Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.05.2004

LSG Berlin-Brandenburg: unfallversicherung, rücknahme, anhörung, aufenthalt im ausland, witwenrente, zukunft, hinterbliebenenrente, rechtsgrundlage, anfang, waisenrente

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 12 RA 76/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 93 Abs 1 SGB 6, § 93 Abs 3
SGB 6, § 45 Abs 4 S 1 SGB 10, §
45 Abs 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1
SGB 10
Zusammentreffen von Hinterbliebenenrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung mit Hinterbliebenenrente aus
der gesetzlichen Unfallversicherung - Überzahlung der
Altersrente durch rückwirkende Zuerkennung der
Verletztenrente - Erstattungsanspruch
Tenor
Die Berufung der Klägerinnen und der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 28. Mai 2004 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägerinnen jeweils ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen
Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Hinterbliebenenrenten.
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des 1942 geborenen und 1997 verstorbenen P D (im
Folgenden: Versicherter), die Klägerin zu 2) dessen 1984 geborene Tochter. Der
Versicherte war als Bauingenieur im Ausland beschäftigt, er verstarb während eines
Einsatzes in N an Malaria. Die Klägerin zu 1) war ursprünglich ägyptische
Staatsangehörige. Nach der 1987 in K erfolgten Heirat wurde sie durch
Einbürgerungsurkunde vom 1993, ausgehändigt am 1993, deutsche Staatsangehörige.
Am 2. Juli 1997 beantragte die in M wohnhafte Klägerin zu 1) die Gewährung einer
Hinterbliebenenrente, am 23. Oktober 1997 die ebenfalls in M bei ihrer Mutter, der
Klägerin zu 1) wohnhafte Klägerin zu 2) die Gewährung einer Halbwaisenrente. Die
Klägerinnen gaben beide an, Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung weder zu
erhalten noch beantragt zu haben. Allerdings wies die Klägerin zu 1) darauf hin, dass der
Tod des Versicherten Folge eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit sei, ein
Verfahren sei anhängig. Die Klägerin zu 1) müsse ab November wieder nach Ä
zurückkehren, um ihrer kranken Mutter beizustehen. Durch Bescheide vom 1. Dezember
1997 bewilligte die Beklagte der Klägerin zu 1) eine große Witwenrente und der Klägerin
zu 2) eine Halbwaisenrente. Die laufenden Zahlungen wurden zum Januar 1998
aufgenommen, es ergaben sich für die Klägerin zu 1) ein monatlicher Betrag von
1.762,19 DM und eine Nachzahlung von 16.184,08 DM, für die Klägerin zu 2) ein
monatlicher Betrag von 480,12 DM und eine Nachzahlung von 3.413,98 DM. Die Klägerin
zu 1) erhielt einen Zuschuss zur Pflegeversicherung in Höhe von 14,85 DM.
Mit Bescheid vom 24. April 1998 bewilligte die T Berufsgenossenschaft (T-BG) der
Klägerin zu 1) neben einem einmaligen Sterbegeld von 7.320,00 DM Witwenrente in
Höhe von monatlich 6.666,67 DM vom Todestag des Versicherten bis zum 31. August
1997 (Sterbevierteljahr) und in Höhe von monatlich 4.000,- DM ab 1. September 1997.
Der Klägerin zu 2) wurde mit Bescheid vom selben Tag (24. April 1998) Waisenrente in
Höhe von 2.000,- DM monatlich bewilligt. Die laufenden Zahlungen begannen am 1. Juni
1998, die Nachzahlungen wurden wegen zu erwartender Ersatzansprüche der Beklagten
einbehalten. Auf Nachfrage erfuhr die Beklagte am 14. Mai 1998 von der T-BG, dass die
Renten wegen eines bei dem Versicherten eingetretenen Versicherungsfalles am 22. Mai
1997 und seines Todes 1997 gezahlt wurden.
Durch Bescheid vom 11. Juni 1998 berechnete die Beklagte die an die Klägerin zu 1) zu
zahlende große Witwenrente mit Wirkung ab 1. August 1998 neu. Als laufender
monatlicher Zahlbetrag wurden ab August 1998 215,30 DM festgestellt, auf Zuschüsse
zur Kranken- und Pflegeversicherung entfielen davon 13,60 DM und 1,70 DM. Die sich
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zur Kranken- und Pflegeversicherung entfielen davon 13,60 DM und 1,70 DM. Die sich
rechnerisch in Höhe von 1.755,07 DM ergebende Rente könne wegen Zusammentreffen
mit Leistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 4.000,- DM nur in Höhe von 200,-
DM geleistet werden. Der Rentenbescheid vom 1. Dezember 1997 werde nach § 45 des
Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. August 1998
zurückgenommen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin zu 1) nicht berufen, weil der
Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Hinweis enthalten habe, dass die Zahlung einer
Rente aus der Unfallversicherung Einfluss auf die Höhe der Leistungen haben könne. Die
Möglichkeit einer Rücknahme für die Vergangenheit werde noch geprüft. Jedenfalls werde
gegen die Berufsgenossenschaft ein Erstattungsanspruch geltend gemacht.
