Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 30.05.2001

LSG Berlin-Brandenburg: vergütung, autonome satzung, anpassung, zahl, anknüpfung, budget, rechtsverletzung, vergleich, durchschnitt, steigerung

1
2
3
4
5
Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 7 KA 32/01-25
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 85 SGB 5, § 311 Abs 2 SGB 5,
Art 3 Abs 1 GG
Honorierung im Beitrittsgebiet ärztlich geleiteter
freigemeinnütziger Gesundheitseinrichtungen
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. Mai
2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat der Beklagten deren notwendige außergerichtliche Kosten für den
gesamten Rechtsstreit zu erstatten. Im Übrigen werden keine Kosten erstattet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Honorar für das Quartal III/1997.
Die Klägerin ist eine im Beitrittsgebiet bestehende ärztlich geleitete freigemeinnützige
Gesundheitseinrichtung, die Kraft Gesetzes zur Leistungserbringung im
vertragsärztlichen Bereich zugelassen ist. Sie erbrachte jedenfalls im hier
streitbefangenen Quartal die Leistungen ausschließlich durch einen Arzt für
Allgemeinmedizin.
Mit Bescheid vom 28. Mai 1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin für das hier
streitbefangene Quartal ein Honorar in Höhe von 79.881,98 DM; nach Vornahme
sachlich-rechnerischer Berichtigungen belief sich das Honorar im Ergebnis auf 79.041,86
DM bei einer Fallzahl von 1.056 und einem Fallwert von 74,85 DM. Im selben Quartal
erzielte ein niedergelassener Allgemeinmediziner im Bezirk der Beklagten
durchschnittlich ein Honorar von 70.501,00 DM bei einer Fallzahl von 898 und einem
Fallwert von 78,50 DM. Unter Zugrundelegung des zum 01. Juli 1997 wesentlich
geänderten einheitlichen Bewertungsmaßstabs für Ärzte (EBM) begrenzte die Beklagte
die von der Klägerin angeforderten Punktmengen unter Bildung eines so genannten
Praxisbudgets. Die Klägerin hatte im Bereich der unter das Praxisbudget fallenden
Leistungen insgesamt 937.085 Punkte angefordert, entsprechend dem Praxisbudget
bewilligte die Beklagte nur 767.107 Punkte. Darüber hinaus waren der Klägerin zwei
Zusatzbudgets zuerkannt worden, nämlich ein Budget für Psychosomatik, Übende
Verfahren und ein Budget für Betreuung in beschützenden Einrichtungen. Im
erstgenannten Budget forderte die Klägerin 1.800 Punkte an und erhielt diese auch
zuerkannt, im zweiten Budget forderte die Klägerin 17.500 Punkte an und erhielt diese
ebenfalls in vollem Umfang zuerkannt. Insgesamt belief sich die Kürzung unter
Zugrundelegung des EBM auf 15,24 %.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch mit
der Begründung zurück, die Regelungen des EBM seien auf der Grundlage des § 87 Abs.
1 und 2 i.V.m. § 81 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für die
Kassenärztlichen Vereinigungen verbindlich und besäßen Rechtsnormcharakter. Der
EBM sei auch zutreffend angewandt worden.
Mit ihrer zum Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat die Klägerin vor allem geltend
gemacht, sie unterliege als bestandsgeschützte Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V
ohnehin keiner Budgetierung. Im Übrigen sei auch das Praxisbudget unzutreffend
berechnet worden, denn die Budgetierung knüpfe zu Unrecht an die Zahlenwerte für die
ersten beiden Quartale des Jahres 1996 an. Diese Zahlenwerte habe das
Bundessozialgericht (BSG) für rechtswidrig erachtet. Mit Urteil vom 30. Mai 2001 hat das
Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Bestimmungen des EBM über das Praxisbudget
und die Zusatzbudgets seien auch auf Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V
anzuwenden. Auch wenn der EBM diese Einrichtungen nicht ausdrücklich erwähne,
6
7
8
9
10
11
12
anzuwenden. Auch wenn der EBM diese Einrichtungen nicht ausdrücklich erwähne,
würden die Leistungen durch Ärzte bestimmter Fachgruppen erbracht, an die
angeknüpft werden könne. Das Praxisbudget sei richtig berechnet worden.
