Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.09.2006

LSG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, gemeinschaftspraxis, überwiegendes öffentliches interesse, bemessungszeitraum, auflösung, vollziehung, hauptsache, gesellschafter, rechtsnachfolger

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 7 B 46/07 KA ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG, § 86b Abs
1 S 1 Nr 2 SGG, § 85 Abs 4 S 9
SGB 5, § 239 ZPO, § 240 ZPO
Festsetzung der Höhe des Individualbudgets nach Auflösung
einer Gemeinschaftspraxis
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4.
September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 30.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Festsetzung der Höhe der Individualbudgets nach
Auflösung einer Gemeinschaftspraxis ab dem I. Quartal 2006 streitig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 2. Februar 2007 ist über das
Vermögen des früheren Beigeladenen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zur
Insolvenzverwalterin ist Frau Rechtsanwältin V M bestellt worden.
Die Antragsteller führten mit dem früheren Beigeladenen vom 1. Juli 1999 bis 31.
Dezember 2002 eine Gemeinschaftspraxis. Nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis
setzte die Antragsgegnerin für den früheren Beigeladenen und die Antragsteller nach
ihrem Honorarverteilungsmaßstab (HVM) Individualbudgets fest, deren Höhe sie aus
dem Punktzahlvolumen im maßgeblichen Bemessungszeitraum dividiert durch die Zahl
der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis ermittelte. Der frühere Beigeladene, der ab dem
1. Januar 2003 eine Einzelpraxis führte, beantragte am 12. Juni 2003 die Neufestsetzung
seines Individualbudgets. Das von der Antragsgegnerin nach Auflösung der
Gemeinschaftspraxis festgestellte arithmetische Drittel als Individualbudget sei im
Verhältnis zu seiner im Jahr 2002 in die Gemeinschaftspraxis eingebrachten
Arbeitsleistung unangemessen. Er habe in der Gemeinschaftspraxis den weitaus größten
Teil der Leistungen erbracht, dessen Umfang er mit etwa 45,5 % aller abgerechneten
Leistungen bezifferte. Schon vor Eintritt in die Gemeinschaftspraxis habe er ca. 2000
Fälle abgerechnet, so dass bereits daraus sein Anteil an der Gemeinschaftspraxis
erkennbar werde.
Mit Bescheid vom 13. November 2003 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab.
Eine Erhöhung des Individualbudgets bei Praxen, die bereits über dem
Fachgruppendurchschnitt lägen, sei wegen der begrenzten Gesamtvergütung nicht
möglich.
Dem dagegen vom früheren Beigeladenen eingelegten Widerspruch half die
Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2005 (Ausfertigung vom
25. Januar 2006) insoweit ab, als dem früheren Beigeladenen ab dem III. Quartal/2003
ein Individualbudget von 49,9 % zugestanden und das Individualbudget der Antragsteller
ab dem I. Quartal/2006 auf jeweils 25,05 % gekürzt wurde. Nach dem im
Widerspruchsverfahren vorgelegten Partnergesellschaftsvertrag der
Gemeinschaftspraxis und dem Vergleich der Behandlungszahlen der Antragsteller und
des früheren Beigeladenen vor und nach der Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis sei die
arithmetische Drittelung nicht gerechtfertigt, so dass dem Widerspruch teilweise
stattzugeben sei.
Die Antragsteller haben hinsichtlich der Kürzung des Individualbudgets ab dem I. Quartal
2006 jeweils Klage erhoben (S 79 KA 48/06 und S 83 KA 64/06, verbunden zum
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2006 jeweils Klage erhoben (S 79 KA 48/06 und S 83 KA 64/06, verbunden zum
Aktenzeichen S 79 KA 48/06), über die noch nicht entschieden ist. Mit ihren am 7.
Februar 2006 (Az.: S 79 KA 48/06 ER) und am 9. März 2006 (Az.: S 83 KA 64/06 ER) -
verbunden zum Aktenzeichen S 79 KA 48/06 ER - vor dem Sozialgericht Berlin
erhobenen Anträgen haben die Antragsteller die Herstellung der aufschiebenden
Wirkung ihrer Klage(n) gegen den Widerspruchsbescheid begehrt.