Auch für die Klägerin zu 2) berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 1998 die
Halbwaisenrente mit Wirkung ab dem 1. August 1998 neu. Ein Zahlbetrag ergebe sich
wegen des Zusammentreffens mit Leistungen aus der Unfallversicherung nicht mehr.
Der Rentenbescheid vom 1. Dezember 1997 werde nach § 45 SGB X mit Wirkung ab
dem 1. August 1998 zurückgenommen. Auf Vertrauen könne sich die Klägerin zu 2)
nicht berufen, weil der Bescheid vom 1. Dezember 1997 den Hinweis enthalten habe,
dass die Zahlung einer Rente aus der Unfallversicherung Einfluss auf die Höhe der
Leistungen haben könne. Die Möglichkeit einer Rücknahme für die Vergangenheit werde
noch geprüft, jedenfalls gegen die Berufsgenossenschaft ein Erstattungsanspruch
geltend gemacht.
Die T-BG erstattete der Beklagten 22.127,94 DM für vom 28. Mai 1997 bis 31. Mai 1998
an die Klägerin zu 1) gezahlte Witwenrente und von 5.814,58 DM für vom 28. Mai 1997
bis 31. Mai 1998 an die Klägerin zu 2) gezahlte Waisenrente.
Gegen die Bescheide vom 11. Juni 1998 legten die Klägerinnen am 24. Juli 1998
Widerspruch ein. Die Klägerin zu 1) halte sich zurzeit in Ä auf. Mit Schreiben vom 1.
Oktober 1998 hörte die Beklagte die Klägerinnen dazu an, dass sie beabsichtige, die
Bescheide vom 1. Dezember 1997 mit Wirkung ab 1. Mai 1998 gemäß § 45 SGB X
zurückzunehmen und die von Mai 1998 bis Juli 1998 erfolgten Überzahlungen von
4.649,07 DM (Witwenrente) bzw. 1.442,48 DM (Waisenrente) zurückzufordern. Da aber
die T-BG bereits die Überzahlungen für den Monat Mai 1998 erstattet habe, würden nur
noch 3.101,88 DM (Witwenrente) bzw. 962,36 DM (Waisenrente) zurückverlangt.
Am 3. September 1998 verständigte der Postrentendienst die Beklagte davon, dass die
Klägerin zu 1) am 30. Oktober 1997 mit unbekanntem Ziel/Ä aus M verzogen sei. Der
Bevollmächtigte der Klägerinnen wies darauf hin, dass sich wegen des Aufenthaltes der
Klägerinnen in Ä eine Stellungnahme zur angekündigten Rücknahme der Bescheide mit
Wirkung für die Vergangenheit verzögern werde. Die Klägerin zu 1) beabsichtige, im April
1999 zusammen mit ihrer Tochter nach Deutschland zurückzukehren.
Durch Bescheid vom 23. November 1998 stellte die Beklagte den Zahlbetrag der an die
Klägerin zu 1) gezahlten Witwenrente in Höhe von monatlich 200,- DM ab 1. Januar 1999
neu fest. Das Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis habe sich geändert, der
Rentenbescheid vom 11. Juni 1998 werde für die Zukunft gemäß § 48 SGB X
aufgehoben. Im März 1999 wurde auch gegen diesen Rentenbescheid Widerspruch
eingelegt, die Klägerin zu 1) befinde sich nach wie vor in Ä.
Am 28. Juni 1999 nahmen die Bevollmächtigten der Klägerinnen zu der beabsichtigten
Rückforderung der überzahlten Renten Stellung. Die Beträge seien vollständig
verbraucht worden, da das Leben in Ä sehr teuer sei. Die Klägerin zu 1) sei ihrer Mutter
und der Klägerin zu 2) gegenüber unterhaltspflichtig. Für die Wohnung seien monatlich
1500,- DM aufzuwenden gewesen, für die allgemeine Lebenshaltung weitere 1.500,- DM
pro Person. Hinzu kämen monatlich 1.350,- DM für ein Mietauto und erhebliche
Stromkosten wegen des Betriebs einer Klimaanlage. Durch Bescheide vom 27. Juli 1999
nahm die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) und der Klägerin zu 2) die Bescheide
vom 1. Dezember 1997 für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 31. Juli 1998 zurück und
forderte überzahlte und nicht von der T-BG erstattete Beträge von 3.101,88 DM bzw.
962,36 DM zurück. Die Bescheide seien bei nachträglich-objektiver Betrachtung von
Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallversicherung nicht berücksichtigt worden seien. Gegen diese Bescheide erhoben
die Klägerinnen Widerspruch.
Im September 1999 fragte der Bevollmächtigte der Klägerin zu 1) bei der Beklagten an,
ob die laufenden Rentenleistungen nach Ö gezahlt werden könnten. Durch
Rentenbescheid vom 10. November 1999 berechnete die Beklagte die an die Klägerin zu
1) zu zahlende Witwenrente ab dem 1. August 1998 neu. Für die Zeit vom 1. August
1998 bis 31. Dezember 1998 wurden monatlich 200,- DM und ein monatlicher Zuschuss
zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 15,30 DM gewährt, ab 1. Januar 1999
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zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 15,30 DM gewährt, ab 1. Januar 1999
allein 200,- DM monatlicher Rente. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden
Widerspruchsverfahrens. Gleichwohl legte die Klägerin zu 1) wieder Widerspruch ein.
Am 31. Mai 2000 verlangte die T Krankenkasse unter Hinweis auf eine bis zum 30.
November 1999 bestehende Mitgliedschaft der Klägerin zu 1) die Verrechnung ihrer
Beitragsforderungen von 4.851,25 DM mit den laufenden Rentenzahlungen. Die Klägerin
zu 1) lebe seit längerer Zeit in Ö. Auf Nachfrage erklärte die Klägerin zu 1), dass sie sich
seit Juni 1998 vorübergehend in Ö aufhalte, nach einer ö Meldebestätigung ist sie seit 1.
Juli 1999 dort mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Beklagte erkannte durch Bescheid vom
20. September 2000 den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Rente für die Dauer des
gewöhnlichen Auslandsaufenthalts in Höhe der bisherigen Inlandsrente an. Durch
Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2001 wies die Beklagte gegenüber der Klägerin zu
1) die Widersprüche gegen ihre Bescheide vom 11. Juni 1998, 23. November 1998, 27.
Juli 1999 und 10. November 1999 zurück. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom
11. Juni 1998, 27. Juli 1999 und 10. November 1999 seien nicht begründet worden,
weswegen eine Überprüfung nur nach Aktenlage möglich sei. Danach seien die
Bescheide nicht zu beanstanden. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.
November 1998 sei hingegen verfristet. Danach könne auf die sich gemäß § 50 SGB X
ergebende Rückforderung von 3.101,88 DM nicht verzichtet werden. Gegenüber der
Klägerin zu 2) wies die Beklagte deren Widersprüche gegen die Waisenrentenbescheide
mit derselben Begründung zurück und forderte auch insoweit die Erstattung einer
Restüberzahlung von 3.101,88 DM.
Dagegen haben die Klägerinnen jeweils am 16. März 2001 Klage beim Sozialgericht
Berlin erhoben und die Aufhebung der Bescheide vom 11. Juni 1998, 23. November
1998, 27. Juli 1999 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. Februar 2001 verlangt. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. November
1998 sei nicht verfristet, da der Bescheid erst am 27. Januar 2001 zugegangen sei.
Jedenfalls sei der Bescheid nach § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des
schon laufenden Widerspruchsverfahrens geworden. Der die Rentenbewilligung mit
Wirkung für die Zukunft aufhebende Bescheid sei (jeweils) rechtswidrig, weil die Beklagte
nicht berücksichtigt habe, dass ihr das Bestehen von Ansprüchen gegen die
Unfallversicherung von Anfang an bekannt gewesen sei. Die Klägerinnen dagegen hätten
keine Kenntnis gehabt, weil nicht sie selbst, sondern nur ihr Bevollmächtigter die
Bescheide erhalten habe. Auch habe die Beklagte die Jahresfrist für eine Aufhebung
nicht eingehalten. Ersatzansprüche gegen die T-BG habe sie nicht, da es zu keiner
Überzahlung gekommen sei. Die Beklagte hat eingeräumt, dass der Widerspruch gegen
den Bescheid vom 23. November 1998 fristgerecht erfolgt sei.
Das Sozialgericht hat die Verfahren beider Klägerinnen mit Beschluss vom 19. August
2003 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und durch Urteil vom
28. Mai 2004 die Bescheide der Beklagten vom 27. Juli 1999 in der Fassung der
Widerspruchsbescheide vom 7. Februar 2001 aufgehoben und im Übrigen die Klagen
abgewiesen. Die Beklagte habe die am 1. Dezember 1997 erteilten Rentenbescheide
weder für die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 30. Juli 1998 aufheben noch die für die Monate
Juni und Juli 1998 gezahlten Leistungen zurückfordern dürfen. Für den Zeitraum vom 28.
Mai 1997 bis 31. Mai 1998 scheitere die Aufhebung der Rentenbewilligung daran, dass
der Beklagten nach § 104 SGB X ein Ersatzanspruch gegen die T-BG zustehe. Dieser
Ersatzanspruch schließe eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen der Beklagten und
den Klägerinnen aus. Für die Monate Juni und Juli 1998 sei eine Rücknahme nach § 45
SGB X deswegen nicht möglich, weil die Rentenbewilligungen bei ihrem Erlass zunächst
nicht rechtswidrig gewesen seien. Erst die Bescheide der T-BG vom 24. April 1998 hätten
dazu geführt, dass die Klägerinnen Leistungen aus der Unfallversicherung bezogen. Die
vorher von der Beklagten erbrachten Leistungen gälten nach § 104 SGB X als
rechtmäßige Leistungen der Unfallversicherung. Dafür spreche auch, dass die Beklagte
bis zum Vorliegen der Bescheide des Unfallversicherungsträgers nicht wissen könne, in
welcher Höhe Hinterbliebenenrente zu gewähren sei. Auch § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB
X sei keine taugliche Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung für die Monate
Juni und Juli 1998. Zwar sei die Umdeutung einer gemäß § 45 SGB X erklärten
Rücknahme in eine Aufhebung nach § 48 SGB X grundsätzlich möglich. Es seien auch die
Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung
der Rentenbewilligungen erfüllt. Ein atypischer Fall, der die Ausübung von Ermessen
erforderlich mache, liege nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung des klägerseitigen
Vortrags, die Rentenzahlungen seien verbraucht. Die Beklagte habe aber mit ihrem
Bescheid vom 27. Juli 1999 die nach § 48 Abs. 4 Satz 1 iVm § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X
maßgebliche Jahresfrist für die Rücknahme nicht gewahrt. Die Beklagte habe spätestens
seit dem Eingang des Schreibens der T-BG am 14. Mai 1998 Kenntnis von den die
Rücknahme rechtfertigenden Umständen gehabt. Daran ändere auch nichts, dass die
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Rücknahme rechtfertigenden Umständen gehabt. Daran ändere auch nichts, dass die
Beklagte noch ermessensrelevante Tatsachen habe ermitteln wollen. Erst das Vorliegen
eines atypischen Falles mache die Ermessensausübung erforderlich und beschränke die
Rücknahmemöglichkeit. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gehe aber grundsätzlich davon aus,
dass eine Rücknahme erfolge, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür erfüllt
seien.
Unbegründet sei die Klage dagegen insoweit, als sie sich gegen die Rentenbescheide
vom 11. Juni 1998 richte. Die Gewährung der Unfallhinterbliebenenrenten habe nach § 93
SGB VI zum Ruhen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt.
Insoweit liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, welche die Aufhebung der
Rentenbescheide mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X
rechtfertige. Dafür sei weder die Jahresfrist einzuhalten noch eine Anhörung erforderlich
gewesen. Die Bescheide vom 23. November 1998 und 10. November 1999, mit denen
der Zahlbetrag der Rente wegen Änderung des Kranken- oder
Pflegeversicherungsverhältnisses neu festgestellt worden sei, seien zwar nach § 96 SGG
Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Für ihre Rechtswidrigkeit sei jedoch nichts
erkennbar.
Gegen das den Beteiligten am 28. Juni 2004 zugestellte Urteil richten sich die sowohl von
den Klägerinnen am 28. Juli 2004 als auch von der Beklagten am 13. Juli 2004
eingelegten Berufungen.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass § 93 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch
(SGB VI) eine Ruhensvorschrift sei, welche keine Rechtsgrundlage für den Entzug der
Rente für die Zukunft sein könne. Die ursprünglichen Rentenbescheide seien nicht
rechtswidrig gewesen, deswegen sei § 45 SGB X nicht anwendbar. Auf § 48 SGB X habe
sich die Beklagte nicht gestützt, eine Umdeutung komme wegen Fristversäumnis nicht
in Betracht. Außerdem habe im Ermessenswege berücksichtigt werden müssen, dass
die Klägerinnen das Geld tatsächlich benötigten. Aus welchen Gründen die Witwenrente
der Klägerin zu 1) durch Bescheide vom 23. November 1998 und 10. November 1999
neu festgestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und deswegen rechtlich bedenklich.
Für den Beginn der Jahresfrist könne es nicht auf die Antwort auf die Anhörung
ankommen, weil die Beklagte schon vorher sichere Kenntnis über die Voraussetzungen
hatte, welche zur Aufhebung berechtigten. Den Klägerinnen dürfe ihre verspätete
Reaktion nicht vorgehalten werden, da sie wegen ihres Aufenthaltes in Ä nicht früher
hätten antworten können. Die Beklagte dagegen habe von der Anhörung absehen oder
sie nachholen können.
Die Klägerin zu 1) beantragt, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 zu ändern und auch die die
Witwenrente betreffenden Bescheide der Beklagten vom 11. Juni 1998, 23. November
1998 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.
Februar 2001 aufzuheben.
Die Klägerin zu 2) beantragt, wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2004 zu ändern und auch den die
Waisenrente betreffenden Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen der Klägerinnen zurückzuweisen sowie das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 28. Mai 2004 abzuändern und die Klagen in vollem Umfang
abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen weiter,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, die Jahresfrist sei selbst dann nicht versäumt, wenn statt einer
Rücknahme nach § 45 SGB X eine Aufhebung nach § 48 SGB X hätte erfolgen müssen.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beginne die Jahresfrist
grundsätzlich mit Eingang der Antwort auf die Anhörung. Daran ändere auch nichts, dass
vorliegend eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X wegen der Erzielung von
Einkommen in Frage stehe. Auch insoweit sei eine Anhörung zwingend vorgeschrieben.
Diesem Gebot könne nur entsprochen werden, wenn mit der Aufhebung bis zum Eingang
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Diesem Gebot könne nur entsprochen werden, wenn mit der Aufhebung bis zum Eingang
der Rückäußerung zur Anhörung zugewartet werde. Der Bescheid vom 23. November
1998 habe die Bewilligung eines Beitragszuschusses zur Kranken- und
Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1999 aufgehoben, da die Klägerin zu 1) sich
nach Aktenlage seit Oktober 1997 gewöhnlich in Ä aufgehalten habe und die freiwillige
Kranken- und Pflegeversicherung bei der T Krankenkasse zum 30. November 1999
beendet worden sei. Der Neuberechnungsbescheid vom 10. November 1999 knüpfe an
diese Regelung der Zuschussgewährung an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens
der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Einheitsakte, die Gegenstand der Beratung
gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Nach § 124 Abs. 2 SGG kann der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da
sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Die Berufungen haben keinen Erfolg.
Mit Recht hat das Sozialgericht zunächst die Klagen gegen die Bescheide vom 11. Juni
1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001 abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die Bescheide vom 11. Juni 1998 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2001, mit denen die bisherige Bewilligung von
Witwen- und Halbwaisenrente mit Wirkung vom 1. August 1998 an aufgehoben wurde, ist
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für
die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die
beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung
eintritt. Die Bescheide vom 11. Juni 1998 heben die Rentenbewilligungen (nur) mit
Wirkung für die Zukunft auf, da sie eine Änderung vom 1. August 1998 an und damit
nach dem Zeitpunkt des gemäß § 39 SGB X durch Bekanntgabe erfolgten
Wirksamwerdens der Bescheide bestimmen.
Die für die Rentenbewilligung maßgebenden Verhältnisse haben sich nachträglich
geändert. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Fall einer von Anfang an
rechtswidrigen Rentenbewilligung vor. Zwar ist die Bewilligung von Witwen- und
Halbwaisenrente von Anfang an zu hoch ausgefallen, weil die nach § 93 SGB VI gebotene
Anrechnung der Unfallrente unterblieben ist. Besteht für denselben Zeitraum Anspruch
auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der
Unfallversicherung, wird die Rente gemäß § 93 Abs. 1 SGB VI insoweit nicht geleistet, als
die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den
jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Nach § 93 Abs. 3 SGB VI (in der bis zum 31.
Dezember 2004 geltenden Fassung) beträgt der Grenzbetrag 70 vom Hundert eines
Zwölftes des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der
Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für
persönliche Entgeltpunkte aus der Rentenversicherung der Angestellten. Den
Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung lag die Bemessungsgrenze der
Unfallversicherung von jährlich 120.000,- DM zugrunde, was zu einem mit dem
Rentenartfaktor zu multiplizierenden Betrag von 7.000,- Mark monatlich führt. Der
Grenzbetrag für die Klägerin zu 1) lag im Sterbevierteljahr bei 7.000,- DM monatlich,
danach bei 4.200,- DM (Rentenartfaktor 0,6 in der maßgeblichen, bis Ende 2001
geltenden Fassung des § 67 SGB VI). Die Klägerin zu 1) hatte im Sterbevierteljahr
Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung in Höhe von 6.666,67
und (dem Grunde nach) aus der Rentenversicherung von 2.864,96 DM, später in Höhe
von 4.000,- DM aus der Unfallversicherung und 1.747,34 DM aus der
Rentenversicherung. Danach war aus der Rentenversicherung Rente nur in Höhe von
333,33 DM bzw. 200,- DM zu leisten. Für die Klägerin zu 2) lag der Grenzbetrag bei 700,-
DM (Rentenartfaktor 0,1), der schon durch die Rente aus der Unfallversicherung
überschritten wurde, so dass nach Anrechnung keine Leistungen aus der
Rentenversicherung übrig blieben.
Für die Anrechenbarkeit auf die Rente kommt es zwar nicht darauf an, ob die Renten aus
der Unfallversicherung bereits durch Bescheid festgesetzt sind. § 93 SGB VI setzt nur
einen Anspruch voraus, der sich bereits aus dem Gesetz ergibt und nicht etwa erst
durch die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers entsteht. Insoweit läge also
eigentlich ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit vor (BSG Urt. v 29. April 1997 – 8
RKn 29/95- = SozR 3-1300 § 107 Nr. 10). Dass die Rentenbescheide gleichwohl zunächst
rechtmäßig waren, ergibt sich aus der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X. Soweit diese
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rechtmäßig waren, ergibt sich aus der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X. Soweit diese
reicht, sind die Bewilligungsbescheide der Beklagten nicht rechtswidrig, sondern
Rechtsgrund für die nunmehr als Leistungen der Unfallversicherung geltenden
Zahlungen (vgl. BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4, Urt.
v. 26. April 2005 – B 5 RJ 36/04 R -). Rechtswidrig wurden die Rentenbescheide der
Beklagten vom 1. Dezember 1997 deshalb erst dadurch, dass die Erfüllungsfiktion
endete.
Die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X greift, solange ein Ersatzanspruch besteht. Die
Beklagte hat als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Ersatzansprüche gegen die T-
BG nach § 104 SGB X (vgl. BSG Urt. v 29. April 1997 – 8 RKn 29/95- = SozR 3-1300 § 107
Nr. 10). Diese setzten voraus, dass die T-BG als vorrangig verpflichteter Leistungsträger
nicht schon selbst geleistet hatte, bevor sie von der Leistung der Beklagten Kenntnis
erlangt hat. Die T-BG hat ihre laufenden Zahlungen zum Juni 1998 aufgenommen. Da sie
die Beklagte darüber bereits im April 1998 informiert hatte, musste sie nicht wissen,
dass die Beklagte noch bis Juli 1998 die Rentenzahlungen weiter in voller Höhe leisten
würde. Davon ganz abgesehen würde nur die positive Kenntnis der T-BG einen weiteren
Ersatzanspruch der Beklagten begründen. Diese lag nicht vor, weil die Beklagte nicht
ihrerseits der T-BG die Weiterleistung angezeigt hatte. Ersatzanspruch und
Erfüllungsfiktion endeten demnach am 31. Mai 1998. Ab dem 1. Juni 1998 lag für die von
der Beklagten mit Wirkung ab 1. Dezember 1997 ausgesprochenen Rentenbewilligungen
eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage vor.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGBX war die Beklagte verpflichtet, die Rentenbewilligung mit
Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Da insoweit eine gebundene Entscheidung vorliegt,
kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte § 45 SGB X anwenden wollte. Die
Umdeutung einer auf § 45 SGB X gestützten Rücknahme in eine Aufhebung nach § 48
SGB X ist unproblematisch möglich, da kein Ermessen auszuüben ist (BSG Urt. v. 30.
Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4). Auch eine Anhörung war entbehrlich.
Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn
einkommensabhängige Leistungen geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen.
Die Aufnahme der laufenden Zahlungen aus der Unfallversicherung ist als Erzielung von
Einkommen anzusehen, das zum (teilweisen) Wegfall des Anspruchs gegen die
Rentenversicherung führt (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93
Nr. 4).
Die Klägerin zu 1) hat mit ihrer Berufung auch insoweit keinen Erfolg, als sie sich gegen
das klagabweisende Urteil in Bezug auf die Bescheide der Beklagten vom 23. November
1998 und 10. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.
Februar 2001 wendet. Der Bescheid vom 23. November 1998 hebt den Bescheid vom
11. Juni 1998 teilweise auf und stellt die Zahlung des ab August 1998 gewährten
Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Januar 1999
ein. Rechtsgrundlage ist § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Unbeachtlich ist, dass die
Beklagte erst im Verlaufe des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen hat, dass die
Bewilligung des Beitragszuschusses wegen Aufenthalts im Ausland wieder aufgehoben
worden ist. Gemäß § 41 Abs. 2 iVm Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann eine fehlende Anhörung bis
zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Die Vorschrift findet vorliegend
Anwendung, da bei ihrer Einführung zum 1. Januar 2001 das Widerspruchsverfahren
gegen den Bescheid vom 23. November 1998 noch nicht abgeschlossen war. Die
Beklagte hat der Klägerin noch vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens die
Umstände mitgeteilt, die nach ihrer Auffassung die getroffene Entscheidung
rechtfertigten. Da die Klägerseite sich hierzu nicht mehr geäußert hat, war ein weiteres
förmliches Verwaltungsverfahren zur Entscheidung über die im Rahmen der Anhörung
vorgetragenen Tatsachen (vgl. BSG, Urt. v. 6. April 2006 – B 7 a AL 64/05 R) entbehrlich.
Die Bewilligung eines Beitragszuschusses an die Klägerin zu 1) war von Anfang an
rechtswidrig. Nach § 111 Abs. 2 SGB VI erhalten Berechtigte mit gewöhnlichem
Aufenthalt im Ausland keinen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die
Klägerin zu 1) hielt sich seit November 1997 und damit auch im Juni 1998 und im Januar
1999 im vertragslosen Ausland auf, nämlich in Ä. Die Zukunftsoffenheit dieses
Aufenthaltes ergibt sich daraus, dass die bisherige Wohnung in M aufgegeben war. Den
Aufenthalt in Ä beendete die Klägerin zu 1) erst mit ihrem Verzug nach Ö, der bestätigt
ist durch die dort Mitte 1999 erfolgte Anmeldung. Soweit die Klägerin im Jahre 2000
gegenüber der Beklagte angegeben hat, sich bereits seit Mitte 1998 in Ö aufzuhalten,
sind diese Angaben mit ihren anders lautenden vorherigen zeitnäheren und deshalb als
wahrheitsgemäß anzusehenden Ausführungen unvereinbar. Ihre Bevollmächtigten
haben der Beklagten im Dezember 1998 ein Schreiben vom 28. Dezember 1998
vorgelegt, in dem die Klägerin selbst angibt, zur Zeit gezwungen zu sein, ihren
Aufenthalt in Ä zu verlängern.
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Die Voraussetzungen für eine Rücknahme – auch mit Wirkung für die Vergangenheit (§
45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) – lagen vor. Die Klägerin zu 1) hat falsche Angaben über das
Fortbestehen eines Wohnsitzes im Inland gemacht. Ihr Antrag auf Gewährung eines
Zuschusses vom Dezember 1997 gibt als Adresse noch M an, obwohl sie dort schon
abgemeldet war. Demnach beruht die Bewilligung des Zuschusses auf Angaben, welche
die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder
unvollständig gemacht hat. Die Rücknahme der Bewilligung ist auch nicht
ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Beklagte wollte mit ihrem Bescheid vom 23. November
1998 die Zahlung eines Beitragszuschusses aus damaliger Sicht nur mit Wirkung für die
Zukunft einstellen. Wird die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides auf die
Zukunft beschränkt, obwohl auch eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit in
Frage steht, so lässt dies erkennen, dass die Behörde von dem ihr in § 45 Abs. 1 SGB X
eingeräumten Ermessen ausreichenden Gebrauch gemacht hat (BSG, Urt. v. 17. April
1996 – 3 RK 18/95 - = SozR 3-5425 Nr 14).
Mit Recht hat das Sozialgericht auch die Klage gegen den Bescheid vom 10. November
1999 abgewiesen, der die Rente der Klägerin zu 1) als „Auslandsrente“ feststellt. Die
Rentenleistungen sind gegenüber dem Bescheid vom 11. Juni 1998 unverändert, die
Bewilligung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung war mit Wirkung vom
1. Januar 1999 bereits durch den Bescheid vom 23. November 1998 zurückgenommen.
Für die ausdrücklich erhobene (isolierte) Anfechtungsklage fehlt danach das
Rechtsschutzbedürfnis, da nicht ersichtlich ist, dass der Bescheid in bereits gewährte
Rechte der Klägerin eingreifen könnte.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts hat ebenso wenig Erfolg.
Mit Recht hat das Sozialgericht die Bescheide vom 27. Juli 1999 in der Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 7. Februar 2001 aufgehoben, in denen die Beklagte die
Rentenbewilligungen an die Klägerinnen mit Wirkung vom 28. Mai 1997 bis 31. Juli 1998
aufgehoben hat. Für eine Rücknahme oder Aufhebung der Rentenbewilligungen
betreffend die Zeit vom 28. Mai 1997 bis 30. Mai 1998 fehlt es bereits an einer
denkbaren Rechtsgrundlage. Die §§ 45, 48 SGB X sind nicht anwendbar. Soweit
Erstattungsanspruch und Erfüllungsfiktion reichen, sind die Bescheide der Beklagten
nicht rechtswidrig und liegt auch keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage
vor (BSG Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4, Urt. v. 26. April
2005 – B 5 RJ 36/04 R -).
Soweit der Bescheid vom 27. Juli 1999 die Rentenbewilligungen für die Monate Juni und
Juli 1998 betrifft, ist eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt. Als
Rechtsgrundlage dafür kommt § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in Betracht. Nach dieser
Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der
Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des
Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall des
Anspruchs geführt haben würde. Der Beginn der laufenden Zahlungen aus der
Unfallversicherung, ohne dass ein Erstattungsanspruch der Beklagten besteht, ist als
Erzielung von Einkommen anzusehen, das zum Wegfall des Anspruchs geführt hat (BSG
Urt. v. 30. Juni 1997 -8 RKn 28/95 - = SozR 3-2600 § 93 Nr. 4). Die Aufhebung scheitert
aber jedenfalls - wie schon das Sozialgericht richtig gesehen hat – an der Versäumung
der nach §§ 48 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X maßgeblichen Jahresfrist. Zwar
beginnt die Jahresfrist für die Aufhebung/Rücknahme von Verwaltungsakten mit Wirkung
für die Vergangenheit in Fällen, in denen die Rückforderungsmöglichkeit von subjektiven
Voraussetzungen beim Leistungsempfänger (Bösgläubigkeit) abhängig ist, grundsätzlich
nicht vor Eingang des Ergebnisses der Anhörung, weil für die Beurteilung die Kenntnis
dieser Tatsachen Voraussetzung ist (BSG Urt. v 8. Februar 1996 – 13 RJ 35/94 - = SozR
3-1300 § 45 Nr 27; Urt. v. 27. Juli 2000 – 7 AL 88/99 R - = SozR 3-1300 § 45 Nr 42).
Vorliegend steht aber allein die Aufhebung wegen Änderung objektiver Umstände in
Frage. In den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X kommt es deshalb nur darauf an,
ab wann die Behörde Kenntnis von der Änderung hat (BSG, Urt. v. 25. April 2002, - B 11
AL 69/01 R -). Die Beklagte hatte jedenfalls seit Mai 1998 Kenntnis von der Aufnahme
der Zahlungen durch die T-BG und damit von allen für die Entscheidung über die
Aufhebung erforderlichen Tatsachen. Die Jahresfrist für die Rücknahme begann daher
bereits jeweils mit den gleichwohl noch erfolgten Zahlungen der ungekürzten Rente aus
der Rentenversicherung, also für die Junirente am 1. Juni 1998 und für die Julirente am 1.
Juli 1998, so dass die Jahresfrist am 28. Juli 1999 bereits verstrichen war. Aus einer von
der Beklagten geltend gemachten, auch in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X
bestehenden, Verpflichtung zur Anhörung folgt nichts Gegenteiliges. Ungeachtet
dessen, dass es sich um ein Verfahrensrecht handelt und gemäß den obigen
Ausführungen durch die Anhörung keine entscheidungserheblichen Tatsachen zu
ermitteln waren, geht die Pflicht zur Anhörung nicht so weit, dass mehr als ein Jahr auf
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ermitteln waren, geht die Pflicht zur Anhörung nicht so weit, dass mehr als ein Jahr auf
das Ergebnis gewartet werden müsste. Es ist nicht erfindlich, dass die Beklagte die
Anhörungsrechte der Klägerinnen verletzt hätte, wenn sie eine Äußerungsfrist gesetzt
und unmittelbar danach entschieden hätte.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG. Sie berücksichtigt das Ergebnis in der
Hauptsache und den Umstand, dass das Berufungsbegehren der Klägerinnen
wirtschaftlich größeres Gewicht hat als das der Beklagten.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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