verschlechterung im Januar 2005 die Angabe, der Kläger könne 1
Stockwerk Treppen gehen und bekomme dann eine zunehmende Dyspnoe und Angina-
pectoris-Symptomatik (Stellungnahme Prof. Dr. L vom 27. Januar 2002). Dieses klinische
Bild reicht für einen GdB von 50 nach Nr. 26.9 der AHP nicht aus. Erst in der
Stellungnahme vom 30. Januar 2005 berichtet Prof. Dr. Lohmann von Beschwerden
bereits während des Steigens einer Treppe über 16 Stufen. Diese Verschlechterung war
jedoch nur vorübergehender Natur und begründet daher keine andere GdB-Bewertung.
Auch das Gutachten des Dr. Dr. F ergibt keine Grundlage für einen GdB von 50 oder 60.
Nach den AHP 1996 bzw. 2004/2005 bedingen die von ihm festgestellten
Leistungsbeeinträchtigungen
GdB-Werte von
Im Hinblick darauf, dass – wie Dr. Dr. F ausgeführt hat - die Herzrhythmusstörungen die
Leistungsfähigkeit zusätzlich negativ beeinflussen, kann der GdB mit 30 angesetzt
werden.
Entgegen der Auffassung des Prof. Dr. L ist nicht zusätzlich zu bewerten, dass die
gemessene Herzleistungsminderung trotz einer adäquaten medikamentösen
antianginösen Mehrfachtherapie fortbesteht. Nach den AHP sind nur die tatsächlich
bestehenden, dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten. Verursacht eine
Gesundheitsbeeinträchtigung unter Therapie keine Beeinträchtigungen, so ist sie im
Regelfall auch nicht als Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB zu belegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und
berücksichtigt, dass die Berufung des Beklagten erfolgreich war. In der ersten Instanz
hat der Kläger mit seinem Begehren insoweit Erfolg gehabt, als der Beklagte einen GdB
von 30 ab Antragstellung anerkannt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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