Mit Beschluss vom 4. September 2006 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung
der Klagen gegen den Widerspruchsbescheid vom 1. September 2005 angeordnet. Die
Vollziehung des Bescheides stelle für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch ein
überwiegendes öffentliches Interesse gebotene Härte dar. Fehlerhaft habe die
Antragsgegnerin ihrer Entscheidung die Behandlungsfallzahlen und
Punktzahlanforderungen des I. Quartals/2003 zugrunde gelegt, da nach den Regelungen
des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) als Bemessungszeitraum für die Festsetzung
des Individualbudgets für alle Fachgruppen die Quartale I/2002 bis IV/2002
heranzuziehen seien. Die im HVM abschließend aufgezählten Tatbestände für eine von
der arithmetischen Teilung abweichende Festsetzung des Individualbudgets seien nicht
gegeben. Auch aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag ergebe sich keine andere
Beurteilung.
Gegen diesen ihm am 11. Oktober 2006 zugestellten Beschluss hat der frühere
Beigeladene am 10. November 2006 Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Beschluss
des Sozialgerichts Berlin vom 4. September 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen. Die nunmehr kraft Gesetzes an seine
Stelle getretene Insolvenzverwalterin hat sich zum Streitstoff nicht geäußert und keinen
Antrag gestellt.
Die Antragsteller und die Antragsgegnerin beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin zu
den Aktenzeichen S 79 KA 48/06, S 83 KA 64/06 und S 83 KA 64/06 ER verwiesen. Diese
haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung
gewesen.
II.
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4.
September 2006 ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz/SGG) aber
unbegründet.
1. Der Senat konnte über die streitgegenständliche Beschwerde in dem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren nach § 202 SGG i.V.m. § 240 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)
und § 85 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) entscheiden. Nach § 202 SGG i.V.m. § 240 ZPO
wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten
das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für
das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das
Insolvenzverfahren beendet wird. Der frühere (notwendig) Beigeladene war nach § 69
SGG Beteiligter des Verfahrens, so dass die mit Beschluss des Amtsgerichts
Charlottenburg vom 3. Februar 2007 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über
sein Vermögen zur Unterbrechung des Verfahrens kraft Gesetzes führte. Da das
Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung
dieses Verfahrens gehört und das er während dieses Verfahrens erlangt, erfasst, betrifft
das vorliegende Verfahren auch die Insolvenzmasse des früheren Beigeladenen (§ 35
InsO). Denn es geht um die Festsetzung des dem früheren Beigeladenen ab dem I.
Quartal 2006 zustehenden Individualbudgets, wovon die Höhe des ihm ab dem I. Quartal
2006 zu gewährenden Honorars für seine vertragsärztliche Tätigkeit abhängt. Zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Senats war das Insolvenzverfahren noch nicht beendet,
so dass eine Aufnahme des Verfahrens nur nach den für das Insolvenzverfahren
geltenden Vorschriften erfolgen konnte.
Gegenstand des Verfahrens ist ein Vermögensrecht, welches beim Obsiegen der
beigeladenen Insolvenzverwalterin die zur Verteilung anstehende Masse vergrößern
würde. Es handelt sich daher um einen Aktivprozess, so dass eine Aufnahme des
Verfahrens nur nach § 85 InsO erfolgen konnte, wobei es unerheblich ist, welche Stellung
die beigeladene Insolvenzverwalterin im Verfahren hatte bzw. hat. Denn es kommt nicht
auf die „Parteirolle“ an, sondern allein darauf, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über
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auf die „Parteirolle“ an, sondern allein darauf, ob in dem anhängigen Rechtsstreit über
eine Pflicht zu einer Leistung gestritten wird, die in die Masse zu gelangen hat (Beschluss
des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. April 2005, IX ZR 221/04, Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht/ZIP, 2005, 952, m.w.N.). Die Entscheidung, ob es sich um einen sog.
Aktivprozess nach § 85 InsO handelt, beurteilt sich somit allein nach dem materiellen
Inhalt des Begehrens (vgl. Braun/Kroth, InsO § 85 Rdnr. 2; Eickmann in HK-InsO, § 85
Rdnr. 5 je m.w.N.).
Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO können Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse
gehörende Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den
Schuldner anhängig sind, in der Lage, in der sie sich befinden, vom Insolvenzverwalter
aufgenommen werden. Wird die Aufnahme verzögert, so gilt § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO
entsprechend (§ 85 Abs. 1 Satz 2 InsO). Eine Aufnahme des Verfahrens gilt als
verzögert, wenn der Rechtsstreit trotz Kenntnis ohne gesetzlichen Grund durch den
Rechtsnachfolger nicht aufgenommen wird (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., §
239 Rdnr. 16 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist erfüllt, denn die Beigeladene hatte
mindestens seit dem 3. September 2007 und spätestens seit Erhalt des gerichtlichen
Schreibens vom 12. Dezember 2007 und den damit übersandten Anlagen Kenntnis von
dem Rechtsstreit und dem Aufnahmebegehren der Antragsteller. Der Aufforderung, das
Verfahren aufzunehmen, ist sie nicht gefolgt. Nach § 239 Abs. 2 ZPO sind bei
Verzögerung der Aufnahme auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger - im
vorliegenden Verfahren die Insolvenzverwalterin - zur Aufnahme und zugleich zur
Verhandlung der Hauptsache zu laden. Erscheint die Insolvenzverwalterin in dem Termin
nicht, so ist auf Antrag die Aufnahme als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache
zu verhandeln (§ 239 Abs. 4 ZPO). Die von den Antragstellern bereits am 5. September
2007 zu Protokoll gegebene Erklärung, dass sie eine Entscheidung wünschen und
vorsorglich das Verfahren aufnehmen, entspricht nicht den Anforderungen des § 239
Abs. 2 ZPO. Die Ladung der Beigeladenen ist gemäß § 239 Abs. 3 ZPO ordnungsgemäß
erfolgt. Da die Insolvenzverwalterin des früheren Beigeladenen zur mündlichen
Verhandlung nicht erschienen ist, konnte das Gericht verhandeln und entscheiden (§ 239
Abs. 4 ZPO).
2. Die Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den
Eilantrag im Ergebnis richtig beurteilt, in dem es die aufschiebende Wirkung der Klage
gegen den Widerspruchsbescheid nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG angeordnet hat.
Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid entfaltet von Gesetzes wegen keine
aufschiebende Wirkung, was sich aus § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 85
Abs. 4 Satz 9 Fünftes Buch/Sozialgesetzbuch - SGB V - ergibt. Wie der Senat in diesen
Fällen wiederholt entschieden hat (vgl. z. B. Beschluss vom 31. Januar 2006 - L 7 B
1046/05 KA ER -), ist im Rahmen der Begründetheitsprüfung - bezogen auf den insoweit
maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - eine Interessenabwägung
vorzunehmen, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen
Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in §
86 a Abs. 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 85 Abs. 4
Satz 9 SGB V auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander
abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das Interesse des Antragstellers an der
Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse
des Antragsgegners bzw. die Interessen des Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung
seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Dies wiederum
ist in aller Regel dann der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich
rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten
einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im
Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt
überwiegt das (öffentliche) Interesse des Antragsgegners/Beigeladenen an der
sofortigen Vollziehung seines Bescheides das Interesse des Antragstellers an der
aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs grundsätzlich dann, wenn gegen die
Rechtmäßigkeit des Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall
ist die aufschiebende Wirkung in der Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach
der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher
beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten
Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrages entscheidend
auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass
die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden
Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so
höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache
eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind. Nicht außer Betracht gelassen werden
dürfen in diesem Zusammenhang die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils
entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im
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entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im
Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte.
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen im vorliegenden Fall bereits erhebliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Widerspruchsbescheides, so dass das
Sozialgericht zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat.
Nach § 9 Abs. 1 des HVM der Antragsgegnerin in der Fassung vom 19. Juni 2003 (gültig
ab dem 1. Juli 2003) erhielten alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden
Ärzte und Psychotherapeuten für punktzahlbewertete Leistungen ein individuelles
Punktzahlvolumen (Individualbudget), wobei als Bemessungszeitraum für alle
Fachgruppen die Quartale I/2002 bis IV/2002 galten. Die Bestimmung der
Individualbudgets bei bestehenden Gemeinschaftspraxen ergab sich aus § 9 Abs. 6 a)
und b) HVM sowie bei Ausscheiden eines Partners aus Buchstabe c). Danach erhält der
Ausscheidende aus einer Gemeinschaftspraxis bei Fortführung der ärztlichen Tätigkeit
dasjenige Individualbudget, welches er in die Gemeinschaftspraxis eingebracht hat bzw.
während der Zusammensetzung realisiert hat (1). Lässt sich danach ein maximal
abrechenbares Punktzahlvolumen nicht einem Teilnehmer konkret zuordnen, erhält er
den nach Köpfen bemessenen arithmetischen Durchschnittswert (2). Der Vorstand kann
auf Antrag eine abweichende Festsetzung vornehmen, wenn der Antragsteller darlegt,
dass ihm nachweislich ein höherer Anteil zusteht (3).