Gegen dieses ihr am 28. Juni 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Juli 2001
Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Hierbei hat sie ursprünglich wiederum
geltend gemacht, die Klägerin als Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V hätte nicht oder
jedenfalls nicht in der vorgenommenen Weise einer Praxisbudgetierung unterworfen
werden können. Darüber hinaus sei es auch unzulässig gewesen, Einrichtungen nach §
311 SGB V über ein gesondertes Honorarkontingent zu vergüten, weil dies zu einem
unangemessen niedrigen Punktwert geführt habe. Die Klägerin hätte als
fachübergreifende Gemeinschaftspraxis eingestuft werden müssen und nicht aus einem
viel zu kleinen Honorarkontingent vergütet werden dürfen, das sich an den
vertragsärztlichen Leistungen von Allgemeinmedizinern orientiere. Des gleichen sei auch
im Rahmen der Praxisbudgetbemessung die Anknüpfung an die Fallzahlen von
Allgemeinmedizinern nicht zulässig.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Vorbringen geändert. Sie macht jetzt nicht
mehr geltend, sie habe nicht der Budgetierung unterworfen werden dürfen bzw. die
Berechnung des Praxisbudgets sei fehlerhaft erfolgt; ebenso wenig macht sie sonstige
Verstöße gegen den EBM geltend. Jedoch rügt sie nunmehr, die rechnerische
Ausgestaltung des Honorarkontingents sei nach dem HVM der Beklagten fehlerhaft
erfolgt. Sie habe die hausärztliche Grundvergütung – anders als bei niedergelassenen
Ärzten – nicht aus dem hierfür vorgesehenen gesonderten Honorarkontingent geleistet,
obwohl sie dazu gemäß § 87 Abs. 2a Satz 3 SGB V verpflichtet gewesen sei. Desgleichen
habe sie es unterlassen, für die Vergütung der ambulanten Operationen und der
Vorsorgeleistungen ein gesondertes Honorarkontingent zu schaffen. Auch habe die
Beklagte gegen die Vorschrift des § 4 Absatz 4 HVM verstoßen, indem sie nicht – wie
dort vorgesehen – nur jeweils zum 01. Januar eines jeden Jahres, sondern wesentlich
häufiger den für die Berechnung des Honorarkontingents maßgeblichen
Verteilerschlüssel ermittelt und ihn darüber hinaus auch rechtswidrig abgesenkt habe.
So sei der Schlüssel zum 01. Januar 1996 auf 6,18 % für die Primärkassen und auf 4,42
% für die Ersatzkassen für Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V festgesetzt worden.
Zum 01. Oktober 1996 sei er auf 5,1 % für die Primärkassen und auf 3,67 % für die
Ersatzkassen und zum 01. Januar 1997 auf 3,88 % für die Primärkassen und auf 2,97 %
für die Ersatzkassen abgesenkt worden, obwohl sich an dem Zahlenverhältnis zwischen
Ärzten in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V einerseits und niedergelassenen
Ärzten andererseits nichts wesentlich geändert habe. Darüber hinaus sei auch die starre
Anknüpfung an die Veränderungen der Arztzahlen rechtlich fehlerhaft und in Widerspruch
zur höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt. Insoweit liege eine Verletzung eigener
subjektiv-öffentlicher Rechte vor.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 30. Mai 2001 aufzuheben und die
Beklagte unter Änderung ihres Honorarbescheides vom 28. Mai 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 1999 zu verpflichten, sie über den
Honoraranspruch für das Quartal III/1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu bescheiden,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sowohl die Einbeziehung der
Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V in das Praxisbudget als auch die Anknüpfungen
an die Werte des Jahres 1996 sei zutreffend und rechtmäßig. Es sei auch nicht zu
beanstanden, dass die Vergütung der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V durch ein
gesondertes Honorarkontingent erfolgt sei. Dies habe dem Schutz dieser
Leistungserbringer vor den Leistungsausdehnungen in anderen Leistungsbereichen
gedient, indem der Anteil an der Gesamtvergütung auf der Grundlage des Jahres 1995
unter Berücksichtigung der Veränderungen der Gesamtvergütung fortgeschrieben und
jährlich der Anzahl der angestellten Ärzte angepasst worden seien. Hierdurch habe
erreicht werden können, dass die erzielten Fallwerte in den Einrichtungen nach § 311
Abs. 2 SGB V anders als die Fallwerte der nicht angestellten niedergelassenen Ärzte
relativ konstant geblieben seien. Unter Bezugnahme auf die Entwicklung der Fallzahl,
des Fallwertes, des Punktwertes und des Gesamthonorars macht die Beklagte auch
geltend, ein Punktwertvergleich von Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V mit den
Durchschnittspunktwerten falle günstig für die vorgenannten Einrichtungen aus.
