Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 18.12.2008

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Gericht:
Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg
25. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
L 25 AS 170/09 B ER
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 22 SGB 2, Art 19 Abs 4 GG, §
86b Abs 2 SGG
Bewilligung der laufenden Kosten der Unterkunft und Heizung
durch einstweiligen Rechtsschutz
Leitsatz
Frühere Wohnung; neue Bedarfsgemeinschaft
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
18. Dezember 2008 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen
Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 31.
August 2009, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache,
vorläufig unter Zugrundelegung eines monatlichen Bedarfs in Höhe von 542,00 € für die
sich aus dem Rubrum ergebende Wohnung weitere Kosten der Unterkunft und Heizung
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens für beide Instanzen zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird
abgelehnt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom
18. Dezember 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
zulässig. Mit ihr begehren die Antragsteller bei sachdienlicher Auslegung ihrer
Ausführungen der Höhe nach die ihnen nunmehr durch den Senat im Wege der
einstweiligen Anordnung zuerkannten Leistungen, allerdings in zeitlicher Hinsicht nicht
nur für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009, über die der Antragsgegner
inzwischen ebenfalls entschieden hat, sondern auch schon für die davor liegende Zeit ab
dem 1. Dezember 2008. Über dieses Begehren hat das Sozialgericht auf der Grundlage
des entsprechend auszulegenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch
vollumfänglich entschieden.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller erweist sich darüber hinaus in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang auch als begründet. Der angegriffene Beschluss ist
unzutreffend, soweit den Antragstellern hiermit die ihnen nunmehr zuerkannten
Leistungen versagt worden sind. Insoweit haben die Antragsteller nämlich sowohl einen
Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch mit der für die Vorwegnahme der
Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (§ 86 b Abs. 2
Satz 2 bis 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –).
Unter Beachtung des sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden
Gebots effektiven Rechtsschutzes erweist sich die Sache zunächst hinsichtlich der
zuerkannten Leistungen als eilbedürftig. Denn den Antragstellern ist es insoweit nicht
zuzumuten, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Sie sind nach Lage
der Akten nicht dazu in der Lage, die zuerkannten Leistungen selbst zu finanzieren oder
sich auf sonstige Weise selbst zu helfen, benötigen diese Leistungen jedoch, um ihren
laufenden Bedarf an den Kosten der Unterkunft und Heizung decken zu können.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts können die Antragsteller hinsichtlich dieses
Bedarfs vor allem nicht darauf verwiesen werden, zunächst Mietrückstände auflaufen zu
lassen und die Kündigung der Wohnung oder gar die Räumungsklage abzuwarten, bevor
sie sich mit Erfolg mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an die
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sie sich mit Erfolg mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an die
Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit wenden können. Denn ebenso wie der laufende Bedarf
an den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehört auch der laufende
Bedarf an den Kosten der Unterkunft und Heizung zu den existentiell notwendigen
Bedürfnissen der Grundsicherung. Auch er fällt täglich neu an mit der Folge, dass – wird
er nicht zeitnah gedeckt – dem Hilfebedürftigen wesentliche Nachteile im Sinne des § 86
b Abs. 2 Satz 2 SGG entstehen, die durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren
nicht mehr vollständig beseitigt werden können.
Darüber hinaus ist hinsichtlich der nunmehr zuerkannten Leistungen auch ein
Anordnungsanspruch zu bejahen. Er ergibt sich im Fall der Antragsteller bereits daraus,
dass sie jedenfalls heute nicht mehr nach § 22 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Buches des
Sozialgesetzbuches (SGB II) an den Kosten der Unterkunft und Heizung für die bis Mitte
Dezember 2006 u. a. von den Antragstellern zu 1. und 2. bewohnten Wohnung
festgehalten werden dürfen. Denn die Anknüpfung an diese Kosten erweist sich hier
schon deshalb als nicht mehr tunlich, weil die damalige Bedarfsgemeinschaft mit der
jetzigen Bedarfsgemeinschaft nicht mehr identisch ist, sondern sich in der Zwischenzeit
durch die Geburt der Antragstellerin zu 3. und den Auszug des Lebensgefährten der
Antragstellerin zu 1. aus der zuvor gemeinsam bewohnten Wohnung bereits zweimal
verändert hat. Zudem erweisen sich die der Bedarfsberechnung nunmehr zugrunde zu
legenden Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 542,00 € monatlich bereits
unter Zugrundelegung der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener
Kosten der Wohnung gemäß § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches der
Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin
vom 7. Juni 2005 (ABl. S. 3743), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 30.
Mai 2006 (ABl. S. 2062) für eine – wie hier – aus drei Personen bestehende
Bedarfsgemeinschaft als angemessen. Sie decken sich im Übrigen weitgehend mit den
Kosten, mit denen sich die Antragsteller nach ihren Angaben im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren im Innenverhältnis an den insgesamt anfallenden Kosten der
Unterkunft und Heizung in Höhe von 795,07 € für die von ihnen gemeinsam mit der
Schwester der Antragstellerin zu 1. bewohnten Wohnung zu beteiligen haben, von denen
die Schwester 250,00 € trägt.
Zurückzuweisen war die Beschwerde jedoch, soweit die Antragsteller Leistungen auch für
die Zeit vor dem 1. März 2009 begehren. Insoweit ist die Sache nicht eilbedürftig, weil es
den Antragstellern auch im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots
effektiven Rechtsschutzes zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache
abzuwarten. Dies gilt für die Zeit vor der Entscheidung des Senats schon deshalb, weil
diese Zeit aus heutiger Sicht in der Vergangenheit liegt und schwere und
unwiederbringliche Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in
der Hauptsache nicht mehr in der Lage sein könnte, von den Antragstellern nicht
dargelegt worden sind und Anhaltspunkte dafür auch nach Lage der Akten nicht
bestehen. Für die Zeit ab der Entscheidung des Senats bis zum 28. Februar 2008
erweist sich der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung demgegenüber deshalb
als nicht nötig, weil der Antragstellerin zu 1. ausweislich des in den
Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners befindlichen Bewilligungsbescheides des
Bezirksamts von Berlin vom 5. Mai 2008 (auch) für diese Zeit noch Elterngeld in Höhe
von 375,00 € monatlich bewilligt worden ist, auf dessen vorläufigen Einsatz die
Antragsteller zur Deckung des von ihnen geltend gemachten Bedarfs in zumutbarer
Weise verwiesen werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Antragsteller
– was die Höhe der von ihnen begehrten Leistungen angeht – mit ihrem Begehren
durchgedrungen sind.
Der Antrag der Antragsteller, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu
bewilligen, war abzulehnen. Denn die Antragsteller bedürfen gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1
SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO der Prozesskostenhilfe nicht, weil ihnen
aufgrund der durch den Senat für das Beschwerdeverfahren getroffenen
Kostenentscheidung gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf vollständige Erstattung
ihrer außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zusteht.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht
angefochten werden (§ 177 SGG).
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