Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.11.2008

LSG Berlin und Brandenburg: ddr, zugehörigkeit, gleichbehandlung im unrecht, eintritt des versicherungsfalles, deklaratorische wirkung, anwartschaft, juristische person, ex tunc, umwandlung, urkunde

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 13.11.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 14 RA 341/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 33 R 1318/08
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 8. April 2005 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der beklagte Zusatzversorgungsträger für den Kläger Zeiten der Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz (AVItech) – System Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und
Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) - und die im fraglichen Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte
festzustellen hat.
Dem 1952 geborenen Kläger wurde nach Abschluss seines Studiums an der Technischen Hochschule Otto von
Guericke Magdeburg mit Urkunde vom 4. Oktober 1976 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Vom 1.
September 1976 an war er, der in der DDR nicht in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen worden war, beim VEB
Schwermaschinenbau "H R" W (im Folgenden: VEB) als Konstrukteur beschäftigt. Der VEB wurde mit
Umwandlungserklärung vom 13. Juni 1990, die von einem in Berlin-Schöneberg ansässigen Notar notariell beurkundet
worden ist, gemäß der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in
Kapitalgesellschaften (Umwandlungs-VO) vom 01. März 1990 (GBl. DDR I 1990, S. 107) in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt, die unter dem Namen "S Aktiengesellschaft W bei B " (im Folgenden: AG) firmierte. Auf dem
Registerblatt des Bezirksvertragsgerichts Potsdam zu HRB 145 ist als Tag der Eintragung der 29. Juni 1990
vermerkt.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 lehnte es die Beklagte ab, die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 1990
als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festzustellen, weil weder eine
positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen habe, noch am 30. Juni 1990 (Schließung der
Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die - aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis
der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Der VEB sei vor dem 30. Juni 1990 privatisiert worden
und der Kläger somit nicht im Geltungsbereich der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz tätig gewesen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2004 mit der
Begründung des Ausgangsbescheides zurück.
Mit seiner hiergegen am 29. April 2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und im
Wesentlichen beanstandet, dass die Beklagte ihren Maßstab, nach dem sie Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech
anerkannt habe, zu Ungunsten der Betroffenen verändert habe. Jedenfalls seien entsprechende Anträge von der
Beklagten noch in den Jahren 1998 und 1999 positiv beschieden worden. Zudem bestreite er, dass der VEB vor dem
30. Juni 1990 wirksam privatisiert worden sei.
Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2005 abgewiesen. Zur Begründung, auf
deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf
die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten habe, weil er weder zu irgendeinem Zeitpunkt in das Versorgungssystem
AVItech einbezogen gewesen sei noch aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Umstände einen Anspruch auf
Erteilung einer Versorgungszusage für die AVItech gehabt habe, da er am 30. Juni 1990 nicht mehr in einem
volkseigenen Produktionsbetrieb beschäftigt gewesen sei.
Gegen diesen am 15. April 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 9. Mai 2005 eingelegte Berufung
des Klägers, mit der er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Nachdem er zunächst
vorgetragen hat, dass aus anderen Verfahren – auch beim LSG Berlin-Brandenburg anhängigen – bekannt sei, dass
es zu nachweisbaren Rückdatierungen beim Registergericht, insbesondere bei dem hier betroffenen Registergericht
Potsdam gekommen sei, was nicht zuletzt auf den massiven Arbeitsanfall im Juni 1990 zurückzuführen gewesen sei,
hat er im Termin zur mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass ihm kein Verfahren bekannt sei, in dem festgestellt
worden sei, dass es beim Bezirksvertragsgericht Potsdam zu einer Rückdatierung gekommen sei. Er beruft sich nun
darauf, dass eine wirksame Umwandlung der Vorlage verschiedener Dokumente bedürfe, die bisher nicht bekannt
seien. Jedenfalls sei aber die den VEB betreffende Umwandlungserklärung nicht in der erforderlichen notariellen Form
abgegeben worden. Die Beurkundung der Umwandlungserklärung hätte durch das Staatliche Notariat der DDR erfolgen
müssen und nicht durch einen im früheren Berlin (West) ansässigen Notar. Die beabsichtigten Wirkungen dieser
Erklärung hätten deshalb nicht eintreten können. Schließlich sei entgegen der einschlägigen sozialgerichtlichen
Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsform des Beschäftigungsbetriebes zum maßgebenden Stichtag nicht auf den
30. Juni 1990, sondern auf den 29. Juni 1990 abzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 8. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.
Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, die Zeit vom 1. September 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum
Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten
Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten
verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Cottbus hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech vom 1. September 1976 bis zum 30.
Juni 1990 und damit auch keinen Anspruch auf Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte. Der
Kläger hat keine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVItech erworben. Er erfüllt nicht die
Voraussetzungen für eine Einbeziehung in dieses Versorgungssystem.
Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 AAÜG hat der vor der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften
zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung
unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus
der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder
Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach
Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, und insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem
Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten
der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der
Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).
Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene
Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die
Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es
grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie
der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt.
Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von
diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu
einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der
Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits
bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.
Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVItech grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen
Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1
EV bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem
früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR
wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden
ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine
Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an,
denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine
Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen
Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen - dies trifft jedoch auf die AVItech nicht zu - galten auch ohne
Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der
Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. Urteil des BSG vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R -, im Folgenden: zitiert
nach Juris).
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat
damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a,
wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und
Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII
Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR,
wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine
Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen
Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsah, dieser
Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren.
Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein
Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur
noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige,
der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVItech erhalten hatte, hatte nach deren
Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (Urteil des BSG vom 09. April
2002 - B 4 RA 31/01 R-). Die AVItech kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von
Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche
Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai
1951 – Gbl. DDR 1951, 487 - (2. DB zur AVItech-VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der
Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen
oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor
Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen
nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von
Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.
War der Betroffene in die AVItech einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem
Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner
Anwartschaft verlustig.
Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die
Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30.
Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne
rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders
behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die
Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden
dürften, nicht einbezogen gewesen seien (Urteil des BSG vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R -). Wie ausgeführt,
konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar
am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren,
nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses
Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft
zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt
werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen
Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines
Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt
hätte (Urteile des BSG vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R – und - B 4 RA 41/01 R -). Der aus Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz (GG) abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass
bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990
angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer
Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden
ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März
1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R -).
Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den
weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R - und - B 4 RA 20/03 R - fortgeführt und eindeutig
klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 R - hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese
Rechtsprechung zu modifizieren. An dieser Rechtsprechung hat das BSG mit Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 12/04
R - festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die
eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni
1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben. Dieser - fiktive – bundesrechtliche Anspruch auf
Erteilung einer Zusage im Bereich der AVItech hängt gemäß § 1 AVItech-VO von den folgenden Voraussetzungen ab,
nämlich
1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und 2. der Ausübung
einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar in 3. einem volkseigenen Produktionsbetrieb im
Bereich der Industrie oder des Bauwesens (betriebliche Voraussetzung).
Ist am 30. Juni 1990 und nicht, wie der Kläger meint, am 29. Juni 1990 nur eine diese Voraussetzungen nicht
gegeben, kommt eine nachträgliche Feststellung von Zusatzversorgungszeiten der AVItech nicht in Betracht.
Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24.
März 1998 - B 4 RA 27/97 R -, vom 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R – und vom 10. April 2002 – B 4 RA 32/01 R). In
jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni 1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den
Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um
einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde liegenden
Zeitraum gestritten wurde oder, wie in dem Urteil vom 10. April 2002 um die Frage, ob noch eine weitere bestimmte
Beschäftigungszeit, zusätzlich zu den aufgrund der Aushändigung der Urkunde bereits anerkannten Zeiten, wegen
ihrer Art nach in ein Versorgungssystem mit einzubeziehen war. Diese Entscheidungen betrafen somit tatsächlich
Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile insoweit zu erheblichen Missverständnissen geführt, als es dort heißt,
dass eine "Zeit der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nur dann vorliege, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt
(nicht notwendig zum 30. Juni 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, wegen der ihrer Art nach
eine zusätzliche Alterversorgung in einem Versorgungssystem vorgesehen war (vgl. Urteil des BSG vom 10. April
2002, a. a. O.). Dabei ist jedoch verkannt worden, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich
einbezogenen Berechtigten hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, wie dem Kläger, die
keine Urkunde über die Einbeziehung in ein Versorgungssystem erhalten haben, hat das BSG mit diesen Urteilen
überhaupt nicht entschieden.
Da der Kläger in der DDR zu keinem Zeitpunkt aufgrund eines staatlichen Akts oder einer einzelvertraglichen Zusage
in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und er auch eine solche Einbeziehung nicht nachträglich durch
Rehabilitierung erlangt hat, kann er dem Anwendungsbereich des AAÜG nur unterfallen, wenn er am Stichtag, dem 30.
Juni 1990, die Voraussetzungen für eine - fiktive - Einbeziehung in die AVItech erfüllt hätte. Dies ist aber nicht der
Fall, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten
Produktionsbetrieb beschäftigt war. Denn der VEB war gemäß § 7 Satz 3 Umwandlungs-VO am 29. Juni 1990 mit der
Eintragung der AG in das Register erloschen. Das Erlöschen des Betriebes war nach § 7 Satz 4 Umwandlungs-VO
von Amts wegen in das Register der volkseigenen Betriebe einzutragen. Diese Eintragung hatte aber keine
konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Wirkung.
Soweit der Kläger vorträgt, dass der Eintragungsvorgang mängelbehaftet gewesen und sinngemäß die Umwandlung
deshalb unwirksam sei, kann der Senat offen lassen, ob dieser Vortrag zutrifft. Der Vortrag erschöpft sich insoweit in
Mutmaßungen, ohne dass Mängel konkret benannt werden. Jedenfalls ist die Umwandlung mit Eintragung der AG in
das Register nach § 7 Satz 1 Umwandlungs-VO wirksam geworden. Damit ist die AG rechtlich wirksam als juristische
Person entstanden. Mängel des Gründungsvorgangs oder des Gründungsvertrages (z. B. Formfehler) werden durch
die Eintragung geheilt (vgl. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 11. Auflage 2000, Seite 322 für die Eintragung der AG
nach dem Aktiengesetz in das Handelsregister und Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 18. Auflage
2006, § 9c RdNr. 13 für die Eintragung einer GmbH, jeweils m. w. Nachw.). Ein solches, in der Rechtsform der AG
geführtes Unternehmen, unterliegt nicht dem Anwendungsbereich des zu Bundesrecht gewordenen § 1 Abs. 1 der 2.
DB und damit der AVItech, weil es sich schon nicht um einen volkseigenen Betrieb handelt.
Soweit der Kläger ausdrücklich die Formwirksamkeit der notariellen Beurkundung der Umwandlungserklärung durch
einen so genannten West-Notar in Zweifel zieht, kann er mit diesem Vorbringen auch deshalb keinen Erfolg haben,
weil der Gesetzgeber den in der Literatur insoweit geäußerten Bedenken mit Art. 231 § 7 Abs. 1 Einführungsgesetz
zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Rechnung getragen hat. Hiernach ist eine vor dem Wirksamwerden des
Beitritts erfolgte notarielle Beurkundung oder Beglaubigung nicht deshalb unwirksam, weil die erforderliche
Beurkundung oder Beglaubigung von einem Notar vorgenommen wurde, der nicht in dem in Art. 3 EV genannten
Gebiet berufen oder bestellt war, sofern dieser im Geltungsbereich des GG bestellt war. Rechtsgeschäfte, die nach
DDR-Recht möglicherweise in Folge der Einschaltung einer nicht zugelassenen Urkundsperson unter einem
Formmangel leiden, sind danach dennoch wirksam, wenn die für das Rechtsgeschäft erforderliche Form, wie im
vorliegenden Fall, von einem Notar aus den alten Bundesländern oder Berlin (West) eingehalten wurde. Die Heilung ist
von Amts wegen zu beachten und wirkt ex tunc (Heinrichs in Palandt, BGB, 54. Auflage 1995, Art. 231 § 7 EGBGB
RdNr. 3 und Busche in Münchener Kommentar zum BGB, Band 11, 4. Auflage 2006, Art. 231 § 7 EGBGB RdNr. 7,
jeweils m. w. Nachw.).
Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung an "seiner Bitte festgehalten hat, ihm die
Eintragungsverfügung des Bezirksvertragsgerichts Potsdam zu übersenden", brauchte der Senat dieser Bitte nicht
nachzugehen, weil nicht ersichtlich ist, welcher Erkenntnisgewinn mit diesen Ermittlungen verbunden sein soll. Den
zunächst sinngemäß erhobenen Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt hat der Kläger nicht aufrechterhalten. Es ist
auch nicht im Ansatz erkennbar, dass die AG nach dem 30. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen und diese
Eintragung rückdatiert worden ist. Der ursprüngliche Vortrag des Klägers erschöpfte sich insoweit in Mutmaßungen.
Dem Senat ist auch nicht ein Verfahren bekannt, in dem festgestellt worden ist, dass eine Eintragung durch das
zuständige Gericht rückdatiert worden ist. Bei der "Bitte" handelt es sich außerdem nicht um einen formgerechten
Beweisantrag. Der Kläger hat weder die zu beweisenden Tatsachen und das Beweisthema benannt noch ausgeführt,
zu welchem Ergebnis die Beweisführung gelangen soll.
Die AG war schließlich kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Anhaltspunkte hierfür hat der
Kläger weder vorgetragen noch ist Entsprechendes nach Aktenlage hierfür ersichtlich.
Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers erfüllte damit am maßgeblichen Stichtag, dem 30. Juni 1990, nicht mehr die
betrieblichen Voraussetzungen im Sinne des Versorgungsrechts. Diese Stichtagsregelung ist auch nicht
verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtliche
Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung bestand, Personen, wie den Kläger, die nach
den Regelungen des Zusatzversorgungssystems der AVItech am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine fiktive
Versorgungsanwartschaft nicht erfüllten, den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen
und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von
Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer
schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen. Dies gilt unbeschadet dessen, dass die
Anwendung des Stichtags 30. Juni 1990 mit erheblichen Härten verbunden ist (BVerfG in SozR 4-8560 § 22 Nr. 1).
Sofern die Beklagte Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech bei anderen ehemaligen Mitarbeitern des VEB festgestellt
haben sollte, ohne dass diese in das Versorgungssystem konkret einbezogen waren, wären diese Bescheide
rechtswidrig. Das auf die sinngemäße Erteilung eines solchen rechtswidrigen Bescheides gerichtete Begehren des
Klägers findet in Artikel 3 GG keine Stütze. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.