Vorliegend ist allein auf § 9 Abs. 6 Buchstabe c) Satz 2 HVM abzustellen. Satz 1 ist nicht
anzuwenden, weil zum Zeitpunkt der Einführung der Individualbudgets ab dem III. Quartal
2003 die Gemeinschaftspraxis bereits nicht mehr bestand und die vom früheren
Beigeladenen vorgelegten Unterlagen keinen Nachweis für die Realisierung einer
höheren Fallzahl und Punktmenge im Bemessungszeitraum der Quartale I/2002 bis
IV/2002 enthalten. Damit kann nach dem Wortlaut des HVM allein der arithmetische
Durchschnittswert des Punktzahlvolumens im Bemessungszeitraum und damit eine
Verteilung „nach der Kopfzahl“ der Bestimmung der Individualbudgets zugrunde gelegt
werden.
Eine andere Beurteilung verlangt entgegen der im Widerspruchsbescheid vertretenen
Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht § 9 Abs. 6 Buchstabe c) Satz 3 HVM. Mit den
Behandlungsfallzahlen und Punktzahlanforderungen vor Beginn der Gemeinschaftspraxis
im Quartal I bzw. II/1999 bzw. nach dem Ende der Gemeinschaftspraxis (Quartal I/2003)
kann kein höherer Anteil des ehemaligen Beigeladenen an der Gemeinschaftspraxis
nachgewiesen werden. Denn bereits nach dem Wortlaut des HVM galten allein die
Quartale I/2002 bis IV/2002 als Bemessungszeitraum für die Bestimmung des
Individualbudgets. Die von der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid erfolgte
Heranziehung anderer Quartale - vor Beginn und nach Ende der Gemeinschaftspraxis –
ist dagegen nicht maßgeblich, so dass die in dieser Zeit vom früheren Beigeladenen
erreichte höhere Fallzahl und Punktmenge unerheblich ist, denn sie liegen außerhalb des
Referenzzeitraumes. Auch § 9 Abs. 6 Buchstabe c) Satz 4 HVM ermöglicht keinen
Nachweis eines höheren Anteils des ehemaligen Beigeladenen an der
Gemeinschaftspraxis. Danach ist zum Nachweis eines höheren Anteils als nach dem
arithmetischen Durchschnittwert in der Regel der Gemeinschaftspraxisvertrag in seiner
zuletzt dem Zulassungsausschuss vorgelegten Fassung, die Gewinnverteilung bzw.
Teilungserklärung geeignet. Diesen Nachweis hat der frühere Beigeladene weder durch
die von ihm vorgelegten Unterlagen noch durch den Gemeinschaftspraxisvertrag
erbracht. Aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag (§ 4) ergibt sich lediglich, dass alle
Partner ihre bisherigen Einzelpraxen eingebracht und einen unterschiedlichen
Finanzierungsanteil, nämlich Anteile zu 80, 10 und 10 % übernommen hatten. Danach
richtete sich dann auch die Gewinnverteilung (§ 14), der jedoch eine monatliche
Vergütung aller Gesellschafter voranging (§ 12). Gleichzeitig waren alle Gesellschafter
verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Aus diesen Regelungen
ergibt sich allein, dass der Gesellschaftsanteil des früheren Beigeladenen den der
Antragsteller übertraf. Ein Nachweis für den vom früheren Beigeladenen behaupteten
sehr viel größeren Umfang an der vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb der
Gemeinschaftspraxis lässt sich daraus nicht herleiten, weil der Vertrag allein auf den
Wert der eingebrachten Vermögensgüter und nicht auf die abgerechneten Fälle und das
realisierte Punktvolumen während des Bestehens der Gemeinschaftspraxis abstellte.
Da erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen
Widerspruchsbescheides bestehen, hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der
Klage zu Recht angeordnet, so dass die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 und 3
sowie § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit
§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz. Der Senat hat dabei pro Quartal den
Auffangwert von 5.000,- € hochgerechnet auf drei Jahre zugrunde gelegt. Es entspricht
der ständigen Rechtsprechung des Senates, den Wert des Verfahrensgegenstandes im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache zu
reduzieren.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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