Desgleichen hätten diese Einrichtungen an einer positiven Einkommensentwicklung
13
14
15
16
17
Desgleichen hätten diese Einrichtungen an einer positiven Einkommensentwicklung
teilgenommen.
Auch sei die Zahlung der hausärztlichen Gesamtvergütung aus dem Honorarfonds für
Einrichtungen der streitbefangenen Art schon deswegen sachgerecht, weil die
hausärztliche Grundvergütung bereits im Jahre 1996 in Form einer Erhöhung dieses
Honorarfonds berücksichtigt worden und dieser Honorarfonds entsprechend
fortgeschrieben worden sei. Die Anpassung des Honorarfonds an die Entwicklung der
Arztzahlen stehe nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
weil zahlreiche Ärzte, die zuvor bei einer Einrichtung nach § 311 Absatz 2 SGB V im
Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen seien, sich in den Jahren nach 1993/1994
niedergelassen und im Rahmen ihrer neuen vertragsärztlichen Zulassung dieselben
Patienten weiter betreut hätten. Hierdurch sei zugleich die Zahl der Behandlungsfälle in
den Einrichtungen der hier streitbefangenen Art deutlich zurückgegangen.
Hinsichtlich der weiten Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung
vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen, denn der Klägerin steht für das Quartal III/1997 kein Anspruch auf erneute
Bescheidung ihrer vertragsärztlichen Honoraransprüche zu. Die Beklagte hat ihren HVM
vom 14. Mai 1997 zutreffend angewandt, der HVM verstößt auch nicht gegen
höherrangiges Recht.
1. So ist zunächst nicht zu beanstanden, dass die Beklagte keine gesonderten
Honorarkontingente zur Vergütung von Impf- und Vorsorgeleistungen eingerichtet hat.
Nach § 85 Abs. 3 a Satz 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), eingefügt mit
Wirkung vom 01. Januar 1993 durch Art. 1 Nr. 43 Buchst. f des
Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG), war der Teil der Gesamtvergütung, der auf die
ärztlichen Leistungen nach den §§ 25 und 26 SGB V, die ärztlichen Leistungen der
Schwangerschafts- und Mutterschaftsvorsorge im Rahmen des § 196 Abs. 1 der
Reichsversicherungsordnung sowie die ärztlichen Leistungen im Rahmen der von den
Krankenkassen satzungsgemäß übernommenen Schutzimpfungen entfällt, zusätzlich zu
den in § 85 Abs. 3 a Satz 1 SGB V festgelegten Veränderungen in den Jahren 1993, 1994
und 1995 um jeweils 6 v. H. zu erhöhen. Gemäß § 85 Abs. 4 a Satz 3 2.Halbsatz SGB V
in der Fassung des GSG war der nach § 85 Abs. 3 a Satz 7 SGB V zusätzlich zu
entrichtende Vergütungsanteil nur zur Vergütung der Leistungen nach § 85 Abs. 3 a
Satz 7 zu verwenden. Diese Regelungen bezweckten, die genannten
Präventionsleistungen aus der strikten Anbindung an den Anstieg der Gesamtvergütung
herauszunehmen und sicherzustellen, dass die zusätzlichen Vergütungsanteile für die
Prävention bei der Honorarverteilung nur diesen Leistungen zugute kommt. Diese
Bestimmungen erfassen das hier streitbefangene Quartale I/1999 nicht, weil sie –
ebenso wie die anderen Regelungen des § 85 Abs. 3 a SGB V - nur den Zeitraum der
vom Gesetz verpflichtend vorgegebenen Begrenzung des Anstiegs der vertraglich zu
vereinbarenden Gesamtvergütung auf die Steigerung der Grundlohnsumme, also die
Jahre 1993 bis 1995, betreffen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 08. März
2000, Az.: B 6 KA 7/99 R, SozR 3–2500 § 87 Nr. 23, m. w. Nachw., sowie bereits der
Senat als 7. Senat des LSG Berlin mit Urteil vom 16. Februar 2005, Az.: L 7 KA 257/02
für die entsprechende Regelung in § 85 Abs. 3 a Satz 6 SGB V hinsichtlich des Bereiches
der ambulanten Operationen).
