Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 24.02.2006

LSG Berlin-Brandenburg: bemessung der beiträge, besondere härte, freiwillige versicherung, auflage, arbeitsentgelt, krankenversicherung, aufenthalt, arbeitsgemeinschaft, heizung, auszahlung

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
28. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 28 AS 1029/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 12 Abs
1 SGB 2, § 44b Abs 1 S 1 SGB 2
vom 30.07.2004, § 11 SGB 1, §
183 Abs 1 SGB 3 vom
10.12.2001
sozialgerichtliches Verfahren - Beteiligtenfähigkeit der
Arbeitsgemeinschaft - Klageart - Grundsicherung für
Arbeitsuchende - Einkommens- und Vermögensberücksichtigung
- Insolvenzgeld - Zuflussprinzip - einmalige Einnahme
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
24. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen.
Die 1961 geborene, allein stehende und erwerbsfähige Klägerin war im streitigen
Zeitraum erwerbslos. Sie bewohnte eine zweieinhalb Zimmerwohnung, für die sie
monatlich 232,18 Euro Miete sowie Nebenkosten in Höhe von 82,56 Euro und Heizkosten
in Höhe von 44 Euro aufzubringen hatte; die Erwärmung des Wassers erfolgte mit einem
Durchlauferhitzer über die Stromversorgung. Das letzte, dem streitigen Zeitraum
vorangegangene Arbeitsverhältnis der Klägerin endete wegen Insolvenz des
Arbeitgebers zum 31. Dezember 2003, im Anschluss bezog sie bis zum 25. Dezember
2004 Arbeitslosengeld (Alg) und bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Auf
ihren am 29. Januar 2004 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gestellten Antrag hin
bewilligte diese mit Bescheid vom 13. Januar 2005 für den Insolvenzgeldzeitraum vom 1.
Dezember 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Insolvenzgeld in Höhe von 917,41 Euro,
das am 18. Januar 2005 auf ihrem Konto gutgeschrieben wurde. Anderweitiges
Einkommen bezog sie im streitigen Zeitraum nicht; über Vermögen verfügte sie nicht.
Am 28. Dezember 2004 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 an. Sie
sei bedürftig, da ihr Girokonto ein Soll vom 2220,44 Euro aufweise. Den Antrag lehnte
der Beklagte für Januar 2005 ab (Bescheid vom 15. Februar 2005). Der monatliche
Gesamtbedarf betrage 703,74 Euro. Darauf sei das erzielte Insolvenzgeld abzüglich
einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,– Euro anzurechnen (887,41 Euro). Mit
den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen liege damit keine Bedürftigkeit vor. Für
die Zeit ab 1. Februar 2005 bewilligte er Leistungen in Höhe von 703,74 Euro monatlich.
Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 15. Januar 2005 blieben ohne Erfolg
(Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2005; Urteil des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 24.
Februar 2006).
Mit ihrer Berufung macht die Klägerin wie bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren
geltend, das im Januar 2005 ausgezahlte Insolvenzgeld für den Dezember 2003 dürfe
nicht als Einkommen für den Monat Januar 2005 berücksichtigt werden. Die Nachzahlung
habe ausgleichen sollen, dass sie für Dezember 2003 keinen Lohn erhalten habe. Wäre
die Auszahlung von Lohn ordnungsgemäß erfolgt, hätte eine Einkommensanrechnung
im Januar 2005 nicht stattfinden können. Im Ergebnis habe sie auch infolge der
schleppenden Bearbeitung ihres Insolvenzgeldantrages keinen Ausgleich für das
Arbeitsentgelt Dezember 2003 erhalten, obwohl Insolvenzgeld dies bezwecke. Sie habe
ihren Lebensunterhalt für Januar 2005 ohnehin nicht aus dem Insolvenzgeld bestreiten
können, sondern weiterhin auf ihren Dispositionskredit zurückgreifen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2006 und den Bescheid der
Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.
Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für Januar 2005 Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 703,74 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 59 AS 5522/05) sowie
die Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist angesichts des Beschwerdewertes von 703,74 Euro statthaft und auch
im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Passivrubrum war von Amts wegen zu ändern, da die Arbeitsgemeinschaft des
Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit für den örtlichen Bereich des
Verwaltungsbezirks Tempelhof-Schöneberg (JobCenter Tempelhof-Schöneberg)
entgegen der Auffassung des SG im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
beteiligtenfähig ist (vgl. nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. November 2006,
SozR 4-4300 § 428 Nr. 3, RdNr. 12). Nichts anderes folgt daraus, dass der
gesetzgeberische Auftrag zur Bildung solcher Arbeitsgemeinschaften (§ 44b SGB II) mit
der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 Grundgesetz (GG) i.V.m.
Art 83 GG unvereinbar sind (dazu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 20.
Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04), denn das BVerfG hat die weitere
Anwendung der Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31.
Dezember 2010 zugelassen.
Die Klage ist entgegen der Auffassung des SG nicht als (Anfechtungs- und)
Verpflichtungsklage, sondern als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig.
Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch
besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig
die Leistung verlangt werden (§ 54 Abs. 4 SGG; sog. unechte Leistungsklage); diese
Klageart geht der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vor (vgl. nur Keller in Meyer-
Ladewig SGG, 8. Auflage 2005, § 54 RdNr. 6). Klage- und Berufungsantrag waren
entsprechend auszulegen (§ 123 SGG).
Zutreffend hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen
Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf die begehrte
Leistung besteht im streitigen Zeitraum nicht.
Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt ausschließlich § 7
Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von
Kommunen nach dem SGB II vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 2014) in Betracht. Danach
erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Hilfebedürftige).
Die Klägerin hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht
vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig im
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Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig im
Sinne von § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung zu entnehmen sind,
die einem mehr als 3stündigen Leistungsvermögen täglich entgegenstehen könnten. Sie
war jedoch im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig, denn ihr Lebensunterhalt war aus
zu berücksichtigenden Einkommen gesichert (Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer
seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit
ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus
eigenen Kräften und Mitteln, u. a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und
Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9
Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zur Berechnung des individuellen Leistungsanspruchs der
Klägerin einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft (bestehend allein aus
der Klägerin) und andererseits deren Gesamteinkommen und das verfügbare Vermögen
zu ermitteln und gegenüberzustellen (zu den Berechnungsschritten Hengelhaupt in
Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr. 100 ff.; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008,
§ 9 RdNr. 33 ff).
Der Gesamtbedarf der Klägerin nach § 19 SGB II setzt sich aus der Regelleistung in Höhe
von 345,– Euro (§ 20 Abs. 2 SGB II hier in der ursprünglichen Fassung des 4. Gesetzes
für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt), sowie den angemessenen Kosten für
Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ebenfalls in der ursprünglichen
Fassung) zusammen. Für Kosten der Unterkunft und Heizung hatte die Klägerin 358,74
Euro monatlich aufzubringen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Kosten nicht angemessen
sein könnten, bestehen nicht. Der Gesamtbedarf der Klägerin nach § 19 SGB II beträgt
mithin 703,74 Euro.
In einem zweiten Schritt sind demgegenüber erzieltes Einkommen und einsetzbares
Vermögen zu ermitteln. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu
berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach
diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den
Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes
vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für
Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der
vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Demgegenüber wird
der Begriff des Vermögens in § 12 SGB II vorausgesetzt und lediglich dessen
Berücksichtigung auf die "verwertbaren Vermögensgegenstände" begrenzt. Nach der
sog. Zuflusstheorie des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des BSG ist
Einkommen alles das, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraums
wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er bei Beginn eines Zahlungszeitraums
bereits hat. Dasjenige was der Hilfebedürftige aus der Verwertung seines Vermögens
zum Verkehrswert erzielt, bleibt Vermögen, da es an die Stelle des verwertbaren
Vermögensgegenstandes tritt und dem Hilfebedürftigen keinen wertmäßigen Zuwachs
seines Vermögens bringt. Diese Rechtsprechung ist auch im Bereich des SGB II weiterhin
anwendbar (vgl. bereits Urteil des Senats vom 9. November 2007 – L 28 AS 1099/07
unter Hinweis auf Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage 2005, § 11 RdNr. 19,
Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr. 31 f. und Brühl in LPK-SGB II, 2. Auflage
2007, § 11 RdNr. 6). Einnahmen im Sinne des § 11 SGB II sind damit (nur) zufließende
Mittel. Dem entsprechend können Ansprüche, die bestehen, aber noch nicht realisiert
sind, nicht ohne weiteres als Einnahmen angesehen werden. Das SGB II hat die
anderslautende Regelung aus dem Recht der Alhi nicht übernommen, die vorsah, dass
Leistungen bereits dann als Einkommen zu berücksichtigen waren, wenn sie von Dritten
beansprucht werden konnten (§ 194 Abs. 2 S 1 a. E. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB
III)) mit der Folge, dass solche Ansprüche in Folgezeiträumen zum Vermögen gehörten
(Hänlein in Gagel SGB III, Stand 30. Ergänzungslieferung 2007, § 11 SGB II RdNr. 17).
Nach diesen Grundsätzen ist das im Januar 2005 zugeflossene Insolvenzgeld als
Einkommen anzusehen. Einerseits fällt es ersichtlich nicht unter die genannten
Einkommensarten, die ausdrücklich von der Anrechenbarkeit ausgenommen sind.
Andererseits war der Anspruch auf Insolvenzgeld vor dem 1. Januar 2005 noch nicht
durch Bescheid festgestellt. Ein Anspruch auf Auszahlung bestand daher in
vorangegangenen Zeiträumen nicht (vgl. § 337 Abs. 3 Satz 2 SGB III). Auf die Frage, ob
und in welchen Fällen durchsetzbare Ansprüche zum Einkommen gehören und in
Folgezeiträumen als (geschütztes) Vermögen anzusehen sind, kommt es nicht an. Die
Einordnung als (geschütztes) Vermögen scheidet von vornherein aus.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Berücksichtigung als Einkommen
unerheblich, dass das Insolvenzgeld als Lohnersatz für einen bestimmten bereits
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unerheblich, dass das Insolvenzgeld als Lohnersatz für einen bestimmten bereits
abgelaufenen Zeitraum (nämlich den Dezember 2003) dienen sollte. Voraussetzung für
den Einsatz von Einkommen und Vermögen ist nach dem Gesagten allein deren
bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit. Maßgeblich ist also, ob der Lebensunterhalt
in dem Zeitraum gedeckt ist, für den Leistungen beansprucht werden (BVerwG, Urteil
vom 18. Februar 1999, NJW 1999, 416 zu § 76 BSHG; vgl. auch BSG, Urteil vom 9.
August 2001, BSGE 88, 258 zu §§ 193, 194 SGB III und Urteil vom 18. Februar 1982,
BSGE 53, 115 zu § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Dies bringt auch § 2 Abs. 2 Satz
1 und Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II (Alg II-
VO) in der auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vom 20. Oktober 2004 (im
Folgenden: a. F.) zum Ausdruck. Sowohl für die Berücksichtigung von laufenden als auch
von einmaligen Einnahmen wird hier auf den Monat abgestellt, in dem sie zufließen. Für
das Insolvenzgeld, eine Sozialleistung im Sinne von § 11 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB I), gelten diese Vorschriften entsprechend (§ 2 b Alg II-VO a.F.).
Bei der Einkommensberücksichtigung ist zwischen laufenden Leistungen (§ 2 Abs. 2 Satz
1 Alg II-VO a. F. i.V.m. § 2 b Alg II-VO a. F.) und einmaligen Einnahmen (§ 2 Abs. 3 Alg II-
VO a. F. i.V.m. § 2 b Alg II-VO a. F.) zu unterscheiden. Das Insolvenzgeld stellt eine
einmalige Leistung dar. Seine Zahlung erschöpft sich nach § 337 Abs. 3 Satz 2 SGB III in
einer einzigen (stets nachträglichen) Gewährung. Einmalige Einnahmen sind von dem
Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Alg II-VO a. F.).
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollen für die Zahl von ganzen Tagen
nicht erbracht werden, die sich unter Berücksichtigung der monatlichen Einnahmen nach
Abzug von Freibeträgen und Absetzbeträgen bei Teilung der Gesamteinnahmen durch
den ermittelten täglichen Bedarf einschließlich der zu zahlenden Beiträge für eine
freiwillige Weiterversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung ergibt (§ 2 Abs. 3
Satz 2 Alg II-VO a. F.). Es kann dahin stehen, ob und in welchen Fällen aus der
Formulierung in Satz 2 ("sollen") zu schließen ist, dass im Zeitraum bis zur Änderung der
Alg II-VO mit dem Freibetragsneuregelungsgesetz zum 1. Oktober 2005 in besonderen
Härtefällen von dem regelhaft vorgesehenen Anrechnungsmodus abgewichen werden
konnte. Es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, weshalb gerade die Berücksichtigung von
Insolvenzgeld abweichend von der Grundregel, dass auch Leistungen, die für einen
bereits abgelaufenen Zeitraum zur Bedarfsdeckung heranzuziehen sind, eine besondere
Härte darstellen sollte. Der Bewilligung von Insolvenzgeld ist immanent, dass sie erst
erheblich nach dem Eintritt des Insolvenzereignisses erfolgen kann. Ein abweichender
Verfahrensablauf ist auch im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das Insolvenzgeld tritt
an die Stelle des entgangenen Arbeitsentgelts; es ist kein Grund dafür ersichtlich, es
anders als nachgezahltes Arbeitsentgelt nicht nach den allgemeinen Regelungen
heranzuziehen.
Von dem zu berücksichtigendem Einkommen hat der Beklagte zutreffend die Pauschale
von 30,00 Euro für die privaten Versicherungen der Klägerin (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) in
Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO a. F. abgesetzt. Weitere Absetzungen sind nicht
vorzunehmen.
Die Berücksichtigung dieses Einkommens in Höhe von 887,41 Euro führt dazu, dass die
Hilfebedürftigkeit der Klägerin im Januar 2005 gänzlich entfällt. Dem Bedarf nach § 19
SGB II (703,74 Euro) war entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-VO a. F. ein Anteil für eine
freiwillige Weiterversicherung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
hinzuzurechnen, da für das Vorliegen eines Tatbestandes, der im Januar 2005 (den
streitigen Bezug von Alg II hinweggedacht) zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung geführt hätte, keine Anhaltspunkte bestehen. Dabei hat der Senat
zugunsten der Klägerin, die trotz Nachfrage weitergehende Angaben hierzu nicht
gemacht hat, unterstellt, dass Ausgaben für eine freiwillige Kranken- und
Pflegeversicherung, zu deren Abschluss sie nach Aktenlage berechtigt gewesen wäre,
tatsächlich angefallen sind und die Klägerin sich nicht (in der Erwartung auf eine
Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II) auf die eingeschränkte Absicherung durch
nachgehende Leistungsansprüche im Krankheitsfall (§ 19 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch (SGB V)) beschränkt hat. Da anderweitiges Einkommen nicht erzielt
worden ist, war der Bemessung der Beiträge für eine solche freiwillige Versicherung das
Insolvenzgeld als Ausdruck der "gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit" der
Klägerin zugrunde zu legen (§ 240 Abs. 2 SGB V), das die Grenze des § 240 Abs. 4 Satz
1 SGB V übersteigt. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Beitragssatz ab dem 1.
Januar 2005 von 14,3 v. H. in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 247 SGB V) und
einem Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung von 1,7 v. H. hätte die
Klägerin für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung Beiträge in Höhe von 146,72 Euro zahlen müssen. Den damit im
Rahmen des § 2 Abs. 3 Alg II-VO a. F. zu berücksichtigenden Gesamtbedarf von 850,46
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Rahmen des § 2 Abs. 3 Alg II-VO a. F. zu berücksichtigenden Gesamtbedarf von 850,46
Euro deckt das anrechenbare Einkommen vollständig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2
Nr. 1 SGG).
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