Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2003

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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 25.11.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt (Oder) S 4 KR 31/02
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 4 KR 36/03
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Juni 2003 wird
zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu
erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von über 226,28 EUR hinausgehenden Kosten für das von ihm
zunächst selbst bezahlte Arzneimittel "Viagra".
Der im Jahre 1945 geborene Kläger leidet seit vielen Jahren an einem chronischen Zervikalsyndrom, seit 1983 an
arterieller Hypertonie, seit 1996 an Hypercholesterinämie und seit 1997 an insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II
b. Seit Juli 1997 befindet er sich wegen erektiver Dysfunktion - ED - in urologischer Behandlung bei Dr. D. in F. (O.).
Dieser Arzt ist der Auffassung, die ED sei organischen Ursprungs, nämlich bedingt durch den Diabetes mellitus und
die Hypertonie. Diese Auffassung des behandelnden Arztes teilte der MDK (Dipl.-Med. S. im Vermerk vom 20. April
2000). Dr. D. behandelte die ED erfolgreich mit "Viagra". Den Antrag des Klägers am 27. Dezember 1999, die Kosten
für dieses Medikament zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2000 ab. An diesem Tage war
das am 08. Juni 2000 ausgestellte Privatrezept des Dr. D. über acht Tabletten "Viagra" 100 mg und die Quittung über
den Kauf in Höhe von 215,20 DM bei ihr eingegangen. Sie begründete dies damit, die Behandlungsmethode sei nicht
ausreichend erprobt, so dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen dürfe.
Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2000 zurück
und verwies hierbei auf Abschnitt F Ziffer 17.1 (1) f. der Arzneimittelrichtlinien in der Fassung vom 03. August 1998
(Bundesanzeiger Nr. 182), wonach Mittel zur Behandlung der ED und Mittel, die der Anreizung und Steigerung der
sexuellen Potenz dienen, nicht zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden dürften. Auch wenn "Viagra" im Falle
des Klägers zur Behandlung von ED diene, so sei es doch ein Mittel, das auch zur Steigerung der sexuellen Potenz
diene und daher nicht verordnungsfähig sei. Die Richtlinie sei ausdrücklich neu gefasst worden, um "Viagra" von der
Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen.
Gegen diesen am 27. Oktober 2001 abgesandten Bescheid hat der Kläger am 23. November 2000 Klage beim
Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben und vorgetragen, nach den §§ 27, 31 und 34 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Krankenversicherung - (SGB V) könne das Medikament nicht vollständig von der Kostenübernahme durch die
Gesetzliche Krankenversicherung ausgenommen werden, so dass der Ausschuss durch die Arzneimittelrichtlinie, die
eine untergesetzliche Norm sei, rechtswidrig sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagte vom 15. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2000
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die nachgewiesenen Kosten für die Selbstbeschaffung des
Arzneimittels "Viagra" für den Zeitraum vom 02. Oktober 2000 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu
erstatten, soweit die Kosten den Betrag von 226,28 EUR übersteigen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat dargelegt, sie bestreite nicht, dass die ED eine behandlungsbedürftige Krankheit gemäß § 27 SGB V sei, die
Behandlung mit "Viagra" entspreche jedoch nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 12 ff. SGB V. Es sei nicht
geprüft worden, ob eine Hilfsmittelversorgung mit einem Erektionsring oder einer Vakuumpumpe in Frage käme.
Das Sozialgericht hat medizinischen Beweis erhoben und Befundberichte des behandelnden Urologen Dr. D. und der
Allgemeinmedizinerin Dr. W. eingeholt. Auch diese Ärztin hat die Auffassung vertreten, die zunehmenden
Erektionsstörungen seien Folgeschäden des Diabetes. Sodann hat das Sozialgericht mit Beweisanordnung vom 11.
