Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.09.2006

LSG Berlin und Brandenburg: rechtswidrigkeit, erfüllung, schadenersatz, obliegenheit, behörde, rechtsgrundlage, verwaltungsakt, rechtsschutz, öffentlich, auskunftspflicht

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 28.09.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Cottbus S 25 AS 487/06 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 18 B 813/06 AS ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 20. Juli 2006 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die – entgegen der Ankündigung in der Beschwerdeschrift bis zum 25. September 2006 nicht begründete -
Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl. § 123
Sozialgerichtsgesetz – SGG -) den erstinstanzlich geltend gemachten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruches bzw. ihrer Klage gegen den Versagungsbescheid der Beklagten vom 27. April 2006 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2006 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG weiter verfolgt,
ist nicht begründet. Dabei stand einer Entscheidung des Senats nicht entgegen, dass das Sozialgericht (SG), bei dem
die Beschwerde eingelegt worden ist, eine Entscheidung nach § 174 SGG nicht getroffen hat. Denn der Beschwerde
kann schon deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt abgeholfen werden, weil der Versagungsbescheid vom
27. April 2006 ungeachtet seiner objektiven Rechtswidrigkeit in Bestandskraft erwachsen und damit für die Beteiligten
und das Gericht bindend (vgl. § 77 SGG) ist. Die Nachholung der Entscheidung nach § 174 SGG wäre bei dieser
Rechtslage ein bloßer Formalismus (vgl. hierzu: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März
2002 – L 10 B 29/01 SB – veröffentlicht in juris).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht statthaft; denn der Versagungsbescheid vom 27. April
2006, der dem Bevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 28.
April 2006 bekannt gegeben worden ist, ist bestandskräftig (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz gegen
bestandskräftige Bescheide: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juni 2004 – 6 S 30/04 = DÖV 2004, 844;
BFH, Beschluss vom 1. Oktober 1981 – IV B 13/81 = NVwZ 1982, 216). Der am 30. Mai 2006 (Dienstag) eingelegte
Widerspruch der Antragstellerin wurde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben und ist
daher von der Antragsgegnerin mangels ersichtlicher Gründe für eine Wiedereinsetzung zutreffend als unzulässig
verworfen worden.
Die objektive Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides vom 27. April 2006 lässt dessen Bestandskraft unberührt.
Richtigerweise hätte die Antragsgegnerin nämlich die den B G. (im Folgenden: G.) betreffenden Auskünfte gemäß §
60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) unmittelbar von G. einholen
müssen. Die Auskunftspflichten des § 60 Abs. 1 bis 4 SGB II sind, anders als die Mitwirkungspflichten des
Hilfebedürftigen, die (nur) Obliegenheiten darstellen, als öffentlich-rechtliche Leistungspflicht des Dritten ausgestattet
(vgl. Beschluss des Senats vom 28. August 2006 – L 18 B 532/06 AS PKH – mit weiteren Nachweisen). Bei
Bestehen einer Partnerschaft ist die Antragsgegnerin berechtigt, die gesetzliche Auskunftspflicht des G. durch
Verwaltungsakt zu konkretisieren und gegebenenfalls mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen.
Die Behörde kann den Partner als Zeugen vernehmen (§§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X -) und gegebenenfalls nach § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB X das zuständige SG um dessen Vernehmung ersuchen. Bei unterbliebener oder pflichtwidriger
Erfüllung dieser Auskunftspflichten stehen dem Leistungsträger ferner die Rechte nach den §§ 62 und 63 SGB II
(Schadenersatz, Geldbuße bis zu 2.000,- EUR) zu. Eine Rechtsgrundlage dafür, Auskünfte zum Einkommen und
Vermögen des G. im Wege einer gesetzlichen Leistungspflicht unmittelbar von der Antragstellerin zu verlangen,
besteht hingegen nicht. Die hiervon zu unterscheidende Obliegenheit im Sinne von § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch –
Allgemeiner Teil – (SGB I) kann sich von vornherein nur auf Tatsachen aus der Rechtssphäre der – nur insoweit –
mitwirkungspflichtigen Antragstellerin beziehen.
Im Hinblick auf die Bestandskraft des Versagungsbescheides vom 27. April 2006 bleibt es der Antragstellerin
unbenommen, bei der Antragsgegnerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X zu stellen. Einem Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage steht jedoch die Bestandskraft dieses
Bescheides entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).