Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 02.07.2008

LSG Berlin und Brandenburg: arbeitskraft, arbeitsentgelt, buchhaltung, betriebsinhaber, sozialversicherung, versicherungspflicht, gehalt, firma, mitarbeit, arbeitslosenversicherung

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 02.07.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 36 KR 126/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 482/07
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im
Betrieb des Beigeladenen zu 4) für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 2004.
Der Beigeladene zu 4) betreibt ein Einzelunternehmen als selbstständiger Malermeister. Die 1953 geborene und zur
Bibliothekarin ausgebildete Klägerin ist seit 1975 mit dem Beigeladenen zu 4) verheiratet. Seit dem Jahr der
Eheschließung arbeitet sie in dessen Betrieb mit. Von Beginn an übernahm sie die Buchhaltung sowie kaufmännische
und betriebswirtschaftliche Angelegenheiten. Zunächst übte sie diese Tätigkeit nebenberuflich während ihrer
Ausbildung und ihrer späteren Tätigkeit als Bibliothekarin aus. Ab 1980 ließ sie sich von der Tätigkeit als
Bibliothekarin beurlauben, um sich der Erziehung des gemeinsamen Sohnes zu widmen. Die Buchhaltung des
Malerbetriebes führte sie auch in dieser Zeit weiter. Ende 1989 entschloss die Klägerin sich, ganztags in den Betrieb
ihres Ehemannes einzutreten und schloss mit diesem einen "Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte", der
eine Vollzeittätigkeit ab dem 1. Januar 1990 vorsah und die Überwachung der Buchhaltung, der Kundenforderungen,
der Lieferantenverbindlichkeiten sowie Lohnbuchhaltung und Rechnungslegung als Aufgabengebiete umfasste. Das
vereinbarte Bruttoarbeitsentgelt betrug anfangs 4.950,00 DM monatlich, im Jahre 2005 zuletzt 3.662,00 EUR. Für die
Tätigkeit der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 4) wurden fortlaufend Sozialversicherungsbeiträge entrichtet. Ihr
Entgelt wurde als Betriebsausgabe verbucht.
Büro und Lager des Beigeladenen zu 4) befinden sich auf dem Grundstück Fstraße , das der Klägerin gehört und das
diese ihrem Ehemann aufgrund eines am 16. Dezember 1996 unterzeichneten Mietvertrages für Gewerberäume
vermietet; der monatliche Mietzins betrug anfangs 1.371,00 DM.
Am 20. November 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihres
Beschäftigungsverhältnisses und füllte zu diesem Zweck am 18. November 2003 einen "Feststellungsbogen" aus, der
auch vom Beigeladenen zu 4) unterschrieben wurde. In diesem gab die Klägerin u. a. an, die im Arbeitsvertrag
aufgeführten Tätigkeiten zu verrichten, als mitarbeitende Angehörige in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft
eingegliedert zu sein, an die Weisungen des Beigeladenen zu 4) über die Ausführung der Arbeit tatsächlich gebunden
zu sein, ihre Tätigkeit nicht frei bestimmen und gestalten zu können und nicht bei der Führung des Betriebes
mitzuwirken. Ihre Mitarbeit sei nicht durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt, ihr
Arbeitsentgelt entspreche dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Gehalt. Die Frage, ob sie als mitarbeitende
Angehörige dem Betrieb und dem Betriebsinhaber Darlehen gewährt oder Bürgschaften oder Sicherheiten
übernommen habe, verneinte die Klägerin. Der Urlaubsanspruch betrage 30 Arbeitstage, bei Arbeitsunfähigkeit werde
das Arbeitsentgelt für sechs Wochen fortgezahlt.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2003, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte die Beklagte der Klägerin
daraufhin mit, dass für sie seit dem 1. Januar 1990 Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung
bestehe. In der Krankenversicherung unterliege sie nicht der Versicherungspflicht, da ihr Entgelt die entsprechenden
Jahresarbeitsentgeltgrenzen überstiegen habe bzw. übersteige. Nach den von der Klägerin und ihrem Ehemann
gemachten Angaben sei sie wie eine fremde Arbeitnehmerin in den Betrieb eingegliedert und unterliege dem
Weisungsrecht ihres Ehemannes. Sie könne ihre Beschäftigung nicht frei bestimmen und gestalten, ihre
Beschäftigung sei nicht durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Ehemann geprägt. Daher liege ein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung vor.
Mit am 19. Dezember 2003 unterschriebenem Formschreiben beantragte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu
2) die Zustimmung zu dem Feststellungsbescheid der Beklagten. Mit Bescheid vom 11. Juni 2004 stimmte die
Beigeladene zu 2) dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2003 über die Versicherungspflicht in
der Arbeitslosenversicherung für die Zeit ab dem 1. Januar 1990 zu. Hiergegen legte die Klägerin keinen Widerspruch
ein.
Mit Schreiben an die Beklagte vom 6. Juli 2004 bat die Klägerin unter Berufung auf § 44 SGB X um die Aufhebung
des Bescheides vom 11. Dezember 2003. Beim Ausfüllen des seinerzeitigen Fragebogens habe sie den Inhalt des
Arbeitsvertrages als entscheidend angesehen. Nun habe sie jedoch erfahren, dass für eine Beurteilung von
Familienangehörigen "die gelebte Praxis" entscheidend sei. Aus diesem Grunde bitte sie, anhand des neu
ausgefüllten Fragebogens erneut zu entscheiden. Nach langem Suchen habe sie auch entdeckt, dass sie
Bürgschaften bzw. Sicherheiten für die Firma übernommen habe. Soweit die Beklagte an ihrer bisherigen Beurteilung
festhalte, sei dies eine durch nichts mehr zu rechtfertigende Willkür.
In dem nunmehr beigefügten, am 2. Juli 2004 unterzeichneten Feststellungsbogen gaben die Klägerin und der
Beigeladene zu 4) u. a. an, die Tätigkeit der Klägerin bestehe in der "kaufmännischen Leitung der Firma". Die Klägerin
sei in den Betrieb eingegliedert, allerdings nicht wie eine fremde Arbeitskraft. An Weisungen ihres Ehemannes sei sie
nicht gebunden, ein solches Weisungsrecht werde nicht ausgeübt. Ihre Tätigkeit könne sie frei bestimmen und
gestalten. Bei der Führung des Betriebes wirke sie aufgrund besonderer Fachkenntnisse mit. Die Mitarbeit sei durch
ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ihr Arbeitsentgelt entspreche nicht dem tariflichen
bzw. dem ortsüblichen Gehalt, sondern sei als Ehegattengehalt höher. In Anlagen fügte die Klägerin Nachweise dafür
bei, dass sie bereits im Jahre 1990 für eine Verpflichtung ihres Ehemannes gegenüber einer Bank eine
selbstschuldnerische Bürgschaft über 40.000,00 DM übernommen hatte; zur Sicherung eines Geschäftsdarlehens
ihres Ehemannes in Höhe von 50.000,00 Euro trat die Klägerin zudem im Jahre 2002 eine Grundschuld in Höhe von
357.904,32 Euro ab und übernahm eine persönliche Haftung.
Das Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 2004 fasste die Beklagte als Widerspruch gegen den Bescheid vom 11.
Dezember 2003 auf und wies diesen mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 zurück. Zur Begründung führte sie im
Wesentlichen aus: Die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe
hänge von allen Umständen des Einzelfalles ab, maßgebend sei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter
Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauung. An der versicherungsrechtlichen Beurteilung des
Beigeladenen zu 4), der die Tätigkeit der Klägerin ab dem 1. Januar 1990 als versicherungspflichtige Beschäftigung
angesehen habe, lasse sich auch unter Berücksichtigung der geänderten Angaben im zweiten Feststellungsbogen
nicht zweifeln. Die Klägerin sei als mitarbeitende Angehörige in den Betrieb eingegliedert und tatsächlich tätig
gewesen. Auch die Notwendigkeit der Einstellung einer anderen Arbeitskraft deute auf ein Beschäftigungsverhältnis
hin. Gerade bei Diensten höherer Art, die von Fachkräften in qualifizierten Berufen geleistet würden, könne die
Weisungsbefugnis des Arbeitgebers stark eingeschränkt sein, obwohl ein Beschäftigungsverhältnis vorliege. Es
bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin jedenfalls einem abgeschwächten Weisungsrecht ihres Ehemannes
unterlegen habe. Eine Beteiligung an der Firma habe nicht bestanden. Unternehmerisches Risiko habe sie damit nicht
getragen. Soweit die Klägerin die Geschäftsräume an den Beigeladenen zu 4) vermietet habe, spreche dies nicht etwa
gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gleichzeitig stehe die erbrachte Bürgschaft über 40.000 DM im
Verhältnis zur gesamten Sicherung des Kredites durch andere Sicherheiten nicht im Vordergrund. Auch seien die
gemeldeten beitragspflichtigen Arbeitsentgelte nicht unangemessen. Die gesamten Umstände wiesen hier u. a. auch
deshalb auf eine abhängige Beschäftigung, weil der Ehemann von dem Arbeitsentgelt Lohnsteuer abgeführt habe und
das Arbeitsentgelt der Klägerin als Betriebsausgabe verbucht worden sei.
Mit der bei dem Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt, die Beklagte zu der
Feststellung zu verpflichten, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 4) seit dem 1. Januar 1990
nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Inhalt des
Ende 1989 geschlossenen Arbeitsvertrages sei zu keinem Zeitpunkt von Bedeutung gewesen. Das monatliche Entgelt
habe sich auf Werte zwischen 4.950,00 DM und 3.662,00 Euro belaufen, sei jedoch aufgrund wirtschaftlicher
Probleme nicht regelmäßig zur Auszahlung gelangt. In der für einen Familienbetrieb typischen Manier richte sie,
ebenso wie ihr Ehemann, ihr Arbeitspensum sowie die inhaltliche und zeitliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit
ausschließlich an den betrieblichen Belangen aus. Während längerer krankheitsbedingter Fehlzeiten ihres Ehemannes
habe sie den Betrieb in den Jahren 1989 bis 1991 alleine fortgeführt. Sie sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den
Betrieb eingegliedert. Von Belang sei allein der am 2. Juli 2004 unterzeichnete Feststellungsbogen. In diesem
Formular hätte die Beklagte deutlicher machen müssen, dass allein die tatsächlichen Gegebenheiten und nicht die
arbeitsvertraglich ausformulierten Verpflichtungen maßgeblich seien. Aufgrund schlechter Ertragslage sei das Gehalt
zuletzt auf 320,- Euro monatlich reduziert worden.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 28. Juni 2007 hat die Klägerin u. a. weiter
ausgeführt, die Tätigkeit im Unternehmen sehe so aus, dass ihr Mann für das handwerklich-fachliche zuständig sei
und sie die Buchhaltung sowie die betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten selbstständig führe. Entscheidungen über
Einstellungen und Investitionen würden stets gemeinsam getroffen.
Mit Urteil vom 28. Juni 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt: Zugunsten der Klägerin würden ihre Angaben im ursprünglichen Feststellungsbogen außer Betracht
gelassen. Die Klägerin habe im Einzelunternehmen ihres Ehemannes aufgrund eines Anstellungsvertrages über viele
Jahre hinweg mitgearbeitet und hierfür ein in etwa leistungsgerechtes, jedenfalls nicht zu niedriges monatliches
Festgehalt bezogen, welches regelmäßig auf ihr eigenes Konto überwiesen worden sei. Dass augenblicklich aufgrund
der schlechten wirtschaftlichen Lage nur ein geringer Teil des Gehalts ausgezahlt werde, spreche nicht schon gegen
eine abhängige Beschäftigung, weil es gerade im handwerklichen Bereich durchaus üblich sei, dass bei erheblichen
Liquiditätsproblemen Löhne teilweise nicht oder erst deutlich verspätet ausgezahlt würden. Dass das tatsächlich
ausgezahlte Gehalt als Betriebsausgabe gebucht und hiervon Lohnsteuern abgeführt worden seien, sei ein
gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Hierdurch hätten die Klägerin sowie der Beigeladene zu 4) selbst
zum Ausdruck gebracht, dass sie die Beschäftigung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ansähen. Der Klägerin
sei mit der Führung der Buchhaltung und der Erledigung der kaufmännischen Angelegenheiten ein klar umrissenes
Aufgabengebiet zugewiesen gewesen, wodurch sie im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe in die
Arbeitsorganisation des Betriebes eingegliedert gewesen sei. Wie bei Diensten höherer Art üblich seien ihre
Arbeitszeiten an die betrieblichen Belange angepasst gewesen. Dass sie über Investitionen und die Einstellung von
Mitarbeitern gemeinsam mit ihrem Ehemann entschieden habe, spreche nicht schon für das Vorliegen einer
selbstständigen Tätigkeit. Einerseits treffe auch der Fremdgeschäftsführer einer GmbH derartige Entscheidungen in
aller Regel selbst und häufig sogar ohne mit den Gesellschaftern Rücksprache halten zu müssen. Andererseits
entspreche eine Absprache bestimmter Unternehmerentscheidungen mit dem Ehepartner, zumal wenn dieser noch
davon betroffen sei, dem Normalfall in einer Ehe. Obwohl die Klägerin ihre Aufgaben im kaufmännischen Bereich
weitgehend eigenverantwortlich zu erledigen gehabt habe, habe der Beigeladene zu 4) letztlich die
Gesamtverantwortung für die Arbeiten der Klägerin getragen. Die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen
des täglichen Geschäftsbetriebes, insbesondere die Kalkulation von Angeboten für die handwerklichen Leistungen,
habe der Beigeladene zu 4) nämlich selbst getroffen. Die Klägerin habe diese dann lediglich schriftlich ausgefertigt
und an die potenziellen Auftraggeber übersandt. In diesem entscheidenden Punkt der unternehmerischen Tätigkeit
eines selbstständigen Handwerkers habe die Klägerin sich der Fremdbestimmung des Beigeladenen zu 4)
untergeordnet. Ohne die Beschäftigung der Klägerin im Betrieb hätte es zudem der Einstellung einer fremden
Arbeitskraft bedurft. Nach außen hin sei die Klägerin nicht selbst als Unternehmerin aufgetreten. Das Unternehmen
sei allein unter dem Namen ihres Ehemannes geführt worden. Die Geschäftskonten seien ausschließlich auf seinen
Namen gelaufen und es sei davon auszugehen, dass auf Briefbögen, Rechnungen sowie Angeboten allein der Name
des Betriebsinhabers aufgetaucht sei. Zwar gebe es auch Indizien, die für eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin
sprächen, vor allen Dingen die Sicherungen, die sie für Darlehen des Betriebes gegeben habe. Allein dies wiege
jedoch zur Überzeugung der Kammer die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Indizien nicht auf.
Zudem habe die Klägerin lediglich eine Haftung für die Geschäftsverbindlichkeiten übernommen, ohne dass dem auch
die ein unternehmerisches Risiko kennzeichnende Chance eines erhöhten Gewinnes gegenübergestanden habe. Dass
sie ihrem Ehemann ein Gewerbegrundstück zu einem offenbar ortsüblichen Mietzins vermietet habe, spreche
jedenfalls nicht für, eher noch gegen eine selbstständige Tätigkeit. Wäre nämlich eine Mitunternehmerposition der
Klägerin mit Kapitaleinsatz und Tragung des Unternehmerrisikos beabsichtigt gewesen, so wäre diese Vermietung
entbehrlich gewesen; die Klägerin hätte dann die in ihrem Eigentum befindlichen Räumlichkeiten als eigenes Kapital
eingebracht.
Gegen das ihr am 12. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. August 2007 Berufung eingelegt, zu deren
Begründung sie ergänzend vorträgt: Die Würdigung des Sachverhalts durch das Sozialgericht sei nicht haltbar. Sie sei
nicht im Rahmen einer Weisungsunterworfenheit in den Betrieb ihres Ehemannes eingegliedert gewesen. Die
steuerrechtliche Behandlung der von ihr erzielten Einkünfte dürfe nicht in die Abwägung eingehen. Es dürfte nicht
übersehen werden, dass sie den Betrieb zusammen mit ihrem Ehemann seit der Gründung im Jahre 1975 aufgebaut
habe. Der für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis typische Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer sei im Falle der Klägerin nicht zu erkennen. Dies zeige sich vor allem an den Sicherungsleistungen, die
sie im Laufe der Jahre erbracht habe. Unzutreffend gewertet habe das Sozialgericht auch die Tatsache, dass sie
Eigentümerin und Vermieterin des vom ehelichen Betrieb genutzten Betriebsgrundstückes sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2003 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2004 aufzuheben und festzustellen, dass sie im
Rahmen ihrer Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 4) im Zeitraum 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 2004 nicht
sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Klägerin sei zum 1. Januar
2005 aus "sonstigen Gründen" aus der Sozialversicherungspflicht abgemeldet worden. Soweit die Klägerin vortrage,
den Betrieb seit 1975 mit aufgebaut zu haben, liege die Vermutung nahe, dass vor dem 1. Januar 1990 die
Voraussetzungen für ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht erfüllt gewesen seien, für die Zeit danach
hingegen schon.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie
der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der
mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 28.
Juni 2007 ist nicht zu beanstanden. Die Beschäftigung der Klägerin in dem Betrieb des Beigeladenen zu 4)
begründete im streitigen Zeitraum Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.
Das Sozialgericht hat in seinem Urteil im Wesentlichen die für die Entscheidung maßgeblichen rechtlichen Grundlagen
sowie die Würdigung des Sachverhalts ausführlich, zutreffend und nachvollziehbar dargestellt. Zur Vermeidung von
Wiederholungen nimmt der Senat hierauf nach eigener Sachprüfung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend
aus:
Für das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses i. S. d. § 7
Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) spricht zur Überzeugung des Senats vor allem das Vorbringen der Klägerin
und des Beigeladenen zu 4) in dem am 18. November 2003 ausgefüllten "Feststellungsbogen zur
versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen". Danach steht zur
Überzeugung des Senats fest, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 4) über Jahre hinweg ein - im
Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 21. April 1993, 11 RAr 67/92, zitiert nach
juris, dort Rdnr. 21) - typisches sozialversicherungspflichtiges Ehegattenarbeitsverhältnis bestand, das vor allem
durch die tatsächliche Eingliederung der Klägerin in den Betrieb des Beigeladenen zu 4) und die Zahlung eines
angemessenen Entgeltes für die von ihr geleisteten weisungsgebundenen Arbeiten geprägt war.
Sowohl die zwischen den Ehegatten ausgetauschten Leistungen als auch die Abwicklung des zwischen ihnen
bestehenden Rechtsverhältnisses i. Ü. entsprachen dem zwischen ihnen im Dezember 1989 mit Wirkung vom 1.
Januar 1990 abgeschlossenen Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte, der keinen Zweifel am Vorliegen
eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aufkommen lässt. Darin waren die Arbeitspflichten
der Klägerin sowie konkrete festgelegte, nicht unerhebliche Gehaltszahlungen vereinbart, die über lange Jahre hinweg
auch geleistet und steuerlich als Betriebsausgaben verbucht wurden. Konsequenter Weise erfolgte mit
Vertragsschluss zum 1. Januar 1990 die Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung, die fast vierzehn Jahre - bis
zum Antrag am 20. November 2003 - unbezweifelt fortwirkte und dann noch bis Ende 2004 bestand. Aus der
Gesamtschau des von den Ehegatten "gelebten Rechtsverhältnisses" gingen diese selbst nicht nur während all dieser
Jahre von der Sozialversicherungspflicht der Klägerin aus, sondern wollten diese auch. Anhaltspunkte dafür, dass sie
sich hierbei in einem Rechtsirrtum befanden, bestehen nicht, denn in dem Betrieb des Beigeladenen zu 4) sind und
waren fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt, für die eine Meldung zur Sozialversicherung zu erfolgen hatte, für die die
Klägerin die Verantwortung trug. Die Frage der Sozialversicherungspflicht und die diese begründenden Tatsachen
waren daher sowohl der Klägerin als auch dem Beigeladenen zu 4) vertraut, so dass nichts dafür spricht, die Meldung
der Klägerin habe auf einer fehlerhaften rechtlichen Einschätzung der Beziehungen der Eheleute beruht. Dass die
zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen nicht gesellschaftsvertraglicher Art waren, folgt i. Ü. auch daraus,
dass es zwischen ihnen im Hinblick auf die Arbeit der Klägerin überhaupt keine entsprechenden vertraglichen
Abmachungen gibt.
Bestätigt wird diese Wertung auch durch den Verlauf des Verwaltungsverfahrens. In dem Feststellungsbogen vom 18.
November 2003 machten die Klägerin und der Beigeladene zu 4) Angaben, die sämtlich auf das Vorliegen eines
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses hindeuten. Angesichts der eindeutigen, klar verständlich
formulierten Fragen, die sich in erster Linie auf die tatsächlichen Umstände der geleisteten Arbeiten bezogen (etwa:
"War die Mitarbeit durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt?"), vermag der Senat
nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin die Fragen missverstanden haben will. Vielmehr geht der Senat davon aus,
dass der Beantwortung der Fragen im ersten Feststellungsbogen vom 18. November 2003 besonderes Gewicht
beikommt, weil sie unbefangen und nicht zielgerichtet erfolgte und damit den Tatsachen entsprach.
Nur vor dem Hintergrund dieser Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen ist auch verständlich, dass die
Klägerin gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2003 zunächst keinen Widerspruch einlegte und sogar von sich aus
bei der Beigeladenen zu 2) die Zustimmung zum Feststellungsbescheid der Beklagten beantragte. Auch gegen den
Bescheid der Beigeladenen zu 2) vom 11. Juni 2004 legte sie keinen Rechtsbehelf ein. All dies kann bei lebensnaher
Betrachtung nur erfolgt sein, weil die Klägerin die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihres
Beschäftigungsverhältnisses durch die Beklagte und die Beigeladene zu 2) für richtig hielt, da sie den tatsächlichen
Gegebenheiten entsprach.
Hinzu tritt ein Weiteres: Als die Klägerin am 6. Juli 2004 um erneute Prüfung ihres Versicherungsstatus bat, hatte sich
am zugrunde liegenden Sachverhalt nichts geändert. Allerdings reichte sie nun einen Feststellungsbogen (vom 2. Juli
2004) ein, der in den entscheidenden Passagen nahezu vollständig von denjenigen im ersten Feststellungsbogen
abwich. Es erscheint dem Senat nicht ausgeschlossen zu sein, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass die
Klägerin auf Grund einer zwischenzeitlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Beratung durch einen Prozessfinanzierer
für mittelständische Betriebe den Eindruck gewonnen hatte, dass die Wahl des Status als selbständige, nicht
versicherungspflichtige Mitarbeiterin finanziell mit gravierenden Vorteilen verbunden wäre. Die Abweichung der
Angaben im zweiten Feststellungsbogen zu denen im ersten wird auf diese Weise ohne weiteres erklärbar. Ein bis
dahin unstreitiger und entsprechend den vertraglichen Abmachungen "gelebter" Sachverhalt wird nunmehr anders
dargestellt, um erhoffte finanzielle Vorteile zu erlangen. Dem Inhalt des zweiten Feststellungsbogens misst der Senat
deshalb nur nachgeordneten Beweiswert zu, weil das Verhalten der Klägerin im gesamten Verwaltungsverfahren in
mehreren Schritten zu erkennen gegeben hatte, dass sie sich selbst als sozialversicherungspflichtig angesehen hat
und diese Sichtweise den realen Verhältnisse entsprach. Nichts deutet darauf hin, dass der Sinneswandel eine bis
dahin irrtümliche, nicht den Tatsachen entsprechende Wertung ersetzte; deshalb spricht nichts dafür, dass die
späteren Angaben der Eheleute den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht ersichtlich sind.