Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 07.02.2008

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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 07.02.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Berlin S 100 AS 29324/07 ER
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 14 B 133/08 AS ER
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. Dezember 2007 wird geändert. Die Antragsgegnerin hat der
Antragstellerin für die Zeit vom 14. November 2007 bis 1. Januar 2008 vorläufig einen Zuschuss zu ihren ungedeckten
Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von (insgesamt) 209,- Euro monatlich zu zahlen. Die Beschwerde im
Übrigen wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin drei Viertel der ihr entstandenen
außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die 1988 geborene Antragstellerin besucht eine Berufsfachschule. Sie erhält Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) unter Berücksichtigung eines um 64,- Euro monatlich erhöhten Bedarfs
für Unterkunft und Nebenkosten in Höhe von (insgesamt) 412,- Euro monatlich (Bescheid des Amtes für
Ausbildungsförderung vom 20. September 2007).
Für die von ihr allein bewohnte Wohnung hat die Antragstellerin einen Mietzins in Höhe von 325,- Euro monatlich zu
zahlen.
Mit Bescheid vom 21. November 2007 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin einen Zuschuss zu den
ungedeckten angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 des Zweiten Buchs des
Sozialgesetzbuchs (SGB II) in Höhe von 85,- Euro monatlich bis zum 1. Januar 2008.
Den bereits am 14. November 2007 gestellten Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, ihr einen Zuschuss zu ihren angemessenen ungedeckten Kosten der Unterkunft in Höhe von 261,- Euro
monatlich zu erbringen, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 abgelehnt, der der Antragstellerin
am 10. Dezember 2007 zugestellt worden ist.
Mit ihrer am 7. Januar 2008 eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf vorläufige
"Bewilligung" eines Zuschusses in Höhe von 261,- Euro monatlich weiter.
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Die zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Beschwerde der Antragstellerin ist in dem
sich aus der Beschlussformel ergebenden Umfang begründet. Nach § 22 Abs. 7 SGB II erhalten (abweichend von § 7
Abs. 5 SGB II) Auszubildende, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten und deren
Bedarf sich nach § 12 Abs. 2 BAföG bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für
Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Vorliegend entstehen der Antragstellerin Aufwendungen für
Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,- Euro monatlich. Zweifel an der Angemessenheit dieser Aufwendungen hat
der Senat ebensowenig wie die Beteiligten.
Von diesen Aufwendungen sind durch die Leistungen nach dem BAföG lediglich 116,- Euro monatlich gedeckt. Wie
das Sozialgericht, auf dessen Erwägungen der Senat insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG
verweist, zutreffend ausgeführt hat, enthält der der Antragstellerin nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG zustehende
Grundbetrag bereits einen Anteil für Unterkunft und Nebenkosten in Höhe von 52,- Euro monatlich; dies ergibt sich
aus § 12 Abs. 3 BAföG. In dieser Höhe ist die Beschwerde unbegründet.
Der – wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend gesehen hat – danach verbleibende ungedeckte Bedarf in Höhe von
209,- Euro monatlich ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin nicht – auch nicht
teilweise – durch das an die Antragstellerin gezahlte Kindergeld in Höhe von 154,- Euro monatlich gedeckt. Das
Kindergeld ist insoweit nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Der Bedarf von Auszubildenden, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch des
Sozialgesetzbuches oder Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten, bemisst sich auch
dann, wenn die ihnen entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung dadurch nicht vollständige gedeckt
sind, nicht etwa nach den Regelungen des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches, sondern nach den jeweils
einschlägigen Bestimmungen des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches oder des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (so bereits Beschluss des Senats vom 22. Juni 2007 – L 14 B 633/07 AS ER
–; ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 2. August 2007 – L 9 AS 215/07 ER –); dies ergibt sich eindeutig aus §
22 Abs. 7 Satz 1 SGB II (" deren Bedarf sich nach bemisst "). Dieser Bedarf beträgt im Fall der Antragstellerin (mit
Rücksicht auf die höheren Mietkosten) 412,- Euro monatlich. Entsprechend dieser Bedarfsbemessung sind auch bei
der Berücksichtigung von Einkommen die Regelungen des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs bzw. des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes heranzuziehen. Danach ist das für den Auszubildenden (an ihn selbst oder
einen anderen Berechtigten) gezahlte Kindergeld nicht als sein Einkommen zu berücksichtigen. Die Höhe der im
Bundesausbildungsförderungsgesetz als "Bedarf" bezeichneten (Höchst-)Leistungssätze ist so bestimmt, dass der
tatsächlich höhere Bedarf durch die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und das für den
Auszubildenden gezahlte Kindergeld gedeckt werden kann, das dementsprechend bei der Festsetzung der
Leistungshöhe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht als Einkommen anzurechnen ist (vgl. dazu
Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Bundesausbildungsförderungsgesetz, 4. Aufl. [2005], § 21 Rdnr. 31; Rothe/Blanke,
Bundesausbildungsförderungsgesetz, 5. Aufl., 24. Lfg. [2005], § 21 Rdnr. 24.1).
Dieser Wertung liefe es zuwider, wenn das Kindergeld bei der Bemessung des Zuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II
als Einkommen berücksichtigt würde (ebenso Hessisches LSG, Beschluss vom 2. August 2007 – L 9 AS 215/07 ER
–; anders noch Beschluss des Senats vom 22. Juni 2007 – L 14 B 633/07 AS ER – sowie Kalhorn, in: Hauck/Noftz
(Hrsg.), Sozialgesetzbuch, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 13. Erg.-Lfg. [2007], § 22 Rdnr. 88, der diesen
Zusammenhang offenbar nicht erkennt).
Der Anordnungsgrund (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin die Leistungen zur
Bestreitung ihrer Unterkunftskosten benötigt und ihr andere Mittel auch nicht vorübergehend zur Verfügung stehen.
Die Anordnung ist auf den Zeitraum vom Tag der Antragstellung beim Sozialgericht (14. November 2007) bis zum
Ablauf des in dem Bescheid vom 21. November 2007 geregelten Bewilligungsabschnitts (1. Januar 2008) zu
beschränken. Sollte die Antragsgegnerin für die Zeit nach dem 1. Januar 2008 eine (weitere) Entscheidung getroffen
haben (was bislang nicht ersichtlich ist), wäre diese nicht nach § 96 Abs. 1 SGG oder in entsprechender Anwendung
dieser Vorschrift Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG und
berücksichtigt den teilweisen Erfolg der Antragstellerin.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).