September 2002 den Urologen Dipl.-Med. R. in E. zum Sachverständigen ernannt. Der Sachverständige gelangt in
dem am 18. April 2003 erstatteten Gutachten zu der Auffassung, die Ursache der ED dürfte in der Summe der
Diagnosen, die insbesondere der Hypertonie, der Hypercholesterinämie und des Diabetes mellitus Typ II b, mit den
daraus resultierenden Medikamenten bestehen. Diese ED sei im Rahmen eines Lebensqualitätsanspruchs
behandlungsbedürftig und aufgrund der Adipositas des Klägers und des eingeschränkten Handlings bei grenzwertiger
Organgröße sei eine medikamentöse Therapie am aussichtsreichsten. Zuvor seien alle gängigen Methoden, wie Skat,
Vakuumpumpe, MUSE und verschiedene Medikamente, versucht worden. Die Anwendung einer Vakuumpumpe sei
bei leichter suprasymphysrer Fettschürze (Penis im Stehen erschwert einsehbar) und etwas "eingegrabenem Penis"
beim Kläger wenig effektiv und damit die Verordnung auch wirtschaftlich kaum sinnvoll. Daher sei die Nichtakzeptanz
des Pumpenhandlings auch urologisch nachvollziehbar. Die Skattherapie sei ohne ausreichenden Erfolg versucht
worden. Auch hier gälten ähnliche "Erschwernisgründe" wie bei der Vakuumpumpe. Zu beachten seien auch die von
der behandelnden Allgemeinmedizinerin W. mitgeteilten depressiven Episoden. Die orale medikamentöse Therapie
scheine, wie bereits vom behandelnden Urologen herausgearbeitet, den besten Effekt zu erzielen.
Mit Urteil vom 27. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide
verurteilt, die dem Kläger entstandenen nachgewiesenen Kosten für die Selbstbeschaffung des Präparats "Viagra"
aufgrund der im Zeitraum vom 02. Oktober 2000 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ergangenen
ärztlichen Verordnungen hierüber zu erstatten, soweit 226,28 EUR überschritten werden.
Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, ED gehöre zu den behandlungsbedürftigen
Krankheiten, der Kläger habe als Versicherter gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Versorgung mit
apothekenpflichtigen Arzneimitteln, zu denen auch "Viagra" gehöre. Weder durch § 34 SGB V noch durch § 33 a SGB
V sei dies ausgeschlossen, zu letzterem sei eine entsprechende Verordnung noch nicht ergangen. Die
Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Verordnung indiziert sei, da erhebliche Zweifel an der Geeignetheit der
Pumpe bestünden. Gegen die behandlungsbedürftige und bei der Beklagte versicherte Erkrankung ED sei das
verordnete Arzneimittel wirksam und die Ausschlussregelung der Ziffer 17.1 f. der Arzneimittelrichtlinie verbiete sich
bei einer der Ermächtigungsnorm konformen Auslegung. Der behandelnde Arzt hätte daher anstelle des Privatrezepts
ein Kassenrezept ausstellen müssen, dies könne jedoch nicht dazu führen, dass der Kläger nunmehr die Kosten für
die Privatrezepte nicht erstattet bekomme. Bei der Verweigerung der Sachleistung, wie sie der Kläger beantragt habe,
handele es sich daher um einen Fall des Systemversagens der Gesetzlichen Krankenversicherung, da der Kläger
deshalb gezwungen gewesen sei, sich die ihm von der Beklagten als Sachleistung geschuldete Versorgung mit
Arzneimitteln über den Weg eines Privatrezepts zu beschaffen. Die Anwendung des von der Beklagten als Alternative
dargelegten Hilfsmittels Vakuumpumpe scheide dann aus, wenn es erheblich aufwendiger ist und den Versicherten in
seiner Selbstbestimmung wesentlich stärker beeinträchtige und in der Anwendung selbst belaste als die Einnahme
eines apothekenpflichtigen Arzneimittels. In solchen Fällen könne nicht allein aus Kostengründen auf die
Hilfsmittelversorgung verwiesen werden. Den von der Beklagten dargelegten Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit könne
- etwa durch eine Kostenbegrenzung oder einen höheren Eigenanteil der Versicherten - Rechnung getragen werden.
Auch eine solche Kostenbegrenzung jedoch sei unterlassen worden und die unterlassene Überarbeitung der
Arzneimittelrichtlinie mit dem ausnahmslosen Ausschluss von "Viagra" stelle insofern ein Systemversagen dar. Daher
liege ein Fall des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V vor, da die Krankenkasse eine zustehende Leistung zu Unrecht
abgelehnt habe. Allerdings gelte dies nicht für das Privatrezept vom 08. Juni 2000, da der Kläger bei dessen
Einlösung die Entscheidung der Beklagten vom 15. Juni 2000 noch nicht gekannt habe.
Gegen dieses der Beklagten am 21. Juli 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 25. Juli 2003, die sie
nicht begründet hat.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. Juni 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten und die
Verwaltungsakte der Beklagten zum hier streitigen Sachverhalt verwiesen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet: Der Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, einen Anspruch auf
Versorgung mit dem Arzneimittel "Viagra" als Sachleistung durch die Beklagte, so dass, nachdem diese ihm dies
rechtswidrig verweigert hatte, sie die Kosten der selbstbeschafften Medikamente zu erstatten hat.
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V. Danach sind den Versicherten die Kosten für eine
selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die
Krankenkasse sie zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Weigerung der Beklagten, dem Kläger die begehrte Kostenübernahme für "Viagra" zuzusagen, war auch ab 15.
Juni 2000 ursächlich für die Selbstbeschaffung dieses Medikaments durch den Kläger, so dass die dadurch
entstandenen Kosten nach dem 15. Juni 2000 zu erstatten sind; diese Kosten sind erst nach Ablehnung durch die
Krankenkassen entstanden (BSG vom 15. April 1997 in NZS 97, 569). Der Kläger hat sich vor der
Therapieentscheidung in zumutbarem Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemüht.
Die Leistung "Sachmittelbezug von ‚Viagra‘" ist zu Unrecht abgelehnt worden, da ein Rechtsanspruch des Klägers
hierauf besteht.
Gemäß § 27 Abs. 1 Ziffer 3 in Verbindung mit § 31 SGB V hat der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch
auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Zu diesen gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig -
das für ED zugelassene Medikament "Viagra". Dass die ED eine Erkrankung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1
Satz 1 SGB V darstellt, wird mittlerweile, insbesondere nach dem Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30.
September 1999, B 8 KN 9/98 KR/R, auch von der Beklagten anerkannt. Ein derartiges Leiden liegt beim Kläger, wie
sich aus den Diagnosen der behandelnden Ärzte und aus dem Gutachten des Sachverständigen R. ergibt, vor. Dies
wird von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Wirksamkeit des Medikaments beim Kläger ergibt sich - ebenso wie
die mangelnde Geeignetheit der Vakuumpumpe in seinem Fall - ebenfalls aus den Darlegungen des Sachverständigen
R., an denen zu zweifeln keine Veranlassung besteht. Demgegenüber, nämlich dass eine behandlungsbedürftige und
in den Leistungsbereich der Beklagten fallende Erkrankung vorliegt und dass diese wirksam mit einem zugelassenen
Arzneimittel behandelt wird, das grundsätzlich zum Leistungsumfang der Beklagten zählt, kann diese sich nicht auf
die Ausschlussregelung der Ziffer 17 f. 1 der Arzneimittelrichtlinie berufen. Der Senat folgt insofern der Auffassung
des BSG (a. a. O.), wonach ungeachtet der Diskussion über die Rechtsnatur dieser Richtlinien auch der vorliegende
Fall bereits vom Wortlaut nicht erfasst wird.
Wenn die Richtlinien Mittel ausschließen, bei denen der sexuelle Anreiz und die Steigerung der sexuellen Potenz Ziel
der Behandlung sind, so trifft dies auf den Fall des Klägers nicht zu. Bei ihm geht es vielmehr darum, die nicht mehr
vorhandene Erektionsfähigkeit bei bestehender Libido wiederherzustellen, so dass der Ausschlussgrund nicht vorliegt.
Im Übrigen ermächtigt § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V nicht dazu, im Rahmen der AMRL die Behandlung bestimmter
Krankheiten oder Krankheitssymptome zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung gänzlich auszuschließen
(BSG, a. a. O.).
Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme von Viagra auch nicht die
Regelung der Nr. 17.1 Buchstabe f der auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V geschlossenen AMRL in der
ab 30. September 1998 geltenden Fassung des Beschlusses des BA vom 03. August 1998, zuletzt geändert durch
Bekanntmachung vom 03. Juli 2000, Bundesanzeiger Nr. 179 S. 18864, entgegensteht. Der Senat schließt sich der
Rechtsprechung des Landessozialgerichts Stuttgart (Urteil vom 31. August 2001 - L 4 KR 4350/00) an, wenn dieses
ausführt:
"Der BA war nicht berechtigt, unterschiedslos und ohne eine Differenzierung jegliche notwendige Behandlung einer
erektilen Dysfunktion mit Arzneimitteln, also auch mittels Viagra, auszuschließen. Die Rechtfertigung für die
weitgehende Beschlussregelung in den AMRI lässt sich nicht damit begründen, dass sich der Beigeladene, wie er
selbst vorträgt, nicht in der Lage gesehen hat, eine differenzierte Lösung des von ihm bei der Viagra-Medikation in den
Vordergrund gerückten Problems der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnung zu finden. Auch das BSG hat - entgegen
der Ansicht des Beigeladenen - unter eingehender Würdigung der vom SG gleichfalls beigezogenen Materialien zum
Beschluss des BA vom 03. August 1998 entschieden, dass dem BA die von ihm beanspruchte Kompetenz für den
generellen Ausschluss der Behandlung einer erektilen Dysfunktion mittels Arzneimitteln gefehlt hat. Es obliegt
nämlich danach derzeit nur dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob er die Behandlung von Gesundheitsstörungen, die
nach der herkömmlichen Begriffsbestimmung als "Krankheit" im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V zu verstehen sind, auf
Kosten der solidarisch haftenden Versichertengemeinschaft deshalb untersagen will, weil die Wirtschaftlichkeit der
Verordnung nicht überprüfbar ist. Damit hätte es auch bezüglich Viagra dem Gesetzgeber oblegen, die finanziellen
Auswirkungen der Verordnung von Viagra bei Vorliegen einer erektilen Dysfunktion als Sachleistung, denen hier
aufgrund des Vortrags des Klägers und des Beigeladenen nicht weiter nachzugehen war, ins Blickfeld zu nehmen.
Dieser Ansicht hat sich im Übrigen auch das SG Lüneburg in den rechtskräftig gewordenen Urteilen vom 28. Februar
2000 (S 9 KR 94/99 und S 9 KR 77/99) angeschlossen, wobei die Rechtskraft des zuletzt genannten Urteils
eingetreten ist, nachdem die dortige Beklagte die beim BSG unter dem Aktenzeichen B 1 KR 19/00 R anhängig
gewesene Revision zurückgenommen hat. Der Senat vermag auch der Ansicht der BA, die von ihm beanspruchte
Kompetenz, Viagra als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen, nicht etwa daraus
herzuleiten, dass der Text des § 31 Abs. 1 SGB V durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626)
geändert worden ist. § 31 Abs. 1 SGB V in der bis zur Neufassung durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999
maßgebenden Fassung lautet: Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln,
soweit die Arzneimittel nicht durch § 34 SGB V ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn-
und Blutteststreifen. Durch das Gesetz vom 22. Dezember 1999 erhielt Abs. 1 der genannten Vorschrift zwar folgende
Fassung: Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel
in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind, und auf Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und
Blutteststreifen. Der BA hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen
medizinisch notwendigen Fällen Aminosäuremischungen, Eiweißhydrolysate, Elementardiäten und Sondernahrung
ausnahmsweise in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen werden. Damit soll klargestellt werden, dass nach In-
Kraft-Treten der Neuregelung nach § 33 a SGB V grundsätzlich nur noch die in dieser Rechtsverordnung enthaltenen
Arzneimittel zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen (vgl. BT-Drucksache 14/1245 S. 34 b zu Nr. 17 [§ 31]). Aus
dieser Gesetzesänderung vermag der Senat, abgesehen davon, dass die für das In-Kraft-Treten des § 31 Abs. 1 Satz
1 SB V n. F. maßgebende Verknüpfung der Rechtsverordnung zu § 33 a Abs. 1 SGB V bisher noch nicht erfolgt ist,
nicht zu entnehmen, dass nunmehr der BA die Kompetenz hat, die Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Viagra
auf Kosten der Versichertengemeinschaft deshalb generell zu untersagen, weil die Wirtschaftlichkeit der Verordnung
nicht zu überprüfen sei."
Auch der erkennende Senat sieht angesichts dieser überzeugenden Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-
Württemberg keine Gründe, nach denen die Entscheidung des BSG zur Skat-Therapie (B 8 KN 9/98 KR/R) nicht auf
den vorliegenden Fall übertragbar sein könnte.
Dem stehen auch nicht die von der Beklagten geltend gemachten Wirtschaftlichkeitserwägungen entgegen. Wenn die
Beklagte "Missbrauch" dieses Medikaments durch unwirtschaftliche Anwendung verhindern will, so kann sie dies, wie
vom Sozialgericht zutreffend erkannt, durch Zuzahlungsregelung, unter Umständen sozial gestaffelt, durch
Mengenbegrenzungen oder durch die Begrenzung einer bestimmten Höchstanzahl von Verschreibungen für einen
bestimmten Zeitraum regeln. Dass die Beklagte dies nicht getan hat, sondern statt dessen einen vollständigen
Ausschluss vornehmen will, kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Für eine etwaige unwirtschaftliche
Inanspruchnahme trägt nämlich bei diesem Sachverhalt nicht der Kläger, sondern die Beklagte die Verantwortung.
Die Berufung der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.