Das BSG hat außerdem bereits entschieden, dass den Kassenärztlichen Vereinigungen
zur Umsetzung der Verpflichtung aus § 85 Abs. 3 a Satz 7 SGB V in Verbindung mit § 85
Abs. 4 a Satz 3 SGB V ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung stand, der es
ausschloss, sie zu einer bestimmten Form der Honorierung zu verpflichten. Danach war
lediglich sicherzustellen, dass die gesetzlich festgelegten Zuschläge zur
Gesamtvergütung ausschließlich für die Verbesserung der Honorierung der in § 85 Abs.
3 a Satz 7 SGB V verrechneten Leistungen verwendet wurden (BSG, a. a. O.). Hierzu
konnte die Beklagte entweder ein separates Teilbudget für die zu fördernden Leistungen
bilden und diesem die Zuschläge hinzufügen, sie durfte aber auch die Leistungen mit
demselben Punktwert wie die übrigen Leistungen vergüten und zusätzlich Zuschläge aus
einem gesonderten Honorartopf gewähren oder einen besonderen Honorartopf mit
festem bzw. gestütztem Punktwert bilden (vgl. Urteil des BSG vom 03. März 1999, Az. B
6 KA 51/97 R, zitiert nach Juris). Vor diesem Hintergrund war die Beklagte nicht einmal in
der Budgetierungsphase verpflichtet, wie von der Klägerin nach Ende dieser Phase
18
19
20
der Budgetierungsphase verpflichtet, wie von der Klägerin nach Ende dieser Phase
gefordert, für die streitbefangenen Leistungen gesonderte Honorarkontingente zu
bilden.
2. Auch die Art der Zahlung der hausärztlichen Grundvergütung ist nicht zu
beanstanden. So ist zunächst zwischen den Beteiligten nicht im Streit, dass die
hausärztliche Grundvergütung tatsächlich an die Klägerin entrichtet wurde. Die Klägerin
macht jedoch geltend, die hausärztliche Grundvergütung hätte nicht aus dem
Honorarkontingent für die Leistungen der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V,
sondern aus dem Honorarkontingent für die Leistungen der hausärztlichen
Grundvergütung entrichtet werden müssen. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu
folgen. Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 HVM werden verschiedene zentrale Honorarfonds gebildet.
Unter anderem werden nach Ziffer 1 b) ein Honorarfonds für Leistungen der
hausärztlichen Grundvergütung und nach Ziffer 1 d) ein Honorarfonds für Leistungen der
Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V gebildet. Die Funktion des Honorarfonds nach
Ziffer 1 b) besteht darin, den niedergelassenen Ärzten die hausärztliche Grundvergütung
aus einem zentralen Honorarfonds zu gewähren. Dem gegenüber ist jedoch die
Vorschrift der Ziffer 1 d) spezieller. Nach dieser Vorschrift werden sämtliche Leistungen
der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V aus einem einzigen, einheitlichen
Honorarfonds vergütet. Hierin unterscheidet sich die Vergütung der Einrichtungen dieser
Art von der Vergütung der niedergelassenen Ärzte, deren Vergütung einerseits aus
Fachgruppenhonorarfonds und andererseits aus zentralen Honorarfonds erfolgte. Es
entsprach von vornherein dem Sinn und Zweck des HVM, sämtliche Vergütungsarten für
die Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V in einen einzigen zentralen Honorarfonds
einzustellen und aus diesem auch sämtliche Vergütungen für die Einrichtungen der
vorgenannten Art vorzunehmen.
Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Vergütung der Einrichtungen nach § 311 Abs.
2 SGB V von vornherein nicht einem bestimmten Fachgruppenhonorarfonds zugewiesen
ist, sondern dass die Leistungen für Einrichtungen dieser Art unabhängig von der Art
ihrer fachlichen Zuordnung ausschließlich aus einem gesonderten zentralen
Honorarfonds vergütet werden. Durch § 5 Absatz 5 Satz 4 HVM ist sichergestellt, dass
die hausärztliche Grundvergütung auch für Einrichtungen nach § 311 Absatz 2 SGB V mit
demselben Punktwert wie für niedergelassene Vertragsärzte, die hausärztliche
Leistungen erbringen, nämlich 9 DPf je Punkt, vergütet werden (§ 5 Absatz 5 Satz 4 i. V.
m. § 5 Absatz 3 HVM). Hierin liegt auch nicht etwa ein Verstoß gegen Bundesrecht.
Insbesondere enthielt § 87 Absatz 2a Satz 3 SGB V der damaligen Fassung keine
Vorgabe, die hausärztliche Grundvergütung stets aus einem eigens hierfür
eingerichteten, gesonderten Honorarkontingent vorzunehmen.
3. Darüber hinaus hat die Beklagte ihren HVM auch hinsichtlich der weiteren Anpassung
des Fonds für Leistungen der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V zutreffend
angewandt. Maßgebend hierfür ist die Vorschrift des § 4 Abs. 4 HVM. Nach dieser
Vorschrift werden die Höhe der Anteile der speziellen Fachgruppenhonorarfonds
zueinander und der Anteil des Honorarfonds für Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V
auf der Basis des Jahres 1995 nach einem gesondert festgelegten Verteilerschlüssel
festgeschrieben. Dieser Verteilerschlüssel wird jeweils zum 01. Januar eines jeden Jahres
unter Berücksichtigung der Entwicklung der Zahl der Beteiligten in den speziellen
Fachgruppenhonorarfonds angepasst. Die Anpassung erfolgt durch Vorstandsbeschluss.
Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte hierbei fehlerhaft vorgegangen ist. Zunächst ist
die vorgenannte Arztzahlveränderungsregelung des § 4 Abs. 4 HVM dahin auszulegen,
dass nicht jede Änderung der Arztzahl in einer Facharztgruppe automatisch zu einer
Erhöhung oder Verminderung des ihr zugeordneten Honorarvolumens und zugleich zur
Verringerung bzw. Erhöhung der den anderen Arztgruppen zugeordneten
Honorarvolumina führen würde. Eine solche Auslegung wird bereits durch den Wortlaut
der Vorschrift nahegelegt, die eben keine starre Anknüpfung der Honorarentwicklung an
die Arztzahlveränderung vornimmt, sondern lediglich vorgibt, dass die Veränderung der
Arztzahlen „zu berücksichtigen“ ist. Darüber hinaus würde eine solche starre
Anknüpfung der Veränderung von Honorarvolumina an die Arztzahlen Bundesrecht
verletzen (BSG, Beschluss vom 22. Juni 2005, B 6 KA 68/04 B). Denn weitere
Zulassungen von Ärzten einer bestimmten Fachgruppe oder der Rückgang von Ärzten
anderer Fachgruppen bzw. in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V allein könnten eine
Erhöhung oder eine Verringerung des Honorarvolumens für eine Fachgruppe bzw. für
Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V nicht rechtfertigen. Zur Rechtfertigung bedürfte
es stets vielmehr weiterer Gründe, so zum Beispiel, dass zugleich eine medizinisch
gerechtfertigte Änderung des Leistungsgeschehens vorliegt, etwa durch Veränderungen
der Zusammensetzung der Patientenschaft, der Zahl der Patienten und
Behandlungsfälle, oder durch eine sonstige bedarfsbedingte Expansion oder Reduktion
der ärztlichen Leistungen (BSG a. a. O.).
21
22
Der Vorstand der Beklagten hat in seiner Anpassung der Honorarfonds bis hin zum hier
streitbefangenen Quartal indessen aber auch keine starre Anknüpfung an die
Entwicklung der Arztzahlen vorgenommen. Vielmehr hat er die Entwicklung der
Arztzahlen lediglich bei seiner Entscheidung berücksichtigt und dabei zugleich
insbesondere der Veränderung der Fallzahlen und der Veränderung der Fallwerte der
Einrichtungen nach § 311 SGB V Rechnung getragen und die Änderung des
Leistungsgeschehens insgesamt der Veränderung der Größe des Honorarfonds zu
Grunde gelegt. Dies wird durch die von der Beklagten vorgelegten Statistiken belegt. So
ist die Zahl der abrechnenden Ärzte in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V von 161
im Quartal I/1997 bis zum Quartal IV/1999 auf 151 und damit um 6,2 % abgesunken,
bezogen auf die Gesamtzahl der niedergelassenen Ärzte von 5,2 % auf 4,8 %. Die
Fallzahlen der abrechnenden Ärzte in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V sind vom
Quartal I/1994 bis zum Quartal IV/1999 wesentlich langsamer gestiegen als die
durchschnittliche Fallzahlen aller niedergelassenen Ärzte im Bezirk der Beklagten. So ist
zwar im Zeitraum vom Quartal I/1995 bis zum Quartal IV/1999 die Zahl der
abgerechneten Fälle in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V von 800 auf 819
angestiegen, mit allerdings nur 765 Fällen im hier maßgeblichen Quartal III/1999. Dem
steht eine durchschnittliche Fallzahlsteigerung bei den niedergelassenen Ärzten von
1.072 im Quartal I/1995 auf 1160 im Quartal IV/1999 gegenüber, im Quartal III/1997
waren es 1.098 Fälle. Im Vergleich zu den Fallzahlen der niedergelassenen Ärzte sind die
der abrechnenden Ärzte in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V von 74,6 % im
Quartal I/1995 (1.072:781) auf 70,6 % im Quartal IV/1999 (1.160:799) gefallen; im hier
erheblichen Quartal III/1997 beträgt das Verhältnis 71,0 %. Dagegen sind die Fallwerte
der abrechnenden Ärzte in Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V von 73,41 DM im
Quartal I/1995 auf 76,89 DM im Quartal IV/1999, im Quartal IV/1997 auf 77,62 DM
gestiegen, während der Fallwert der niedergelassenen Ärzte im selben Zeitraum von
77,72 DM (Quartal I/1995) auf 71,36 DM im Quartal IV/1999 gesunken ist und im Quartal
III/1997 sogar nur 71,23 DM betrug. Die Fallwerte der abrechnenden Ärzte in
Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V sind damit im Verhältnis zu denen der
niedergelassenen Ärzte von 94,5 % im Quartal I/1995 auf über 100% in den Quartalen
II/1997 ff. gestiegen und haben im Quartal IV/1999 107,7% und im hier maßgeblichen
Quartal III/1997 sogar 108,9 % betragen. Berücksichtigt man weiterhin, dass das
Verhältnis der Anzahl der Behandlungsfälle der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V
zu denen der niedergelassenen Ärzte von 3,9 % im Quartal I/1997 auf 3,4 % im Quartal
IV/1999, im Quartal III/1997 auf 3,7 %, gesunken ist, während das Verhältnis des
Umsatzes der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu
dem der niedergelassenen Ärzte im selben Zeitraum gleich geblieben ist (nämlich 3,8
%) und im Quartal III/1997 sogar auf 4,1 % angestiegen war, ist eine fehlerhafte
Anwendung des § 4 Abs. 4 des HVM der Beklagten bei der Anpassung des Honorarfonds
für Leistungen der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V nicht zu erkennen. Das
Sinken der Arztzahlen bei nahezu gleich bleibenden Fallzahlen spricht für die Richtigkeit
der Auffassung der Beklagten, dass in nicht unerheblichem Umfang Ärztinnen und Ärzte
aus Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V nach 1995 diese Einrichtungen verlassen, sich
als Vertragsärztinnen und Vertragsärzte niedergelassen und dabei einen Teil des
Patientenstammes aus den Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V in ihre eigene Praxis
mitgenommen haben. Deshalb begegnet es auch keinen Bedenken, dass die
Entwicklung der zentralen Honorarfonds für Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V von
der Beklagten parallel zur Entwicklung der Arztzahlen entwickelt worden ist.
Ausschlaggebend hierfür war im Ergebnis aber nicht die bloße zahlenmäßige
Veränderung in der Ärzteschaft, sondern vielmehr der durch die
Patientenverschiebungen begründete geänderte Versorgungsbedarf, der allerdings
zahlenmäßig in etwa auch der Entwicklung in der Ärzteschaft entsprach. Dass das in den
Einrichtungen nach § 311 SGB V je Arzt erzielte Einkommen zwischen dem Quartal
I/1995 und IV/99 nur zwischen 70,4% bzw. 76,1 % des Einkommens der
niedergelassenen Ärzte erreichte (Quartal III/1997: 77,3 %), dürfte seine Ursache in den
bereits dargestellten niedrigen Fallzahlen der Einrichtungen nach § 311 SGB V haben
und somit Ausdruck der stärkeren Nachfrage der Behandlung durch niedergelassene
Ärzte durch die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungen sein. Eine bessere
Ausstattung des Honorarfonds der Einrichtungen nach § 311 SGB V wäre damit nicht zu
rechtfertigen, weil die Einrichtungen nach § 311 SGB V ihre Fallwerte und ihren Umsatz
Ende der 90`er Jahre im Verhältnis zu den niedergelassenen Ärzten überproportional
steigern konnten.
4. Im Übrigen war die vom Vorstand der Beklagten vorgenommene Verringerung des
zentralen Honorarfonds nach § 4 Abs. 3 Ziffer 1. d) unter Berücksichtigung der
Entwicklungen der Arztzahlen auch deswegen geboten, weil ansonsten ein Verstoß
gegen das verfassungsrechtlich in Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz abgesicherte Gebot der
23
24
25
gegen das verfassungsrechtlich in Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz abgesicherte Gebot der
Honorarverteilungsgerechtigkeit im Hinblick auf die anderen Fachgruppen bzw. die
niedergelassenen Ärzte vorgelegen hätte. Gerade weil – durch die Abwanderung von
Patientinnen und Patienten in Folge auch von Abwanderungen der Ärztinnen und Ärzte
aus den Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V – sich das Patientenaufkommen
verringerte, wäre es sachlich nicht zu rechtfertigen gewesen, den Honorarfonds in
unveränderter Höhe zu belassen. Dies hätte zu einer ungerechtfertigten Steigerung des
Punktwertes geführt, nach dem die Leistungen der Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB
V vergütet worden wären.
Dies zeigt ein Vergleich der Punktwerte, wie er sich im hier streitbefangenen Quartal
III/1997 darstellt. In diesem Quartal betrugen die Punktwerte für Leistungen der
Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V bei den Primärkassen sowohl für budgetierte als
auch für nicht budgetierte Leistungen 8,10 DPf und bei den Ersatzkassen für
preisbudgetierte Leistungen 7,49 DPf, im Übrigen 5,70 DPf. Die Punktwerte für
niedergelassene Allgemeinmediziner betrugen bei den Primärkassen für
preisbudgetierte Leistungen 7,49 DPf, für nicht preisbudgetierte Leistungen 6,80 DPf und
bei den Ersatzkassen einheitlich 8,20 DPf . Somit waren die Einrichtungen nach § 311
Abs. 2 SGB V bei den zahlenmäßig bedeutsameren Primärkassen besser gestellt als die
Vergleichsgruppe, während es sich bei den Ersatzkassen umgekehrt verhielt; der
gewichtete Mischpunktwert kann deshalb für beide Gruppen kein ins Gewicht fallendes
Missverhältnis erreicht haben. Deshalb ist das Gebot der
Honorarverteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zwischen den niedergelassenen
Allgemeinmedizinern auf der einen Seite und den Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB
V auf der anderen Seite nicht beeinträchtigt worden. Dies zeigt sich bei einem näheren
Vergleich der Quartalshonorare, der Fallzahlen und Fallwerte zwischen der Einrichtung
der Klägerin auf der einen Seite und den niedergelassenen Allgemeinmedizinern als
Vergleichsgruppe auf der anderen Seite. So erzielte die Klägerin im hier
streitbefangenen Quartal unter Einsatz eines Arztes für Allgemeinmedizin ein
Gesamthonorar von 79.041,86 DM, während das des niedergelassenen
Allgemeinmediziners im selben Quartal im Durchschnitt bei 70.501,00 DM lag. Ein
niedergelassener Arzt rechnete im Durchschnitt in diesem Quartal 898 Behandlungsfälle
ab, während die Klägerin im selben Quartal 1.056 Behandlungsfälle in Ansatz brachte.
Dementsprechend sind die Abweichungen bei den Fallwerten insgesamt auch gering; der
durchschnittliche Fallwert der Klägerin für das streitbefangene Quartal lag bei 74,85 DM,
während der durchschnittliche Fallwert der niedergelassenen Allgemeinmediziner bei
77,50 DM lag. Hieraus folgt, dass der Abstand zwischen dem Fallwert der
Vergleichsgruppe und dem Fallwert der Klägerin weniger als 10 % betrug. Ein derartiger
Unterschied kann keinen Verstoß gegen das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit
begründen, zumal in einer solchen Abweichung immer Besonderheiten berücksichtigt
werden müssen, die sich als Besonderheiten im Leistungsspektrum der Klägerin
darstellen.
5. Im vorliegenden Fall kann die Klägerin auch nicht mit ihrem Einwand Erfolg haben, die
Vergleichsgruppe der niedergelassenen Allgemeinmediziner sei nicht heranzuziehen,
weil Einrichtungen der hier streitbefangenen Art nach § 311 Abs. 2 SGB V aus
Fachärzten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammengesetzt seien und deshalb eher
einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis gleich kämen. Der Senat lässt
ausdrücklich offen, ob dieses Argument dann Gewicht besitzt, wenn tatsächlich eine
Einrichtung nach § 311 Abs. 2 SGB V ihre Leistungen durch Ärztinnen und Ärzte
unterschiedlicher Fachrichtungen erbringt. Im vorliegenden streitbefangenen Fall
jedenfalls erscheint die Vergleichsgruppe der niedergelassenen Allgemeinmediziner als
die eindeutig maßgebende, weil auch die Klägerin ihre Leistungen allein durch einen Arzt
erbringt, der – wenn er niedergelassen wäre – dieser Fachgruppe zuzurechnen wäre.
6. Schließlich kann die Klägerin auch kein Gehör finden mit ihrem Argument, der zentrale
Honorarfonds nach § 4 Abs. 3 Ziffer 1 d) HVM für Einrichtungen nach § 311 Abs. 2 SGB V
sei jedenfalls deswegen zu niedrig bemessen gewesen, weil – im Verlaufe der Anpassung
dieses Honorarfonds seit dem Jahre 1996 in Vollzug verschiedener Änderungen des
Vergütungssystems – dieser Honorarfonds insgesamt nicht in der notwendigen Weise
angepasst worden sei. Dieses Argument kann jedenfalls deswegen nicht zum Erfolg
führen, weil die Klägerin hierdurch keine Rechtsverletzung darlegen kann. Der HVM ist
eine autonome Satzung der Beklagten. Selbst dann, wenn sie – was vorliegend nicht zu
erkennen ist – im Laufe ihrer Entstehungsgeschichte ein Reglungsdefizit aufgewiesen
haben sollte, so könnte dieses nur dann mit Erfolg gerügt werden, wenn es zu einer
Rechtsverletzung geführt hätte (so BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, SozR
4-2500 § 87 Nr. 10). An einer solchen Rechtsverletzung fehlt es vorliegend aber schon
deswegen, weil – wie ausgeführt – die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Abs. 1
Grundgesetz in Verbindung mit dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht
26
27
Grundgesetz in Verbindung mit dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht
verletzt ist.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum
1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und. 2 SGG liegen nicht
vor.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum