Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.06.2007

LSG Berlin und Brandenburg: gesetzeslücke, beiladung, zivilprozessordnung, versicherungsträger, erlass, aufschub, vollstreckungsverfahren

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 22.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 104 AS 11106/07 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 18 B 970/07 AS ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2007 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet; das Sozialgericht (SG) hat den Vollstreckungsantrag des
Antragstellers und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Vollstreckungsverfahren unter Beiordnung
von Rechtsanwältin A E zu Recht abgelehnt.
Der Vollstreckung aus dem Urteil des SG vom 19. Dezember 2006 (- S 104 AS 1270/06 -), mit dem der Antragsgegner
zur Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die
Zeit vom 4. Oktober 2005 bis 7. Februar 2006 im Darlehenswege verurteilt worden ist, steht die Vorschrift des § 154
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen. Danach bewirkt die – vorliegend vom Antragsgegner am 7. März 2007
eingelegte (- L 18 AS 347/07 -) – Berufung Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die – wie hier – für die Zeit
vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen.
Die genannte Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut für Versicherungsträger und in Sachen der Kriegsopferversorgung für
Länder gilt, ist entsprechend anzuwenden auf die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Denn es handelt sich
insoweit um eine im Hinblick auf die seit 1. Januar 2005 erweiterte Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit auf
Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG) bestehende (ungewollte)
Gesetzeslücke. Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, weshalb Berufungen der Träger der
Grundsicherung von der Aufschubregelung des § 154 Abs. 2 SGG ausgenommen sein sollten, zumal die
Interessenlage sich regelmäßig nicht von der unterscheidet, die bei der Verurteilung eines Versicherungsträgers
gegeben ist. Auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Beschluss wird ergänzend Bezug genommen (Seite
2 4. Absatz Zeile 1 bis Seite 3 Ende des 1. Absatzes). Parallel dazu hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich durch die
Änderung des § 75 Abs. 2 SGG, der ebenfalls seinem Wortlaut nach nur die Beiladung eines Versicherungsträgers
oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts eines Landes ermöglichte, durch das Gesetz zur
Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I 1706) klargestellt, dass auch
Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegebenenfalls (notwendig) beizuladen sind. Diese Klarstellung des
Gesetzgebers lässt erkennen, dass auch er von einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke ausgegangen ist (vgl.
BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R – veröffentlicht in juris). Nichts Anderes kann im Rahmen des
§ 154 Abs. 2 SGG gelten.
Da der Vollstreckungsantrag des Antragstellers somit keine Aussicht auf Erfolg hatte, hat das SG den Antrag auf
Gewährung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin E beanstandungsfrei abgelehnt (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1
SGG i.V. mit §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren in der Vollstreckungssache beruht auf einer entsprechenden
Anwendung von § 193 SGG. Im PKH-Beschwerdeverfahren sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127
Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).