Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.02.2008

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitslosigkeit, arbeitsamt, beendigung, verwaltungsakt, erlass, verfügung, merkblatt, zukunft, dienstvertrag, sorgfalt

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 29.02.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 64 AL 77/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 AL 149/07
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2006 und der Bescheid
der Beklagten vom 23. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005
geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, ihren Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 insoweit aufzuheben, als mit diesem eine Erstattungsforderung
von mehr als 574,25 EUR geltend gemacht wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen die Aufhebung der Bewilligung von
Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis zum 25. September 2003 und die Rückforderung von Leistungen in Höhe von
643,16 EUR.
Die im August 1977 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau und arbeitete bis August 2002 in diesem Beruf. Am
20. August 2002 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos, nachdem ihr Arbeitsverhältnis tags zuvor fristlos
gekündigt worden war. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs einigte die Klägerin sich später mit ihrer ehemaligen
Arbeitgeberin auf ein Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2002. Nachdem die Beklagte der
Klägerin zunächst vorläufig Leistungen bewilligt hatte, gewährte sie ihr schließlich ab dem 01. Oktober 2002
Arbeitslosengeld nach der Leistungsgruppe A/0 und einem gerundeten Bemessungsentgelt in Höhe von 415,00 EUR.
Die Leistungen flossen der Klägerin bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 25. September 2003 zu. In der Zeit vom
01. bis zum 25. September 2003 (25 Leistungstage) erhielt sie bei einem täglichen Leistungssatz von 22,97 EUR
insgesamt Arbeitslosengeld in Höhe von 574,25 EUR.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2004 lud die Beklagte die Klägerin zu einem Gespräch ein. Unter dem 20. Januar 2004
erklärte die Klägerin unter Bezugnahme auf eine entsprechende telefonische Nachricht vom selben Tage, dem
Arbeitsamt bereits die Beendigung der Arbeitslosigkeit ab September 2003 schriftlich angezeigt zu haben und daher
an der Vermittlung eines Stellenangebotes oder einer Arbeitsberatung nicht mehr interessiert zu sein. Auf
entsprechende Anfrage der Beklagten konkretisierte sie dies mit Schreiben vom 23. Februar 2004 dahin, dass "eine
Beendigung der Arbeitslosigkeit ab 01.09.2003 dem Arbeitsamt mitgeteilt" worden sei. "Gleiches erfolgte unverzüglich
zum 01.09.2003, laut Telefonat am 20.01.2004 und erneut mit Schreiben vom 20.01.2004."
Mit Bescheid vom 02. März 2004 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die
Zeit vom 01. bis zum 25. September 2003 gestützt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 des Zehnten Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB X) auf und machte nach § 50 SGB X eine Erstattungsforderung in Höhe von 643,16 EUR
geltend.
Mit ihrem am 09. März 2004 erhobenen Widerspruch wandte die Klägerin ein, dass sie die Leistungen zu Recht
bezogen habe. Zur Begründung legte sie u. a. dar, dass mit dem Arbeitsamt "eine Nichtfortsetzung der Beziehung des
Arbeitslosengeldes" vereinbart worden sei, da sich die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit angebahnt habe. Dies sei
dann zum 01. September 2003 geschehen, da das ursprünglich zuständige Arbeitsamt eine weitere Zahlung
ausgeschlossen habe. Die Tätigkeit habe sie tatsächlich aber erst ab dem 01. Oktober 2003 aufgenommen.
Die Beklagte forderte sie daraufhin auf, geeignete Nachweise über den tatsächlichen Beginn des
Beschäftigungsverhältnisses im Herbst 2003 vorzulegen und anzugeben, bei welchem Arbeitgeber sie tätig gewesen
sei. Die Klägerin legte hierauf eine auszugsweise Kopie einer unter dem 07. Oktober 2003 unterzeichneten
Rahmenvereinbarung zwischen der Diakoniestiftung L B und ihr vor, in der es heißt, dass sie bereit sei, ab dem 10.
November 2003 als kurzfristig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV)
im Bereich der Pflege tätig zu sein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung
führte sie im Wesentlichen aus, dass die Klägerin anfangs erklärt habe, ab dem 01. September 2004 (gemeint ist hier
wie im Folgenden offensichtlich 2003) die Arbeitslosigkeit beendet zu haben. Auf die weiteren konkreten und
unmissverständlichen Anfragen ihrerseits bzgl. des Beschäftigungsbeginns sei die Klägerin nicht eingegangen,
sodass von einem Arbeitsbeginn am 01. September 2004 auszugehen sei. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld sei
damit kraft Gesetzes ab dem 01. September 2004 weggefallen. Ab diesem Tage sei eine wesentliche Änderung in den
Verhältnissen eingetreten, sodass die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01. bis zum 25. September 2004
aufzuheben sei. Die Erstattungsforderung sei mit 643,16 EUR zutreffend berechnet.
Mit am 13. Oktober 2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 08. Oktober 2004 wandte die Klägerin sich
gegen den Widerspruchsbescheid ("sofortige Beschwerde"). Nunmehr erklärte sie, dass eine versicherungspflichtige
Beschäftigung erst wieder ab dem 01. Januar 2004 bestanden habe. Zum Beweis legte sie die auszugsweise Kopie
eines Dienstvertrages zwischen ihr und der Diakoniestiftung L B vor, nach der sie mit Wirkung vom 01. Januar 2004
für den Dienst als Pflegehelferin unbefristet eingestellt wird.
Am 11. November 2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 60 AL 5653/04 und
führte zur Begründung aus, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. Oktober 2002 bis zum 25.
September 2003 korrekt gewesen sei. Die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sei erst zum 01.
Januar 2004 erfolgt. In diesem Verfahren wurde die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2005
von ihrer Mutter D H vertreten. Diese nahm die Klage zurück und erklärte ergänzend zu Protokoll:
"Ich behalte mir aber vor, einen Überprüfungsantrag bei der Beklagten zu stellen wegen der Rechtmäßigkeit des
Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 02. März 2004 für die Zeit vom 01. September 2003 bis 25. September
2003, wenn es mir gelingen sollte, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass die Klägerin ab 01. September 2003
nicht in Arbeit stand, sondern weiterhin arbeitslos war."
Mit am 07. Oktober 2005 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben berief die Klägerin sich darauf, dass die Klage
nur unter Vorbehalt zurückgenommen worden sei, und meinte, mit der Vorlage des Dienstvertrages ab dem 01. Januar
2004 hinreichend nachgewiesen zu haben, dass sie vorher keiner Beschäftigung nachgegangen sei.
Die Beklagte, die das Schreiben als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 02. März 2004 wertete, teilte der
Klägerin mit Bescheid vom 23. November 2005 mit, dass der ursprüngliche Bescheid nicht zu beanstanden sei. Neue
Nachweise seien nicht vorgelegt worden. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen
Sachverhalt ausgegangen worden, sodass es bei der Entscheidung verbleiben müsse.
Mit ihrem am 01. Dezember 2005 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Beklagte von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgehe. Sie habe alle erforderlichen Nachweise erbracht, sodass davon auszugehen sei,
dass vorsätzlich in betrügerischer Absicht entschieden werde. Ihr Nachweis – der Dienstvertrag ab dem 01. Januar
2004 – stelle einen eindeutigen Beleg dar. Es sei geradezu unsinnig, einen Nachweis für vorherige Zeiten zu
erbringen, da ein solcher nicht existiere. Es sei nicht möglich, etwas zu belegen, was es nicht gegeben habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2005 zurück. Zur Begründung
führte sie aus, dass der Bescheid vom 02. März 2004 nach Rücknahme der dagegen erhobenen Klage nur noch im
Rahmen des § 44 SGB X überprüft werden könne. Die Klägerin habe jedoch nichts Neues vorgebracht, was für die
Unrichtigkeit der Entscheidung spreche. Der Arbeitsvertrag ab dem 01. Januar 2004 habe bereits im Klageverfahren
vorgelegen. Es ergäben sich keine neuen Erkenntnisse, die dafür sprächen, dass die Entscheidung falsch gewesen
sei. Eine sachliche Prüfung des Bescheides sei daher nicht geboten.
Mit ihrer hiergegen am 09. Januar 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren unter erneuter Wiederholung
des bisher Gesagten weiter verfolgt, ohne neue Unterlagen vorzulegen. Ergänzend hat sie eine Prüfung gefordert, ob
ihr nicht Arbeitslosengeld weiter bis zum 31. Dezember 2003 hätte gewährt werden müssen.
Die Beklagte hat daraufhin geltend gemacht, dass die Klägerin am 20. Januar 2004 telefonisch und schriftlich erklärt
habe, wegen Arbeitsaufnahme ab September 2003 nicht mehr arbeitslos zu sein. Mit Schreiben vom 23. Februar 2004
habe sie auf entsprechende Nachfrage ihre bisherigen Angaben dahin konkretisiert, dass Arbeitsbeginn der 01.
September 2003 gewesen sei. Sie habe sich damit aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet. Eine erneute
Arbeitslosmeldung bis zum 31. Dezember 2003 sei dann nicht mehr erfolgt.
Nachdem eine inhaltliche Auseinandersetzung der Klägerin mit diesem Sachverhalt nicht erfolgt, sie vielmehr wieder
nur auf die besondere Beweiskraft ihres Arbeitsvertrages verwiesen hatte, hat das Sozialgericht Berlin die Klage mit
Urteil vom 30. November 2006 abgewiesen. Zur Begründung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin verkenne, dass ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld rückwirkend entfallen
sei, nachdem sie der Beklagten die Beendigung ihrer Arbeitslosigkeit ab dem 01. September 2003 bekannt gegeben
habe. Damit sei ihre Arbeitslosmeldung entfallen, die eine Anspruchsvoraussetzung für Arbeitslosengeld darstelle. Die
Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, aufgrund dieser Änderungsmitteilung die Bewilligung von Arbeitslosengeld
vom 01. September 2003 an bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit Ablauf des 25. September 2003 aufzuheben.
Dass die Klägerin erst am 01. Januar 2004 wieder eine Arbeit aufgenommen habe, bedeute, dass die Mitteilung zuvor
objektiv unzutreffend gewesen sei. Dies aber habe die Klägerin zu vertreten. Von ihr sei weder dargelegt worden noch
sei sonst ersichtlich, warum sie trotz Bestehens eines Dienstvertrages ab dem 01. Januar 2004 zur Beendigung ihrer
Arbeitslosigkeit zunächst mehrfach unzutreffende Angaben gemacht habe. Jedenfalls aber sei mit ihrer Mitteilung am
20. Januar 2004 die Wirkung ihrer Arbeitslosmeldung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 01. September 2003
an entfallen. Der Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld habe ihr aufgrund der Ausführungen im Merkblatt für
Arbeitslose bekannt sein müssen. Dies zeige auch ihre Mitteilung vom 20. Januar 2004. Es hätten daher die
Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr.
4 SGB X vorgelegen.
Gegen dieses ihr am 23. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 01. Februar 2007 eingelegte Berufung der
Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, dass der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen
Urteils dermaßen verdreht und verwirrt seien, dass die ursprüngliche Sachlage nicht mehr erkennbar sei. Eine
Stellungnahme erübrige sich daher.
Im Termin zur Erörterung der Sache am 13. Dezember 2007, zu dem die Klägerin nicht erschienen ist, hat der
Vertreter der Beklagten erklärt, dass die Beklagte ihren angefochtenen Bescheid insoweit aufhebe, als sie eine
Erstattungsforderung von mehr als 574,25 EUR geltend gemacht habe.
Die Klägerin, die sich zur Annahme dieses Teilanerkenntnisses nicht geäußert hat, beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihren Bescheid vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004
zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das Teilanerkenntnis hinausgeht.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Ergänzend verweist sie darauf, dass die Angaben der Klägerin zum
tatsächlichen Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht eindeutig seien. Sie habe noch immer weder mitgeteilt,
ab wann sie welche Tätigkeiten bei welchem Arbeitgeber mit welchem zeitlichen Umfang ausgeübt habe, noch dies
durch geeignete Nachweise belegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten zur
Stammnummer sowie die Akten des Sozialgerichts Berlin zum Aktenzeichen S 60 AL 5653/04 verwiesen, die dem
Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise
einverstanden erklärt hatten (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Berufung ist zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Ihrem – von der Klägerin
nicht angenommenen - Anerkenntnis entsprechend war die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23.
November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 zu verpflichten, ihren Bescheid
vom 02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 insoweit zurückzunehmen,
als sie mit diesem eine Erstattungsforderung von mehr als 574,25 EUR geltend gemacht hat. Insoweit war eine
Überprüfung des Begehrens der Klägerin nicht mehr erforderlich.
Im Übrigen konnte die Klägerin mit ihrer Berufung kein Erfolg haben. Das Sozialgericht Berlin bewertet die Sach- und
Rechtslage in seinem angefochtenen Urteil zutreffend. Der Bescheid der Beklagten vom 23. November 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2005 ist rechtmäßig, soweit die Beklagte die Gewährung
von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01. bis zum 25. September 2003 aufhebt und eine Erstattungsforderung von
574,25 EUR geltend macht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitergehende Rücknahme des Bescheides vom
02. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist gemäß
Absatz 2 der Norm ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden
ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit
zurückgenommen werden.
Gemessen daran besteht kein Anlass für eine über das Teilanerkenntnis hinausgehende Rücknahme des Aufhebungs-
und Erstattungsbescheides. Da die Klägerin mit ihrem am 07. Oktober 2005 eingegangenen Überprüfungsantrag keine
wesentlichen neuen Argumente vorgetragen und insbesondere keine Unterlagen vorgelegt hat, die nicht bereits
Gegenstand des durch Klagerücknahme beendeten Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (S 60 AL 5653/04) waren,
bestehen bereits Zweifel, ob der Klägerin überhaupt ein Anspruch auf Überprüfung in der Sache zusteht und nicht
vielmehr die Beklagte sich zu Recht allein auf die Bindungswirkung ihres bestandskräftigen Aufhebungs- und
Erstattungsbescheides berufen hat. Letztlich bedarf dies jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn jedenfalls ist
der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, dessen Rücknahme die Klägerin begehrt, nicht unrichtig. Die Beklagte hat
zu Recht für die Zeit vom 01. bis zum 25. September 2003 die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben und die
der Klägerin für diesen Zeitraum gewährten Leistungen erstattet verlangt.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den
tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine
wesentliche Änderung eingetreten ist. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ist der
Verwaltungsakt nach Satz 2 dieser Vorschrift in Verbindung mit § 330 Abs. 3 des Dritten Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB III) u.a. dann aufzuheben, wenn - so Ziffer 4 – der Betroffene wusste oder nicht wusste,
weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt
ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Nachdem der Klägerin für die Zeit vom 01. Oktober 2002 bis zum 25. September 2003 Arbeitslosengeld gewährt
worden war, hat sich eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes
vorgelegen haben, ergeben. Die Klägerin stand nämlich ab dem 01. September 2003 der Arbeitsvermittlung nicht mehr
zur Verfügung und hatte damit keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld.
Nach § 117 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim
Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaft erfüllt haben (Nr. 3). Arbeitslos ist gemäß § 118 Abs. 1
SGB III, wer – so Nr. 1 - vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und –
so Nr. 2 – eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht
(Beschäftigungssuche). Ob die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigungslos war, kann dahinstehen.
Soweit das Sozialgericht Berlin letzteres, d.h. angenommen hat, dass die Klägerin nicht bereits am 01. September
2003, sondern erst zum 01. Januar 2004 eine Beschäftigung aufgenommen hat, steht dies – entgegen der Auffassung
der Klägerin - nicht sicher fest. Für diesen Beschäftigungsbeginn mag zwar der von der Klägerin mit der
Diakoniestiftung L B geschlossene Dienstvertrag sprechen. Abgesehen davon aber, dass aufgrund dieses Vertrages
nicht bewiesen ist, dass die Klägerin nicht zuvor einer anderen Beschäftigung nachgegangen ist – sei es bei einem
ganz anderen Arbeitgeber, sei es aufgrund einer anderen vertraglichen Vereinbarung mit derselben Arbeitgeberin –
erscheint der genannte Beschäftigungsbeginn auch vor dem Hintergrund der Schreiben der Klägerin durchaus fraglich.
Immerhin hatte diese nämlich mit Schreiben vom 23. Februar 2004 ausdrücklich auf eine Beendigung der
Arbeitslosigkeit zum 01. September 2003 verwiesen und im Widerspruchsschreiben vom März 2004 den
Arbeitsbeginn mit dem 01. Oktober 2003 angegeben. Es wäre jedoch zu erwarten, dass die Klägerin seinerzeit, d.h.
nur wenige Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit, noch genau wusste, wann sie diese angetreten hatte. Wie
ausgeführt, kann dies hier jedoch letztlich dahinstehen. Dementsprechend sind auch keine diesbezüglichen
Ermittlungen erforderlich. Denn jedenfalls war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht auf
Beschäftigungssuche und bei der Beklagten nicht mehr arbeitslos gemeldet. Nach § 119 Abs. 1 SGB III sucht eine
Beschäftigung, wer alle Möglichkeiten nutzt oder nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 1)
und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit – Nr. 2). Letzteres aber war
bei der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag nicht der Fall. Nachdem die Beklagte sie mit Schreiben vom 15. Januar
2004 zu einem Gespräch eingeladen hatte, hat sie wenige Tage später telefonisch und schriftlich erklärt, dass die
Arbeitslosigkeit seit September 2003 geendet und sie die Beklagte entsprechend informiert habe. Auf deren
unmissverständliche Bitte mitzuteilen, wann sie im September 2003 eine Arbeit aufgenommen habe, hat die Klägerin
mit Schreiben vom 23. Februar 2004 wörtlich erklärt: ". entgegen Ihrer im o.a. Schreiben gemachten Angaben teile ich
mit, dass eine Beendigung der Arbeitslosigkeit ab 01.09.2003 dem Arbeitsamt mitgeteilt wurde. Gleiches erfolgte
unverzüglich zum 01.09.2003, laut Telefonat am 20.01.2004 und erneut mit Schreiben vom 20.01.2004. " Schließlich
hat die Klägerin im Widerspruchsschreiben vom März 2004 nochmals betont, mit der Beklagten "die Nichtfortsetzung
des Bezuges von Arbeitslosengeld" vereinbart zu haben, da sich die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit angebahnt
habe. Dies sei zum 01. September 2003 geschehen. Danach bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin sich zum 01.
September 2003 bei der Beklagten aus der Arbeitslosigkeit abgemeldet hatte und deren Vermittlungsbemühungen
nicht mehr zur Verfügung stand. Welche Gründe sie zu diesem Schritt bewogen haben mögen, ist insoweit irrelevant.
Ein Leistungsanspruch bestand danach nicht mehr.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X war damit die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zukunft – was hier aufgrund
der Erschöpfung des Leistungsanspruchs am 25. September 2003 nicht relevant war – aufzuheben. Zu Recht hat die
Beklagte die Leistungsbewilligung jedoch rückwirkend aufgehoben. Denn der Senat hat keine Zweifel, dass die
Klägerin vom Wegfall des Anspruchs – so sie von diesem nicht sogar wusste – jedenfalls nur deshalb nichts wusste,
weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Anzulegen ist dabei ein subjektiver
Sorgfaltsmaßstab. Danach kommt es darauf an, ob der im konkreten Einzelfall betroffene Arbeitslose aufgrund seiner
individuellen persönlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der Umstände des Falles bei einfachsten
Überlegungen das Richtige hätte erkennen können. Entscheidend hierfür ist in der Regel, ob der Arbeitslose in einer
für ihn verständlichen Weise durch das Merkblatt der Beklagten belehrt worden ist. Daran bestehen vorliegend zur
Überzeugung des Senats keine Zweifel. Das Merkblatt der Beklagten, dessen Erhalt die Klägerin bei Antragstellung
bestätigt hat, ist zu den Voraussetzungen, die für die Gewährung von Arbeitslosengeld vorliegen müssen, eindeutig.
Dass die Klägerin als gelernte Bürokauffrau dies nicht verstanden hätte, ist auszuschließen. Ermessen stand der
Beklagten hinsichtlich der Leistungsaufhebung aufgrund der Regelung des § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III nicht zu.
Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides nicht ordnungsgemäß
nach § 24 SGB X angehört. Dieser Verfahrensmangel ist jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X durch die
Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt. Schließlich hat die Beklagte die sich aus § 48 Abs. 4 SGB X
i.V.m. § 45 Abs. 4 SGB X ergebende Frist zur Aufhebung eingehalten. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
stammt vom 02. März 2004 und ist damit innerhalb der Jahresfrist ergangen.
So wie die rückwirkende Aufhebung der Leistungsgewährung ist auch die auf § 50 Abs. 1 SGB X beruhende
Erstattungsforderung in der noch streitigen Höhe rechtmäßig. Nach der genannten Vorschrift sind bereits erbrachte
Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Klägerin hat in der Zeit vom 01. bis
zum 25. September 2003 an 25 Tagen je 22,97 Euro, mithin insgesamt 574,25 EUR Arbeitslosengeld erhalten. In
dieser Höhe steht der Beklagten der Erstattungsanspruch zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision ist nicht
zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.