Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.01.2007

LSG Berlin-Brandenburg: hauptsache, wohnung, dringlichkeit, wohngemeinschaft, haushalt, rechtsschutz, zusammenleben, ermessensausübung, zustellung, erlass

1
2
3
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
28. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 28 B 295/07 AS ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86b SGG, § 7 Abs 3 Nr 3c SGB
2, § 7 Abs 3a Nr 1 SGB 2, § 9
SGB 2, § 66 SGB 1
Grundsicherung für Arbeitsuchende - einstweiliger Rechtschutz -
Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung -
Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft - Zusammenleben in einer
Wohnung
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam
vom 26. Januar 2007 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen
Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig, ab Zustellung dieses Beschlusses
bis zu einer bestandkräftigen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin vom 30.
November 2006, längstens jedoch bis zum 30. September 2007, Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 529,14 €, für April 2007 anteilig
für die verbleibenden Tage vom Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an, unter
Anrechnung der der Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Senates vom 26.
Februar 2007 bereits gewährten Lebensmittelgutscheine, zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die Kosten des gesamten einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
Gründe
Die gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige
Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom
26. Januar 2007 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das
Sozialgericht hat den Antrag der Antragstellerin vom 9. Januar 2007, ihr über den 31.
Dezember 2006 hinaus, (vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in
der ihr bisher gewährten Höhe von monatlich 529,14 € zu gewähren, insoweit zu Unrecht
abgelehnt.
1.) Für die Gewährung von Leistungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats
im Beschwerdeverfahren fehlt es an einem nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendigen Anordnungsgrund. Es besteht insoweit keine
besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die
zurückliegenden Zeiträume erforderlich machen würde.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen
eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag
entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der
Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung , 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123
Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123
VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein
spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für
die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden
Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann
jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn
die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund
des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven
Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich
vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und
unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher
4
5
6
7
unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher
Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre
(Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW
2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies
bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und
dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet,
soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen
hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das
Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden
Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes
nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme
eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so
insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren
nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache
Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch
eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht
hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände hat die Antragstellerin
jedoch nicht vorgetragen, sie sind auch nicht sonst ersichtlich. Dies bedeutet, dass
effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren erlangt und ihr insoweit ein Zuwarten
auf die Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden kann.
2.) Für die Zeit ab Beschlussfassung des Senats in diesem Beschwerdeverfahren sind
die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung
zum Zweiten Buch des Sozialgesetzbuch (SGB II) entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai
2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die danach zu treffende Entscheidung kann
sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in
der Hauptsache gestützt werden, wobei Art 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an
die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den
Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert werden, ist das erkennende Gericht
verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu
prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung
des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der
Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der
elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens
bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Aufklärung der
Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu
entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher
Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig
andauert. Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitslose) ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem
Sinne (vgl. auch Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2006 - L 10
B 1052/06 AS ER -).
Im vorliegenden Fall muss sich der Senat nicht auf eine Folgenabwägung beschränken,
sondern er kann in der Sache entscheiden.
Zunächst ist bereits der Bescheid vom 15. Januar 2007, mit dem der Antragsgegner die
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen unterbliebener Vorlage des von der Antragstellerin
abverlangten „Zusatzblattes 5“ (Vorliegen einer Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft) zum Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II
gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) versagt hat und gegen
den die Antragstellerin Widerspruch erhoben hat, rechtswidrig. Denn nach § 66 Abs. 1
Satz 1 SGB I kann der Leistungsträger die Leistung ohne weitere Ermittlungen u. a.
versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen
Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die
Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Im vorliegenden Fall war die
Antragstellerin zwar verpflichtet, für die von ihr verlangten Angaben den Vordruck der
Antragsgegner zu verwenden. Denn nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I in Verbindung
mit § 60 Abs. 2 SGB I sollen, soweit für die benötigten Angaben Vordrucke vorgesehen
sind, diese benutzt werden. Vorliegend ist die Antragstellerin auch mit Schreiben des
Antragsgegners vom 6. Dezember 2006 aufgefordert worden, das genannte Zusatzblatt
ausgefüllt und unterschrieben vorzulegen, und die Antragstellerin hat dies nach
Aktenlage versäumt. Sie hat jedoch dadurch nicht die Aufklärung des Sachverhalts
erschwert. Denn sie hat das von ihr abverlangte Zusatzblatt bereits am 12. Dezember
2006 ausgefüllt und unterschrieben, sowie mit einer auf der Rückseite dieses Blattes
8
9
10
11
12
13
14
2006 ausgefüllt und unterschrieben, sowie mit einer auf der Rückseite dieses Blattes
verfassten ausführlichen handschriftlichen Stellungnahme zu der ihres Erachtens nicht
gegebenen Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, zu den Verwaltungsakten
gereicht. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, warum von der Antragstellerin noch nicht
einmal einen Monat später verlangt wird, das „Zusatzblatt 5“ erneut auszufüllen und zu
den Akten zu reichen. Jedenfalls lag dem Antragsgegner insoweit der benötigte Vordruck
vor. Die Aufklärung des Sachverhalts hat die Antragstellerin nicht erschwert.
Im Übrigen ist der Versagungsbescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2007 auch
bereits wegen fehlender Ermessensausübung rechtswidrig. § 66 SGB I räumt dem
Leistungsträger Ermessen ein. Der Leistungsträger hat bei seiner Entscheidung die
Umstände des Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen. Eine ablehnende
Entscheidung kann nicht lediglich mit der Weigerung des Leistungsberechtigten
begründet werden. Der Leistungsträger muss berücksichtigen, in welchem Umfange die
Mitwirkung den Betroffenen belastet hätte, weshalb die Mitwirkung verweigert wurde und
ob der Betroffene irrtümlich oder wider besseres Wissens seine Mitwirkungspflicht
verletzt hat. Ein Bescheid, der nicht erkennen lässt, ob der Leistungsträger seinen
Ermessensspielraum erkannt und sodann sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, ist
rechtswidrig, denn ein Ermessensfehlgebrauch liegt auch dann vor, wenn der
Leistungsträger von den ihm eingeräumten Ermessen ersichtlich keinen Gebrauch
gemacht hat (Krauskopf in Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung
Erg-Lfg. Dezember 2004>, § 66 SGB I RdNr.13 m. w. Nachw.).
Dies ist hier der Fall. Der Bescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2006 lässt eine
Ermessensausübung nicht erkennen. Die Begründung erschöpft sich in der Feststellung,
die Antragstellerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe dadurch
die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert. Diese Wiederholung der
gesetzlichen Voraussetzungen einer Leistungsversagung mit dem abschließenden
Hinweis, diese lägen vor, ist schon keine ausreichende Begründung im Sinne von § 35
Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch. Das Ausüben von pflichtgemäßem Ermessen
kann damit erst Recht nicht nachgewiesen werden.
Die Antragstellerin hat auch einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dieser Anspruch setzt nach § 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II voraus, dass die Antragstellerin
hilfebedürftig ist.Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt
nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann, wobei nach §
9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das
Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen ist. Nach § 7 Abs. 3 Nr.
3 c) SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit dem erwerbsfähigen
Hilfsbedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach
verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für
einander zu tragen und füreinander einzustehen. Nach § 7 Abs. 3 a SGB II wird ein
wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,
vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Im vorliegenden Fall lebt die Antragstellerin seit mehreren Jahren mit dem Zeugen R W in
verschiedenen Wohnungen in N und in M in Nordrhein-Westfalen. Sie haben sich in N
kennen gelernt und sind dann nach M verzogen. Zu dieser Zeit – jedenfalls bis zu ihrer
Rückkehr nach N- haben sie auch partnerschaftlich zusammengelebt, so dass die
Vermutung nahe liegt, dass sie auch nach ihrer Rückkehr nach N in einer
Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft leben. Ein weiteres der in § 7 Abs. 3 a
SGB II genannten Tatbestandsmerkmale liegt im Falle der Antragstellerin nicht vor. Sie
und der Zeuge W leben weder mit einem gemeinsamen Kind in einer Wohnung, es
werden keine Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgt und es besteht auch keine
gegenseitige Befugnis über das Einkommen oder das Vermögen des jeweils anderen zu
verfügen.
Das Tatbestandsmerkmal „länger als ein Jahr zusammenleben“ kann allerdings ohne
nähere Präzisierung nicht allein als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen einer
Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dienen, weil insoweit auch eine
Wohngemeinschaft im Sinne einer gemeinsam genutzten Wohnung erfasst würde. (vgl.
dazu Wenner, SozSich 2006,146 ff.).
Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann
14
15
16
17
18
Dementsprechend liegt eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nur dann
vor, wenn die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges
Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Sie ist auf
Dauer angelegt und lässt daneben keine weitere Lebensgemeinschaft zu. Sie geht über
eine Haushaltsgemeinschaft hinaus (Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 7
RdNr. 69).
Der Senat ist davon überzeugt, dass eine solche Gemeinschaft zwischen der
Antragstellerin und dem Zeugen W nicht besteht. Diese Überzeugung stützt sich auf die
Vernehmung des Zeugen W durch den Berichterstatter in dem Termin zur Erörterung
des Sachverhaltes mit Beweisaufnahme am 29. März 2007. Die Vermutung, dass
zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen W eine Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft besteht, ist damit widerlegt. Der glaubwürdige Zeuge hat die
Umstände seines Lebens mit der Antragstellerin in einer gemeinsamen Wohnung
glaubhaft geschildert. Danach haben sie sich in N kennen gelernt und sind dann als Paar
aufgrund privater Kontakte der Antragstellerin nach Nordrhein-Westfalen verzogen, weil
sie sich dort bessere berufliche Perspektiven erhofften. Da sich diese Erwartungen nicht
erfüllt haben und auch Schwierigkeiten mit der Verwandtschaft der Antragstellerin in
Nordrhein-Westfalen auftraten, haben sie sich schon in dieser Zeit auseinander gelebt.
Den Entschluss, nach Nauen zurückzukehren, haben sie aber noch gemeinsam
getroffen und deshalb eine gemeinsame Wohnung angemietet. Nach Angaben des
Zeugen ist die Beziehung dann aber im Zusammenhang mit den Umständen des
Umzuges nach N beendet worden. Die Antragstellerin hat sich am Umzugstag das
Sprunggelenk gebrochen und nach Angaben des Zeugen musste er den Umzug alleine
bewältigen. Er wollte von diesem Zeitpunkt an die Beziehung mit der Antragstellerin
nicht mehr fortsetzen. Die Antragstellerin hat diesen Entfremdungsprozess ebenfalls
glaubhaft geschildert. Sie hat den Zeugen sinngemäß als „Sauberkeitsfanatiker“
bezeichnet, von dem sie sich getrennt habe. Dass die Antragstellerin und der Zeuge
gleichwohl noch in die vor der Trennung angemietete Wohnung gezogen sind, vermag
hieran nichts zu ändern. Der Zeuge hat ausgesagt, dass er die Antragstellerin wegen
ihrer Krankheit „nicht hängen lassen“ wollte. Die Antragstellerin, die Bluterin ist und an
einer Epilepsieerkrankung leidet, hat insoweit nachvollziehbar vorgetragen, dass sie
wegen dieser schwerwiegenden Erkrankung in einer Wohngemeinschaft wohnen will.
Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass die konkrete Art des
Zusammenlebens zwischen der Antragstellerin und dem Zeugen in der Wohnung in N
nicht den Schluss des Bestehens einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
zulässt. Die Antragstellerin nutzt den Wohnraum der Wohnung. Der Zeuge W bewohnt
einen Schlafraum und einen weiteren Raum. Den Schlafraum hält er nach seiner
Aussage als Zeuge während seiner Abwesenheit verschlossen. Dass verschiedene
Kleidungsstücke der Antragstellerin in dem Raum des Zeugen verwahrt werden sollen,
die sie nach ihren Angaben nicht jederzeit benötigt, vermag diesen Eindruck nicht zu
widerlegen. Gefälligkeiten dieser Art begründen noch keine
Verantwortungsgemeinschaft. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin und der Zeuge
W nach übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen getrennt wirtschaften. Die
Kosten für Strom und die GEZ Gebühren für die zwei Fernseher werden geteilt. Jeder
verfügt über ein eigenes Konto. Es wird nicht gemeinsam gekocht. Für die Wäsche ist
jeder selbst verantwortlich. Ein gemeinsamer Einkauf erfolgt nicht. In diesem
Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt
im März 2007 mit Lebensmittelgutscheinen sichergestellt hat. Der Senat hat den
Antragsgegner mit Beschluss vom 26. Februar 2007 vorläufig, bis zu einer Entscheidung
des Senats über die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Sozialgerichts Potsdam vom 26. Januar 2007, zu der Gewährung dieser
Lebensmittelgutscheine verpflichtet. Die Antragstellerin war mithin auf diese Leistungen
zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts angewiesen und konnte nicht darauf
vertrauen, was aber für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
kennzeichnend ist, Unterstützungsleistungen von dem vermeintlichen Partner, dem
Zeugen W zu erhalten.
Des Weiteren haben die Antragstellerin und der Zeuge W auch insoweit widerspruchsfrei
dargelegt, den jeweils anderen bei der Pflege seiner Angehörigen nicht zu unterstützen,
insoweit auch keinen Kontakt zu pflegen und weder gemeinsam die Freizeit noch
gemeinsam den Urlaub zu verbringen.
Dies alles zeigt, dass es sich bei der Antragstellerin und dem Zeugen W lediglich um
eine aus Zweckmäßigkeitserwägungen gegründete Wohngemeinschaft handelt, die dann
wieder beendet werden wird, wenn einem der Mitbewohner aufgrund äußerer
Veränderungen eine andere Gestaltung seiner Wohnbedingungen vorteilhafter erscheint.
Indizien, die auf innere Bindungen hindeuten, haben sich jedenfalls nicht finden lassen.
19
20
21
22
Indizien, die auf innere Bindungen hindeuten, haben sich jedenfalls nicht finden lassen.
Der Zeuge W hat in seiner Vernehmung durch den Berichterstatter im Gegenteil eine
bestehende Distanz zu der Antragstellerin zu erkennen gegeben. So will er anlässlich
eines Hausbesuches eines Mitarbeiters der Antragsgegnerin diesem gegenüber
geäußert haben, dass er die Antragstellerin „gleich mitnehmen“ könne.
Ist die Antragstellerin damit bedürftig, hat sie nach § 20 Abs. 2 SGB II Anspruch auf den
monatlichen Regelsatz von 345,00 € nebst Leistungen für Unterkunft und Heizung in
Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (§ 22 SGB II). Dieser betrug bis zum 31.
Dezember 2006 184, 14 €. Änderungen haben sich nach Aktenlage insoweit nicht
ergeben. Der Senat weist darauf hin, dass der Antragsgegner, wenn er wie im
vorliegenden Fall, die Leistung ohne zeitliche Begrenzung versagt hat, über den
Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die
gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit zu befinden hat (vgl. Urteil des
Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -)
Die Beschwerde hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das
erstinstanzliche Verfahren kann keinen Erfolg haben. Das Verfahren hat sich erledigt. Im
Hinblick auf den in diesem Beschluss ausgesprochenen Kostenerstattungsanspruch der
Antragstellerin für das gesamte einstweilige Rechtschutzverfahren besteht kein
Rechtsschutzbedürfnis mehr an der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum