Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2007

LSG Berlin und Brandenburg: unechte rückwirkung, freiwillige versicherung, abkommen über soziale sicherheit, ablauf der frist, ende der frist, japan, versicherungspflicht, wartefrist, erworbene rechte

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 12.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 73 RA 4059/01
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 RA 32/04
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Rentenversicherung für den Zeitraum 1. Juli
1992 bis 24. Juli 1998.
Der 1965 in T geborene Kläger ist japanischer Staatsangehöriger. Vom 1. Juli 1992 bis zum 24. Juli 1998 war er bei
der M & Co. Deutschland GmbH in D beschäftigt. Für den gesamten 73-monatigen Beschäftigungszeitraum wurden
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.
Am 16. August 1999 beantragte der inzwischen wieder in Japan lebende Kläger erstmals bei der Beklagten die
Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Dabei legte er folgende "Vereinbarung" mit seiner
Arbeitgeberin vom 1. Juli 1992 vor: " wird hiermit vereinbart, dass der Arbeitgeber von seinem Abzugsrecht nach §
119 Abs. 1 AVG keinen Gebrauch macht, sondern zusätzlich zu den jeweils zu gewährenden Bar- und Sachbezügen
nebst den Lohn- bzw. Einkommenssteuerbeträgen als weiteren Gehaltsbestandteil auch die Arbeitnehmeranteile zur
gesetzlichen Sozialversicherung übernimmt. Dies geschieht bezüglich der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen
Rentenversicherung jedoch mit der Maßgabe, dass der Arbeitnehmer diese Gehaltsteile zum Ende des
Beschäftigungsverhältnisses an den Arbeitgeber in der Höhe des Anspruchs auf Beitragserstattung gemäß § 82 AVG
zurückzuzahlen hat. Die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers kann dadurch erfüllt werden, dass der
Arbeitnehmer den Beitragserstattungsanspruch zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses an den Arbeitgeber
abtritt."
Gleichzeitig legte der Kläger einen "Abtretungsvertrag" vom 24. Juli 1998 vor, mit dem er seinen Anspruch auf
Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte an seine ehemalige Arbeitgeberin abtrat.
Diesen ersten Antrag auf Beitragserstattung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 1999 ab, weil seit dem
Ausscheiden des Klägers aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate noch nicht abgelaufen seien. Ende der
Frist sei der 31. Juli 2000.
Einen zweiten Antrag auf Beitragserstattung stellte der Kläger am 28. August 2000. Diesen lehnte die Beklagte durch
Bescheid vom 9. Oktober 2000 mit der Begründung ab, dass der Kläger das Recht zur freiwilligen Versicherung in der
deutschen gesetzlichen Rentenversicherung besitze. Unerheblich sei, ob tatsächlich freiwillige Beiträge gezahlt
würden. Das Recht zur freiwilligen Versicherung resultiere aus dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Japan am 20. April 1998 abgeschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit, das am 1. Februar 2000 in Kraft
getreten sei. Sei bei japanischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Japan die gesetzliche 24-
monatige Wartefrist (seit Wegfall der deutschen Versicherungspflicht) erst nach dem Inkrafttreten des Abkommens
abgelaufen, so komme es nur dann zu einer Beitragserstattung, wenn – anders als beim Kläger – weniger als 60
Monate Beiträge in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt worden seien.
Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass sein Erstattungsanspruch dem
Grunde nach schon im Jahre 1998 entstanden sei, als die Versicherungspflicht geendet habe. Das Abwarten der 24-
monatigen Frist stelle nur eine formale Angelegenheit dar. Das Zufallsdatum des Inkrafttretens des deutsch-
japanischen Sozialversicherungsabkommens dürfe nicht den Ausschlag geben.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im
Wesentlichen aus: Nach § 210 SGB VI sei einem Versicherten auf Antrag die Hälfte der gezahlten Beiträge u. a. nur
dann zu erstatten, wenn die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfallen sei
und kein Recht zur freiwilligen Versicherung bestehe. Mit dem Inkrafttreten des Abkommens über soziale Sicherheit
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan am 1. Februar 2000 seien japanische Staatsangehörige, die
sich gewöhnlich in Japan aufhalten, nach Nr. 6 c des Protokolls zum Abkommen zur freiwilligen Versicherung in der
deutschen Rentenversicherung berechtigt, wenn sie – wie der Kläger – für mindestens 60 Monate deutsche
Beitragszeiten zurückgelegt hätten. Der Kläger erfülle aufgrund seiner ununterbrochenen Beitragsleistung vom 1. Juli
1992 bis zum 24. Juli 1998 diese Voraussetzung, so dass ein Anspruch auf Beitragserstattung nicht bestehe. Die
Möglichkeit der Beitragserstattung habe entgegen dem Widerspruchsvorbringen zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Der
Antrag auf Beitragserstattung sei eine materiell-rechtliche Voraussetzung. Der Anspruch werde im Zeitpunkt der
Antragstellung fällig, wenn die übrigen Voraussetzungen vorlägen. Bei Stellung des ersten Erstattungsantrages am
16. August 1999 hätten noch nicht alle Voraussetzungen für die Beitragserstattung vorgelegen, weil die Wartefrist von
24 Kalendermonaten erst am 31. Juli 2000 abgelaufen sei. Es sei keine Unterscheidung zu treffen zwischen der
Entstehung des Anspruchs im Zeitpunkt des Entfallens der Versicherungspflicht und der Möglichkeit der
Geltendmachung nach Ablauf der Zweijahresfrist. Maßgeblich sei allein, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die
Voraussetzungen für die Beitragserstattung erfüllt seien. Der Antrag könne zwar vor Ablauf der 24-monatigen
Wartefrist gestellt werden, jedoch entstehe der Erstattungsanspruch erst nach Ablauf der Frist. Aus diesen Gründen –
Ablauf der Wartefrist erst am 31. Juli 2000 – habe der im Jahre 1999 vorfristig gestellte Antrag auch abgelehnt werden
müssen.
Mit der am 22. Juni 2001 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, sein
Beitragserstattungsanspruch sei dem Grunde nach schon nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses und seinem
Rückgang nach Japan entstanden. Es hätten lediglich noch 24 Monate Wartefrist abgewartet werden müssen; früher
habe diese Wartefrist nur 6 Monate betragen. Das Inkrafttreten des Sozialversicherungsabkommens zum
Zufallsdatum 1. Februar 2000 habe nichts mehr am Lauf der Wartefrist und am bereits dem Grunde nach
entstandenen Erstattungsanspruch ändern können. Mit ihrem Standpunkt bürde die Beklagte dem betroffenen
Personenkreis eine Doppelversicherung in Japan und in Deutschland auf. Bei einer Zweckmäßigkeitsprüfung hätte der
Widerspruchsbescheid anders ausfallen müssen, zumal die Beklagte jedenfalls die Arbeitgeberbeiträge zur
Sozialversicherung behalten dürfe. Im Falle des Klägers sei die Wartefrist zum größten Teil schon abgelaufen
gewesen, als das Sozialversicherungsabkommen in Kraft getreten sei. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten
beeinträchtige rückwirkend die Disposition, die der Kläger im Benehmen mit seiner Arbeitgeberin habe treffen dürfen.
Mit Urteil vom 8. Dezember 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Zu Recht habe die Beklagte die Beitragserstattung abgelehnt, denn die Voraussetzungen
des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 210 SGB VI seien nicht vollständig erfüllt. Maßgeblich
sei, dass der Kläger auf der Grundlage von Ziffer 6 Buchst. c des Protokolls zum deutschen-japanischen
Sozialversicherungsabkommen in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 1 des Abkommens ein Recht auf freiwillige
Weiterversicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung besitze, weil er bereits für mehr als 60 Monate
Beiträge entrichtet habe. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt sei insoweit der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
Weder das SGB VI noch das deutsch-japanische Sozialversicherungsabkommen enthielten Ausnahmevorschriften zu
Gunsten derjenigen Versicherten, die bereits vor dem Jahre 2000 einen Antrag auf Beitragserstattung gestellt oder vor
diesem Zeitpunkt eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland beendet hätten. Daraus folge, dass der
vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach dem aktuell geltenden Recht nicht bestehe. Es verstoße auch nicht
gegen das Rechtsstaatsprinzip, wenn das einfache Recht für einen Fall wie denjenigen des Klägers keine
Ausnahmeregelung vorsehe. Es handele sich um so genannte unechte Rückwirkung, weil der Anspruch als solcher in
der Vergangenheit noch nicht durchsetzbar entstanden sei. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass der
Kläger vor dem Inkrafttreten des deutsch-japanischen Sozialversicherungsabkommens keinen Anspruch auf
Beitragserstattung gehabt habe, weil die 24-monatige gesetzliche Wartefrist noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Insoweit habe nur eine Anwartschaft bestanden. Der Anspruchserwerb sei vor Ablauf der 24-monatigen Frist noch
nicht beendet gewesen. Grundsätzlich liege es im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, welche Rechtsfolgen er
an Tatbestände knüpfen wolle, die zwar ihre Wurzel auch in der Vergangenheit hätten, aber noch nicht abgeschlossen
seien. Das deutsch-japanische Sozialversicherungsabkommen habe dem Kläger keinen bestehenden Anspruch
entzogen, sondern nur die Möglichkeit zum Anspruchserwerb. Besondere Vertrauensschutzgesichtspunkte, welche
die Rechtsänderung für die Betroffenen unzumutbar erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Dem Arbeitnehmer
würden seine Beitragszeiten durch das Inkrafttreten des Abkommens auch nicht vollständig genommen. Anstelle des
Anspruchs auf Beitragsrückerstattung trete vielmehr bei Überschreiten der Mindestversicherungszeit von 60 Monaten
ein Leistungsanspruch im Versicherungsfall. Der Kläger könne nunmehr damit rechnen, ab dem 65. Lebensjahr
Regelaltersrente von der Beklagten zu beziehen. Seine Ansprüche seien danach nicht völlig entwertet worden,
sondern nur anders ausgestaltet, weshalb auch keine Rede von einem übermäßigen Eingriff sein könne.
Gegen das ihm am 18. Februar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. März 2004 Berufung eingelegt. Zur
Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Höchstrichterliche Rechtsprechung zu
diesem Problemkreis liege noch nicht vor. Das Sozialgericht verkenne, dass der Anspruchserwerb vollzogen gewesen
sei, nur sei die Leistung vor Ablauf von 24 Kalendermonaten noch nicht fällig gewesen. Es könne nicht sein, dass bei
einem Sachverhalt, bei dem die 24- Monatsfrist schon so weit fortgeschritten sei, die Dinge nun gewissermaßen auf
den Kopf gestellt würden. Die Beklagte müsse auch berücksichtigen, welche Dispositionen Arbeitgeber und
Beschäftigter mit Blick auf eine eindeutige Rechtslage getroffen hätten. Sofern die Auslegung der Beklagten
zutreffend sei, gebiete das Willkürverbot aus Art. 3 Grundgesetz jedenfalls die Anwendung einer Übergangsregelung.
Der Erstattungsanspruch sei ein eigentumsbegründendes Recht, das nach Ablauf der Wartezeit zum Vollrecht
erstarke.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2000
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die
während seiner Beschäftigung in Deutschland vom 1. Juli 1992 bis zum 24. Juli 1998 geleisteten Arbeitnehmeranteile
zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des
Verwaltungsvorgangs der Beklagten, der Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung der
Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht durfte über die Sache ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr
ausdrückliches Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2003 ist zulässig, hat aber
keinen Erfolg. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage zutreffend. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung der Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum 1. Juli 1992 bis 24. Juli
1998. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür sind nicht erfüllt.
Der Kläger ist befugt, den Prozess im eigenen Namen zu führen, auch wenn er gegenüber seiner ehemaligen
Arbeitgeberin die Abtretung seines Beitragserstattungsanspruchs erklärt hat. Ob die Abtretung, gemessen an § 53
SGB I, überhaupt wirksam ist, lässt der Senat hierbei ausdrücklich offen. Die Arbeitgeberin konnte und sollte mit der
Abtretung nur das - künftige - festgestellte Recht auf Beitragserstattung erwerben, nicht aber in die gesamte
Rechtsstellung des Klägers aus dem Sozialrechtsverhältnis eintreten. Dem Kläger verblieb vielmehr aus dem
Sozialrechtsverhältnis zur Beklagten das Recht, den angeblichen Anspruch auf Beitragserstattung - nunmehr zu
erfüllen gegenüber der Arbeitgeberin - im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltend zu machen (vgl.
Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 2006. B 1 KR 24/05 R, Rdnr. 11).
Die in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen § 210 Abs.
1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI i.d.F. des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461). Der Kläger
hat den hiernach erforderlichen Antrag am 28. August 2000 wirksam gestellt. Dieser Antrag, der eine materiell-
rechtliche Anspruchsvoraussetzung und keine Fälligkeitsregelung ist, lässt den Anspruch entstehen, sobald er
wirksam gestellt ist und sofern zu diesem Zeitpunkt die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich
hierfür ist die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Sach- und Rechtslage (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2000,
B 4 RA 57/98 R, SozR 3-2600 § 210 Nr. 2, S. 5; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 29. Juni 2001, L 1 RA 30/00
und Urteil vom 29. August 2001, L 17 RA 65/00; Urteil des Senats vom 30. April 2004, L 5 RA 16/01 [die drei
letztgenannten ebenfalls in Beitragserstattungsstreitigkeiten japanischer Arbeitnehmer]). Nach § 210 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. Abs. 3 Satz 5 SGB VI sind den Versicherten auf Antrag die für die Zeit nach dem 20. Juni 1948 (nach der
Währungsreform) im Bundesgebiet gezahlten Beiträge unter den Voraussetzungen zu erstatten, dass sie nicht
versicherungspflichtig sind und das Recht zur freiwilligen Versicherung nicht haben. Nach § 210 Abs. 2 Satz 1 SGB
VI erfolgt die Erstattung nur, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen
sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
Zwar waren bei Antragstellung am 28. August 2000 mehr als 24 Monate seit Beendigung des
Versicherungspflichtverhältnisses (24. Juli 1998) vergangen; auch unterlag der nun in Japan aufhältliche Kläger
seitdem nicht wieder der Versicherungspflicht. Der Anspruch auf Beitragserstattung scheitert jedoch daran, dass der
Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung – wie die Beklagte und das Sozialgericht Berlin zutreffend
erkannt haben – ein Recht zur freiwilligen Versicherung besaß (und noch immer besitzt). Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB
VI besteht dieses Recht nur, wenn die allgemeine Wartezeit erfüllt ist. Der Kläger wies bei Antragstellung
Beitragszeiten von 73 Kalendermonaten auf und erfüllte so die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs.
1 SGB VI. Das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht auch für den Kläger als in Japan lebenden japanischen
Staatsangehörigen, weil Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan über
soziale Sicherheit vom 20. April 1998 dies so vorsieht. Nr. 6 Buchstabe c) des Protokolls zu diesem Abkommen
bestimmt insoweit ergänzend – letztlich nur deklaratorisch und in Übereinstimmung mit dem deutschen Recht -, dass
japanische Staatsangehörige, die sich im Hoheitsgebiet von Japan gewöhnlich aufhalten, zur freiwilligen
Rentenversicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt sind, wenn sie zu dieser für mindestens 60
Monate Beiträge wirksam entrichtet haben.
Wie das Sozialgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, liegt in dem Recht zur
freiwilligen Versicherung bzw. in dem zu erwartenden Rentenanspruch bei Eintritt in das Rentenalter nicht etwa eine
einseitige Belastung, sondern eine Wohltat zu Gunsten des Versicherten. Zwar mögen die vom Kläger und seiner
Arbeitgeberin bei Abschluss des Arbeitsvertrages getroffenen Vergütungsdispositionen vorausgesetzt haben, dass es
eines Tages zu einem Anspruch auf Beitragserstattung komme, so dass dem Kläger ein höheres Nettoentgelt
erbracht wurde und die Arbeitgeberin die Erwartung hatte, sich später über die Abtretung des Anspruchs auf
Beitragserstattung teilweise schadlos halten zu können. Gleichzeitig war zu keinem Zeitpunkt auszuschließen, dass
der Kläger über den Abschluss eines bilateralen völkerrechtlichen Vertrages das Recht zur freiwilligen Versicherung in
der deutschen Rentenversicherung erwerben würde. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage (das avisierte Recht auf
Beitragserstattung) geht insoweit zu Lasten der Arbeitgeberin bzw. des Klägers, der keine rechtliche Möglichkeit hat,
seine Verpflichtung gegenüber seiner ehemaligen Arbeitgeberin zu erfüllen. Verfassungsrechtlich ist dies nicht zu
beanstanden (ebenso: Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 29. Juni 2001, L 1 RA 30/00). Ein verfassungswidriger
Eingriff in das Recht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG, liegt nicht vor, denn stets mussten die Beteiligten davon
ausgehen, dass das Recht auf Beitragserstattung sich einmal nach der Sach- und Rechtslage beurteilen würde, wie
sie im Zeitpunkt der Antragstellung besteht. Rechtssicherheit im Sinne einer für die Zukunft garantierten
Beitragserstattung gab es nicht, als Kläger und Arbeitgeberin im Juli 1992 und Juli 1998 ihre im Tatbestand zitierten
Vereinbarungen trafen. Insoweit bestand vor statthafter Beantragung der Beitragserstattung bestenfalls eine
Anwartschaft, keineswegs aber ein von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Vollrecht. Eine Verletzung von
Vertrauensschutz kann der Senat daher nicht erkennen, weil Vertrauensschutz sich nur auf bereits erworbene Rechte
erstrecken kann. Nichts anderes gilt unter dem Aspekt der Rückwirkung. Gegen das Vorliegen verbotener
Rückwirkung durch Inkrafttreten des Abkommens über soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und Japan am 1. Februar 2000 spricht schon, dass dieses dem Kläger vor allen Dingen die Wohltat des Rechts auf
freiwillige Versicherung in der deutschen Rentenversicherung eingebracht hat. Sofern damit gleichzeitig die
Möglichkeit einer Beitragserstattung weggefallen ist, liegt allenfalls eine unechte Rückwirkung vor. Echte und
rechtsstaatlich bedenkliche Rückwirkung liegt nämlich nur vor, wenn der Gesetzgeber in vor Inkrafttreten der
Neuregelung abgeschlossene Tatbestände eingreift und dadurch die Rechtsposition des Bürgers mit Wirkung für die
Vergangenheit verschlechtert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 1971, 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272). Unechte
Rückwirkung ist demgegenüber oftmals nicht vermeidbar und unterliegt grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.
Eine solche liegt vor, wenn eine belastende Rechtsnorm zwar nicht auf vergangene, aber auch nicht nur auf
zukünftige, sondern auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwertet (vgl. BVerfG,
Entscheidung vom 23. März 1971, 2 BvL 2/66 u.a., BVerfGE 30, 367). Gerade weil dem Kläger mit den Regelungen
im deutsch-japanischen Sozialversicherungsabkommen in Gestalt des Rechts auf freiwillige Versicherung eine
erhebliche Begünstigung erwachsen ist, hält der Senat es für unbedenklich, dass die Erwartung – vor allem der
ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers – auf das Recht zur Beitragserstattung nachträglich enttäuscht wird.
Angesichts dessen bedurfte es auch keiner Übergangsregelung, um den Abkommensregelungen zur
Verhältnismäßigkeit zu verhelfen.
Letztlich verkennt der Kläger den begrenzten Normzweck der Beitragserstattung. Diese soll nur dann greifen, wenn bei
Ablauf der Wartefrist weder Versicherungspflicht noch Versicherungsberechtigung bestehen. Wenn der Kläger
hingegen kraft Abkommensrechts den Rechtsvorteil der Versicherungsberechtigung in der deutschen
Rentenversicherung erlangt, dann ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, ihm wahlweise die Möglichkeit der
Beitragserstattung weiter offen zu halten.
Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ergibt sich nichts anderes daraus, dass § 210 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der
vom 1. Januar 1992 bis zum 27. September 1996 geltenden Fassung vorsah, dass der Antrag auf Beitragserstattung
schon sechs Monate nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht gestellt werden durfte. Ihrem Vertrag vom
1. Juli 1992 legten der Kläger und seine Arbeitgeberin offenbar die (schon außer Kraft getretene) 24-Monats-Regelung
in § 82 Abs. 1 Satz 3 AVG zugrunde. Diese trat auch am 28. September 1996 wieder in Kraft, mithin zwei Jahre vor
Ablauf des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Erst recht galt sie bei Abschluss des deutsch-japanischen
Sozialversicherungsabkommens und im Zeitpunkt seines Inkrafttretens. Der Kläger konnte also in keinem
maßgeblichen Zeitpunkt darauf vertrauen, dass er die Beitragserstattung schon sechs Monate nach seinem
Ausscheiden aus der Versicherungspflicht beantragen dürfe.
Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht
zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegt.